rC3 Vorspannmusik
Moderatorin: Einen wunderschönen guten
Morgen alle miteinander, herzlich
willkommen auf der franconian.net Stage.
Am Dienstag es ist aufgrund von
technischen Problemchen uns nicht ganz
gelungen euch den Talk "Die rosarote
Brille des Fediverse" in voller Gänze zu
präsentieren, darum haben wir nun hier
euch ein weiteres mal es neu vorzustellen
und wir wünschen euch viel Spaß ein
zweites mal und hoffentlich ohne
Unterbrechungen mit dem Talk "Die rosarote
Brille des Fediverse"
Erwin Ernst Steinhammer: Das Fediverse.
Unendliche Weiten. Wir befinden uns in
einer fernen Zukunft. Dies sind die
Abenteuer des pluralistischen öffentlichen
Diskurses, welcher etliche Hops entfernt
von Lokalhost stattfindet, um fremde
Meinungen zu entdecken, unbekannte
Lebensformen und neue Zivilisationen. Wir
finden hier Debatten vor, die nie ein
Mensch zuvor geführt hat. Servus, ich bin
der Erwin Ernst Steinhammer, auch bekannt
als eest9. Dies ist mein Talk für den
Remote Chaos Communication Congress über
die rosarote Brille die wir aktuell auf
haben, wenn wir über das Fediverse
sprechen. Ich selbst studiere hier in Wien
Politikwissenschaft, bin Vorstandsmitglied
beim Chaos Computer Club Wien und bin sehr
aktiv in unserer Wiener Hackspace Metalab.
Das ich heute zu euch spreche hat damit zu
tun, dass sich im Metalab eine lokale
Diskussionsrunde zum Thema digitale
Öffentlichkeit gegründet hat. Aber viele
von euch werden eventuell noch gar nicht
so genau wissen, was dieses Fediverse
überhaupt ist. Darum werde ich das nun
kurz erklären. Das Fediverse ist ein
föderiertes Social Media Netzwerk. Dies
unterscheidet es von geschlossenen
Plattformen wie Facebook oder Twitter. Ein
föderiertes Soziales Medien Netzwerk
bedeutet, dass sich viele verschiedene,
selbst-verwaltete Gemeinschaften, mit
ihren Servern zusammengeschlossen haben um
in den Diskurs miteinander zu treten.
Anders also als bei geschlossenen Silos
können im Fediverse die Nutzer:innen
instanzübergreifend miteinander
kommunizieren. Ähnlich also wie beim
E-mail-Verkehr, bei dem wir Mails
ebenfalls von einem Server zum anderen
E-mails schicken können um miteinander zu
reden, können wir also auch im Fediverse
Nachrichten von einer Instanz zu einer
anderen schicken. Die Standards dahinter
heißen ActivityPub und ActivityStream.
Anders als bei E-mails, bei denen es
hauptsächlich um den direkten
Nachrichtenaustausch und seltener um
Gruppen im Form von Mailinglisten geht,
ist das Fediverse ein Ort in dem vor allem
öffentliche Kommunikation und Diskurs
stattfinden, und seltener der Austausch
direkter Nachrichten. Dabei ermöglicht das
Fediverse nicht nur die Abbildung von
Texten, sondern es kann auch eine Vielzahl
verschiedener Geschmäcker abbilden. Von
Micro-blogging, wie Mastodon, über
Veranstaltungskalender wie Mobilizon und
digitaler Photoalben wie Pixelfed bis hin
zu Videopodcasting und Streaming mit
Peertube, kann mensch hier zahlreiche
Dienste finden. Um hier nur ein Paar zu
nennen. Der Vorteil ist unbeschreiblich.
Während kleine neue Alternativen zu den
großen geschlossenen Platzhirschen oft
keine Überlebenschancen haben, oder an
geringer Aktivität aushungern, bietet das
offene Feld des Fediverse eine Alternative
für neue innovative Ideen. Jede neue
Anwendung kann durch die Kooperation der
Dienste auf eine bestehende Nutzer:innen
Basis zurückgreifen, und sie bedienen.
Auch deswegen ist die Nutzer:innen Basis
und das generelle Interesse am Fediverse
in den letzten Jahren massiv gestiegen.
Schnell machte sich der Glaube breit,
endlich ein Allheilmittel gegen GAFA
gefunden zu haben. Doch wir befinden uns
nun vier Jahre nach dem großen Aufschwung
des Fediverse. Zeit die rosarote Brille
abzunehmen und uns zu fragen: Wie sollte
öffentlicher Diskurs eigentlich aussehen?
Kann das Fediverse das leisten? Und was
sind die Gefahren für diese blühende
Kooperation selbst verwalteter
Gemeinschaften? Aber bevor wir uns diesen
Fragen widmen können, muss ich zunächst
einmal einen Begriff erklären den ich hier
so selbstverständlich verwendet habe,
nämlich die Öffentlichkeit. Das ist ein
Begriff aus der Sozialwissenschaft, und
kein technischer Begriff wie die meisten
von euch wahrscheinlich bereits
festgestellt haben dürften. Aber auch
Privatsphäre ist eigentlich ein Begriff
der eher aus der Juristerei oder der
Sozialwissenschaften stammt.
Datensicherheit wäre ein technischer
Begriff. Was ist Öffentlichkeit und warum
ist das relevant? Öffentlichkeit ist der
Raum in dem öffentlicher Diskurs
stattfindet und politische Meinungen
geschaffen werden. In einer Autokratie
würde eher Entscheidungen öffentlicher
Ämter als Öffentlichkeit betrachtet
werden. Aber ich richte mich hier nun vor
allem an Personen die in Demokratien
leben, und hier steht die Öffentlichkeit
eben für den Raum in dem Meinungen
diskutiert werden. Digitale Öffentlichkeit
steht dann zum Beispiel für online Foren,
aber in den letzten Jahren ging es im
Diskurs um die digitale Öffentlichkeit vor
allem um die großen geschlossenen
Plattformen wie Twitter und Facebook. In
den letzten Jahren aber auch das
Fediverse, welches eine Alternative zu den
geschlossenen Plattformen bietet. Posts
die ich ins Fediverse stelle sind
standardmäßig öffentlich. Ich kann sie
jedoch auch auf wenige Personen, etwa auf
meine Follower, eingrenzen. Hier muss
mensch sich aber fragen wie viele Personen
erreicht werden. In der Sozialwissenschaft
sprechen wir ab circa 350 Personen von PR.
Das hat den einfachen Grund dass wir in
Studien sehen das 350 Personen die
gemessene Grenze an aktiven full- duplex
Kontakten sind, die wir Menschen
üblicherweise haben. Darüber ist die
Kommunikation meist nur mehr in eine
Richtung. Daher spreche ich darüber von
Öffentlichkeit. Nur ein kleinerer Kreis
ist hier für mich im Bereich der
Privatsphäre. Und es gibt verschiedene
formen wie wir Öffentlichkeit konstruieren
können. Es gibt die übliche liberale oder
auch sozial-liberale Öffentlichkeit. Dort
sind Medien vor allem im Privatbesitz, sie
sind "selbst-reguliert", sie sind stark
vom freien Markt dominiert. Müssen sich
also ständig diesen Marktzwängen gäben.
Und zusätzlich ist der Zugang zur
Öffentlichkeit, also wie viel
Aufmerksamkeit kann ich erreichen,
ökonomisch begrenzt. Also ich muss zahlen.
wenn ich eine Öffentlichkeit erreichen
will. Dies muss nicht immer ein Geldwert
sein, öffentliche Aufmerksamkeit kann
gegen jede Form von ökonomischem Kapital
oder politischer Macht getauscht werden.
Ein modernes, demokratisches Gegenkonzept
zu diesem, zu dieser liberalen
Öffentlichkeit, ist die sogenannte
pluralistische Öffentlichkeit. Eine
pluralistische Öffentlichkeit sieht ein
bisschen anders aus. Dort ist der Besitz
von Medien vor allem an Gruppen gebunden,
also diverse soziale Gruppen, manchmal
auch an Individuen. Auch hier reguliert
sich diese Gruppe mit Hilfe selbst
gegebener Regeln, aber unterwerfen sich
gesamtgesellschaftlichen Grundprinzipien,
etwa den Menschenrechten, einer Verfassung
oder gemeinsamen Standards. Und wesentlich
ist, dass diese Gruppen auch miteinander
kooperieren, sie sind also interoperabel.
Chantal Mouffe nennt dies eine
Gegnerschaft und stellt diese im Kontrast
zu einer Feindschaft, welche keine
Interoperabilität hätte. Einer der
Grundgedanken hinter diese pluralistischen
Öffentlichkeit im Gegensatz zu liberalen,
ist eben dass die Gesamtgesellschaft nicht
in jedem Punkt einen Kompromiss finden
muss. Diversität am Meinungen und
Gestaltungsfreiraum ist etwas gutes und
vor allem lehnt sie auch den Gedanken ab,
dass es den idealen, rationalen Kompromiss
für alle geben würde. Vielmehr wird hier
davon ausgegangen dass in liberalen
Gesellschaften die Kompromisse meist jene
Modelle sind, die der Mehrheitselite am
dienstlichen sind, Pluralistischer
Öffentlichkeit würde hier vielmehr eine
Koexistenz sozialer Gruppen bevorzugen,
auch in Simulations - Spielen, sieht mensch
das Diversität die Lebensfähigkeit einer
Gesellschaft fördert. Eine Grenze gibt es
jedenfalls für jede pluralistische
Öffentlichkeit: sollte nicht zu einer
Feindschaft kommen, also zu einer
Polarisierung in der verfeindete Gruppen
einander gegenüberstehen, sondern eben
maximal zu einer Gegnerschaft bei der
mensch noch immer aufgrund gemeinsamer
gesellschaftliche Standards miteinander
kooperiert. Wird sie jetzt vielleicht
nicht wundern dass vielfach vorgeschlagen
wurde dass das Fediverse als eine solche
pluralistische Öffentlichkeit gesehen
werden sollte. Es gibt dort eben
zahlreiche Communities, ich kann dort auf
einer Chaos nahen Instanz sein, auf einen
queeren auf einer POC oder auch auf einer
mit literarischen oder künstlerischen
Fokus. Je nachdem was meine eigenen
Interessen sind, und was mal meinen
eigenen sozialen Bezugsgruppen sind, kann
ich mir dort eine Instanz suchen der ich
beitrete. Aber ich bin dann nicht darauf
begrenzt das ich nur mit Menschen auf
meiner Instanz kommuniziere. Ich kann mit
allen anderen Gruppen die im Fediverse
sind ebenfalls kommunizieren. Und wir
wissen dass das auch sehr stark statt
findet, also Fediverse Nutzen:innen haben
wirklich auch starke Verbindungen zu
Nutzer:innen außerhalb ihrer eigenen
Instanz. Und was auch die rosarote Brille
gefördert haben dürfte, Diskurs läuft im
Fediverse aufgrund der Struktur anders ab.
Zum Beispiel schreibt das Fediverse seinen
Nutzer:innen nicht so viel vor. Dieses
Jahr wurde unter anderem stark der
rassistische Bias des Twitter Algorithmus
bei der Auswahl von Bildausschnitten
diskutiert. Im Fediverse kann ich dagegen
selbst diese Auswahl treffen. Aber außer
dieses philosophischen Prinzips der
Algorithmic Souveranity hat das Fediverse
auch noch eine strukturelle Komponente die
etwas ändert. Wir sehen nämlich dass die
meisten Instanzen irgendwann zwischen 500
und 1.500 Nutzer:innen die Neuzugänge
stark einschränken. Und dies führt dazu,
dass im Fediverse ein:e Moderator:in auf
ungefähr 750 Nutzer:innen kommt. Noch dazu
sind diese Moderator:innen selbst teil
meiner sozialen Gruppe und sitzen nicht
wie bei Twitter oder Facebook irgendwo in
einem anderen Land ohne sozialen Bezug.
Was dazu führt, dass sie den sozialen
Kontext von Posts besser erkennen können,
und auch über den direkten Kontakt mit dem
Poster:innen stehen, und sie etwa auch
darum bitten können echte Content Warnings
zu verwenden. Dass die meisten Instanzen
darüber zu machen, liegt vor allem auch
daran dass der Moderationsaufwand ab 500
bis 1.500 Nutzer:innen die eigenen
Moderationskapazitäten übersteigen. Es
sind also weniger die Ressourcen für die
Server sondern viel mehr jene für die
Moderation. Aber es gibt auch Gefahren für
diesen Pluralismus, einer davon ist
Blocking. Wir sind nämlich darauf
angewiesen zu blockieren, auch wenn dieses
erstes Paradox erscheint, nachdem wir
diese pluralistische Gesellschaft haben
die nur einer Gegnerschaft nicht auf einer
Feindschaft basieren sollte. Es gibt auch
Menschen die es nicht nur gut meinen, und die
pluralistische Öffentlichkeit lässt das
durchaus zu Personen und Gruppen zu
blockieren, die das gemeinsame Fundament
der Gesellschaft verlassen haben. Dies
beschreibt einerseits schon Chantal
Mouffe, auf die das Konzept der
pluralistischen Öffentlichkeit zurückgeht,
aber viel bekannter ist dass
Toleranzparadoxon von Sir Karl Popper.
Nach ihm darf eine tolerante Gesellschaft
nicht tolerant gegenüber der Intoleranz
sein, wenn diese keinem rationalen und
offenen Diskurs mehr zugänglich ist. Und
für mich ist dieses Fundament der
Gesellschaft der Artikel 1 Satz 1 der
allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:
alle Menschen sind frei und gleich an
Würde und Recht geboren. Und wer das
ablehnt, verlässt dieses Fundament, das
sind zum Beispiel Nazis, TERFS et cetera.
Zurück zum Fediverse, aber es gibt
verschiedene Arten von Blocks und nicht
jeder Block ist für diese
gesellschaftliche Debatte überhaupt
relevant. Nämlich wenn ich mich persönlich
entscheide jemensch zu blockieren, ist es
völlig in Ordnung und egal aus welchen
Gründen. Dies kann ich selbst für mich
entscheiden. Das kann sein weil, ich mich
mit einem Freund gestritten habe, es kann
aber auch rein zufällig [...] sein. Für
uns relevant ist also nicht der
individuelle Block, für uns relevant sind
kollektive Blocks. Einerseits kollektive
Blocks von Individuen wie wir sie zum Beispiel
von Twitter mit Blockinglisten kennen.
Aber im Fediverse viel relevanter ist wenn
eine Instanz ein Individuum oder eine
andere Instanz blockiert bzw. deföderiert.
Ein Individuum das blockiert wurde kann
diesen Block auch umgehen, indem es einen
neuen Account erstellt. Das kann auf
derselben Instanz aber auch auf einer
anderen Instanz sein. Was das Individuum
dadurch verliert sind all die Verbindungen
zu ihren Kontakten und müsste diese neu
aufbauen. Mensch kann jetzt sagen, ja
das ist nicht so schlimm wenn diese Person
zum Beispiel homophob oder transfeindlich
war. Das bedeutet nämlich dass die Person
all ihre homophoben und transfeindlichen
Kontakte aufgeben müsste, um wieder mit
dem Großteil des Fediverse im Kontakt
treten zu können. Es gibt hier also einen
dezidierten Pfad der Deradikalisierung.
Wenn einer Instanz blockiert, gibt es
dagegen keinen Mechanismus der diesen
Block wieder aufhebt wenn diese Instanz
sich gebessert hat oder fälschlicherweise
blockiert wird. Wir haben ein reales
Beispiel dafür, das war Gab, eine so
genannte "free speech" Instanz die vor
allem von Rechtsradikalen und
Rechtsextremen gebildet wurde. Das hat
übrigens sehr gut funktioniert, also das
Blocken dieser Instanz, das heißt dass das
Fediverse ist Nazi-resistent. Aber auch
Instanzen die mit Gab föderiert haben
wurden blockiert. Nun, die Argumentation
dafür ist natürlich sinnvoll: wenn die
nicht bereit sind Nazis zu blockieren,
dann kann ich meinen eigenen Nutzer:innen
nicht garantieren dass sie sich sicher
sind, wenn sie diese Leute weiterhin
ausgesetzt sind oder indirekt ausgesetzt
sind. Also entschied mensch sich auch jene
die Gab nicht blockiert haben zu
blockieren. Die frage ist nun was passiert
wenn eine Instanz bloß noch nicht bemerkt
hat dass Gab das gemeinsame
gesellschaftliche Fundament verlassen hat,
oder die Instanz war sich anfänglich
einfach noch nicht sicher, und entschied
sich schlussendlich Gab doch zu
blockieren. Diese Instanz aktuell
eigentlich keine Möglichkeit wieder ins
System zurück zu finden und die soziale
Gruppe bzw. Personen darauf haben keine
Möglichkeit mehr sich zu deradikalisieren
weil ihre eigenen Kontakte von denen sie
nicht blockiert sind nur mehr
rechtsextreme auf Gab sind. Daher ist mein
Argument klar: Instanzen sollen andere
Instanzen blockieren dürfen, sie sollen
sich auch selbst die Regeln dafür geben
dürfen. Also es kann beispielsweise eine
Instanz geben die etwa mit kapitalistisch
geprägten Instanzen nicht föderieren will.
Ist völlig in Ordnung wenn sie das so
schriftlich in einem Code of Conduct
festhalten. Dann gäbe es klare Regeln an
denen sich andere Instanzen orientieren
können. Das tun die meisten Instanzen auch
bereits. Was es allerdings aktuell nicht
gibt sind Einspruchsmechanismen, falls
Individuen oder Instanzen
fälschlicherweise blockiert wurden, oder
sich gebessert haben. Um dem gerecht zu
werden, würde schon reichen eine zweite
Moderationsperson zu haben die bei einem
Einspruch einen Kontrollblick macht. Dazu
müsste ein Kontakt an dem mensch sich
wenden kann in Code of Conduct angeführt
werden. Um Missbrauch vorzubeugen wäre es
auch in Ordnung festzulegen dass mensch
nur einmal pro Jahr oder alle drei Jahre
einen Einspruch einlegen kann. Das ist es
aber viel wichtiger für Instanzen, den
Einzelpersonen die sich deradikalisiert
haben können ihre Identität auch zu einem
nicht geblockten Server umziehen. Die
zweite, viel größere Gefahr sind aber
korrupter Server, also Instanzen die sich
nicht an den gemeinsamen Standard halten.
Ich muss jetzt etwas ausholen. Wir sehen
dass sich die Größe von Instanzen genauso
verhält wie die Größe von Städten, oder
Dörfern. Es heißt, die größten ein bis
drei Instanzen haben gemeinsam genug
Dominanz dass wenn sie vom Standard
abweichen alle kleineren Instanzen ihnen
nach wandern würden, da sie weiterhin mit
dem Großteil des Fediverse im Kontakt
bleiben wollen. Das Prinzip dahinter nennt
sich Zipfs Law, aber das kennen wir eben,
wie gesagt, bereits von Städten. Und so
verhalten sich auch die Instanzen. Wir
sind aber nicht darauf vorbereitet, wenn
einer dieser großen Instanzen korrupt
wird. Was ist wenn die größte Mastodon
Instanz sich dazu entscheidet ihre
Nutzer:innen einzusperren, also die
Föderation abzuschalten. Plötzlich könnten
die Nutzer:innen dann nur mit dem
Nutzer:innen auf der eigenen Instanz
kommunizieren. Was für die Nutzer:innen
der größten Instanz eigentlich kaum ein
Problem sein wird, denn sie haben einen
großen Pool an Freund:innen mit denen sie
weiterhin kommunizieren können. Aber Leute
auf kleinen Instanzen oder Leute die sich
eigene Instanzen geschaffen haben, können
mit dem Großteil der Nutzer:innen im
Fediverse nicht mehr kommunizieren, und
das sind daher entweder darauf angewiesen
selbst wieder auf die große Instanz
umzusehen oder ihre eigenen Server
aufzugeben. Geschichtlich sehen wir diese
Probleme nicht nur im Fediverse, es ist
auch bei RSS oder XMPP passiert. Das kann
auch im Fediverse passieren. Das ist vor
allem auch eine Gefahr der wir kurz
bevorstehen, denn in Digital Services Act,
der kürzlich von der EU Kommission
vorgestellt wurde, stehen auch
Verpflichtungen zur Interoperabilität für
Gatekeeper, also etwa Twitter oder
Facebook. Diese müssten dann ihre APIs
soweit freischalten, dass sie theoretisch
mit dem Fediverse kompatibel werden. Das
würde bedeuten, dass Fediverse Instanzen
die Standards von Facebook und Twitter
übernehmen, weil sie zukünftig mit diesen
in Kontakt treten wollen. Und wir sind
überhaupt nicht darauf vorbereitet. Nun
viele dieser beiden Probleme die ich
bereits angesprochen habe könnten gelöst
werden, wenn wir eine größere User
Portability schaffen würden. Aktuell
bietet Mastodon eine relativ gute
Möglichkeit an, aber wenn sich eine
Mastodon Instanz dazu entscheidet ihre
Nutzer:innen einzusperren, könnten diese
auch nicht mehr den Server wechseln. Es
gibt hier Ideen der Dezentral - Identität. DID ist
einer dieser Konzepte, die auch irgendwie
im W3C standardisiert werden. Und die
könnten hier wirklich auch ein Game
Changer werden. Aber in Hinblick auf den
Digital Services Act der Europäischen
Union sollten wir nicht nur dafür sorgen,
dass die Interoperabilität der Gatekeeper
ausgebaut wird, sondern auch dass diese
Interoperabilität auch auf einer User
Portability gebunden wird, so dass
Nutzer:innen ihre Profile mit ihren
Kontakten umziehen können, und von einer
Instanz zu einer anderen, von Gatekeepern
zu kleineren, aber natürlich wird es
vereinzelt auch den umgekehrten Strom
geben. Eine andere Frage ist, wenn
Facebook und Twitter öffnen müssen: die
haben doch dieselben Moderationsprobleme
wie Gab. Wir sehen dort sehr viel
rechtsextremen Content. Viele von uns sind
deswegen überhaupt erst geflüchtet, in
queere Gruppen, in FINT Gruppen et cetera,
um dort einen Safe Space in Fediverse zu
haben. Plötzlich sind Facebook und Twitter
dazu angewiesen zu öffnen, und wir
begrüßen dass ("juhu"), und übersehen
dabei, dass dort sehr viel Hass existiert
den wir im Fediverse gar nicht haben
wollen. Also müssen wir, wenn wir uns
selbst die Code of Conduct geben, Facebook
und Twitter blockieren, und können deren
Nutzer:innen gar nicht zu uns umziehen.
Das ist ein Problem für das ich selbst nur
noch keine Lösung habe. Auf Facebook und
Twitter ist das Verhältnis von
Moderator:innen zum Nutzer:innen gewaltig.
als es gibt kaum Moderator:innen für die
vielen Nutzer:inner. Wir kennen das genaue
Verhältnis nicht, und noch dazu befindet
sich deren Moderator:innen oft in einem
ganz anderen sozialen Kontext als die
Nutzer:innen, wodurch es oft zu falschen
Löschungen kommt. Aber eben andererseits
auch das viel Hass durchkommt durch die
Moderation, dem wir im Fediverse gar nicht
haben wollen. Wie gehen wir damit um? Ich
weiß es nicht. Einerseits wollen wir ja
dass deren Services aufgebrochen werden.
"Break them Open" ist ein Spruch den ich
in den letzten beiden Jahren immer wieder
am Kongress gehört habe, in Bezug auf die
großen Plattformen. Aber wenn diese
Aufbrechen und plötzlich Interoperability
bieten müssen für das Fediverse können wir
trotzdem nicht mit ihnen föderieren, weil
wir uns selbst Regeln gegen
Rechtsextremismus, gegen Homophobie und
gegen Transfeindlichkeit gegeben haben.
Und andererseits wollen wir diese
Nutzer:innen irgendwie befreien. Dies
werden wir wohl das nächste Jahr intensiv
diskutieren müssen, und wir müssen uns
auch überlegen was dies für den Digital
Services Act bedeutet, und wie wir ihn
beeinflussen müssen um das Fediverse nicht
zu gefährden, aber die Services trotzdem
erfolgreich aufzubrechen. Ich freue mich
jetzt auf die Diskussion mit euch.
Moderatorin: Viel, vielen dank für diesen
wunderbaren Tag eest9, und wir haben auch
schon von Dienstag schon ein paar Fragen
die ich Dir stellen werde, Im ersten: gibt
es die Daten Portabilität nicht schon
durch den DSGVO?
Erwin: Also, es gibt durch den DSGVO
tatsächlich eine Daten Portabilität, und
die beinhaltet eben auch maschinenlesbare
Daten. Aber User Portability ist nicht
dasselbe wie Daten Portability. Bei der
User Portability muss ich auch bestätigen
dass ich dieselbe Person bin, und dass ich
berechtigt bin die Person die der alte
Account gefolgt ist wieder zu folgen, und
das die mir wieder folgen. Ansonsten würde
ich ja diese ganzen Kontakte wieder
aufgeben. Und das benötigt einen
Verifikationsschritt, und dazu gibt es
eben verschiedenste Ideen wie man das
unabhängig von der Ursprungsinstanz machen
kann. Damit man eben, falls die Instanz
entscheidet Blocking, falls sich die Instanz entscheidet
Föderation abzuschalten oder so.
Davon nicht betroffen ist und andererseits
es natürlich unabhängig von den
Gatekeepern zu machen weil es die falls
wir die aufbrechen wie es im DSA
stehen würde
Moderatorin: Gut! Hast Du den Eindruck
dass kleine föderierte Systeme im DSA mit
gedacht wurden und, falls nicht, was
können wir dafür tun.
Erwin: [...] Ja, die kleinen föderierte
Systeme wurden eigentlich nicht wirklich
mit gedacht bei der Kommission, aber das
ist erst der erste Schritt im Prozess.
Als nächstes kommt der DSA ins Parlament
und bzw. ist schon im europäischen
Parlament und wird auch noch zwischen den
europäischen Regierungen verhandelt, und
vor allem im Parlament haben wir schon
einzelne Abgeordnete die im Fediverse
sind, oder das Fediverse kennen, und da eine
gewisse Priorität darinnen sehen.
Natürlich müssen wir dort die Leute noch
weiter ansprechen damit wir nicht nur
irgendwie bei den Linken und Grünen
bleiben, sonst vielleicht auch die
Liberalen und Sozialdemokrat:innen et
cetera überzeugen. Auf der anderen Seite
sind natürlich die nationalen Regierungen,
das wird viel spannender dass wir dort auf
die Regierungen zu gehen. Wir hatten
gestern tatsächlich auch eine
Diskussionsrunde dazu, wie können wir auf
diese Regierungen zugehen. Geht zu einem
lokalen NGO, spricht das Thema
Interoperability und und User Portability
an, und das Fediverse und und helft ihnen
vielleicht oft ist ein Ressourcenproblem
warum diese Themen neben den großen Themen
im DSA nicht so sehr mit diskutiert
werden, weil der Fokus der meisten NGOs
liegt aktuell auf Liability und
Reliability insofern helft denen auch
etwas zu Interoperability zu machen, dann
geht da natürlich mehr weiter.
Moderatorin: Wie ideal sind die Bemühungen
der Gesetzgeber die großen Netzwerke
aufzubrechen, und wird dabei explizit von
ActivityPub und Fediverse gesprochen?
Erwin: Es wird nicht explizit von
ActivityPub und Fediverse gesprochen, und
vom jetzigen Kommissionsentwurf kann es in
beide Richtungen gehen. In eine Richtung
die mehr Interoperability bedeutet, und in
eine Richtung die nur gewisse APIs
aufbrechen will quasi. Aktuell steht
nämlich drinnen eben das APIs existieren,
für alle verfügbar sein müssen, bei den
Gatekeepern oder Kriterien wann die
Kommission jemanden als Gatekeeper
einsetzt. Aber dieser Prozess ist eben
noch offen, wie die Gesetzgebung hier
weitergeht ... das Parlament wird
vermutlich auf mehr Öffnung drängen, und
der Rat auf weniger Öffnung, dass währe
zumindest das typische Verhalten. Aber
Politik ist immer wieder mal überraschend.
Moderatorin: Das automatische blockieren
von Instanzen die Inhalte von bereits
blockierten Instanzen föderieren ähnelt
etwas dem Verhalten der USA ihre
Handelssanktionen anderen Ländern mittels
Sanktionen aufzuzwingen. Diese Gedanken
spielen oder spielten dabei für die
Abwägung im Fediverse eine Rolle?
Erwin: Also manchen Instanzen entscheiden
sich eben dazu für ihre Nutzer:innen vor
allem ein Safe Space zu sein, oder ein
Space zu sein wo sie sich frei entfalten
können, weil das auf Facebook, Twitter et cetera
oft nicht in dieser Form gegeben ist. Und
die befürchten eben das einerseits dieser
Hass der auf den anderen Plattformen
existiert dann indirekt doch auf sie
zurückfällt, vor allem könnte ihr Content so
auch über Umwege von diesen geblockten
Instanzen gefunden werden. Der andere
Grund ist, dass viele dieser Instanzen die
überhaupt noch zum Beispiel mit Gab
föderiert haben, oft eben selbst auch sehr
viel Hass Content haben oder fast
ausschließlich Kontakte mit diesen,
insofern liegen die tatsächlich dort mehr
an der Peripherie und dann entschieden
sich eben einzelne Admins dass sie die mit
blockieren wollen. Das ist natürlich eine
Diskussione die nicht abgeschlossen, ist
ob das so gut ist oder nicht. Da bin ich
mir auch selbst nicht ganz so sicher aber
ich würde keinen Admin verurteilen der
ebenso eine Instanz blockiert, weil es ist
immer noch so lang sie es begründen deren
eigenen Instanz in der sie eben selbst
Entscheidung treffen können.
Moderatorin: Wäre es ein Kompromiss die
Föderation mit kaputten großen Plattformen
nur über Allow Lists deren Einträgen über
den eigenen Instanz Modus beantragt werden
zu gestalten?
Erwin: Genau, die den Vorfall gestern in
der Diskussionsrunde auch gehört, dass man
quasi ... nicht dass sie mit Facebook wenn
es aufgebrochen wird föderiert, sondern
eben nur mit einzelnen User ...
Nutzer:innen die man erlaubt. Das muss ich
mir noch länger durch den Kopf gehen
lassen, das ist ein interessanter
Diskussionspunkt für das nächste Jahr. Es könnte
funktionieren, aber ich habe gestern eben
auch Stimmen gehört, zum Beispiel von ...
Christopher Lemmer Webber, der ActivityPub
mitgeschrieben hat, dass er nicht ... also
dass er das nicht für die Lösung hält. Ja
werden wir diskutiert diskutieren müssen
im nächsten Jahr.
Moderatorin: Bis dahin gibt es im Moment
noch keine weiteren Fragen. Ich bedanke
mich schon mal. Und schön dass es diesmal
auch ohne Probleme geklappt hat ...
ansonsten noch viel Spaß den letzten Tag
vom rC3, bleib gesund, bleibt alle gesund
und bis demnächst!
Abspannmusik
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2021. Mach mit und hilf uns!