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33C3 Vorspannmusik
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Herald: Okay. Unser nächster Talk wird
von Ulrich Kerner gehalten, einem Anwalt,
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der vor allem kritische Blogger
und auch Unternehmen berät,
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besonders in Fragen des Presserechts
und Wirtschaftsrecht.
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Auch einer der Klageführer – richtig? –
gegen den Hackerparagrafen.
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Ich hoffe, das habe ich richtig gesagt,
aber das kann er gleich noch selbst
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korrigieren. Und der heute uns
was darüber erzählen wird,
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gegen einen Paragrafen, der
Datenhehlerei unter Strafe stellt.
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Im Zeitalter von Whistleblowern natürlich
ganz besonders interessant, denn
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denen droht eine Haftstrafe. Daher auch
der Titel: „Haft für Whistleblower“.
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Ein Applaus für Ulrich Kerner!
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Beifall
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Ulrich Kerner: So, hallo zusammen.
Es geht heute hier um den Paragrafen
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der Datenhehlerei, ein Gesetz,
was jetzt etwa ein Jahr alt ist,
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was Uniprofessoren zu Fachbeiträgen
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in Zeitschriften mit folgenden Titeln
inspiriert hat:
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Prof. Carl-Friedrich Stuckenberg von der
Uni Bonn, „Der missratene Tatbestand
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der neuen Datenhehlerei“. Oder
Prof. Dr. Tobias Singelnstein aus Berlin
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von der FU: „Ausufernd und fehlplatziert
– der Tatbestand der Datenhehlerei
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im System des strafrechtlichen
Daten- und Informationsschutzes.“
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Das sind schon mal recht klare Worte,
was hier der Gesetzgeber gemacht hat.
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Wir werden uns jetzt gleich mal anschauen:
Wie funktioniert Gesetzgebung?
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Wie funktioniert vor allem Strafgesetzgebung?
Nicht von den Abläufen im Parlament,
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sondern was hat sie für Ziele und
soll sie für Zwecke haben?
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Wir müssen uns ein bisschen anschauen,
was schützt unsere Rechtsordnung?
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Das ist der Rechtsgüterschutz.
Dann werfen wir einen kurzen Blick
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auf das Gesetzgebungsverfahren des §202d,
auf die Regelungen.
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Dann wird’s ein bisschen, sozusagen,
juristisch-technischer. Wir müssen uns da
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mal den Tatbestand anschauen, kucken uns
dann an, wie sind die Regelungen, was ist
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da erfasst, was wird unter Strafe
gestellt? Schauen uns die Kritik an,
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die auf breiter Front eigentlich geäußert
wurde. Und dann einen kurzen Ausblick
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auf eine Verfassungsbeschwerde,
die es gegen diesen Straftatbestand gibt.
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Wenn wir von Strafgesetzgebung sprechen,
vielleicht zum Einstieg eine Frage
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zur allgemeinen Gesetzgebung: Wer glaubt
denn, dass die Gesetzgebung, die wir hier
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haben, und durch den Bundestag läuft,
rational zugänglichen Argumenten folgt?
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Ich bitte um Handzeichen.
Lachen
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Das sind sehr wenige. Ich möchte dazu kurz
eine Anekdote erzählen, die zeigt, dass es
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zumindest regelmäßig mit rationalen
Argumenten nichts zu tun hat.
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Ihr wisst alle, es gab eine Föderalismusreform,
wo es ein recht zähes Ringen gab
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zwischen den Bundesländern und dem Bund,
was verschiedene Kompetenzen auch
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im Bereich der Gesetzgebung angeht. Und
unter anderem ist an die Länder gegangen:
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Die Gesetzgebungskompetenz für den
Strafvollzug und auch für das
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Versammlungsrecht. Beim Strafvollzug haben
sämtliche wesentlichen Organisationen
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der deutschen Strafrechtspflege, vom
Deutschen Richterbund über die Deutsche
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Vereinigung für Jugendgerichte und
Jugendgerichtshilfen e.V. bis zur
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Bundesvereinigung der Anstaltsleiter und
Anstaltsleiterinnen im Vollzugsdienst e.V.
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abgelehnt, dass die Gesetzgebung an die
Bundesländer geht und wir damit in den
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Bundesländern eigene Strafvollzugsgesetze
haben mit unterschiedlichen Regelungen.
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Es gab in dem Verfahren eine
Expertenanhörung, da waren auch Schweizer
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Experten eingeladen. In der Schweiz hat
jeder Kanton sein eigenes Strafvollzugsgesetz.
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Die haben berichtet, dass es in der Schweiz
erhebliche Probleme gibt, wenn
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ein Strafgefangener von einem Kanton
in den anderen verlegt werden will.
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Weil nicht ganz geklärt ist, welches Recht
dann zur Anwendung kommt.
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Das hat den Gesetzgeber nicht beeindruckt.
Ebenso das Versammlungsrecht.
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Versammlungsrecht, habe ich mir sagen lassen,
das wurde irgendwann in diesen zähen
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Verhandlungen mal so in den Raum
geschmissen gegenüber den Ländern.
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„Da kriegt Ihr das Versammlungsrecht.“
Und da haben die daran festgehalten. Und
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das Versammlungsrecht ist eins der
wesentlichen Grundrechte, die wir in einem
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demokratischen Staat haben. Warum hier
davon abgesehen wird oder eine Regelung
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getroffen wird, dass wir nicht mehr
bundesweit einheitliche Regelungen haben,
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sondern jetzt jedes Bundesland jetzt seine
eigenen Regelungen machen kann,
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die sich sehr wohl auch unterscheiden,
das, meine ich, ist mit keinem
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nachvollziehbaren Argument zu erklären
und auch nicht zu rechtfertigen.
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In der Strafgesetzgebung ist es
letztendlich nicht anders. Und wenn wir
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schauen, jetzt wieder, wir haben gerade…
wer heute Zeitung gelesen hat oder
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in den letzten Tagen: Nach den Anschlägen
in den Berlin wird also gefordert, dass
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Ermittlungsbefugnisse der
Strafverfolgungsbehörden ausgeweitet werden.
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Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse ist
klar: Es greift in euer aller Grundrechte ein.
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Und wenn wir sehen, was in Berlin nach
der Tat so alles ans Licht gekommen ist,
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nach und nach, und was die entsprechenden
Dienste alles wussten, da fragt man sich
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schon, ob die mit den Werkzeugen, die sie
in der Hand haben, zur Zeit zur Verfügung
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haben, ob sie damit richtig umgehen können
oder nicht. Und jemand, der mit Hammer
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und Meißel nicht klarkommt, dem würde ich
nicht eine Kettensäge in die Hand drücken.
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Beifall
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Strafgesetzgebung dient dem
Rechtsgüterschutz. Und die Rechtsgüter,
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die schützenswert sind, die sind nicht nur
durch Strafgesetze geschützt, sondern
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wir haben einen abgestuften Schutz.
Das beginnt mit dem Zivilrecht,
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das geht weiter mit dem Verwaltungsrecht,
und die Strafgesetzgebung
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zum Schutz von Rechtsgütern ist Ultima
Ratio. Das ist das letzte Instrument,
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was der Gesetzgeber hat.
Ich mache ein einfaches Beispiel:
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Fahrlässige Körperverletzung und
fahrlässige Sachbeschädigung.
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Beides löst zivilrechtliche
Schadensersatzansprüche aus. Wenn ich also
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beim Einparken auf’m Parkplatz ein anderes
Auto beschädige, weil ich nicht aufgepasst
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habe, dann mache ich mich
schadensersatzpflichtig. Wenn ich
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einen Fußgänger anfahre, dann mache
ich mich auch schadensersatzpflichtig,
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wenn der verletzt ist.
Wenn ich jemanden verletze, fahrlässig,
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dann mache ich mich auch strafbar. Es
gibt die ‚fahrlässige Körperverletzung‘.
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Wenn ich fahrlässig etwas beschädige von
einer anderen Person, mache ich mich
-
nicht strafbar, es gibt nur
zivilrechtliche Ansprüche.
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Der Gesetzgeber hat sich entschieden,
die fahrlässige Sachbeschädigung
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nicht mit Strafe zu bedrohen.
Das Strafrecht ist auch nicht da
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zum Schutz moralischer Vorstellungen,
wie das früher der §175 StGB
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getan hat, der zurecht
irgendwann abgeschafft wurde.
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Und ein wohl unumstößlicher Grundsatz
ist schlichtweg der Folgende:
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Dass der strafrechtliche Schutz nur ein
lückenhafter sein kann, wenn es noch
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Freiheit geben soll. Wenn man alles
umfassend unter Strafe stellt, dann haben wir
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keine Lücken mehr im Strafrecht, aber der
Einzelne hat auch keine Freiheit mehr.
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Das ist, was wir hier aktuell sehen.
Täglich fast, hat man das Gefühl,
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kommt Geschrei, dass wir irgendwelche
Strafbarkeitslücken schließen müssen.
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Sei es gegen Fake-News oder andere Sachen.
Und wir hatten lange
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im bundesdeutschen Diskurs die Prämisse,
dass der Strafrechtsschutz
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nur ein lückenhafter sein kann.
Heutzutage wird dauernd geschrien,
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es müssen überall Strafen verschärft
werden, um die Sicherheit des Einzelnen
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zu gewährleisten. Die Sicherheit des
Einzelnen ist also in den Fokus getreten,
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und wenn wir jetzt aber schauen, was uns
unterm Strich, oder nüchtern betrachtet
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zumindest in der BRD zur Zeit bedroht, dann
sind sehr viel mehr Menschen Opfer von
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Verkehrsunfällen, auch tödliche
Ausgänge, nicht wenig.
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Und in Europa wird man kaum jemanden
finden, der so ganz ohne Weiteres
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nachvollziehen kann, warum beispielsweise
in Deutschland kein Tempolimit
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auf Autobahnen gilt, und mit 110 auf der
Autobahn wäre die Todesrate, die wir
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auf den Bundesautobahnen haben, deutlich
geringer. Man fragt sich also,
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warum auf der einen Seite an den
Stellschrauben immer weiter gedreht
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werden soll, aber andere, den Einzelnen
durchaus reell bedrohende Gefahren
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völlig außer Acht gelassen werden.
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Beifall
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Ich zeige noch ganz kurz zwei Beispiele:
Strafgesetzgebung früher,
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das waren meistens einfach gefasste
Tatbestände, so wie hier Körperverletzung:
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„Wer eine andere Person körperlich
misshandelt oder an der Gesundheit
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schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu
fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“.
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Ich meine, da muss man sich fragen, was
ist also eine körperliche Misshandlung?
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Was ist eine Gesundheitsschädigung? Das
hat die Rechtsprechung abgegrenzt. Aber
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so mehr oder weniger kann man mit Lesen
erahnen, was man darf und was man
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nicht darf. Das ist bei modernen
Strafgesetzen nicht mehr der Fall,
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es ist hier ein etwas fieses Beispiel,
der §38 des Gesetzes
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über den Wertpapierhandel. Das ist
nur ein kleiner Teil der Vorschrift,
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denn hier ist praktisch in jeder zweiten
Zeile eine Verweisung, entweder
-
an andere Stellen des
Wertpapierhandelsgesetzes,
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des Emissionszertifikatshandelsgesetzes,
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und selbst in diverse EU-Verordnungen,
wo steht, wenn man gegen die und die
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EU-Verordnung verstößt, dann macht man
sich auch strafbar. Ich glaube,
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es ist niemand in der Lage, innerhalb von
drei Stunden, wenn man sich hinsetzt und
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das vorher nicht kennt, aber alle Materialien
hat, danach zusammenfassen zu können,
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welche Handlungen alle
mit Strafe bedroht sind.
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Übrigens, und das ist, warum ich das
ausgewählt habe, der einzige mir bekannte,
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echte Fake-News-Straftatbestand. Denn im
Wertpapierhandel ist es schlichtweg
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verboten, wenn man zu Kursmanipulationen
falsche Tatsachen veröffentlicht.
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Okay, Strafgesetze sollen Rechtsgüter
schützen. Und die typischen Rechtsgüter,
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die wir haben, die Individualrechtsgüter,
das ist Leben, Gesundheit, Eigentum
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und Vermögen. Es gibt natürlich auch
andere Rechtsgüter, der Staat
-
und seine Institutionen etc.
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Wir haben auch einen Rechtsgüterschutz
letztendlich für Informationen.
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Ich springe mal eine Seite weiter.
Es sind Staats- und Dienstgeheimnisse,
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– was für Informationen sind geschützt –
private Geheimnisse, Geschäftsgeheimnisse,
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auch im Bereich geistigen Eigentums
gibt es viele Strafnormen
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in den dortigen Regelungen.
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Patentrecht, Markenrecht, Gebrauchsmuster-
und Geschmacksmusterrecht, Urheberrecht.
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Hier ist nur ‚Patentgesetz‘ als Beispiel.
Und wir haben den Schutz
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von personenbezogenen Daten
im Bundesdatenschutzgesetz.
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Und in §3, Abs.1 BDSG ist geregelt oder
legal definiert, was dort geschützt ist,
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was ‚personenbezogene Daten‘ sind.
Das sind „Einzelangaben über persönliche
-
oder sachliche Verhältnisse einer
bestimmten oder bestimmbaren
-
natürlichen Person“. Das zeigt, da geht es
um einen inhaltlichen Datenschutz,
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es geht um das, um was es für
Daten sich handelt, es wird
-
ein bestimmter Inhalt geschützt.
Wir haben auch einen Schutz,
-
der nicht ein inhaltliches
Schutzkonzept verfolgt,
-
sondern letztendlich ein formelles
Schutzkonzept. Und das sind so
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die neueren Straftatbestände aus dem
Bereich der IT-Kriminalität, 202a, 202b,
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202c, der sogenannte Hacker-Paragraf.
Da sind Daten geschützt, unabhängig vom
-
Inhalt, sogenanntes formelles Schutzkonzept.
Die Tatbestände sind dann aber weiter
-
eingeschränkt. Man muss also bestimmte
Zugangssicherungen überwinden, die Daten
-
müssen gegen unbefugten Zugang
geschützt sein und Ähnliches. So.
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Jetzt kommen wir langsam zum 202d;
und das Gesetzgebungsverfahren hier
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noch mal ganz kurz, eine kurze Übersicht
über das Computerinformationsstrafrecht,
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was wir haben. Das wurde letztendlich
immer eingeführt zur Umsetzung
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von EU-Richtlinien. Anders bei der
Datenhehlerei. Da gibt es gerade
-
keine europäische Vorgabe, sondern der
Gesetzgeber ist selbstständig tätig geworden.
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Ursprünglich über einen Gesetzesentwurf
des Bundeslandes Hessen.
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Der wurde dann eingebracht, unterlag der
Diskontinuität, weil es neue Wahlen gab.
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Er wurde noch mal eingebracht und das,
was wir heute haben, das fußt auf einem
-
Gesetzesentwurf der Bundesregierung.
Bei der Gesetzgebungsbegründung,
-
da wurde teilweise recht diffus ausgeführt,
worum es gehen soll, da wurden
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große Strafbarkeitslücken genannt.
Letztendlich hat wohl der Gesetzgeber
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im Blick, dass er den Handel
mit Identitäten
-
aus dem Internet oder im Internet unter
Strafe stellen soll. Da wurde gesehen,
-
zwar solche Identitäten zu klauen oder
sich zu kopieren etc., das ist verboten.
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Sie später zu benutzen, beispielsweise
Kreditkartendaten, das ist auch
-
unter Strafe gestellt. Aber wenn diese
Daten weitergegeben werden über das
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immer wieder zitierbare Darknet, dann
wurden da empfindliche Strafbarkeitslücken
-
gesehen. Übrigens der erste Gesetzesentwurf
nannte explizit noch Tätergruppierungen
-
mit politischen Zielen, auf die man es
auch abgesehen hätte.
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Was ist jetzt genau geregelt? Hier
ein kurzer Blick auf den Tatbestand.
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Ich gehe das kurz im Einzelnen durch. Ich
möchte aber jetzt mal den Blick werfen
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auf den Absatz 3. Da sind Regelungen drin,
wann der Absatz 1,
-
die strafbare Handlung, gerade nicht
strafbar sein soll. Und da müssen wir
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vor allem zu Ziffer 2 gehen. Da heißt es:
Absatz 1 gilt nicht für Handlungen,
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die ausschließlich der Erfüllung
rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher
-
Pflichten dienen. Das sind insbesondere,
wenn der Staat Steuer-CDs ankauft,
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Nummer 1, und das sind zweitens solche
beruflichen Handlungen der in § 53 Abs. 1
-
Satz 1 Nr. 5 der Strafprozessordnung
genannten Personen.
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Und das sind hier unten, Nummer 5,
Personen, die bei der Vorbereitung,
-
Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken,
Rundfunksendungen, Filmberichten
-
oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung
dienenden Informations- und
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Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken
oder mitgewirkt haben. Mit anderen Worten,
-
wir haben hier in diesem Tatbestand ein
Medienprivileg, und wir werden gleich sehen,
-
dass dieses Medienprivileg auf keinen
Fall ausreicht, um hier ein befriedigendes
-
Ergebnis dieser gesetzgeberischen Fehlleistung
zu haben. Was ist hier also das Tatobjekt?
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Das sind Daten, da gibt es eine Legaldefinition,
sie war eben auf der Folie davor eingeblendet,
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alle nichtwahrnehmbaren, gespeicherten Daten,
die nicht allgemein zugänglich sind,
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ohne weitere Einschränkung. Also die
gespeicherte Kreditkartennummer fällt hier
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drunter, die auf den Zettel geschriebene
Kreditkartennummer fällt hier nicht da
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drunter. Denn sie ist wahrnehmbar und nicht
gespeichert als nichtwahrnehmbare Datei.
-
Als weitere Voraussetzung haben wir hier,
dass die Daten durch eine rechtswidrige
-
Tat erlangt worden sein müssen.
Rechtswidrige Tat, das kann sein,
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beispielsweise Person A verliert einen
USB-Stick, Person B sieht das,
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nimmt den an sich, da sind Daten drauf,
begeht eine Unterschlagung, indem
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die Person B den USB-Stick an sich nimmt.
Schon haben wir, wenn dort gespeicherte
-
Daten, die nicht allgemein zugänglich sind,
haben wir eine taugliche Vortat für die
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Datenhehlerei. So, und wenn dort jetzt
jemand Daten findet, die er sich anschaut
-
und sehr interessant findet und denkt: Das
gehört veröffentlicht, das geht alle an!
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Dann sind wir hier schon in diesem
Tatbestand. Tathandlung ist,
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dass diese Daten jemand sich
oder einem anderen verschafft,
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oder einem anderen überlässt, oder
verbreitet oder sonstwie zugänglich macht,
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um sich oder einen Dritten zu bereichern
oder einen anderen zu schädigen.
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Das ist ein sehr, sehr weit gefasster
Zustand. Ein „Sichverschaffen“, das ist
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jedes Ansichnehmen letztendlich, das hat
schon das Reichsgericht entschieden,
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und wenn wir hier von Schädigungs-
oder Bereicherungsabsicht reden,
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dann ist das rein subjektiv. Strafrechtler
sprechen da von einer überschießenden
-
Innentendenz, es ist kein Erfolg
notwendig. Man muss sich nicht bereichern,
-
die Bereicherung muss nicht eintreten.
Man muss es wollen. Und wenn ich…
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Bereicherung ist jede Mehrung
des Vermögens. Wenn ich also
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einen gefundenen USB-Stick für 10 Euro
weiterverkaufe an jemanden, der
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das darauf gespeicherte Familienrezept
eines Apfelkuchens ankauft,
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dann mache ich mich strafbar.
-
So, das ist im Schnelldurchlauf
die Erklärung,
-
was dort unter Strafe gestellt ist. Und
wir müssen uns jetzt mal anschauen,
-
denn die Zeit läuft, was ist
kritikwürdig an diesem Gesetz?
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Es gab sehr viel Kritik an der Art
des Gesetzgebungsverfahrens,
-
an dem hier geschützten Rechtsgut,
an der Analogie
-
zum Hehlerei-Tatbestand, an dem
zu weit gefassten, nicht begrenzten
-
Tatbestand an sich, und vor allem auch
am fehlenden Schutz
-
für Berufsgeheimnisträger. Dazu gehören
Journalisten, dazu gehören Rechtsanwälte.
-
Dazu gehören auch andere
Berufsgruppen, die mitunter
-
mit Informationen in Berührung kommen
oder regelmäßig mit Informationen
-
in Berührung kommen, wenn es darum geht,
gesellschaftliche Missstände aufzudecken,
-
weil solche Daten typischerweise auch
von dem ein oder anderen Spezialisten
-
geprüft werden, mit durchgeschaut werden,
wenn es darum geht, ob so etwas
-
veröffentlicht werden soll oder nicht.
Das ist das Kernproblem hier
-
dieses Tatbestandes, dass er
in Whistleblowing-Vorgänge
-
und in die Veröffentlichung von bisher
der Öffentlichkeit verborgenen,
-
aber dringend notwendigen oder
veröffentlichungswürdigen Informationen,
-
dass der denen im Wege steht.
Ich geh mal kurz ein bisschen
-
die einzelnen Kritikpunkte durch. Negative
Kritik schon im Gesetzgebungsverfahren,
-
nur als Beispiel, Pressemitteilung
des Deutschen Anwaltsverein,
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vom 21.05.2015.
Dieses Gesetz, von dem ich hier rede,
-
das wurde zusammen mit der
Vorratsdatenspeicherung eingeführt,
-
und erstmal ist schon aufgefallen,
dass da an verborgener Stelle, also
-
praktisch Huckepack, noch der
202d eingeführt werden soll.
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Der Deutsche Anwaltsverein hat weiter
ausgeführt: dieser Straftatbestand
-
der Datenhehlerei kann auch Pressevertreter
in ihrer alltäglichen Arbeit treffen.
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Sollten Journalisten Daten aus Behörden,
Wirtschaftsunternehmen oder von anderen
-
Personen bekommen und einsehen, würden
sie sich grundsätzlich strafbar machen.
-
Zum Gesetzgebungsverfahren selber: ich
habe eben gesagt, wie die Expertenanhörung
-
bei der Frage der
Strafvollstreckungsgesetze war.
-
Hier hat der Gesetzgeber schlichtweg
auf eine Expertenanhörung verzichtet.
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Das hat auch der DAV kritisiert.
Der sagte: „der DAV kritisiert weiter,
-
dass die Bundesregierung Verbände
und Organisationen in diesem Stadium
-
des gesetzgeberischen Vorhabens gar
nicht einbeziehen will“. Es wurde nicht
-
wie üblich um die Abgabe von
Stellungnahmen gebeten, obgleich es sich
-
um ein Vorhaben in einem äußerst
sensiblen Bereich handelt.
-
Dann habe ich vorhin ein bisschen
Ausführung gemacht, um einen Einstieg
-
zu bekommen, was für Rechtsgüter
schützen Strafgesetze?
-
Wir haben schon Strafgesetze,
die letztendlich ein inhalts…
-
ohne Ansehen des Inhalts Daten
schützen. Hier ist Schutzgut
-
ein formelles Datengeheimnis, das
der Rechtsordnung ansonsten fremd ist,
-
das die Zivilrechtsordnung in diesem Sinne
gar nicht kennt. Ich zitiere mal
-
Prof. Stuckenberg aus dem eingangs
zitierten, eingangs genannten Fachbeitrag
-
von ihm. Er schreibt: „Dieses angebliche
Rechtsgut ist ein merkwürdiges Ding.
-
Denn es existiert offenbar nur im Strafrecht,
und soll auf einem ‚Recht
-
an dem gedanklichen Inhalt‘ beruhen,
das im ‚Interesse der Aufrechterhaltung
-
des Herrschaftsverhältnisses über
eine Information‘ zur Entscheidung
-
über die Weitergabe über übermittelte
Daten befugt“. Die Anführungsstriche,
-
das war zum Kenntlichmachen von Zitaten
aus der Gesetzesbegründung. Also
-
hier schon ein sehr zweifelhaftes Rechtsgut,
was sehr umfassend geschützt wird,
-
was der Rechtsordnung bisher
in diesem Sinne fremd war.
-
Dann wurde auch, und das ist vielleicht
eher aus so einer dogmatischen
-
oder formellen juristischen Sicht stark
kritisiert, dass hier von ‚Datenhehlerei‘
-
gesprochen wird. Die Hehlerei
bezieht sich normal nur auf körperliche
-
Gegenstände. Wenn mir was geklaut wird,
dann möchte ich das als eigentlich
-
rechtmäßiger Eigentümer zurückbekommen.
Und wenn das nun… wenn es losgeht,
-
dass es immer weiterverkauft wird von
Hehlern, dann wird es für mich immer
-
schwerer, mein mir entwendetes Eigentum,
dieses zurückgewinnen zu können.
-
Wenn Daten jedoch kopiert werden,
dann habe ich sie immer noch.
-
Sie werden kopiert, ich kann damit immer
noch das machen, was ich vorher machen kann.
-
Ich habe sie vielleicht nicht mehr
exklusiv. Aber dass, wenn sie jemand
-
weiterverkauft, es schwerer würde für
mich, diese zurückzubekommen,
-
das trifft schlichtweg nicht zu. Denn Daten,
die man beliebig häufig kopieren kann,
-
in diesem Sinne kann ich sie nicht
zurückbekommen, und mir selber
-
kommen sie auch gar nicht abhanden.
-
Ganz entscheidend ist aber, dass der
Tatbestand viel zu weit gefasst ist.
-
Prof. Singelnstein, in dem auch genannten
Artikel, der spricht von einem
-
„doppelt entgrenzten Tatbestand“, einerseits
hinsichtlich des Tatobjektes
-
und hinsichtlich des Tatbestandes. Andere
Straftatbestände aus diesem Bereich,
-
in dem wir uns hier bewegen, die erfordern
entweder, dass es also ganz spezielle
-
Daten sind, oder dass die Daten speziell
geschützt sind, oder dass der Täter
-
spezielle Hindernisse überwindet, um diese
Daten zu bekommen. Da wurde hier darauf
-
verzichtet, so dass ein Großteil von
Handlungen hier drunter fällt.
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Ganz entscheidend für mich, und ich meine,
ganz entscheidend für alle Pressevertreter
-
und auch für alle Menschen, die sich
freuen, wenn aufgedeckt wird, was so alles
-
passiert in der Welt, und worüber wir hier
in einer Demokratie unterrichtet werden
-
wollen, kritisieren aber vor allem den
Tatbestandausschluss in Absatz 3,
-
der viel zu eng gefasst ist.
Berufsgeheimnisträger sind
-
nicht ausreichend geschützt. Ich habe ihn
oben nochmal gezeigt. Hier steht drin,
-
dass bezüglich Medienvertreter, die
berufsmäßig mit diesen Dingen
-
zu tun haben, privilegiert sind, sich
nicht strafbar machen. Aber was ist
-
mit den vielen Bloggern? Was ist mit auch
Journalisten oder Medienvertretern,
-
die etwas nebenberuflich machen,
oder aus Ehrenamt,
-
weil sie für gerechte Dinge kämpfen, weil
sie sich engagieren für ein demokratisches
-
Gemeinwesen. Die sind hier ganz
offensichtlich nicht geschützt.
-
Es sind auch, nicht zwangsläufig zumindest,
Handlungen geschützt, die nur im Vorfeld
-
von Recherchen, also im Vorfeld von
Veröffentlichungen, geschehen, wenn es
-
gerade nicht zu Veröffentlichungen kommt
später. Und wenn wir uns hier andere
-
Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte
angucken, dann muss man wissen, dass es
-
eine praktisch sehr ähnliche Formulierung
in §184b Absatz 5 gibt.
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Den habe ich hier auch noch mal gezeigt.
Bei 184b sind wir
-
in einem unangenehmen Bereich des
Strafrechts, dem Sexualstrafrecht,
-
und zwar im Bereich der Kinderpornographie.
Da ist es so, dass, wer Kinderpornographie
-
besitzt, der macht sich strafbar, was auch
nachvollziehbar ist. Aber ein Anwalt,
-
der jemanden verteidigt, der deshalb ein
Strafverfahren hat, der muss natürlich
-
Beweismittel einsehen. Ebenso wie
Staatsanwälte auch diese Beweismittel
-
in ihren Akten haben.
Wir hatten jetzt kürzlich einen Fall, wo
-
ein Strafverteidiger diese Informationen
an einen Sachverständigen gegeben hat,
-
kinderpornographisches Material, damit
der für die Verteidigung ein Gutachten
-
erstellt. Und für diese Weitergabe
wurde der Anwalt verurteilt.
-
Und das zumindest steht auch im Raum
bei 202d, StGB. Denn die Berufsträger
-
werden hier zumindest in den
Regelbeispielen, es hieß ja insbesondere,
-
werden nicht genannt. Und ob etwas,
was ein Anwalt tut, noch darunter
-
zu fassen ist oder nicht, ist höchst
fraglich. Und durch diese Regelung
-
wird letztendlich die Gefahr von
Strafverfolgung den entsprechenden
-
Personen, Medienvertretern und Menschen,
die mit geleakten Informationen
-
in Verbindung kommen, beruflich,
denen aufgebürdet, und das ist
-
schlichtweg nicht hinnehmbar.
Denn es ist nicht hinnehmbar,
-
weil das Aufdecken, das Leaken von
wichtigen Informationen für die Demokratie
-
aus meiner Sicht heute wichtiger als
je zuvor ist. Wenn wir uns überlegen,
-
dass Edward Snowden seinen Schritt nicht
getan hätte und die Welt heute immer noch
-
nicht wüsste, was die NSA macht, was Five
Eyes machen, dann wäre die Welt,
-
meine ich, tatsächlich eine andere. Ein
anderes Beispiel sind die Luxemburg-Leaks.
-
Dort hat Luxemburg Konzernen
ermöglicht, überhaupt keine
-
Körperschaftssteuer, oder vielleicht
1 Prozent Körperschaftssteuer zu bezahlen.
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Zum Schaden des europäischen
Steuerzahlers, zu Eurem Schaden. Das sind
-
Gelder, die hier unter anderem der deutsche
Fiskus nicht eingenommen hat, mit dem
-
der Staat, zumindest denkbar zumindest,
sinnvolle Dinge der Daseinsfürsorge
-
tun kann, was eine ureigenste
staatliche Aufgabe ist.
-
Diese Praxis hätten wir heute noch,
wenn diese Luxemburg-Papers
-
nicht veröffentlicht worden wären.
Tatsächlich wurden dort in diesem Zuge
-
zwei Personen dieses Jahr zu
Haftstrafen verurteilt. Und das ist
-
aus demokratischen Gesichtspunkten ebenso
wenig hinnehmbar, wie wenn umfangreiche
-
geheime Verhandlungen geführt werden
von der EU über Handelsabkommen,
-
die nicht nur für uns unabsehbare
Auswirkungen haben, sondern auch
-
für die Generation unserer Kinder.
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Beifall
-
Aus diesem Grund wurde die Frist,
-
die am 18.12.2016 – das war
ein Sonntag, Frist fiel damit
-
auf den nächsten Tag, einen Montag –
abgelaufen ist zur Einlegung
-
von Verfassungsbeschwerden, auch genutzt.
Ich selber habe eine Verfassungsbeschwerde
-
eingereicht. Denn ich halte…
Beifall
-
…mich für in verfassungswidriger
Weise in meiner freien Berufsausübung
-
eingeschränkt. Ich weiß, dass das nicht
die einzige Verfassungsbeschwerde ist.
-
Es gibt noch mindestens eine, von der
wir auch noch einiges hören werden,
-
meine ich. Wartet mal zwei bis drei
Wochen, mehr darf ich dazu wohl
-
nicht sagen. Die Sache wird also vom
Bundesverfassungsgericht, hoffentlich,
-
verhandelt. Viele Verfassungsbeschwerden
werden gar nicht angenommen.
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Hier wurde eingangs noch mal auf
die Verfassungsbeschwerde gegen
-
den Hacker-Paragraf hingewiesen. Die wurde
nicht angenommen. Das Verfassungsgericht
-
hat sich aber doch inhaltlich zumindest
so geäußert, dass dieser Tatbestand
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verfassungsgemäß, verfassungskonform und
einschränkend ausgelegt werden muss,
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was zumindest immerhin etwas ist. Warten
wir ab, wie hier das Verfassungsgericht
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entscheidet. Ich hoffe, dass auch dort die
überaus große Wichtigkeit gesehen wird,
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was die Weitergabe von eigentlich unter
Verschluss gehaltenen Informationen
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angeht. Und dass auch dort gesehen wird,
dass dieses Gesetz eine echte Bedrohung
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für die Pressefreiheit ist, und auch
für die Berufsfreiheit. Vielen Dank!
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Beifall
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Herald: Okay, wir hätten Zeit
für vielleicht eine Frage.
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Sehr gut, dann haben wir keine Fragen.
Manchmal muss man eben Politik machen,
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um Code zu schreiben. Also vielen Dank für
die Verfassungsbeschwerde auf jeden Fall.
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Beifall
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Und wir hoffen, dass das Ganze
gut ausgeht. Bis dann!
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Ulrich: Da scheint es noch
eine Frage zu geben.
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Herald: Oh, es gibt noch eine Frage!
Sehr gut! Also!
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Signal Angel: Und zwar aus dem Internet:
Warum erfüllt der unter unterschlagene
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USB-Stick auch ohne Bereicherungsabsicht
für die gespeicherten Daten die Tatbestände
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der Datenhehlerei?
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Ulrich: Moment. Ich habe gesagt,
die Unterschlagung ist…
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Also, ein unterschlagenes Speichermedium,
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was bisher nicht öffentlich
zugängliche Daten enthält,
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ist eine taugliche Vortat. Dazu
müssten wir hier uns nochmal kurz
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den Tatbestand angucken. Da heißt es:
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Wer Daten – Verweis auf 202a, Absatz 2,
da ist eine Legaldefinition –
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die nicht allgemein zugänglich
sind, und die ein anderer
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durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat…
Das war mein Beispiel. Der sozusagen
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gefundene USB-Stick, wo ich sehe,
den verliert jemand, den ich einstecke,
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wenn dort Daten drauf sind, die
nicht allgemein zugänglich sind,
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und das kann sein, dass jemand sagt:
„Jeden Morgen um acht schaue ich
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aus dem Fenster und schreibe auf, wie
der Himmel aussieht, Wolken klar,
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leicht bewölkt, stark bewölkt“. Ja?
Dann wären das Daten, die sind
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nicht allgemein zugänglich, andere machen
vielleicht so was auch, aber diese Daten
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sind nicht allgemein zugänglich.
Und die wären durch eine rechtswidrige Tat
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erlangt, nämlich jemand verliert diese
Daten, jemand anderes findet sie und
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nimmt sie an sich. Und das ist
sozusagen die Voraussetzung,
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dass wir dann weiterkommen. Und wenn ich
jetzt sage: „Ich habe hier ganz scharfe
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Aufzeichnungen, da schreibt irgendjemand
jeden Tag, wie der Himmel aussieht.
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Willste die kaufen für ’nen Fünfer?“
Dann wären wir hier voll drin.
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Signal Angel: Okay,
das Internet bedankt sich.
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Herald: Danke ans Internet, also.
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Abspannmusik
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