rC3 Vorspannmusik Moderatorin: Einen wunderschönen guten Morgen alle miteinander, herzlich willkommen auf der franconian.net Stage. Am Dienstag es ist aufgrund von technischen Problemchen uns nicht ganz gelungen euch den Talk "Die rosarote Brille des Fediverse" in voller Gänze zu präsentieren, darum haben wir nun hier euch ein weiteres mal es neu vorzustellen und wir wünschen euch viel Spaß ein zweites mal und hoffentlich ohne Unterbrechungen mit dem Talk "Die rosarote Brille des Fediverse" Erwin Ernst Steinhammer: Das Fediverse. Unendliche Weiten. Wir befinden uns in einer fernen Zukunft. Dies sind die Abenteuer des pluralistischen öffentlichen Diskurses, welcher etliche Hops entfernt von Lokalhost stattfindet, um fremde Meinungen zu entdecken, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisationen. Wir finden hier Debatten vor, die nie ein Mensch zuvor geführt hat. Servus, ich bin der Erwin Ernst Steinhammer, auch bekannt als eest9. Dies ist mein Talk für den Remote Chaos Communication Congress über die rosarote Brille die wir aktuell auf haben, wenn wir über das Fediverse sprechen. Ich selbst studiere hier in Wien Politikwissenschaft, bin Vorstandsmitglied beim Chaos Computer Club Wien und bin sehr aktiv in unserer Wiener Hackspace Metalab. Das ich heute zu euch spreche hat damit zu tun, dass sich im Metalab eine lokale Diskussionsrunde zum Thema digitale Öffentlichkeit gegründet hat. Aber viele von euch werden eventuell noch gar nicht so genau wissen, was dieses Fediverse überhaupt ist. Darum werde ich das nun kurz erklären. Das Fediverse ist ein föderiertes Social Media Netzwerk. Dies unterscheidet es von geschlossenen Plattformen wie Facebook oder Twitter. Ein föderiertes Soziales Medien Netzwerk bedeutet, dass sich viele verschiedene, selbst-verwaltete Gemeinschaften, mit ihren Servern zusammengeschlossen haben um in den Diskurs miteinander zu treten. Anders also als bei geschlossenen Silos können im Fediverse die Nutzer:innen instanzübergreifend miteinander kommunizieren. Ähnlich also wie beim E-mail-Verkehr, bei dem wir Mails ebenfalls von einem Server zum anderen E-mails schicken können um miteinander zu reden, können wir also auch im Fediverse Nachrichten von einer Instanz zu einer anderen schicken. Die Standards dahinter heißen ActivityPub und ActivityStream. Anders als bei E-mails, bei denen es hauptsächlich um den direkten Nachrichtenaustausch und seltener um Gruppen im Form von Mailinglisten geht, ist das Fediverse ein Ort in dem vor allem öffentliche Kommunikation und Diskurs stattfinden, und seltener der Austausch direkter Nachrichten. Dabei ermöglicht das Fediverse nicht nur die Abbildung von Texten, sondern es kann auch eine Vielzahl verschiedener Geschmäcker abbilden. Von Micro-blogging, wie Mastodon, über Veranstaltungskalender wie Mobilizon und digitaler Photoalben wie Pixelfed bis hin zu Videopodcasting und Streaming mit Peertube, kann mensch hier zahlreiche Dienste finden. Um hier nur ein Paar zu nennen. Der Vorteil ist unbeschreiblich. Während kleine neue Alternativen zu den großen geschlossenen Platzhirschen oft keine Überlebenschancen haben, oder an geringer Aktivität aushungern, bietet das offene Feld des Fediverse eine Alternative für neue innovative Ideen. Jede neue Anwendung kann durch die Kooperation der Dienste auf eine bestehende Nutzer:innen Basis zurückgreifen, und sie bedienen. Auch deswegen ist die Nutzer:innen Basis und das generelle Interesse am Fediverse in den letzten Jahren massiv gestiegen. Schnell machte sich der Glaube breit, endlich ein Allheilmittel gegen GAFA gefunden zu haben. Doch wir befinden uns nun vier Jahre nach dem großen Aufschwung des Fediverse. Zeit die rosarote Brille abzunehmen und uns zu fragen: Wie sollte öffentlicher Diskurs eigentlich aussehen? Kann das Fediverse das leisten? Und was sind die Gefahren für diese blühende Kooperation selbst verwalteter Gemeinschaften? Aber bevor wir uns diesen Fragen widmen können, muss ich zunächst einmal einen Begriff erklären den ich hier so selbstverständlich verwendet habe, nämlich die Öffentlichkeit. Das ist ein Begriff aus der Sozialwissenschaft, und kein technischer Begriff wie die meisten von euch wahrscheinlich bereits festgestellt haben dürften. Aber auch Privatsphäre ist eigentlich ein Begriff der eher aus der Juristerei oder der Sozialwissenschaften stammt. Datensicherheit wäre ein technischer Begriff. Was ist Öffentlichkeit und warum ist das relevant? Öffentlichkeit ist der Raum in dem öffentlicher Diskurs stattfindet und politische Meinungen geschaffen werden. In einer Autokratie würde eher Entscheidungen öffentlicher Ämter als Öffentlichkeit betrachtet werden. Aber ich richte mich hier nun vor allem an Personen die in Demokratien leben, und hier steht die Öffentlichkeit eben für den Raum in dem Meinungen diskutiert werden. Digitale Öffentlichkeit steht dann zum Beispiel für online Foren, aber in den letzten Jahren ging es im Diskurs um die digitale Öffentlichkeit vor allem um die großen geschlossenen Plattformen wie Twitter und Facebook. In den letzten Jahren aber auch das Fediverse, welches eine Alternative zu den geschlossenen Plattformen bietet. Posts die ich ins Fediverse stelle sind standardmäßig öffentlich. Ich kann sie jedoch auch auf wenige Personen, etwa auf meine Follower, eingrenzen. Hier muss mensch sich aber fragen wie viele Personen erreicht werden. In der Sozialwissenschaft sprechen wir ab circa 350 Personen von PR. Das hat den einfachen Grund dass wir in Studien sehen das 350 Personen die gemessene Grenze an aktiven full- duplex Kontakten sind, die wir Menschen üblicherweise haben. Darüber ist die Kommunikation meist nur mehr in eine Richtung. Daher spreche ich darüber von Öffentlichkeit. Nur ein kleinerer Kreis ist hier für mich im Bereich der Privatsphäre. Und es gibt verschiedene formen wie wir Öffentlichkeit konstruieren können. Es gibt die übliche liberale oder auch sozial-liberale Öffentlichkeit. Dort sind Medien vor allem im Privatbesitz, sie sind "selbst-reguliert", sie sind stark vom freien Markt dominiert. Müssen sich also ständig diesen Marktzwängen gäben. Und zusätzlich ist der Zugang zur Öffentlichkeit, also wie viel Aufmerksamkeit kann ich erreichen, ökonomisch begrenzt. Also ich muss zahlen. wenn ich eine Öffentlichkeit erreichen will. Dies muss nicht immer ein Geldwert sein, öffentliche Aufmerksamkeit kann gegen jede Form von ökonomischem Kapital oder politischer Macht getauscht werden. Ein modernes, demokratisches Gegenkonzept zu diesem, zu dieser liberalen Öffentlichkeit, ist die sogenannte pluralistische Öffentlichkeit. Eine pluralistische Öffentlichkeit sieht ein bisschen anders aus. Dort ist der Besitz von Medien vor allem an Gruppen gebunden, also diverse soziale Gruppen, manchmal auch an Individuen. Auch hier reguliert sich diese Gruppe mit Hilfe selbst gegebener Regeln, aber unterwerfen sich gesamtgesellschaftlichen Grundprinzipien, etwa den Menschenrechten, einer Verfassung oder gemeinsamen Standards. Und wesentlich ist, dass diese Gruppen auch miteinander kooperieren, sie sind also interoperabel. Chantal Mouffe nennt dies eine Gegnerschaft und stellt diese im Kontrast zu einer Feindschaft, welche keine Interoperabilität hätte. Einer der Grundgedanken hinter diese pluralistischen Öffentlichkeit im Gegensatz zu liberalen, ist eben dass die Gesamtgesellschaft nicht in jedem Punkt einen Kompromiss finden muss. Diversität am Meinungen und Gestaltungsfreiraum ist etwas gutes und vor allem lehnt sie auch den Gedanken ab, dass es den idealen, rationalen Kompromiss für alle geben würde. Vielmehr wird hier davon ausgegangen dass in liberalen Gesellschaften die Kompromisse meist jene Modelle sind, die der Mehrheitselite am dienstlichen sind, Pluralistischer Öffentlichkeit würde hier vielmehr eine Koexistenz sozialer Gruppen bevorzugen, auch in Simulations - Spielen, sieht mensch das Diversität die Lebensfähigkeit einer Gesellschaft fördert. Eine Grenze gibt es jedenfalls für jede pluralistische Öffentlichkeit: sollte nicht zu einer Feindschaft kommen, also zu einer Polarisierung in der verfeindete Gruppen einander gegenüberstehen, sondern eben maximal zu einer Gegnerschaft bei der mensch noch immer aufgrund gemeinsamer gesellschaftliche Standards miteinander kooperiert. Wird sie jetzt vielleicht nicht wundern dass vielfach vorgeschlagen wurde dass das Fediverse als eine solche pluralistische Öffentlichkeit gesehen werden sollte. Es gibt dort eben zahlreiche Communities, ich kann dort auf einer Chaos nahen Instanz sein, auf einen queeren auf einer POC oder auch auf einer mit literarischen oder künstlerischen Fokus. Je nachdem was meine eigenen Interessen sind, und was mal meinen eigenen sozialen Bezugsgruppen sind, kann ich mir dort eine Instanz suchen der ich beitrete. Aber ich bin dann nicht darauf begrenzt das ich nur mit Menschen auf meiner Instanz kommuniziere. Ich kann mit allen anderen Gruppen die im Fediverse sind ebenfalls kommunizieren. Und wir wissen dass das auch sehr stark statt findet, also Fediverse Nutzen:innen haben wirklich auch starke Verbindungen zu Nutzer:innen außerhalb ihrer eigenen Instanz. Und was auch die rosarote Brille gefördert haben dürfte, Diskurs läuft im Fediverse aufgrund der Struktur anders ab. Zum Beispiel schreibt das Fediverse seinen Nutzer:innen nicht so viel vor. Dieses Jahr wurde unter anderem stark der rassistische Bias des Twitter Algorithmus bei der Auswahl von Bildausschnitten diskutiert. Im Fediverse kann ich dagegen selbst diese Auswahl treffen. Aber außer dieses philosophischen Prinzips der Algorithmic Souveranity hat das Fediverse auch noch eine strukturelle Komponente die etwas ändert. Wir sehen nämlich dass die meisten Instanzen irgendwann zwischen 500 und 1.500 Nutzer:innen die Neuzugänge stark einschränken. Und dies führt dazu, dass im Fediverse ein:e Moderator:in auf ungefähr 750 Nutzer:innen kommt. Noch dazu sind diese Moderator:innen selbst teil meiner sozialen Gruppe und sitzen nicht wie bei Twitter oder Facebook irgendwo in einem anderen Land ohne sozialen Bezug. Was dazu führt, dass sie den sozialen Kontext von Posts besser erkennen können, und auch über den direkten Kontakt mit dem Poster:innen stehen, und sie etwa auch darum bitten können echte Content Warnings zu verwenden. Dass die meisten Instanzen darüber zu machen, liegt vor allem auch daran dass der Moderationsaufwand ab 500 bis 1.500 Nutzer:innen die eigenen Moderationskapazitäten übersteigen. Es sind also weniger die Ressourcen für die Server sondern viel mehr jene für die Moderation. Aber es gibt auch Gefahren für diesen Pluralismus, einer davon ist Blocking. Wir sind nämlich darauf angewiesen zu blockieren, auch wenn dieses erstes Paradox erscheint, nachdem wir diese pluralistische Gesellschaft haben die nur einer Gegnerschaft nicht auf einer Feindschaft basieren sollte. Es gibt auch Menschen die es nicht nur gut meinen, und die pluralistische Öffentlichkeit lässt das durchaus zu Personen und Gruppen zu blockieren, die das gemeinsame Fundament der Gesellschaft verlassen haben. Dies beschreibt einerseits schon Chantal Mouffe, auf die das Konzept der pluralistischen Öffentlichkeit zurückgeht, aber viel bekannter ist dass Toleranzparadoxon von Sir Karl Popper. Nach ihm darf eine tolerante Gesellschaft nicht tolerant gegenüber der Intoleranz sein, wenn diese keinem rationalen und offenen Diskurs mehr zugänglich ist. Und für mich ist dieses Fundament der Gesellschaft der Artikel 1 Satz 1 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Recht geboren. Und wer das ablehnt, verlässt dieses Fundament, das sind zum Beispiel Nazis, TERFS et cetera. Zurück zum Fediverse, aber es gibt verschiedene Arten von Blocks und nicht jeder Block ist für diese gesellschaftliche Debatte überhaupt relevant. Nämlich wenn ich mich persönlich entscheide jemensch zu blockieren, ist es völlig in Ordnung und egal aus welchen Gründen. Dies kann ich selbst für mich entscheiden. Das kann sein weil, ich mich mit einem Freund gestritten habe, es kann aber auch rein zufällig [...] sein. Für uns relevant ist also nicht der individuelle Block, für uns relevant sind kollektive Blocks. Einerseits kollektive Blocks von Individuen wie wir sie zum Beispiel von Twitter mit Blockinglisten kennen. Aber im Fediverse viel relevanter ist wenn eine Instanz ein Individuum oder eine andere Instanz blockiert bzw. deföderiert. Ein Individuum das blockiert wurde kann diesen Block auch umgehen, indem es einen neuen Account erstellt. Das kann auf derselben Instanz aber auch auf einer anderen Instanz sein. Was das Individuum dadurch verliert sind all die Verbindungen zu ihren Kontakten und müsste diese neu aufbauen. Mensch kann jetzt sagen, ja das ist nicht so schlimm wenn diese Person zum Beispiel homophob oder transfeindlich war. Das bedeutet nämlich dass die Person all ihre homophoben und transfeindlichen Kontakte aufgeben müsste, um wieder mit dem Großteil des Fediverse im Kontakt treten zu können. Es gibt hier also einen dezidierten Pfad der Deradikalisierung. Wenn einer Instanz blockiert, gibt es dagegen keinen Mechanismus der diesen Block wieder aufhebt wenn diese Instanz sich gebessert hat oder fälschlicherweise blockiert wird. Wir haben ein reales Beispiel dafür, das war Gab, eine so genannte "free speech" Instanz die vor allem von Rechtsradikalen und Rechtsextremen gebildet wurde. Das hat übrigens sehr gut funktioniert, also das Blocken dieser Instanz, das heißt dass das Fediverse ist Nazi-resistent. Aber auch Instanzen die mit Gab föderiert haben wurden blockiert. Nun, die Argumentation dafür ist natürlich sinnvoll: wenn die nicht bereit sind Nazis zu blockieren, dann kann ich meinen eigenen Nutzer:innen nicht garantieren dass sie sich sicher sind, wenn sie diese Leute weiterhin ausgesetzt sind oder indirekt ausgesetzt sind. Also entschied mensch sich auch jene die Gab nicht blockiert haben zu blockieren. Die frage ist nun was passiert wenn eine Instanz bloß noch nicht bemerkt hat dass Gab das gemeinsame gesellschaftliche Fundament verlassen hat, oder die Instanz war sich anfänglich einfach noch nicht sicher, und entschied sich schlussendlich Gab doch zu blockieren. Diese Instanz aktuell eigentlich keine Möglichkeit wieder ins System zurück zu finden und die soziale Gruppe bzw. Personen darauf haben keine Möglichkeit mehr sich zu deradikalisieren weil ihre eigenen Kontakte von denen sie nicht blockiert sind nur mehr rechtsextreme auf Gab sind. Daher ist mein Argument klar: Instanzen sollen andere Instanzen blockieren dürfen, sie sollen sich auch selbst die Regeln dafür geben dürfen. Also es kann beispielsweise eine Instanz geben die etwa mit kapitalistisch geprägten Instanzen nicht föderieren will. Ist völlig in Ordnung wenn sie das so schriftlich in einem Code of Conduct festhalten. Dann gäbe es klare Regeln an denen sich andere Instanzen orientieren können. Das tun die meisten Instanzen auch bereits. Was es allerdings aktuell nicht gibt sind Einspruchsmechanismen, falls Individuen oder Instanzen fälschlicherweise blockiert wurden, oder sich gebessert haben. Um dem gerecht zu werden, würde schon reichen eine zweite Moderationsperson zu haben die bei einem Einspruch einen Kontrollblick macht. Dazu müsste ein Kontakt an dem mensch sich wenden kann in Code of Conduct angeführt werden. Um Missbrauch vorzubeugen wäre es auch in Ordnung festzulegen dass mensch nur einmal pro Jahr oder alle drei Jahre einen Einspruch einlegen kann. Das ist es aber viel wichtiger für Instanzen, den Einzelpersonen die sich deradikalisiert haben können ihre Identität auch zu einem nicht geblockten Server umziehen. Die zweite, viel größere Gefahr sind aber korrupter Server, also Instanzen die sich nicht an den gemeinsamen Standard halten. Ich muss jetzt etwas ausholen. Wir sehen dass sich die Größe von Instanzen genauso verhält wie die Größe von Städten, oder Dörfern. Es heißt, die größten ein bis drei Instanzen haben gemeinsam genug Dominanz dass wenn sie vom Standard abweichen alle kleineren Instanzen ihnen nach wandern würden, da sie weiterhin mit dem Großteil des Fediverse im Kontakt bleiben wollen. Das Prinzip dahinter nennt sich Zipfs Law, aber das kennen wir eben, wie gesagt, bereits von Städten. Und so verhalten sich auch die Instanzen. Wir sind aber nicht darauf vorbereitet, wenn einer dieser großen Instanzen korrupt wird. Was ist wenn die größte Mastodon Instanz sich dazu entscheidet ihre Nutzer:innen einzusperren, also die Föderation abzuschalten. Plötzlich könnten die Nutzer:innen dann nur mit dem Nutzer:innen auf der eigenen Instanz kommunizieren. Was für die Nutzer:innen der größten Instanz eigentlich kaum ein Problem sein wird, denn sie haben einen großen Pool an Freund:innen mit denen sie weiterhin kommunizieren können. Aber Leute auf kleinen Instanzen oder Leute die sich eigene Instanzen geschaffen haben, können mit dem Großteil der Nutzer:innen im Fediverse nicht mehr kommunizieren, und das sind daher entweder darauf angewiesen selbst wieder auf die große Instanz umzusehen oder ihre eigenen Server aufzugeben. Geschichtlich sehen wir diese Probleme nicht nur im Fediverse, es ist auch bei RSS oder XMPP passiert. Das kann auch im Fediverse passieren. Das ist vor allem auch eine Gefahr der wir kurz bevorstehen, denn in Digital Services Act, der kürzlich von der EU Kommission vorgestellt wurde, stehen auch Verpflichtungen zur Interoperabilität für Gatekeeper, also etwa Twitter oder Facebook. Diese müssten dann ihre APIs soweit freischalten, dass sie theoretisch mit dem Fediverse kompatibel werden. Das würde bedeuten, dass Fediverse Instanzen die Standards von Facebook und Twitter übernehmen, weil sie zukünftig mit diesen in Kontakt treten wollen. Und wir sind überhaupt nicht darauf vorbereitet. Nun viele dieser beiden Probleme die ich bereits angesprochen habe könnten gelöst werden, wenn wir eine größere User Portability schaffen würden. Aktuell bietet Mastodon eine relativ gute Möglichkeit an, aber wenn sich eine Mastodon Instanz dazu entscheidet ihre Nutzer:innen einzusperren, könnten diese auch nicht mehr den Server wechseln. Es gibt hier Ideen der Dezentral - Identität. DID ist einer dieser Konzepte, die auch irgendwie im W3C standardisiert werden. Und die könnten hier wirklich auch ein Game Changer werden. Aber in Hinblick auf den Digital Services Act der Europäischen Union sollten wir nicht nur dafür sorgen, dass die Interoperabilität der Gatekeeper ausgebaut wird, sondern auch dass diese Interoperabilität auch auf einer User Portability gebunden wird, so dass Nutzer:innen ihre Profile mit ihren Kontakten umziehen können, und von einer Instanz zu einer anderen, von Gatekeepern zu kleineren, aber natürlich wird es vereinzelt auch den umgekehrten Strom geben. Eine andere Frage ist, wenn Facebook und Twitter öffnen müssen: die haben doch dieselben Moderationsprobleme wie Gab. Wir sehen dort sehr viel rechtsextremen Content. Viele von uns sind deswegen überhaupt erst geflüchtet, in queere Gruppen, in FINT Gruppen et cetera, um dort einen Safe Space in Fediverse zu haben. Plötzlich sind Facebook und Twitter dazu angewiesen zu öffnen, und wir begrüßen dass ("juhu"), und übersehen dabei, dass dort sehr viel Hass existiert den wir im Fediverse gar nicht haben wollen. Also müssen wir, wenn wir uns selbst die Code of Conduct geben, Facebook und Twitter blockieren, und können deren Nutzer:innen gar nicht zu uns umziehen. Das ist ein Problem für das ich selbst nur noch keine Lösung habe. Auf Facebook und Twitter ist das Verhältnis von Moderator:innen zum Nutzer:innen gewaltig. als es gibt kaum Moderator:innen für die vielen Nutzer:inner. Wir kennen das genaue Verhältnis nicht, und noch dazu befindet sich deren Moderator:innen oft in einem ganz anderen sozialen Kontext als die Nutzer:innen, wodurch es oft zu falschen Löschungen kommt. Aber eben andererseits auch das viel Hass durchkommt durch die Moderation, dem wir im Fediverse gar nicht haben wollen. Wie gehen wir damit um? Ich weiß es nicht. Einerseits wollen wir ja dass deren Services aufgebrochen werden. "Break them Open" ist ein Spruch den ich in den letzten beiden Jahren immer wieder am Kongress gehört habe, in Bezug auf die großen Plattformen. Aber wenn diese Aufbrechen und plötzlich Interoperability bieten müssen für das Fediverse können wir trotzdem nicht mit ihnen föderieren, weil wir uns selbst Regeln gegen Rechtsextremismus, gegen Homophobie und gegen Transfeindlichkeit gegeben haben. Und andererseits wollen wir diese Nutzer:innen irgendwie befreien. Dies werden wir wohl das nächste Jahr intensiv diskutieren müssen, und wir müssen uns auch überlegen was dies für den Digital Services Act bedeutet, und wie wir ihn beeinflussen müssen um das Fediverse nicht zu gefährden, aber die Services trotzdem erfolgreich aufzubrechen. Ich freue mich jetzt auf die Diskussion mit euch. Moderatorin: Viel, vielen dank für diesen wunderbaren Tag eest9, und wir haben auch schon von Dienstag schon ein paar Fragen die ich Dir stellen werde, Im ersten: gibt es die Daten Portabilität nicht schon durch den DSGVO? Erwin: Also, es gibt durch den DSGVO tatsächlich eine Daten Portabilität, und die beinhaltet eben auch maschinenlesbare Daten. Aber User Portability ist nicht dasselbe wie Daten Portability. Bei der User Portability muss ich auch bestätigen dass ich dieselbe Person bin, und dass ich berechtigt bin die Person die der alte Account gefolgt ist wieder zu folgen, und das die mir wieder folgen. Ansonsten würde ich ja diese ganzen Kontakte wieder aufgeben. Und das benötigt einen Verifikationsschritt, und dazu gibt es eben verschiedenste Ideen wie man das unabhängig von der Ursprungsinstanz machen kann. Damit man eben, falls die Instanz entscheidet Blocking, falls sich die Instanz entscheidet Föderation abzuschalten oder so. Davon nicht betroffen ist und andererseits es natürlich unabhängig von den Gatekeepern zu machen weil es die falls wir die aufbrechen wie es im DSA stehen würde Moderatorin: Gut! Hast Du den Eindruck dass kleine föderierte Systeme im DSA mit gedacht wurden und, falls nicht, was können wir dafür tun. Erwin: [...] Ja, die kleinen föderierte Systeme wurden eigentlich nicht wirklich mit gedacht bei der Kommission, aber das ist erst der erste Schritt im Prozess. Als nächstes kommt der DSA ins Parlament und bzw. ist schon im europäischen Parlament und wird auch noch zwischen den europäischen Regierungen verhandelt, und vor allem im Parlament haben wir schon einzelne Abgeordnete die im Fediverse sind, oder das Fediverse kennen, und da eine gewisse Priorität darinnen sehen. Natürlich müssen wir dort die Leute noch weiter ansprechen damit wir nicht nur irgendwie bei den Linken und Grünen bleiben, sonst vielleicht auch die Liberalen und Sozialdemokrat:innen et cetera überzeugen. Auf der anderen Seite sind natürlich die nationalen Regierungen, das wird viel spannender dass wir dort auf die Regierungen zu gehen. Wir hatten gestern tatsächlich auch eine Diskussionsrunde dazu, wie können wir auf diese Regierungen zugehen. Geht zu einem lokalen NGO, spricht das Thema Interoperability und und User Portability an, und das Fediverse und und helft ihnen vielleicht oft ist ein Ressourcenproblem warum diese Themen neben den großen Themen im DSA nicht so sehr mit diskutiert werden, weil der Fokus der meisten NGOs liegt aktuell auf Liability und Reliability insofern helft denen auch etwas zu Interoperability zu machen, dann geht da natürlich mehr weiter. Moderatorin: Wie ideal sind die Bemühungen der Gesetzgeber die großen Netzwerke aufzubrechen, und wird dabei explizit von ActivityPub und Fediverse gesprochen? Erwin: Es wird nicht explizit von ActivityPub und Fediverse gesprochen, und vom jetzigen Kommissionsentwurf kann es in beide Richtungen gehen. In eine Richtung die mehr Interoperability bedeutet, und in eine Richtung die nur gewisse APIs aufbrechen will quasi. Aktuell steht nämlich drinnen eben das APIs existieren, für alle verfügbar sein müssen, bei den Gatekeepern oder Kriterien wann die Kommission jemanden als Gatekeeper einsetzt. Aber dieser Prozess ist eben noch offen, wie die Gesetzgebung hier weitergeht ... das Parlament wird vermutlich auf mehr Öffnung drängen, und der Rat auf weniger Öffnung, dass währe zumindest das typische Verhalten. Aber Politik ist immer wieder mal überraschend. Moderatorin: Das automatische blockieren von Instanzen die Inhalte von bereits blockierten Instanzen föderieren ähnelt etwas dem Verhalten der USA ihre Handelssanktionen anderen Ländern mittels Sanktionen aufzuzwingen. Diese Gedanken spielen oder spielten dabei für die Abwägung im Fediverse eine Rolle? Erwin: Also manchen Instanzen entscheiden sich eben dazu für ihre Nutzer:innen vor allem ein Safe Space zu sein, oder ein Space zu sein wo sie sich frei entfalten können, weil das auf Facebook, Twitter et cetera oft nicht in dieser Form gegeben ist. Und die befürchten eben das einerseits dieser Hass der auf den anderen Plattformen existiert dann indirekt doch auf sie zurückfällt, vor allem könnte ihr Content so auch über Umwege von diesen geblockten Instanzen gefunden werden. Der andere Grund ist, dass viele dieser Instanzen die überhaupt noch zum Beispiel mit Gab föderiert haben, oft eben selbst auch sehr viel Hass Content haben oder fast ausschließlich Kontakte mit diesen, insofern liegen die tatsächlich dort mehr an der Peripherie und dann entschieden sich eben einzelne Admins dass sie die mit blockieren wollen. Das ist natürlich eine Diskussione die nicht abgeschlossen, ist ob das so gut ist oder nicht. Da bin ich mir auch selbst nicht ganz so sicher aber ich würde keinen Admin verurteilen der ebenso eine Instanz blockiert, weil es ist immer noch so lang sie es begründen deren eigenen Instanz in der sie eben selbst Entscheidung treffen können. Moderatorin: Wäre es ein Kompromiss die Föderation mit kaputten großen Plattformen nur über Allow Lists deren Einträgen über den eigenen Instanz Modus beantragt werden zu gestalten? Erwin: Genau, die den Vorfall gestern in der Diskussionsrunde auch gehört, dass man quasi ... nicht dass sie mit Facebook wenn es aufgebrochen wird föderiert, sondern eben nur mit einzelnen User ... Nutzer:innen die man erlaubt. Das muss ich mir noch länger durch den Kopf gehen lassen, das ist ein interessanter Diskussionspunkt für das nächste Jahr. Es könnte funktionieren, aber ich habe gestern eben auch Stimmen gehört, zum Beispiel von ... Christopher Lemmer Webber, der ActivityPub mitgeschrieben hat, dass er nicht ... also dass er das nicht für die Lösung hält. Ja werden wir diskutiert diskutieren müssen im nächsten Jahr. Moderatorin: Bis dahin gibt es im Moment noch keine weiteren Fragen. Ich bedanke mich schon mal. Und schön dass es diesmal auch ohne Probleme geklappt hat ... ansonsten noch viel Spaß den letzten Tag vom rC3, bleib gesund, bleibt alle gesund und bis demnächst! Abspannmusik Untertitel erstellt von c3subtitles.de im Jahr 2021. Mach mit und hilf uns!