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rC3 Vorspannmusik
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Moderatorin: Einen wunderschönen guten
Morgen alle miteinander, herzlich
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willkommen auf der franconian.net Stage.
Am Dienstag es ist aufgrund von
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technischen Problemchen uns nicht ganz
gelungen euch den Talk "Die rosarote
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Brille des Fediverse" in voller Gänze zu
präsentieren, darum haben wir nun hier
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euch ein weiteres mal es neu vorzustellen
und wir wünschen euch viel Spaß ein
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zweites mal und hoffentlich ohne
Unterbrechungen mit dem Talk "Die rosarote
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Brille des Fediverse"
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Erwin Ernst Steinhammer: Das Fediverse.
Unendliche Weiten. Wir befinden uns in
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einer fernen Zukunft. Dies sind die
Abenteuer des pluralistischen öffentlichen
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Diskurses, welcher etliche Hops entfernt
von Lokalhost stattfindet, um fremde
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Meinungen zu entdecken, unbekannte
Lebensformen und neue Zivilisationen. Wir
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finden hier Debatten vor, die nie ein
Mensch zuvor geführt hat. Servus, ich bin
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der Erwin Ernst Steinhammer, auch bekannt
als eest9. Dies ist mein Talk für den
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Remote Chaos Communication Congress über
die rosarote Brille die wir aktuell auf
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haben, wenn wir über das Fediverse
sprechen. Ich selbst studiere hier in Wien
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Politikwissenschaft, bin Vorstandsmitglied
beim Chaos Computer Club Wien und bin sehr
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aktiv in unserer Wiener Hackspace Metalab.
Das ich heute zu euch spreche hat damit zu
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tun, dass sich im Metalab eine lokale
Diskussionsrunde zum Thema digitale
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Öffentlichkeit gegründet hat. Aber viele
von euch werden eventuell noch gar nicht
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so genau wissen, was dieses Fediverse
überhaupt ist. Darum werde ich das nun
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kurz erklären. Das Fediverse ist ein
föderiertes Social Media Netzwerk. Dies
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unterscheidet es von geschlossenen
Plattformen wie Facebook oder Twitter. Ein
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föderiertes Soziales Medien Netzwerk
bedeutet, dass sich viele verschiedene,
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selbst-verwaltete Gemeinschaften, mit
ihren Servern zusammengeschlossen haben um
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in den Diskurs miteinander zu treten.
Anders also als bei geschlossenen Silos
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können im Fediverse die Nutzer:innen
instanzübergreifend miteinander
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kommunizieren. Ähnlich also wie beim
E-mail-Verkehr, bei dem wir Mails
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ebenfalls von einem Server zum anderen
E-mails schicken können um miteinander zu
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reden, können wir also auch im Fediverse
Nachrichten von einer Instanz zu einer
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anderen schicken. Die Standards dahinter
heißen ActivityPub und ActivityStream.
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Anders als bei E-mails, bei denen es
hauptsächlich um den direkten
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Nachrichtenaustausch und seltener um
Gruppen im Form von Mailinglisten geht,
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ist das Fediverse ein Ort in dem vor allem
öffentliche Kommunikation und Diskurs
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stattfinden, und seltener der Austausch
direkter Nachrichten. Dabei ermöglicht das
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Fediverse nicht nur die Abbildung von
Texten, sondern es kann auch eine Vielzahl
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verschiedener Geschmäcker abbilden. Von
Micro-blogging, wie Mastodon, über
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Veranstaltungskalender wie Mobilizon und
digitaler Photoalben wie Pixelfed bis hin
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zu Videopodcasting und Streaming mit
Peertube, kann mensch hier zahlreiche
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Dienste finden. Um hier nur ein Paar zu
nennen. Der Vorteil ist unbeschreiblich.
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Während kleine neue Alternativen zu den
großen geschlossenen Platzhirschen oft
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keine Überlebenschancen haben, oder an
geringer Aktivität aushungern, bietet das
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offene Feld des Fediverse eine Alternative
für neue innovative Ideen. Jede neue
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Anwendung kann durch die Kooperation der
Dienste auf eine bestehende Nutzer:innen
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Basis zurückgreifen, und sie bedienen.
Auch deswegen ist die Nutzer:innen Basis
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und das generelle Interesse am Fediverse
in den letzten Jahren massiv gestiegen.
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Schnell machte sich der Glaube breit,
endlich ein Allheilmittel gegen GAFA
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gefunden zu haben. Doch wir befinden uns
nun vier Jahre nach dem großen Aufschwung
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des Fediverse. Zeit die rosarote Brille
abzunehmen und uns zu fragen: Wie sollte
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öffentlicher Diskurs eigentlich aussehen?
Kann das Fediverse das leisten? Und was
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sind die Gefahren für diese blühende
Kooperation selbst verwalteter
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Gemeinschaften? Aber bevor wir uns diesen
Fragen widmen können, muss ich zunächst
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einmal einen Begriff erklären den ich hier
so selbstverständlich verwendet habe,
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nämlich die Öffentlichkeit. Das ist ein
Begriff aus der Sozialwissenschaft, und
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kein technischer Begriff wie die meisten
von euch wahrscheinlich bereits
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festgestellt haben dürften. Aber auch
Privatsphäre ist eigentlich ein Begriff
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der eher aus der Juristerei oder der
Sozialwissenschaften stammt.
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Datensicherheit wäre ein technischer
Begriff. Was ist Öffentlichkeit und warum
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ist das relevant? Öffentlichkeit ist der
Raum in dem öffentlicher Diskurs
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stattfindet und politische Meinungen
geschaffen werden. In einer Autokratie
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würde eher Entscheidungen öffentlicher
Ämter als Öffentlichkeit betrachtet
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werden. Aber ich richte mich hier nun vor
allem an Personen die in Demokratien
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leben, und hier steht die Öffentlichkeit
eben für den Raum in dem Meinungen
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diskutiert werden. Digitale Öffentlichkeit
steht dann zum Beispiel für online Foren,
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aber in den letzten Jahren ging es im
Diskurs um die digitale Öffentlichkeit vor
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allem um die großen geschlossenen
Plattformen wie Twitter und Facebook. In
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den letzten Jahren aber auch das
Fediverse, welches eine Alternative zu den
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geschlossenen Plattformen bietet. Posts
die ich ins Fediverse stelle sind
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standardmäßig öffentlich. Ich kann sie
jedoch auch auf wenige Personen, etwa auf
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meine Follower, eingrenzen. Hier muss
mensch sich aber fragen wie viele Personen
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erreicht werden. In der Sozialwissenschaft
sprechen wir ab circa 350 Personen von PR.
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Das hat den einfachen Grund dass wir in
Studien sehen das 350 Personen die
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gemessene Grenze an aktiven full- duplex
Kontakten sind, die wir Menschen
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üblicherweise haben. Darüber ist die
Kommunikation meist nur mehr in eine
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Richtung. Daher spreche ich darüber von
Öffentlichkeit. Nur ein kleinerer Kreis
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ist hier für mich im Bereich der
Privatsphäre. Und es gibt verschiedene
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formen wie wir Öffentlichkeit konstruieren
können. Es gibt die übliche liberale oder
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auch sozial-liberale Öffentlichkeit. Dort
sind Medien vor allem im Privatbesitz, sie
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sind "selbst-reguliert", sie sind stark
vom freien Markt dominiert. Müssen sich
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also ständig diesen Marktzwängen gäben.
Und zusätzlich ist der Zugang zur
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Öffentlichkeit, also wie viel
Aufmerksamkeit kann ich erreichen,
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ökonomisch begrenzt. Also ich muss zahlen.
wenn ich eine Öffentlichkeit erreichen
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will. Dies muss nicht immer ein Geldwert
sein, öffentliche Aufmerksamkeit kann
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gegen jede Form von ökonomischem Kapital
oder politischer Macht getauscht werden.
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Ein modernes, demokratisches Gegenkonzept
zu diesem, zu dieser liberalen
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Öffentlichkeit, ist die sogenannte
pluralistische Öffentlichkeit. Eine
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pluralistische Öffentlichkeit sieht ein
bisschen anders aus. Dort ist der Besitz
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von Medien vor allem an Gruppen gebunden,
also diverse soziale Gruppen, manchmal
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auch an Individuen. Auch hier reguliert
sich diese Gruppe mit Hilfe selbst
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gegebener Regeln, aber unterwerfen sich
gesamtgesellschaftlichen Grundprinzipien,
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etwa den Menschenrechten, einer Verfassung
oder gemeinsamen Standards. Und wesentlich
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ist, dass diese Gruppen auch miteinander
kooperieren, sie sind also interoperabel.
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Chantal Mouffe nennt dies eine
Gegnerschaft und stellt diese im Kontrast
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zu einer Feindschaft, welche keine
Interoperabilität hätte. Einer der
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Grundgedanken hinter diese pluralistischen
Öffentlichkeit im Gegensatz zu liberalen,
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ist eben dass die Gesamtgesellschaft nicht
in jedem Punkt einen Kompromiss finden
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muss. Diversität am Meinungen und
Gestaltungsfreiraum ist etwas gutes und
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vor allem lehnt sie auch den Gedanken ab,
dass es den idealen, rationalen Kompromiss
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für alle geben würde. Vielmehr wird hier
davon ausgegangen dass in liberalen
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Gesellschaften die Kompromisse meist jene
Modelle sind, die der Mehrheitselite am
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dienstlichen sind, Pluralistischer
Öffentlichkeit würde hier vielmehr eine
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Koexistenz sozialer Gruppen bevorzugen,
auch in Simulations - Spielen, sieht mensch
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das Diversität die Lebensfähigkeit einer
Gesellschaft fördert. Eine Grenze gibt es
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jedenfalls für jede pluralistische
Öffentlichkeit: sollte nicht zu einer
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Feindschaft kommen, also zu einer
Polarisierung in der verfeindete Gruppen
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einander gegenüberstehen, sondern eben
maximal zu einer Gegnerschaft bei der
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mensch noch immer aufgrund gemeinsamer
gesellschaftliche Standards miteinander
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kooperiert. Wird sie jetzt vielleicht
nicht wundern dass vielfach vorgeschlagen
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wurde dass das Fediverse als eine solche
pluralistische Öffentlichkeit gesehen
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werden sollte. Es gibt dort eben
zahlreiche Communities, ich kann dort auf
-
einer Chaos nahen Instanz sein, auf einen
queeren auf einer POC oder auch auf einer
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mit literarischen oder künstlerischen
Fokus. Je nachdem was meine eigenen
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Interessen sind, und was mal meinen
eigenen sozialen Bezugsgruppen sind, kann
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ich mir dort eine Instanz suchen der ich
beitrete. Aber ich bin dann nicht darauf
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begrenzt das ich nur mit Menschen auf
meiner Instanz kommuniziere. Ich kann mit
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allen anderen Gruppen die im Fediverse
sind ebenfalls kommunizieren. Und wir
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wissen dass das auch sehr stark statt
findet, also Fediverse Nutzen:innen haben
-
wirklich auch starke Verbindungen zu
Nutzer:innen außerhalb ihrer eigenen
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Instanz. Und was auch die rosarote Brille
gefördert haben dürfte, Diskurs läuft im
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Fediverse aufgrund der Struktur anders ab.
Zum Beispiel schreibt das Fediverse seinen
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Nutzer:innen nicht so viel vor. Dieses
Jahr wurde unter anderem stark der
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rassistische Bias des Twitter Algorithmus
bei der Auswahl von Bildausschnitten
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diskutiert. Im Fediverse kann ich dagegen
selbst diese Auswahl treffen. Aber außer
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dieses philosophischen Prinzips der
Algorithmic Souveranity hat das Fediverse
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auch noch eine strukturelle Komponente die
etwas ändert. Wir sehen nämlich dass die
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meisten Instanzen irgendwann zwischen 500
und 1.500 Nutzer:innen die Neuzugänge
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stark einschränken. Und dies führt dazu,
dass im Fediverse ein:e Moderator:in auf
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ungefähr 750 Nutzer:innen kommt. Noch dazu
sind diese Moderator:innen selbst teil
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meiner sozialen Gruppe und sitzen nicht
wie bei Twitter oder Facebook irgendwo in
-
einem anderen Land ohne sozialen Bezug.
Was dazu führt, dass sie den sozialen
-
Kontext von Posts besser erkennen können,
und auch über den direkten Kontakt mit dem
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Poster:innen stehen, und sie etwa auch
darum bitten können echte Content Warnings
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zu verwenden. Dass die meisten Instanzen
darüber zu machen, liegt vor allem auch
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daran dass der Moderationsaufwand ab 500
bis 1.500 Nutzer:innen die eigenen
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Moderationskapazitäten übersteigen. Es
sind also weniger die Ressourcen für die
-
Server sondern viel mehr jene für die
Moderation. Aber es gibt auch Gefahren für
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diesen Pluralismus, einer davon ist
Blocking. Wir sind nämlich darauf
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angewiesen zu blockieren, auch wenn dieses
erstes Paradox erscheint, nachdem wir
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diese pluralistische Gesellschaft haben
die nur einer Gegnerschaft nicht auf einer
-
Feindschaft basieren sollte. Es gibt auch
Menschen die es nicht nur gut meinen, und die
-
pluralistische Öffentlichkeit lässt das
durchaus zu Personen und Gruppen zu
-
blockieren, die das gemeinsame Fundament
der Gesellschaft verlassen haben. Dies
-
beschreibt einerseits schon Chantal
Mouffe, auf die das Konzept der
-
pluralistischen Öffentlichkeit zurückgeht,
aber viel bekannter ist dass
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Toleranzparadoxon von Sir Karl Popper.
Nach ihm darf eine tolerante Gesellschaft
-
nicht tolerant gegenüber der Intoleranz
sein, wenn diese keinem rationalen und
-
offenen Diskurs mehr zugänglich ist. Und
für mich ist dieses Fundament der
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Gesellschaft der Artikel 1 Satz 1 der
allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:
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alle Menschen sind frei und gleich an
Würde und Recht geboren. Und wer das
-
ablehnt, verlässt dieses Fundament, das
sind zum Beispiel Nazis, TERFS et cetera.
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Zurück zum Fediverse, aber es gibt
verschiedene Arten von Blocks und nicht
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jeder Block ist für diese
gesellschaftliche Debatte überhaupt
-
relevant. Nämlich wenn ich mich persönlich
entscheide jemensch zu blockieren, ist es
-
völlig in Ordnung und egal aus welchen
Gründen. Dies kann ich selbst für mich
-
entscheiden. Das kann sein weil, ich mich
mit einem Freund gestritten habe, es kann
-
aber auch rein zufällig [...] sein. Für
uns relevant ist also nicht der
-
individuelle Block, für uns relevant sind
kollektive Blocks. Einerseits kollektive
-
Blocks von Individuen wie wir sie zum Beispiel
von Twitter mit Blockinglisten kennen.
-
Aber im Fediverse viel relevanter ist wenn
eine Instanz ein Individuum oder eine
-
andere Instanz blockiert bzw. deföderiert.
Ein Individuum das blockiert wurde kann
-
diesen Block auch umgehen, indem es einen
neuen Account erstellt. Das kann auf
-
derselben Instanz aber auch auf einer
anderen Instanz sein. Was das Individuum
-
dadurch verliert sind all die Verbindungen
zu ihren Kontakten und müsste diese neu
-
aufbauen. Mensch kann jetzt sagen, ja
das ist nicht so schlimm wenn diese Person
-
zum Beispiel homophob oder transfeindlich
war. Das bedeutet nämlich dass die Person
-
all ihre homophoben und transfeindlichen
Kontakte aufgeben müsste, um wieder mit
-
dem Großteil des Fediverse im Kontakt
treten zu können. Es gibt hier also einen
-
dezidierten Pfad der Deradikalisierung.
Wenn einer Instanz blockiert, gibt es
-
dagegen keinen Mechanismus der diesen
Block wieder aufhebt wenn diese Instanz
-
sich gebessert hat oder fälschlicherweise
blockiert wird. Wir haben ein reales
-
Beispiel dafür, das war Gab, eine so
genannte "free speech" Instanz die vor
-
allem von Rechtsradikalen und
Rechtsextremen gebildet wurde. Das hat
-
übrigens sehr gut funktioniert, also das
Blocken dieser Instanz, das heißt dass das
-
Fediverse ist Nazi-resistent. Aber auch
Instanzen die mit Gab föderiert haben
-
wurden blockiert. Nun, die Argumentation
dafür ist natürlich sinnvoll: wenn die
-
nicht bereit sind Nazis zu blockieren,
dann kann ich meinen eigenen Nutzer:innen
-
nicht garantieren dass sie sich sicher
sind, wenn sie diese Leute weiterhin
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ausgesetzt sind oder indirekt ausgesetzt
sind. Also entschied mensch sich auch jene
-
die Gab nicht blockiert haben zu
blockieren. Die frage ist nun was passiert
-
wenn eine Instanz bloß noch nicht bemerkt
hat dass Gab das gemeinsame
-
gesellschaftliche Fundament verlassen hat,
oder die Instanz war sich anfänglich
-
einfach noch nicht sicher, und entschied
sich schlussendlich Gab doch zu
-
blockieren. Diese Instanz aktuell
eigentlich keine Möglichkeit wieder ins
-
System zurück zu finden und die soziale
Gruppe bzw. Personen darauf haben keine
-
Möglichkeit mehr sich zu deradikalisieren
weil ihre eigenen Kontakte von denen sie
-
nicht blockiert sind nur mehr
rechtsextreme auf Gab sind. Daher ist mein
-
Argument klar: Instanzen sollen andere
Instanzen blockieren dürfen, sie sollen
-
sich auch selbst die Regeln dafür geben
dürfen. Also es kann beispielsweise eine
-
Instanz geben die etwa mit kapitalistisch
geprägten Instanzen nicht föderieren will.
-
Ist völlig in Ordnung wenn sie das so
schriftlich in einem Code of Conduct
-
festhalten. Dann gäbe es klare Regeln an
denen sich andere Instanzen orientieren
-
können. Das tun die meisten Instanzen auch
bereits. Was es allerdings aktuell nicht
-
gibt sind Einspruchsmechanismen, falls
Individuen oder Instanzen
-
fälschlicherweise blockiert wurden, oder
sich gebessert haben. Um dem gerecht zu
-
werden, würde schon reichen eine zweite
Moderationsperson zu haben die bei einem
-
Einspruch einen Kontrollblick macht. Dazu
müsste ein Kontakt an dem mensch sich
-
wenden kann in Code of Conduct angeführt
werden. Um Missbrauch vorzubeugen wäre es
-
auch in Ordnung festzulegen dass mensch
nur einmal pro Jahr oder alle drei Jahre
-
einen Einspruch einlegen kann. Das ist es
aber viel wichtiger für Instanzen, den
-
Einzelpersonen die sich deradikalisiert
haben können ihre Identität auch zu einem
-
nicht geblockten Server umziehen. Die
zweite, viel größere Gefahr sind aber
-
korrupter Server, also Instanzen die sich
nicht an den gemeinsamen Standard halten.
-
Ich muss jetzt etwas ausholen. Wir sehen
dass sich die Größe von Instanzen genauso
-
verhält wie die Größe von Städten, oder
Dörfern. Es heißt, die größten ein bis
-
drei Instanzen haben gemeinsam genug
Dominanz dass wenn sie vom Standard
-
abweichen alle kleineren Instanzen ihnen
nach wandern würden, da sie weiterhin mit
-
dem Großteil des Fediverse im Kontakt
bleiben wollen. Das Prinzip dahinter nennt
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sich Zipfs Law, aber das kennen wir eben,
wie gesagt, bereits von Städten. Und so
-
verhalten sich auch die Instanzen. Wir
sind aber nicht darauf vorbereitet, wenn
-
einer dieser großen Instanzen korrupt
wird. Was ist wenn die größte Mastodon
-
Instanz sich dazu entscheidet ihre
Nutzer:innen einzusperren, also die
-
Föderation abzuschalten. Plötzlich könnten
die Nutzer:innen dann nur mit dem
-
Nutzer:innen auf der eigenen Instanz
kommunizieren. Was für die Nutzer:innen
-
der größten Instanz eigentlich kaum ein
Problem sein wird, denn sie haben einen
-
großen Pool an Freund:innen mit denen sie
weiterhin kommunizieren können. Aber Leute
-
auf kleinen Instanzen oder Leute die sich
eigene Instanzen geschaffen haben, können
-
mit dem Großteil der Nutzer:innen im
Fediverse nicht mehr kommunizieren, und
-
das sind daher entweder darauf angewiesen
selbst wieder auf die große Instanz
-
umzusehen oder ihre eigenen Server
aufzugeben. Geschichtlich sehen wir diese
-
Probleme nicht nur im Fediverse, es ist
auch bei RSS oder XMPP passiert. Das kann
-
auch im Fediverse passieren. Das ist vor
allem auch eine Gefahr der wir kurz
-
bevorstehen, denn in Digital Services Act,
der kürzlich von der EU Kommission
-
vorgestellt wurde, stehen auch
Verpflichtungen zur Interoperabilität für
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Gatekeeper, also etwa Twitter oder
Facebook. Diese müssten dann ihre APIs
-
soweit freischalten, dass sie theoretisch
mit dem Fediverse kompatibel werden. Das
-
würde bedeuten, dass Fediverse Instanzen
die Standards von Facebook und Twitter
-
übernehmen, weil sie zukünftig mit diesen
in Kontakt treten wollen. Und wir sind
-
überhaupt nicht darauf vorbereitet. Nun
viele dieser beiden Probleme die ich
-
bereits angesprochen habe könnten gelöst
werden, wenn wir eine größere User
-
Portability schaffen würden. Aktuell
bietet Mastodon eine relativ gute
-
Möglichkeit an, aber wenn sich eine
Mastodon Instanz dazu entscheidet ihre
-
Nutzer:innen einzusperren, könnten diese
auch nicht mehr den Server wechseln. Es
-
gibt hier Ideen der Dezentral - Identität. DID ist
einer dieser Konzepte, die auch irgendwie
-
im W3C standardisiert werden. Und die
könnten hier wirklich auch ein Game
-
Changer werden. Aber in Hinblick auf den
Digital Services Act der Europäischen
-
Union sollten wir nicht nur dafür sorgen,
dass die Interoperabilität der Gatekeeper
-
ausgebaut wird, sondern auch dass diese
Interoperabilität auch auf einer User
-
Portability gebunden wird, so dass
Nutzer:innen ihre Profile mit ihren
-
Kontakten umziehen können, und von einer
Instanz zu einer anderen, von Gatekeepern
-
zu kleineren, aber natürlich wird es
vereinzelt auch den umgekehrten Strom
-
geben. Eine andere Frage ist, wenn
Facebook und Twitter öffnen müssen: die
-
haben doch dieselben Moderationsprobleme
wie Gab. Wir sehen dort sehr viel
-
rechtsextremen Content. Viele von uns sind
deswegen überhaupt erst geflüchtet, in
-
queere Gruppen, in FINT Gruppen et cetera,
um dort einen Safe Space in Fediverse zu
-
haben. Plötzlich sind Facebook und Twitter
dazu angewiesen zu öffnen, und wir
-
begrüßen dass ("juhu"), und übersehen
dabei, dass dort sehr viel Hass existiert
-
den wir im Fediverse gar nicht haben
wollen. Also müssen wir, wenn wir uns
-
selbst die Code of Conduct geben, Facebook
und Twitter blockieren, und können deren
-
Nutzer:innen gar nicht zu uns umziehen.
Das ist ein Problem für das ich selbst nur
-
noch keine Lösung habe. Auf Facebook und
Twitter ist das Verhältnis von
-
Moderator:innen zum Nutzer:innen gewaltig.
als es gibt kaum Moderator:innen für die
-
vielen Nutzer:inner. Wir kennen das genaue
Verhältnis nicht, und noch dazu befindet
-
sich deren Moderator:innen oft in einem
ganz anderen sozialen Kontext als die
-
Nutzer:innen, wodurch es oft zu falschen
Löschungen kommt. Aber eben andererseits
-
auch das viel Hass durchkommt durch die
Moderation, dem wir im Fediverse gar nicht
-
haben wollen. Wie gehen wir damit um? Ich
weiß es nicht. Einerseits wollen wir ja
-
dass deren Services aufgebrochen werden.
"Break them Open" ist ein Spruch den ich
-
in den letzten beiden Jahren immer wieder
am Kongress gehört habe, in Bezug auf die
-
großen Plattformen. Aber wenn diese
Aufbrechen und plötzlich Interoperability
-
bieten müssen für das Fediverse können wir
trotzdem nicht mit ihnen föderieren, weil
-
wir uns selbst Regeln gegen
Rechtsextremismus, gegen Homophobie und
-
gegen Transfeindlichkeit gegeben haben.
Und andererseits wollen wir diese
-
Nutzer:innen irgendwie befreien. Dies
werden wir wohl das nächste Jahr intensiv
-
diskutieren müssen, und wir müssen uns
auch überlegen was dies für den Digital
-
Services Act bedeutet, und wie wir ihn
beeinflussen müssen um das Fediverse nicht
-
zu gefährden, aber die Services trotzdem
erfolgreich aufzubrechen. Ich freue mich
-
jetzt auf die Diskussion mit euch.
-
Moderatorin: Viel, vielen dank für diesen
wunderbaren Tag eest9, und wir haben auch
-
schon von Dienstag schon ein paar Fragen
die ich Dir stellen werde, Im ersten: gibt
-
es die Daten Portabilität nicht schon
durch den DSGVO?
-
Erwin: Also, es gibt durch den DSGVO
tatsächlich eine Daten Portabilität, und
-
die beinhaltet eben auch maschinenlesbare
Daten. Aber User Portability ist nicht
-
dasselbe wie Daten Portability. Bei der
User Portability muss ich auch bestätigen
-
dass ich dieselbe Person bin, und dass ich
berechtigt bin die Person die der alte
-
Account gefolgt ist wieder zu folgen, und
das die mir wieder folgen. Ansonsten würde
-
ich ja diese ganzen Kontakte wieder
aufgeben. Und das benötigt einen
-
Verifikationsschritt, und dazu gibt es
eben verschiedenste Ideen wie man das
-
unabhängig von der Ursprungsinstanz machen
kann. Damit man eben, falls die Instanz
-
entscheidet Blocking, falls sich die Instanz entscheidet
Föderation abzuschalten oder so.
-
Davon nicht betroffen ist und andererseits
es natürlich unabhängig von den
-
Gatekeepern zu machen weil es die falls
wir die aufbrechen wie es im DSA
-
stehen würde
Moderatorin: Gut! Hast Du den Eindruck
-
dass kleine föderierte Systeme im DSA mit
gedacht wurden und, falls nicht, was
-
können wir dafür tun.
Erwin: [...] Ja, die kleinen föderierte
-
Systeme wurden eigentlich nicht wirklich
mit gedacht bei der Kommission, aber das
-
ist erst der erste Schritt im Prozess.
Als nächstes kommt der DSA ins Parlament
-
und bzw. ist schon im europäischen
Parlament und wird auch noch zwischen den
-
europäischen Regierungen verhandelt, und
vor allem im Parlament haben wir schon
-
einzelne Abgeordnete die im Fediverse
sind, oder das Fediverse kennen, und da eine
-
gewisse Priorität darinnen sehen.
Natürlich müssen wir dort die Leute noch
-
weiter ansprechen damit wir nicht nur
irgendwie bei den Linken und Grünen
-
bleiben, sonst vielleicht auch die
Liberalen und Sozialdemokrat:innen et
-
cetera überzeugen. Auf der anderen Seite
sind natürlich die nationalen Regierungen,
-
das wird viel spannender dass wir dort auf
die Regierungen zu gehen. Wir hatten
-
gestern tatsächlich auch eine
Diskussionsrunde dazu, wie können wir auf
-
diese Regierungen zugehen. Geht zu einem
lokalen NGO, spricht das Thema
-
Interoperability und und User Portability
an, und das Fediverse und und helft ihnen
-
vielleicht oft ist ein Ressourcenproblem
warum diese Themen neben den großen Themen
-
im DSA nicht so sehr mit diskutiert
werden, weil der Fokus der meisten NGOs
-
liegt aktuell auf Liability und
Reliability insofern helft denen auch
-
etwas zu Interoperability zu machen, dann
geht da natürlich mehr weiter.
-
Moderatorin: Wie ideal sind die Bemühungen
der Gesetzgeber die großen Netzwerke
-
aufzubrechen, und wird dabei explizit von
ActivityPub und Fediverse gesprochen?
-
Erwin: Es wird nicht explizit von
ActivityPub und Fediverse gesprochen, und
-
vom jetzigen Kommissionsentwurf kann es in
beide Richtungen gehen. In eine Richtung
-
die mehr Interoperability bedeutet, und in
eine Richtung die nur gewisse APIs
-
aufbrechen will quasi. Aktuell steht
nämlich drinnen eben das APIs existieren,
-
für alle verfügbar sein müssen, bei den
Gatekeepern oder Kriterien wann die
-
Kommission jemanden als Gatekeeper
einsetzt. Aber dieser Prozess ist eben
-
noch offen, wie die Gesetzgebung hier
weitergeht ... das Parlament wird
-
vermutlich auf mehr Öffnung drängen, und
der Rat auf weniger Öffnung, dass währe
-
zumindest das typische Verhalten. Aber
Politik ist immer wieder mal überraschend.
-
Moderatorin: Das automatische blockieren
von Instanzen die Inhalte von bereits
-
blockierten Instanzen föderieren ähnelt
etwas dem Verhalten der USA ihre
-
Handelssanktionen anderen Ländern mittels
Sanktionen aufzuzwingen. Diese Gedanken
-
spielen oder spielten dabei für die
Abwägung im Fediverse eine Rolle?
-
Erwin: Also manchen Instanzen entscheiden
sich eben dazu für ihre Nutzer:innen vor
-
allem ein Safe Space zu sein, oder ein
Space zu sein wo sie sich frei entfalten
-
können, weil das auf Facebook, Twitter et cetera
oft nicht in dieser Form gegeben ist. Und
-
die befürchten eben das einerseits dieser
Hass der auf den anderen Plattformen
-
existiert dann indirekt doch auf sie
zurückfällt, vor allem könnte ihr Content so
-
auch über Umwege von diesen geblockten
Instanzen gefunden werden. Der andere
-
Grund ist, dass viele dieser Instanzen die
überhaupt noch zum Beispiel mit Gab
-
föderiert haben, oft eben selbst auch sehr
viel Hass Content haben oder fast
-
ausschließlich Kontakte mit diesen,
insofern liegen die tatsächlich dort mehr
-
an der Peripherie und dann entschieden
sich eben einzelne Admins dass sie die mit
-
blockieren wollen. Das ist natürlich eine
Diskussione die nicht abgeschlossen, ist
-
ob das so gut ist oder nicht. Da bin ich
mir auch selbst nicht ganz so sicher aber
-
ich würde keinen Admin verurteilen der
ebenso eine Instanz blockiert, weil es ist
-
immer noch so lang sie es begründen deren
eigenen Instanz in der sie eben selbst
-
Entscheidung treffen können.
Moderatorin: Wäre es ein Kompromiss die
-
Föderation mit kaputten großen Plattformen
nur über Allow Lists deren Einträgen über
-
den eigenen Instanz Modus beantragt werden
zu gestalten?
-
Erwin: Genau, die den Vorfall gestern in
der Diskussionsrunde auch gehört, dass man
-
quasi ... nicht dass sie mit Facebook wenn
es aufgebrochen wird föderiert, sondern
-
eben nur mit einzelnen User ...
Nutzer:innen die man erlaubt. Das muss ich
-
mir noch länger durch den Kopf gehen
lassen, das ist ein interessanter
-
Diskussionspunkt für das nächste Jahr. Es könnte
funktionieren, aber ich habe gestern eben
-
auch Stimmen gehört, zum Beispiel von ...
Christopher Lemmer Webber, der ActivityPub
-
mitgeschrieben hat, dass er nicht ... also
dass er das nicht für die Lösung hält. Ja
-
werden wir diskutiert diskutieren müssen
im nächsten Jahr.
-
Moderatorin: Bis dahin gibt es im Moment
noch keine weiteren Fragen. Ich bedanke
-
mich schon mal. Und schön dass es diesmal
auch ohne Probleme geklappt hat ...
-
ansonsten noch viel Spaß den letzten Tag
vom rC3, bleib gesund, bleibt alle gesund
-
und bis demnächst!
-
Abspannmusik
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Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2021. Mach mit und hilf uns!