36C3 - Polizei-Datenbanken und Minderheiten: Staatliche Stigmatisierung und Diskriminierung von Sin
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0:20 - 0:2136C3 Vorspannmusik
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0:21 - 0:23Herald-Engel: Okay, ja. Noch einmal
herzlich willkommen hier im Raum Dijkstra -
0:23 - 0:27zu unserem nächsten Talk. Ja, ist es
rechtmäßig, dass staatliche -
0:27 - 0:32Ermittlungsbehörden Daten zu ethnischer
Herkunft erheben und veröffentlichen? Und -
0:32 - 0:35welche Folgen hat das eigentlich für die
Betroffenen? Das sind so einige der -
0:35 - 0:39Fragen, die im nächsten Talk aufgegriffen
werden. Konkret geht es um die -
0:39 - 0:44Kriminalstatistik der Berliner Polizei, in
der Sinti und Roma mit bestimmten -
0:44 - 0:48kriminellen Handlungen in Verbindung
gebracht wurden. Eine Volksgruppe, die -
0:48 - 0:52ohnehin gesellschaftlich stark
stigmatisiert ist. Wie problematisch -
0:52 - 0:57solche Formen polizeilicher Datenerhebung
sind, darüber sprechen jetzt Anja Reuss -
0:57 - 1:03und Lea Beckmann. Anja Reuss arbeitet als
politische Referentin beim Zentralrat -
1:03 - 1:09Deutscher Sinti und Roma zu Themen wie
Antiziganismus, Polizei und Racial -
1:09 - 1:14Profiling. Lea Beckmann ist Juristin und
arbeitet in Berlin zum Schutz von Grund- -
1:14 - 1:19und Menschenrechten und seit 2018 gehört
sie zum rechtlichen Team der Gesellschaft -
1:19 - 1:24für Freiheitsrechte e.V. Und in diesem
Sinne würde ich sagen, begrüßt mit einem -
1:24 - 1:28warmen Applaus: Anja Reuss und Lea
Beckmann. -
1:28 - 1:34Applaus
[Füller, bitte in amara entfernen] -
1:34 - 1:42Anja Reuss: Ja, Danke für die Begrüßung,
ich freue mich total, dass so viele Leute -
1:42 - 1:46gekommen sind und sich für das Thema
interessieren, und ich glaube, es ist auch -
1:46 - 1:53das erste Mal bei dem Kongress, das Thema
zur Antiziganismus und Sinti und Roma hier -
1:53 - 1:58ist und das freut mich ganz besonders,
weil ich glaube, es wichtig ist, dass wir -
1:58 - 2:06eine größere Reichweite mit dem Thema
bekommen. Genau also, es wurde schon -
2:06 - 2:11eingangs gesagt: es gibt eine lange
Tradition von der Datensammlung über Sinti -
2:11 - 2:16und Roma und ich versuch dann später auch
nochmal einen kleinen Abriss darüber zu -
2:16 - 2:22machen. Ich mache das mal, weil du es nie
gemacht hast. -
2:22 - 2:27Lea Beckmann: Gerne.
Anja: Kleinen Abriss zu machen dadrüber, -
2:27 - 2:31wie das historisch gewachsen ist, weil ich
glaube, dass es wichtig ist für ein -
2:31 - 2:36Verständnis, wie die Praxis heute
aussieht. Auf alle Fälle werden Sinti und -
2:36 - 2:41Roma jeher immer als Ordnungs- und
Sicherheitsproblem gesehen und unter -
2:41 - 2:47Generalverdacht gestellt. Und weil wir
aber wenig Zeit haben, haben wir jetzt, -
2:47 - 2:52Lea und ich, 2 Beispiele ausgesucht, an
denen wir das ein bisschen verdeutlichen -
2:52 - 2:57wollen, wie die Praxis aussieht. Aber wie
gesagt, das sind nur Schlaglichter, und -
2:57 - 3:05wir haben auch ein paar Links dazu
bereitgestellt. Genau, vielleicht noch zum -
3:05 - 3:14Einstieg: Was ihr hier seht, ist unter
anderem die Bevölkerungsumfrage, die die -
3:14 - 3:17Leipziger Universität in ihrer
Bevölkerungsumfrage mit der zuletzt -
3:17 - 3:23erschienenen Autoritarismus-Studie gemacht
hat; in der relativ deutlich ist, dass die -
3:23 - 3:29Abneigungszahlen von Sinti und Roma in der
Bevölkerung weit verbreitet sind und die -
3:29 - 3:34Annahme, dass Sinti und Roma zu
Kriminalität neigen, extrem hoch sind. -
3:34 - 3:41Warum ist das so? Das hat ganz
verschiedene Gründe für die Verbreitung -
3:41 - 3:45und die Verwurzelung von Antiziganismus in
der Gesellschaft. Aber vor allen Dingen -
3:45 - 3:53liegt das auch da dran, wie die Polizei
die Minderheit halt framed. Und vielleicht -
3:53 - 3:57zu Beginn: weshalb das halt für die
Polizei offensichtlich notwendig ist und -
3:57 - 4:03polizeilich für die Arbeit relevant ist,
Daten über Sinti und Roma zu erfassen, ist -
4:03 - 4:10zum einen dass Sinti und Roma unterstellt
wird, allgemein zur Kriminalität zu -
4:10 - 4:16neigen, dass die Polizei davon ausgeht
oder denkt, dass sie ein spezielles -
4:16 - 4:22Expertenwissen darüber hat, wie die
Kriminalität von Sinti und Roma sich -
4:22 - 4:29darstellt, und bestimmte Deliktarten der
Minderheit halt zuordnet. Das ist auch in -
4:29 - 4:35der historischen Wertung und auch für den
späteren Teil relevant. Und zum anderen -
4:35 - 4:41geht die Polizei auch davon aus, dass man
halt, also das was sie als Zigeuner -
4:41 - 4:45framen, also quasi das rassistische Bild,
die rassistische Annahme über Sinti und -
4:45 - 4:53Roma, dass man diese äußerlich auch
erkennen könnte. Genau, dann erstmal.. -
4:53 - 4:59Lea: Ich wollte so eine kleine, also erst
mal hallo auch von mir. Ich wollte eine -
4:59 - 5:01kleine Einleitung geben, einmal zu den
rechtlichen Grundsätzen, und vielleicht -
5:01 - 5:05kurz vorweg: die Perspektive, aus der ich
mich damit befasse, bei der, oder wir bei -
5:05 - 5:08der Gesellschaft für Freiheitsrechte, wir
sind eine Menschenrechtsorganisation, wer -
5:08 - 5:12uns noch nicht kennt, und wir
unterscheiden uns von anderen -
5:12 - 5:16Organisationen dadurch, dass wir vor allem
auf strategische Prozessführung setzen, -
5:16 - 5:19also gucken, wo man durch
Gerichtsverfahren und rechtliche Mittel, -
5:19 - 5:23Grund- und Menschenrechte durchsetzen
kann. Und gleich wird vielleicht im Zusammenhang -
5:23 - 5:27noch konkreter werden, weshalb wir mit dem
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma -
5:27 - 5:33kooperieren und zusammenarbeiten. Zunächst
einmal in dem Zusammenhang mit -
5:33 - 5:39Polizeiarbeit zu Sinti und Roma, ist
wichtig zu verstehen, dass es einmal den -
5:39 - 5:43völkerrechtlichen Grundsatz des Verbots
rassistischer Diskriminierung gibt. Das -
5:43 - 5:46ist völkerrechtlich "jus cogens", das
heißt zwingendes Völkerrecht, es kann -
5:46 - 5:50selbst durch Völkervertragsrecht nicht
abbedungen werden, ähnlich wie das -
5:50 - 5:55Folterverbot. Es ist also ein elementarer
Grundsatz im Völkerrecht und auch im -
5:55 - 5:59deutschen Verfassungsrecht in Artikel 3
des Grundgesetzes verankert. Und es hat -
5:59 - 6:03bestimmte Implikationen für die Arbeit der
Polizei. Die Polizei ist nämlich immer -
6:03 - 6:06dann, wenn sie Entscheidungsbefugnisse
hat, also Ermessen, an Grundrechte -
6:06 - 6:10gebunden, und da spielt das Verbot
rassistischer Diskriminierung eine große -
6:10 - 6:16Rolle. Das ist einmal in dem Verbot von
racial profiling, also bei operativen -
6:16 - 6:21Maßnahmen, darf sie nicht auf der
Grundannahme agieren, dass eine -
6:21 - 6:26rassistische Zuordnung, also das eben die
Merkmale, körperliche Merkmale wie -
6:26 - 6:29Hautfarbe oder aber auch das Zusammenspiel
von Hautfarbe mit irgendwie -
6:29 - 6:34Verhaltensweisen, oder bestimmten Formen
der Bekleidung, dass sie aus einer -
6:34 - 6:39rassistischen Grundannahme daraus halt den
Schluss zieht, dass eine Person, dass es -
6:39 - 6:44wahrscheinlicher ist, dass eine Person
Straftaten begangen hat oder begehen wird. -
6:44 - 6:49Dann hat das aber auch neben diesen
operativen Verpflichtungen, also wenn sie -
6:49 - 6:54in Grundrechte eingreift, hat das
natürlich auch Bedeutung bei der -
6:54 - 6:59Datenerhebung der Polizei, das die ja eben
auch Ermittlungsarbeiten mit vorbereitet. -
6:59 - 7:03Und insbesondere ist es also auch in den
Datenschutzgesetzen nochmal konkret -
7:03 - 7:07umgesetzt, da steht also dass alle
Merkmale, die mit Rasse im Zusammenhang -
7:07 - 7:12stehen, eine besondere Kategorie
personenbezogener Daten sind. Das heißt: -
7:12 - 7:18Rote Fahne - diese Daten dürfen wir nur im
großen Ausnahmefall erheben. Also. Absolut -
7:18 - 7:24verboten ist es demzufolge: strukturiert
auswertbar Rasse zu erfassen. Wir dürfen -
7:24 - 7:30nicht erfassen, wer in Deutschland der
Volksgruppe der Sinti und Roma angehört, -
7:30 - 7:38oder wer einer anderen ethnischen Gruppe
angehört. Außerdem heißt es, dass in -
7:38 - 7:42bestimmten Zusammenhängen , bei der
Polizei darf sie Daten erheben, wenn es -
7:42 - 7:47unbedingt notwendig ist, um z.B.
Straftaten zu verfolgen oder Gefahren -
7:47 - 7:57abzuwehren. Das heißt, muss ich erst
einmal selbst gucken. Das heißt, sie darf -
7:57 - 8:02sehr wohl zum Beispiel bei konkreten, wenn
sie konkret nach einer Person fandet, darf -
8:02 - 8:06sie vielleicht Hautfarbe erfassen, aber
eine rassistische Zuschreibung, die -
8:06 - 8:10irgendwie von der Annahme, Sinti und Roma
sind kriminalitätsgeneigt ausgeht, ist -
8:10 - 8:14nicht zulässig. Das heißt, bei Sinti und
Roma, weil es keine - also alle -
8:14 - 8:18Beschreibungen einer Person, die das
beinhaltet, sind eigentlich rassistische -
8:18 - 8:23Stereotypen - darf diese Erwähnung auch
in Polizeiakten nicht auftauchen. Außer es -
8:23 - 8:26gibt einen konkreten Zusammenhang zur Tat.
Das wird nur in sehr, sehr seltenen Fällen -
8:26 - 8:34nur möglich sein. Unsere These ist aber,
dass die Polizeiarbeit in der Praxis ganz -
8:34 - 8:40anders aussieht. Und zwar ist die These,
die wir hier auch ein bisschen vorstellen -
8:40 - 8:45wollen, ist einmal, wie das funktioniert.
Unserer Meinung nach ist, dass Sinti und -
8:45 - 8:48Roma, vermeintliche Angehörige der
Volksgruppe Sinti und Roma, von der -
8:48 - 8:53Polizei sehr viel häufiger über Racial-
Profiling eben von operativen Maßnahmen, -
8:53 - 8:57also Identitätsfeststellung z. B. oder
Durchsuchungen betroffen sind und die -
8:57 - 9:03Polizei dann in diesem Zusammenhang in
ihren Akten kennzeichnet, dass eine Person -
9:03 - 9:08ihrer Meinung nach der Volksgruppe
zugehört und dadurch also eine datenmäßige -
9:08 - 9:13Erfassung von Sinti und Roma bei der
Polizei entsteht. Und diese Grundlage ist -
9:13 - 9:16für dann Ermittlungsarbeiten, die auf
rassistischen Vorannahmen passieren. -
9:16 - 9:24Lea Beckmann: Genau. Und wie schon gesagt,
gibt es eine relativ lange Tradition -
9:24 - 9:31dadrin innerhalb der Polizei, die auch
weiter zurückreicht noch als der -
9:31 - 9:36Nationalsozialismus, also es hatte zwar
seine Hochpunkte während des NS, aber die -
9:36 - 9:43Praxis der Polizei ist da viel, viel
älter. Das Konzept "Zigeuner" gibt es -
9:43 - 9:49schon seit dem frühen 18. Jahrhundert, und
im Kaiserreich wurden schon die ersten -
9:49 - 9:57Daten halt massiv und konzentriert
systematisch gesammelt, die dann im -
9:57 - 10:03Nationalsozialismus halt vor allen Dingen
dazu dienten, die Minderheit zu -
10:03 - 10:10deportieren und zu ermorden. Und im
Gegensatz zur Judenverfolgung, die dann -
10:10 - 10:15durch die Alliierten nach 45 und die
Auseinandersetzung mit Antisemitismus eine -
10:15 - 10:20Zäsur erfahren hat, gab es das zu
Antiziganismus und der Verfolgung von -
10:20 - 10:26Sinti und Roma nicht, sondern die Praxis
ging quasi unter anderen politischen -
10:26 - 10:33Vorzeichen weiter und hat sich dann halt
nur graduell transformiert. Wichtig ist, -
10:33 - 10:41dass Sinti und Roma zu jeder Zeit als
unerwünschte also als Person mit -
10:41 - 10:48unerwünschten Verhalten geframed wurden
und auch als Fremde, die außerhalb der -
10:48 - 10:51Gesellschaft stehen, angesehen wurden,
auch wenn sie deutsche Staatsbürger sind. -
10:51 - 10:59Und dass dieses Sicherheits- und
Ordnungsproblem, was man der Minderheit -
10:59 - 11:05halt generell immer unterstellt hat, also
davon wurde auch abgeleitet, dass man sie -
11:05 - 11:14sondererfassen muss, um die größtmögliche
Kontrolle über sie zu erlangen. 1899 wurde -
11:14 - 11:20dann auch in München in der Polizei der
Zigeuner-Nachrichtendienst eingerichtet, -
11:20 - 11:26und der damalige Dienststellenleiter gab
1905 das erste so genannte Zigeuner-Buch -
11:26 - 11:33raus, in dem schon 3000 Personen quasi
erfasst waren mit Familien, Stammbäumen -
11:33 - 11:41und Personenstandsdaten und diese Daten
wurden weiter gesammelt und dienten dann -
11:41 - 11:46später im Nationalsozialismus. Dann ist
die Behörde quasi umgezogen und dem -
11:46 - 11:52Reichssicherheitshauptamt unterstellt
worden. Und das Amt 5 hier, das war halt, -
11:52 - 11:58hat diese Akten dann halt weiter
fortgesetzt und diese rasse-hygienische -
11:58 - 12:02Forschungsstelle hat anhand dieser Akten
dann halt Rasse-Gutachten erstellt, die -
12:02 - 12:08die Grundlage für Deportationen und
Ermordungen der Minderheit geliefert -
12:08 - 12:18haben. 1938 waren dann halt schon 31000
Menschen da erfasst, was eigentlich einer -
12:18 - 12:24totalen Erfassung der Minderheit im
Reichsgebiet entsprochen hat. Und von -
12:24 - 12:28deren existierten Fingerabdrücke,
Lichtbilder und Genealogien und -
12:28 - 12:38dergleichen. Wie vorhin schon gesagt, hat
sich diese Tradition weiter fortgesetzt, -
12:38 - 12:46nach 45, und eigentlich anschließend, ohne
irgendeine große Pause wurden wieder -
12:46 - 12:49sogenannte Zigeuner-Polizeien
eingerichtet. Das Personal blieb das -
12:49 - 12:55Gleiche und man hat auch mit denselben
Akten wie im NS weiter gearbeitet. Aber um -
12:55 - 12:59halt den Antiziganismus ein bisschen zu
kaschieren und zu verschleiern, wurde die -
12:59 - 13:09ganze Behörde dann '53 umbenannt in
"Nachrichten, Sammel- und Auskunftsstelle -
13:09 - 13:19über Landfahrer". Genau und das ist jetzt
hier von '62 das Merkblatt aus -
13:19 - 13:24Niedersachsen, in dem halt auch nochmal
dargestellt wurde, wer, wie, was gesammelt -
13:24 - 13:33werden soll. Und in den 70er Jahren, so um
1970, sollte dann diese, also wurde dann -
13:33 - 13:39diese Landfahrerzentrale als
grundgesetzwidrig eingestuft, aber die -
13:39 - 13:46Praxis blieb weiter eigentlich bestehen.
Denn, dann ab den 80ern übernahm vor allen -
13:46 - 13:52Dingen das BKA die Federführung für die
Überwachung von Sinti und Roma und hat -
13:52 - 14:01auch eine sogenannte Sachbearbeiter-Stelle
eingeführt, die bis 2001 tätig war und -
14:01 - 14:06quasi für die Länder, also für die LKAs
Anfragen bearbeitet hat zum Tatkomplex -
14:06 - 14:13reisende Täter. Das war quasi der
Zigeuner-Experte des BKAs, der, an dem -
14:13 - 14:19sich die LKAs gewandt haben mit
Informationen, genau. Und hier, das ist -
14:19 - 14:32eines von den Personen-Fahndungsblättern.
Genau. Da kann man sehen, dass diese -
14:32 - 14:40Markierungen in den personenbezogenen
Daten schon mit erfasst wurden und dass -
14:40 - 14:46auch, also bis '82 der Fall war. Dann
aufgrund von den Protesten vom Zentralrat -
14:46 - 14:52Deutscher Sinti und Roma wurde der
Landfahrer-Begriff und auch quasi diese -
14:52 - 15:01Markierungen mit Zigeunernamen abgeschafft
und aber nur transformiert. Denn ab '84 -
15:01 - 15:06tauchte dann ein anderer Begriff dafür
auf, also "Landfahrer" wurde ersetzt mit -
15:06 - 15:13dem Begriff "häufig wechselnder
Aufenthaltsort", also kurz HWAO. Genau. -
15:13 - 15:18Also man hat die Begriffe geändert, aber
am Denken der Beamten hat sich eigentlich -
15:18 - 15:29nichts geändert. Genau. Und weil sich
diese, diese Erfassung von Landfahrer und -
15:29 - 15:37Zigeuner Namen abgeschafft werden sollte,
hat man dann in dem Freitextfeldern von -
15:37 - 15:44den BKA Blättern halt mehrere andere
Begriffe verwendet, um die Sinti und Roma -
15:44 - 15:51in irgendeiner Weise kenntlich zu machen.
Und die Polizei war da, hatte eine große -
15:51 - 15:58Kreativität und mehrere Begriffe. Das sind
nur einige davon, die seit der 80er Jahre -
15:58 - 16:04verwandt wurden um Sinti und Roma zu
markieren. Und das führte sie, führt sich -
16:04 - 16:10auch fort bis in die neue, bis in die
Gegenwart. Das sind zwei kleine Anfragen -
16:10 - 16:18aus Baden-Württemberg 2014. Auf der linken
Seite und Sachsen 2016, wo deutlich -
16:18 - 16:27geworden ist, dass quasi eine
wesensähnliche Form verwendet wird. Zwar -
16:27 - 16:33heißt es dann halt hier wechselt häufig
den Aufenthaltsort, und unsere Vermutung -
16:33 - 16:39ist, dass in dieser Kategorie aller
Wahrscheinlichkeit nach halt Sinti und -
16:39 - 16:45Roma erfasst werden. Bei näheren
Nachfragen, vor allen Dingen in Sachsen, -
16:45 - 16:51wird dann gemauert. Also man kriegt
eigentlich keine Informationen darüber, -
16:51 - 16:58was da genau drin sich befindet.
Lea: Wir haben jetzt mal zwei Beispiele -
16:58 - 17:07aufgezeigt. Wie funktioniert es eigentlich
genau, jetzt Sinti und Roma zu erfassen? -
17:07 - 17:10Wir haben also im Ausgangspunkt diese
personenbezogene Hinweise. Das sind wie so -
17:10 - 17:14Tags quasi, die man auch strukturiert
auswerten kann, bundesweit oder in den -
17:14 - 17:21Länderpolizeidatenbanken HWAO als Synonym
für Ausgangpunkt Landfahrer oder Zigeuner -
17:21 - 17:26als rassistisch erkannte Begriffe. Und
jetzt ist klar, dass heute in manchen -
17:26 - 17:31Bundesländern dieser personenbezogene
Hinweis HWAO sich so nicht mehr findet. -
17:31 - 17:33Wir wissen das zum Beispiel über
parlamentarische Anfragen, dass es in -
17:33 - 17:37Berlin so nicht mehr sich wiederfindet.
Auf Bundesebene wissen wir einfach nicht, -
17:37 - 17:41was die personenbezogenen Hinweise sind,
weil es als Verschlusssache gilt. In -
17:41 - 17:44Sachsen und Baden-Württemberg, hatte Anna
jetzt schon gesagt, wissen wir, dass eine -
17:44 - 17:51begriffliche Fortführung dessen gibt. Und
deswegen fragen wir uns ein bisschen, wie -
17:51 - 17:56wird das heute fortgeführt. Eine Annahme
ist, dass sich unter der Rubrik Reisende -
17:56 - 17:58Täter zum Beispiel, was ein
personenbezogener Hinweis ist, erst mal -
17:58 - 18:02weiter ist und alle Straftaten erfasst, wo
der Straftäter nicht im unmittelbaren -
18:02 - 18:08Umfeld des Wohnsitzes tätig wird, dass der
also als Tag quasi dient. Und wenn dann in -
18:08 - 18:12der Freitextangabe noch Angaben sind. Da
waren ein paar Beispiele genannt, -
18:12 - 18:16Angehöriger mobiler ethnischer
Minderheiten oder ähnliche Begriffe -
18:16 - 18:19tauchen da auf, dann ist irgendwie klar
für die zuständigen Polizeibeamten, dass -
18:19 - 18:24die Personen als Sinti und Roma getagtist
und damit eine Kriminalitätsvermutung -
18:24 - 18:29gilt. Wir sehen das aber eben auch genau
als Beispiel dass diese Kennzeichnung -
18:29 - 18:32fortführt, dienen auch
Polizeikriminalstatistiken. -
18:32 - 18:36Polizeikriminalstatistiken sind erst
einmal, ich weiß nicht, wer von euch damit -
18:36 - 18:41schon mal zu tun hatte, sind Erfassung,
quasi Tätigkeitsberichte der Polizei, wo -
18:41 - 18:46statistisch erfasst wird, wo Kriminalität
verfolgt wird. Das gibt es auf Länderebene -
18:46 - 18:50und eben auf Bundesebene. Und es ist
dadurch, dass es die Tätigkeit der Polizei -
18:50 - 18:53darstellt, so eine gewisse Verzerrung, weil
es eben nur dargestellt wird wo die -
18:53 - 18:57Polizei auch ermittelt. Aber es ist so die
umfassende Kenntnis über Kriminalität, die -
18:57 - 19:01wir haben, wo in wenigen Stichpunkte
eigentlich erfasst wird. Hier habe ich -
19:01 - 19:06immer als Beispiel angegeben zu
Straftaten, was da passiert. Aber auch -
19:06 - 19:12historisch taucht in diesen
Polizeikriminalstatistiken immer auf: Die -
19:12 - 19:17Kennzeichnung von Sinti und Roma. Das
hier ist aus 53 unter der Rubrik Reisende -
19:17 - 19:20Täter. Reisende Täter erst mal eben alle
Täter, die Straftaten außerhalb des -
19:20 - 19:28Wohngebiets begehen, und dann damals die
Definition Landfahrer. Nun auch zu zeigen, -
19:28 - 19:34wo das historisch herkommt: Landfahrer ist,
wer aus eingewurzeltem Hang zum -
19:34 - 19:38Umherziehen mit Fahrzeugen, insbesondere
mit Wohnwagen oder Wohnkarren oder sonst -
19:38 - 19:43mit beweglichem Habe im Land umherzieht.
Und jetzt kommts: Die zeitweilige oder -
19:43 - 19:46dauernde Einrichtung oder Beibehaltung
einer Wohnung, vermag die -
19:46 - 19:51Landfahrereigenschaft nicht zu widerlegen.
Also ne genetische rassistische -
19:51 - 19:58Landfahrerdefinition. Das ist also bis in
die 70er Jahre taucht das auf in den PKS -
19:58 - 20:04z.B. '74, wo Landfahrer gekennzeichnet,
verzeichnet werden. Das taucht aber bis in -
20:04 - 20:09die Gegenwart auf. Ich habe jetzt mal so
ein Beispiel. Es gibt auch noch andere -
20:09 - 20:12Beispiele, aber nur kurz, wenn einem, wenn
ich mich genauer auseinandersetzen. Einmal -
20:12 - 20:19hier die polizeiliche Kriminalstatistik
PKS, Frankfurt 2005. Da haben wir -
20:19 - 20:22folgenden Ausschnitt: Straftaten, die von
Angehörigen mobiler ethnischer -
20:22 - 20:25Minderheiten begangen werden, nur so als
Beispiel, wie diese Kennzeichnung dann -
20:25 - 20:32eben heute da auftaucht. Dann ein Beispiel
von 2007. Dort sieht man dann auch mal, -
20:32 - 20:37wie das also fortgeführt wird, quasi in
den Ermittlungsarbeiten dann: Ermittlungen -
20:37 - 20:40richteten sich gegen Angehörige bestimmter
Ethnien. Das ist ja eben auch unsere -
20:40 - 20:43Unterstellung, dass diese Datenbanken
natürlich nur dienen könne, um auf -
20:43 - 20:46rassistischer Basis zu ermitteln, oder das
das auch ist auch die große Gefahr ist bei -
20:46 - 20:52der Kennzeichnung. Wie wir jetzt quasi zur
Zusammenarbeit kommen, ist, dass es eben -
20:52 - 20:56auch 2017 in der Berliner Polizei
Kriminalstatistik dazu eine Nennung gab. -
20:56 - 21:01Und zwar wurden zu dem Phänomen
Trickdiebstahl in Wohnungen insgesamt 86 -
21:01 - 21:05Tatverdächtige ermittelt - scheint ein
Riesenproblem zu sein. Und dann kommt -
21:05 - 21:10folgender Zusatz hier nochmal vergrößert.
Bei den hierzu durch die Fachdienststellen -
21:10 - 21:13ermittelten Tatverdächtigen handelt es
sich überwiegend um Angehörige der -
21:13 - 21:18Volksgruppe der Sinti und Roma - aha!
Diese Familienclans leben mittlerweile -
21:18 - 21:21seit Jahren in Deutschland und besitzen
größtenteils die deutsche -
21:21 - 21:25Staatsangehörigkeit, also hier keine
Codierungen, sondern eine klare Benennung. -
21:25 - 21:28Und dann der Zusatz: Ich find im folgenden
geht es vor allem um den ersten Satz -
21:28 - 21:32gehen. Aber der zweite Satz: Diese
Familienclans leben mittlerweile seit -
21:32 - 21:35Jahren in Deutschland und besitzen
größtenteils die deutsche -
21:35 - 21:41Staatsangehörigkeit. Welche Familienclans
jetzt? Also die Tatverdächtigen sind -
21:41 - 21:46Familienclans? Hat man jetzt auch die
familiären Strukturen erfasst? Oder sind -
21:46 - 21:50Sinti und Roma Familienclans und dann auch
netter Hinweis, dass deutsche -
21:50 - 21:52Staatsangehörige sind, deutsche
Staatsangehörige anscheinend größtenteils. -
21:52 - 21:56Aber man will nochmal darauf hinweisen,
dass sie so richtig deutsch nicht sind ne? -
21:56 - 22:00Weil sie mittlerweile seit Jahren in
Deutschland leben. Also ich finde das -
22:00 - 22:06ultra rassistisch. Da haben wir uns
gefragt: OK, also wo kommen diese Daten -
22:06 - 22:10her? Erstens Entweder ihr erfasst es also
unsere Unterstellungen, oder ihr erfasst -
22:10 - 22:16es nicht und schreibt es rein auch
ziemlich rechtswidrig. Warum erfasst ihr -
22:16 - 22:20das, was wollt ihr damit und wie erfasst
ihr das? Woher wisst ihr denn, ob jemand -
22:20 - 22:25Sinti und Roma ist? Macht Ihr da so bei
jedem tatverdächtigen Befragungen oder -
22:25 - 22:34könnt Ihr das riechen? Daraufhin hat der
Zentralrat sich mit einem Schreiben an den -
22:34 - 22:39Innensenator Geisel in Berlin gewandt und
ihn angefragt. Und dann ist ganz -
22:39 - 22:43interessant, irgendwie die Antwort des
Innensenators SPD Innensenator Geisel. -
22:43 - 22:49Zunächst möchte er festhalten: Keine
strukturierte Erfassung. Aha. Dann noch -
22:49 - 22:54weitere Ausführungen dazu: "basiert nicht
auf der Erfassung Tatverdächtiger als -
22:54 - 22:58Angehöriger der Volksgruppe der Sinti und
Roma, sondern auf der fachlichen -
22:58 - 23:01Einschätzung der zuständigen
Dienststelle". Die sind nämlich fachlich -
23:01 - 23:07dafür ausgebildet, das einschätzen zu
können, welche Sinti und Roma ist. Und dann -
23:07 - 23:12kommt der letzte Zusatz, der soll da
wieder beruhigen. Grundsätzlich halten sie -
23:12 - 23:16das auch für problematisch und wissen,
dass die Polizei das auch so sieht. Also -
23:16 - 23:21Auf politischen Druck kommt man irgendwie
anscheinend nicht weiter und das ist jetzt -
23:21 - 23:23so ein bisschen, dass wo wir
zusammenkommen, das wir eben überlegt -
23:23 - 23:27haben: was könnte man irgendwie rechtlich
noch machen? Und eigentlich ist das ja ein -
23:27 - 23:31bisschen schwierig, da ranzukommen. Wer
sich mit Racial Profiling und -
23:31 - 23:35Polizeiarbeit auseinandersetzt weiß: Es
ist sehr schwer, da ran zu kommen. Wir -
23:35 - 23:37haben irgendwie zwei Überlegungen, und die
erste ist, das habe ich jetzt mal versucht -
23:37 - 23:42hier. Datenerhebungen gibt es ja
Aufsichtsbehörden, das ist die -
23:42 - 23:46Datenschutzbeauftragte in Berlin. Da haben
wir eine Beschwerde lanciert. Die hat dann -
23:46 - 23:52der Polizei Fragen gestellt. In der ersten
Runde: Auf welcher Grundlage stützen sich -
23:52 - 23:59die vorgenannten Angaben. Die betreffenden
Angaben basieren nicht, basieren auf der -
23:59 - 24:03fachlich fundierten Einschätzung wiederum.
Es handelt sich, und jetzt kommt es auch, -
24:03 - 24:06es wird immer besser. Es handelt sich
hierbei um eine über viele Jahre -
24:06 - 24:11angeeignetes, polizeiliches Fachwissen zu
den genannten Bevölkerungsgruppen. Das -
24:11 - 24:15macht die Polizei also: Fachwissen zu
Bevölkerungsgruppen. Die Erkenntnisse -
24:15 - 24:18stützen sich unter anderem auf
Ermittlungen zu den Strukturen von -
24:18 - 24:24Großfamilien und deren kulturellen
Vorstellungen. OK, dann sind wir beruhigt. -
24:24 - 24:30Das war die erste Fragerunde, Da hat die
Polizei, also das war ne relativ vage -
24:30 - 24:36Frage, es kam eine relativ vage Antwort.
Dann hat die Landesdatenschutzbeauftragte -
24:36 - 24:38noch mal genauer nachgefragt, und wir
wissen, dass die Antworten, Spoiler, schon -
24:38 - 24:41bei der Datenschutzbeauftragten sind. Ich
hab da mit dem Referenten letzte Woche -
24:41 - 24:45noch telefoniert. Leider haben wir die
Antwort noch nicht gesehen. Sonst hätten -
24:45 - 24:49wir euch hier die Antworten präsentieren
können. Hier wäre also alles aufgeklärt -
24:49 - 24:55worden? Wir wissen es nicht. Im Januar
weiß ich mehr. Genau deswegen ist jetzt -
24:55 - 24:59die nächste Überlegung und damit will ich
dann auch hier schließen. Es kommt: In -
24:59 - 25:01Berlin ist gerade ein
Gesetzgebungsverfahren. Das -
25:01 - 25:02Antidiskriminierungsgesetz, das den
Antidiskriminierung Schutz auch auf die -
25:02 - 25:06öffentliche Verwaltung erweitert, und auch
Verbandsklage Möglichkeiten einführen -
25:06 - 25:11wird. Das ist ein irgendwie interessantes
Instrument für Organisationen wie uns, um -
25:11 - 25:15mal zu schauen, wie wir auch die Polizei
irgendwie verantwortlich machen können für -
25:15 - 25:17Diskriminierung und dieser Sache auf den
Grund gehen können. -
25:17 - 25:27Anja: Genau also es bleibt auch im
nächsten Jahr für uns beide spannend. Das -
25:27 - 25:34andere Thema, was wir oder was ich jetzt
ausgesucht habe als Beispiel, ist ein Fall -
25:34 - 25:41aus der Ermittlungspraxis und zwar aus dem
NSU Komplex. Leider geht es in dem NSU -
25:41 - 25:47Komplex aber ziemlich unter das Thema, und
zwar der Mord an Michèle Kiesewetter. Weil -
25:47 - 25:53da sind nämlich vor allen Dingen Sinti und
Roma ins Visier der Ermittler geraten. Was -
25:53 - 25:57ist passiert? 2007 ist die Polizistin
Michèle Kiesewetter in ihrem -
25:57 - 26:04Dienstfahrzeug erschossen worden. Die
Spurensicherung der Polizei hat dann unter -
26:04 - 26:10anderem eine DNA-Spur sichergestellt. Die
hat man dann halt ausgewertet, -
26:10 - 26:16festgestellt, dass es sich um eine
weibliche Person handelt. Und dann hat die -
26:16 - 26:21Polizei das gemacht, was sie immer macht,
und zwar das mit ihr mit der Datenbank des -
26:21 - 26:27BKA also der DNA Datenbank des BKA
abgeglichen und dabei ist herausgekommen, -
26:27 - 26:35dass diese DNA-Spur seit '93 an ganz
vielen verschiedenen Orten aufgetaucht ist -
26:35 - 26:43in Deutschland, Österreich, Frankreich und
ne hohe Delikt Diversität halt irgendwie -
26:43 - 26:51aufzeigt, also von Diebstahl bis hin zu
Mord. Genau. Man hat dann auch, und das -
26:51 - 26:56ist für ein anderes Thema relevant und
zwar die erweiterten DNA-Analysen damals -
26:56 - 27:03über Amtshilfe mit Österreich halt ein
erweitertes DNA Gutachten angefordert, um -
27:03 - 27:12die biogeografische Herkunft der DNA zu
bestimmen und diese DNA laut Gutachten -
27:12 - 27:18wies mutmaßlich nach Osteuropa. Dieser
Umstand und der Umstand, dass in der Nähe -
27:18 - 27:25des Tatorts gerade Roma-Familien
durchgefahren sind und zum Tatzeitpunkt -
27:25 - 27:30sich an der angrenzenden Theresienwiese,
wo die Polizistin erschossen wurde, -
27:30 - 27:37aufgehalten haben. Diese Sachen fallen
jetzt für die Ermittler zusammen. Man hat -
27:37 - 27:47eine DNA-Spur weiblich, hohe Mobilität,
hohe Kriminalität: Da kann sich nur um -
27:47 - 27:50Zigeuner handeln. Die operative
Fallanalyse kommt dann auch zu einem, wie -
27:50 - 27:56ich finde, ganz treffenden
antizionistischen Einschätzung. Genau auf -
27:56 - 28:05diese Spur, die Ermittler dann auch quasi
fokussiert. Ich habe hier - ich les das -
28:05 - 28:09jetzt nicht alles vor. Aber es handelt
sich halt um jemanden mit häufig -
28:09 - 28:15wechselnden Handlungsorten,
vagabundierend, lebt randständig von der -
28:15 - 28:21Gesellschaft, vagabundiert und gehört eher
nicht einer festen Gruppe des fahrenden -
28:21 - 28:29Volkes an, sondern hat nur seine Wurzeln
da und zum Aussehen dann halt auch -
28:29 - 28:38osteuropäisches und/oder südosteuropäisches
Aussehen. Genau aufgrund dieser -
28:38 - 28:43Fallanalyse wird dann auch veranlasst,
dass es halt eine DNA Reihenuntersuchungen -
28:43 - 28:51geben soll und quasi über 3000 Sinti und
Roma im Rahmen dessen landauf, landab, ob -
28:51 - 28:57sie in Heilbronn waren oder nicht von den
Beamten halt irgendwie heimgesucht und -
28:57 - 29:01vernommen.
Lea: Da sieht man halt genau wie diese -
29:01 - 29:04Datenbank Erfassung quasi dann umgesetzt
wird in operative Tätigkeit. -
29:04 - 29:12Anja: Genau und zwar hab ich mi r dann die
Akte oder die Ermittlungsakten halt auch -
29:12 - 29:19mal angesehen. In der Hauptakte fällt als
erstes Mal auf, dass entgegen allen -
29:19 - 29:27anderen Gruppen, die halt irgendwie am
Tattag da waren, die Sinti und Roma nicht -
29:27 - 29:33als Tatortzeugen vernommen werden, sondern
ne extra Ordner gibt "Vernehmung -
29:33 - 29:37Landfahrer" also alle halt eigentlich
schon als Tatverdächtige behandelt werden. -
29:37 - 29:48Also die Leute, die das wissen, da komm
ich später dazu in der Akte selber drin -
29:48 - 29:52findet sich dann halt auch ein ganz
anderer Aktenaufbau wie zu allen anderen -
29:52 - 29:58Akten, und zwar ausgiebige Listen über
Roma mit personenbezogenen Daten. Und da, -
29:58 - 30:05wo diese Kreuze sind, halt welche Sachen
halt ob Fingerabdrücke, DNA, Profile oder -
30:05 - 30:17andere Ermittlungsakten halt schon
vorhanden sind. Auch in der Akte befinden -
30:17 - 30:23sich wahnsinnig viele Lichtbildaufnahmen
und Lichtbildmappen von Roma. Auch das -
30:23 - 30:31findet sich in den anderen Akten zu
anderen Tatortzeuge nicht. Die -
30:31 - 30:35Vernehmungen sind auch komplett anders
verlaufen als zu allen anderen. Und zwar -
30:35 - 30:41ging es dabei weniger irgendwie um den
Tag, sondern es ging den Ermittlern vor -
30:41 - 30:45allen Dingen darum, und auch das wieder in
der Tradition antiziganistischer -
30:45 - 30:51Polizeiarbeit, Verwandtschaftsverhältnisse
zu durchleuchten. Und dann findet sich -
30:51 - 30:59auch sowas in den Akten, eine Genealogie
von den Roma Familien, was auch ne -
30:59 - 31:09100-jährige Tradition hat. Da hat mich vor
allen Dingen fasziniert, dass nicht nur -
31:09 - 31:15unter PSP der Name, den die Personen
innerhalb der Minderheit trägt, -
31:15 - 31:20festgehalten wurde, also das, was früher
der Zigeunername war, sondern dass halt -
31:20 - 31:25hier auch quasi Kinder mit erfasst werden,
die mit Sicherheit nicht im -
31:25 - 31:31Tatzusammenhang stehen, weil sie zum
Tatzeitpunkt acht Jahre alt waren. -
31:31 - 31:35Nichtsdestotrotz war das für die Polizei
und für die Ermittlungen offensichtlich -
31:35 - 31:42relevant. Ich habe mir dann auch mal die
ganzen Ermittlungsmaßnahmen angeguckt, die -
31:42 - 31:48die Polizei während des ganzen Verfahrens
durchgeführt hat, und hab mir das mal -
31:48 - 32:00ausgewertet. Von den 335 Maßnahmen haben
sich 176 auf diese Phantomsspur -
32:00 - 32:04konzentriert. Einige von euch werden es
vielleicht wissen. Diese Phantomspur hat -
32:04 - 32:11sich dann zwei Jahre später als Trugspur
herausgestellt, weil die DNA quasi von der -
32:11 - 32:16Verunreinigung der Wattestäbchen herkam,
die die Forensik verwendet hat und die DNA -
32:16 - 32:25zu der Frau in der Fabrik passte, die die
Wattestäbchen abgepackt hat. Genau. Aber -
32:25 - 32:30über diesen Tatkomplex hinaus und auch
nachdem diese Trugspur sich aufgelöst -
32:30 - 32:36hatte, hat man weiter gegen Sinti und Roma
ermittelt und 19 Maßnahmen richteten sich -
32:36 - 32:40dadrüber hinaus entweder gegen die gesamte
Minderheit oder gegen einzelne Angehörige. -
32:40 - 32:45Also 60 Prozent des ganzen
Ermittlungsaufwandes hatte sich gegen -
32:45 - 32:55Sinti und Roma gerichtet. Zum Schluss,
bevor wir zu unserem Fazit kommen, noch -
32:55 - 33:00zwei kurze Maßnahmen, die ich
herausgesucht habe, an denen das recht -
33:00 - 33:07deutlich wird, was da genau passiert ist.
Das eine ist eine Maßnahme in dem Quasi -
33:07 - 33:12diese BKA Blätter, was ich vorhin schon
gesagt habe, halt ausgewertet werden -
33:12 - 33:22sollte und da drin ist halt quasi die
Anweisung, dass man die BKA Blätter -
33:22 - 33:27systematisch auswerten soll nach
bestimmten Begriffen und dann sagt man -
33:27 - 33:31halt Zigeuner, Roma, Sinti und ähnliche
Begriffe, also das halt irgendwie das -
33:31 - 33:37ganze Potpourri an Begriffen, was die
Polizei so auf Lager hat halt abgerufen -
33:37 - 33:42wird und eine Excel-Liste erstellt werden
soll, die dann für die weitere -
33:42 - 33:48Polizeiarbeit genutzt werden soll, um DNA
Profile von den Leuten einzusammeln. -
33:48 - 33:56Genau, die andere Maßnahme ist ein
Landesfahndungstag, der in Bayern, Baden- -
33:56 - 34:06Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz
durchgeführt wurde. Das Schwerpunktkonzept -
34:06 - 34:10dieses Fahndungstages war dann halt,
"Reisende Täter". Es ging wieder um -
34:10 - 34:20Heilbronn und leider liegen mir persönlich
nicht die Spurenakten dazu vor, weshalb -
34:20 - 34:25ich halt dieses Fahndungskonzept nicht
vorliegen habe, aber man braucht wenig -
34:25 - 34:30Phantasie, um sich vorzustellen, was da
drin stand. Baden-Württemberg meldete dann -
34:30 - 34:37am Ende des Fahndungstages dass halt 15
männliche und zwölf weibliche Personen, -
34:37 - 34:43die in dieses Personenraster passen.
Freiwillig gespeichelt wurden also DNA -
34:43 - 34:49entnommen wurde.
Lea: Damit kommen wir eigentlich zu -
34:49 - 34:53unseren letzten Punkten. Also wir würden
uns wünschen, dass es einfach eine klare -
34:53 - 34:57Anweisung der Innenministerien an die
Polizeibehörden gibt, was unter Racial -
34:57 - 35:02Profiling fällt und damit verboten ist.
Vielleicht werden damit Polizeibeamte zu -
35:02 - 35:07sehr allein gelassen, und wir sehen, was
dann passiert. Aufklärung und Kontrolle -
35:07 - 35:11also hier durch die
Datenschutzbeauftragten: Die können in -
35:11 - 35:16Daten, Akten auch mal reingucken, in die
Polizeidaten und -Akten. Da würden wir uns -
35:16 - 35:21wünschen, dass es einfach eine genauere
Aufsicht gibt und Kontrolle darüber. Dann -
35:21 - 35:26eine Ausweitung, habe ich hier geschrieben
des AGG, eine Ausgestaltung des -
35:26 - 35:30Diskriminierungsverbot. Das ist das, was
ich beschrieben habe. In Berlin wird das -
35:30 - 35:32Land als erstes Land ein Landes-
Antidiskriminierungsgesetz geben, das -
35:32 - 35:37nicht nur das Diskriminierungsverbot, was
bereits aus Artikel 3 Grundgesetz gilt, -
35:37 - 35:39ein bisschen erweitern wird, hoffentlich
aber eben auch so -
35:39 - 35:43Verbandsklagemöglichkeiten einführt und
damit es leichter machen wird, auch mal -
35:43 - 35:48Polizei verantwortlich zu halten auf
gerichtlichem Wege. Dann würden wir uns -
35:48 - 35:51auch mal wünschen, dass dieses Thema
Antiziganismus eine breitere -
35:51 - 35:54gesellschaftliche Allianz hinter sich
findet und nicht auf den Schultern der -
35:54 - 36:00Betroffenen ruht. Eine Aufarbeitung des
bisherigen Unrechts, was hier durch -
36:00 - 36:04Polizei eben bis heute passiert, und ein
Umdenken der polizeilichen Praxis und -
36:04 - 36:07Bruch mit antiziganistischen Stereotypen.
Vielleicht noch kurz zum Abschluss: Wir -
36:07 - 36:13werden jetzt ein paar Fragenauch zulassen.
Für das, was jetzt in den nächsten Minuten -
36:13 - 36:17nicht klappt haben wir von der
Gesellschaft für Freiheitsrechte auch noch -
36:17 - 36:23einen Stand, und zwar, in der "Rights and
Freedom Area". Das ist, wenn man hier -
36:23 - 36:28rausgeht, links runter, da in der Area. Da
freuen wir uns auch, wenn ihr vorbei -
36:28 - 36:30kommt.
Anja: Der Zentralrat hat leider keinen -
36:30 - 36:32Stand hier. lacht
Lea: Damit würden wir jetzt Fragen -
36:32 - 36:34entgennehmen.
-
36:34 - 36:46Applaus
-
36:46 - 36:53Herald-Angel: Wir haben ganz wenige
Minuten noch Zeit für Fragen Ihr sieht -
36:53 - 36:58hier Mikro eins, zwei und drei. Bitte
einfach ranstellen und da rein sprechen, -
36:58 - 37:04wenn ihr Fragen habt, direkt. Ansonsten
frage ich mal das Internet: Gibt es da -
37:04 - 37:09Fragen? Ich sehe nichts, doch. Dann bitte
einmal der Signal Angel: -
37:09 - 37:19Signal Angel: . Hallo? Die Frage aus dem
Internet ist, ob ihr Vorschläge habt, wie -
37:19 - 37:23man diese rassistische Gruppierung
verhindern könnte und gleichzeitig die -
37:23 - 37:25operativen Fähigkeiten aufrecht zu
erhalten? -
37:25 - 37:30Lea: Die Frage ist ja schon intererssant,
weil ja die Annahme ist, dass die -
37:30 - 37:35operativen Fähigkeiten eingeschränkt
werden. Also, ich will dir auch die -
37:35 - 37:40Möglichkeit geben. Diese Kennzeichnung
kann nur, also die Kennzeichnung von Roma -
37:40 - 37:43kann nur rassistisch sein. Das muss erst
mal aus den Datenbanken verschwinden und -
37:43 - 37:47dann muss Polizei sich damit
auseinandersetzen, dass dieser Schluss von -
37:47 - 37:51der vermeintlichen Zugehörigkeit zu einer
Rasse oder einer Volksgruppe auf eine -
37:51 - 37:54Kriminalitätsneigung kein
Ermittlungsansätze sein darf. Also wenn -
37:54 - 37:57man einen konkreten Tatverdächtigen
beschrieben bekommt. -
37:57 - 38:04Applaus
Also bei einer konkreten Beschreibung -
38:04 - 38:09einer Person mag das in Ordnung sein, aber
zu glauben, dass bei bestimmten Delikten -
38:09 - 38:13der Verdacht nahe liegt, dass man jetzt
mal flächendeckend Menschen nach ihren -
38:13 - 38:17äußerlichen Merkmalen mit polizeilichen
Maßnahmen bearbeiten kann und dadurch -
38:17 - 38:22irgendwie Probleme löst. Das Gegenteil ist
meines Erachtens der Fall. -
38:22 - 38:30Anja: Also Lea hat es eigentlich schon
ganz gut zusammengefasst. Die -
38:30 - 38:37Zugehörigkeit zu einer Gruppe kann kein
Ermittlungsansatz sein. Also Leute begehen -
38:37 - 38:41nicht Straftaten, weil sie einer
bestimmten Gruppe angehören, sondern -
38:41 - 38:46jeder, jedes Individuum ist für seine, für
sein Handeln selbst verantwortlich und das -
38:46 - 38:53hat nichts damit zu tun, welcher Gruppe
die oder der Tatverdächtige halt angehört. -
38:53 - 38:58Wichtig ist es und hier nochmal der letzte
Punkt, den Lea schon gesagt hat, ein -
38:58 - 39:02Umdenken in der polizeilichen Praxis, also
es hilft nichts, dass irgendwas, alles -
39:02 - 39:08umgelabelt wird und die Polizei halt mehr
Kreativität an den Tag legen muss, um -
39:08 - 39:13seine rassistische Praxis weiter
fortzuführen, sondern es muss einfach klar -
39:13 - 39:17sein, dass die Zugehörigkeit zu dieser
Gruppe nichts damit zu tun hat, was diese -
39:17 - 39:21Person halt tut.
Applaus -
39:21 - 39:29Herals-Angel: Tut mir leid, das war es
dann auch schon mit den Fragen hier im -
39:29 - 39:34Saal. Ihr habt die Möglichkeit sicher mit
den beiden auch nach der Session jetzt -
39:34 - 39:38noch einmal zu reden. In diesem Sinne noch
einmal einen herzlichen Applaus. Danke für -
39:38 - 39:39diesen super wichtigen Talk an Anja Reuss
und.Lea Beckmann. -
39:39 - 39:40Abspannmusik
-
39:40 - 39:41Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 20??. Mach mit und hilf uns!
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