33C3 Vorspannmusik Herald: Okay. Unser nächster Talk wird von Ulrich Kerner gehalten, einem Anwalt, der vor allem kritische Blogger und auch Unternehmen berät, besonders in Fragen des Presserechts und Wirtschaftsrecht. Auch einer der Klageführer – richtig? – gegen den Hackerparagrafen. Ich hoffe, das habe ich richtig gesagt, aber das kann er gleich noch selbst korrigieren. Und der heute uns was darüber erzählen wird, gegen einen Paragrafen, der Datenhehlerei unter Strafe stellt. Im Zeitalter von Whistleblowern natürlich ganz besonders interessant, denn denen droht eine Haftstrafe. Daher auch der Titel: „Haft für Whistleblower“. Ein Applaus für Ulrich Kerner! Beifall Ulrich Kerner: So, hallo zusammen. Es geht heute hier um den Paragrafen der Datenhehlerei, ein Gesetz, was jetzt etwa ein Jahr alt ist, was Uniprofessoren zu Fachbeiträgen in Zeitschriften mit folgenden Titeln inspiriert hat: Prof. Carl-Friedrich Stuckenberg von der Uni Bonn, „Der missratene Tatbestand der neuen Datenhehlerei“. Oder Prof. Dr. Tobias Singelnstein aus Berlin von der FU: „Ausufernd und fehlplatziert – der Tatbestand der Datenhehlerei im System des strafrechtlichen Daten- und Informationsschutzes.“ Das sind schon mal recht klare Worte, was hier der Gesetzgeber gemacht hat. Wir werden uns jetzt gleich mal anschauen: Wie funktioniert Gesetzgebung? Wie funktioniert vor allem Strafgesetzgebung? Nicht von den Abläufen im Parlament, sondern was hat sie für Ziele und soll sie für Zwecke haben? Wir müssen uns ein bisschen anschauen, was schützt unsere Rechtsordnung? Das ist der Rechtsgüterschutz. Dann werfen wir einen kurzen Blick auf das Gesetzgebungsverfahren des §202d, auf die Regelungen. Dann wird’s ein bisschen, sozusagen, juristisch-technischer. Wir müssen uns da mal den Tatbestand anschauen, kucken uns dann an, wie sind die Regelungen, was ist da erfasst, was wird unter Strafe gestellt? Schauen uns die Kritik an, die auf breiter Front eigentlich geäußert wurde. Und dann einen kurzen Ausblick auf eine Verfassungsbeschwerde, die es gegen diesen Straftatbestand gibt. Wenn wir von Strafgesetzgebung sprechen, vielleicht zum Einstieg eine Frage zur allgemeinen Gesetzgebung: Wer glaubt denn, dass die Gesetzgebung, die wir hier haben, und durch den Bundestag läuft, rational zugänglichen Argumenten folgt? Ich bitte um Handzeichen. Lachen Das sind sehr wenige. Ich möchte dazu kurz eine Anekdote erzählen, die zeigt, dass es zumindest regelmäßig mit rationalen Argumenten nichts zu tun hat. Ihr wisst alle, es gab eine Föderalismusreform, wo es ein recht zähes Ringen gab zwischen den Bundesländern und dem Bund, was verschiedene Kompetenzen auch im Bereich der Gesetzgebung angeht. Und unter anderem ist an die Länder gegangen: Die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug und auch für das Versammlungsrecht. Beim Strafvollzug haben sämtliche wesentlichen Organisationen der deutschen Strafrechtspflege, vom Deutschen Richterbund über die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V. bis zur Bundesvereinigung der Anstaltsleiter und Anstaltsleiterinnen im Vollzugsdienst e.V. abgelehnt, dass die Gesetzgebung an die Bundesländer geht und wir damit in den Bundesländern eigene Strafvollzugsgesetze haben mit unterschiedlichen Regelungen. Es gab in dem Verfahren eine Expertenanhörung, da waren auch Schweizer Experten eingeladen. In der Schweiz hat jeder Kanton sein eigenes Strafvollzugsgesetz. Die haben berichtet, dass es in der Schweiz erhebliche Probleme gibt, wenn ein Strafgefangener von einem Kanton in den anderen verlegt werden will. Weil nicht ganz geklärt ist, welches Recht dann zur Anwendung kommt. Das hat den Gesetzgeber nicht beeindruckt. Ebenso das Versammlungsrecht. Versammlungsrecht, habe ich mir sagen lassen, das wurde irgendwann in diesen zähen Verhandlungen mal so in den Raum geschmissen gegenüber den Ländern. „Da kriegt Ihr das Versammlungsrecht.“ Und da haben die daran festgehalten. Und das Versammlungsrecht ist eins der wesentlichen Grundrechte, die wir in einem demokratischen Staat haben. Warum hier davon abgesehen wird oder eine Regelung getroffen wird, dass wir nicht mehr bundesweit einheitliche Regelungen haben, sondern jetzt jedes Bundesland jetzt seine eigenen Regelungen machen kann, die sich sehr wohl auch unterscheiden, das, meine ich, ist mit keinem nachvollziehbaren Argument zu erklären und auch nicht zu rechtfertigen. In der Strafgesetzgebung ist es letztendlich nicht anders. Und wenn wir schauen, jetzt wieder, wir haben gerade… wer heute Zeitung gelesen hat oder in den letzten Tagen: Nach den Anschlägen in den Berlin wird also gefordert, dass Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden ausgeweitet werden. Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse ist klar: Es greift in euer aller Grundrechte ein. Und wenn wir sehen, was in Berlin nach der Tat so alles ans Licht gekommen ist, nach und nach, und was die entsprechenden Dienste alles wussten, da fragt man sich schon, ob die mit den Werkzeugen, die sie in der Hand haben, zur Zeit zur Verfügung haben, ob sie damit richtig umgehen können oder nicht. Und jemand, der mit Hammer und Meißel nicht klarkommt, dem würde ich nicht eine Kettensäge in die Hand drücken. Beifall Strafgesetzgebung dient dem Rechtsgüterschutz. Und die Rechtsgüter, die schützenswert sind, die sind nicht nur durch Strafgesetze geschützt, sondern wir haben einen abgestuften Schutz. Das beginnt mit dem Zivilrecht, das geht weiter mit dem Verwaltungsrecht, und die Strafgesetzgebung zum Schutz von Rechtsgütern ist Ultima Ratio. Das ist das letzte Instrument, was der Gesetzgeber hat. Ich mache ein einfaches Beispiel: Fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Sachbeschädigung. Beides löst zivilrechtliche Schadensersatzansprüche aus. Wenn ich also beim Einparken auf’m Parkplatz ein anderes Auto beschädige, weil ich nicht aufgepasst habe, dann mache ich mich schadensersatzpflichtig. Wenn ich einen Fußgänger anfahre, dann mache ich mich auch schadensersatzpflichtig, wenn der verletzt ist. Wenn ich jemanden verletze, fahrlässig, dann mache ich mich auch strafbar. Es gibt die ‚fahrlässige Körperverletzung‘. Wenn ich fahrlässig etwas beschädige von einer anderen Person, mache ich mich nicht strafbar, es gibt nur zivilrechtliche Ansprüche. Der Gesetzgeber hat sich entschieden, die fahrlässige Sachbeschädigung nicht mit Strafe zu bedrohen. Das Strafrecht ist auch nicht da zum Schutz moralischer Vorstellungen, wie das früher der §175 StGB getan hat, der zurecht irgendwann abgeschafft wurde. Und ein wohl unumstößlicher Grundsatz ist schlichtweg der Folgende: Dass der strafrechtliche Schutz nur ein lückenhafter sein kann, wenn es noch Freiheit geben soll. Wenn man alles umfassend unter Strafe stellt, dann haben wir keine Lücken mehr im Strafrecht, aber der Einzelne hat auch keine Freiheit mehr. Das ist, was wir hier aktuell sehen. Täglich fast, hat man das Gefühl, kommt Geschrei, dass wir irgendwelche Strafbarkeitslücken schließen müssen. Sei es gegen Fake-News oder andere Sachen. Und wir hatten lange im bundesdeutschen Diskurs die Prämisse, dass der Strafrechtsschutz nur ein lückenhafter sein kann. Heutzutage wird dauernd geschrien, es müssen überall Strafen verschärft werden, um die Sicherheit des Einzelnen zu gewährleisten. Die Sicherheit des Einzelnen ist also in den Fokus getreten, und wenn wir jetzt aber schauen, was uns unterm Strich, oder nüchtern betrachtet zumindest in der BRD zur Zeit bedroht, dann sind sehr viel mehr Menschen Opfer von Verkehrsunfällen, auch tödliche Ausgänge, nicht wenig. Und in Europa wird man kaum jemanden finden, der so ganz ohne Weiteres nachvollziehen kann, warum beispielsweise in Deutschland kein Tempolimit auf Autobahnen gilt, und mit 110 auf der Autobahn wäre die Todesrate, die wir auf den Bundesautobahnen haben, deutlich geringer. Man fragt sich also, warum auf der einen Seite an den Stellschrauben immer weiter gedreht werden soll, aber andere, den Einzelnen durchaus reell bedrohende Gefahren völlig außer Acht gelassen werden. Beifall Ich zeige noch ganz kurz zwei Beispiele: Strafgesetzgebung früher, das waren meistens einfach gefasste Tatbestände, so wie hier Körperverletzung: „Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“. Ich meine, da muss man sich fragen, was ist also eine körperliche Misshandlung? Was ist eine Gesundheitsschädigung? Das hat die Rechtsprechung abgegrenzt. Aber so mehr oder weniger kann man mit Lesen erahnen, was man darf und was man nicht darf. Das ist bei modernen Strafgesetzen nicht mehr der Fall, es ist hier ein etwas fieses Beispiel, der §38 des Gesetzes über den Wertpapierhandel. Das ist nur ein kleiner Teil der Vorschrift, denn hier ist praktisch in jeder zweiten Zeile eine Verweisung, entweder an andere Stellen des Wertpapierhandelsgesetzes, des Emissionszertifikatshandelsgesetzes, und selbst in diverse EU-Verordnungen, wo steht, wenn man gegen die und die EU-Verordnung verstößt, dann macht man sich auch strafbar. Ich glaube, es ist niemand in der Lage, innerhalb von drei Stunden, wenn man sich hinsetzt und das vorher nicht kennt, aber alle Materialien hat, danach zusammenfassen zu können, welche Handlungen alle mit Strafe bedroht sind. Übrigens, und das ist, warum ich das ausgewählt habe, der einzige mir bekannte, echte Fake-News-Straftatbestand. Denn im Wertpapierhandel ist es schlichtweg verboten, wenn man zu Kursmanipulationen falsche Tatsachen veröffentlicht. Okay, Strafgesetze sollen Rechtsgüter schützen. Und die typischen Rechtsgüter, die wir haben, die Individualrechtsgüter, das ist Leben, Gesundheit, Eigentum und Vermögen. Es gibt natürlich auch andere Rechtsgüter, der Staat und seine Institutionen etc. Wir haben auch einen Rechtsgüterschutz letztendlich für Informationen. Ich springe mal eine Seite weiter. Es sind Staats- und Dienstgeheimnisse, – was für Informationen sind geschützt – private Geheimnisse, Geschäftsgeheimnisse, auch im Bereich geistigen Eigentums gibt es viele Strafnormen in den dortigen Regelungen. Patentrecht, Markenrecht, Gebrauchsmuster- und Geschmacksmusterrecht, Urheberrecht. Hier ist nur ‚Patentgesetz‘ als Beispiel. Und wir haben den Schutz von personenbezogenen Daten im Bundesdatenschutzgesetz. Und in §3, Abs.1 BDSG ist geregelt oder legal definiert, was dort geschützt ist, was ‚personenbezogene Daten‘ sind. Das sind „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person“. Das zeigt, da geht es um einen inhaltlichen Datenschutz, es geht um das, um was es für Daten sich handelt, es wird ein bestimmter Inhalt geschützt. Wir haben auch einen Schutz, der nicht ein inhaltliches Schutzkonzept verfolgt, sondern letztendlich ein formelles Schutzkonzept. Und das sind so die neueren Straftatbestände aus dem Bereich der IT-Kriminalität, 202a, 202b, 202c, der sogenannte Hacker-Paragraf. Da sind Daten geschützt, unabhängig vom Inhalt, sogenanntes formelles Schutzkonzept. Die Tatbestände sind dann aber weiter eingeschränkt. Man muss also bestimmte Zugangssicherungen überwinden, die Daten müssen gegen unbefugten Zugang geschützt sein und Ähnliches. So. Jetzt kommen wir langsam zum 202d; und das Gesetzgebungsverfahren hier noch mal ganz kurz, eine kurze Übersicht über das Computerinformationsstrafrecht, was wir haben. Das wurde letztendlich immer eingeführt zur Umsetzung von EU-Richtlinien. Anders bei der Datenhehlerei. Da gibt es gerade keine europäische Vorgabe, sondern der Gesetzgeber ist selbstständig tätig geworden. Ursprünglich über einen Gesetzesentwurf des Bundeslandes Hessen. Der wurde dann eingebracht, unterlag der Diskontinuität, weil es neue Wahlen gab. Er wurde noch mal eingebracht und das, was wir heute haben, das fußt auf einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Bei der Gesetzgebungsbegründung, da wurde teilweise recht diffus ausgeführt, worum es gehen soll, da wurden große Strafbarkeitslücken genannt. Letztendlich hat wohl der Gesetzgeber im Blick, dass er den Handel mit Identitäten aus dem Internet oder im Internet unter Strafe stellen soll. Da wurde gesehen, zwar solche Identitäten zu klauen oder sich zu kopieren etc., das ist verboten. Sie später zu benutzen, beispielsweise Kreditkartendaten, das ist auch unter Strafe gestellt. Aber wenn diese Daten weitergegeben werden über das immer wieder zitierbare Darknet, dann wurden da empfindliche Strafbarkeitslücken gesehen. Übrigens der erste Gesetzesentwurf nannte explizit noch Tätergruppierungen mit politischen Zielen, auf die man es auch abgesehen hätte. Was ist jetzt genau geregelt? Hier ein kurzer Blick auf den Tatbestand. Ich gehe das kurz im Einzelnen durch. Ich möchte aber jetzt mal den Blick werfen auf den Absatz 3. Da sind Regelungen drin, wann der Absatz 1, die strafbare Handlung, gerade nicht strafbar sein soll. Und da müssen wir vor allem zu Ziffer 2 gehen. Da heißt es: Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen. Das sind insbesondere, wenn der Staat Steuer-CDs ankauft, Nummer 1, und das sind zweitens solche beruflichen Handlungen der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 der Strafprozessordnung genannten Personen. Und das sind hier unten, Nummer 5, Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben. Mit anderen Worten, wir haben hier in diesem Tatbestand ein Medienprivileg, und wir werden gleich sehen, dass dieses Medienprivileg auf keinen Fall ausreicht, um hier ein befriedigendes Ergebnis dieser gesetzgeberischen Fehlleistung zu haben. Was ist hier also das Tatobjekt? Das sind Daten, da gibt es eine Legaldefinition, sie war eben auf der Folie davor eingeblendet, alle nichtwahrnehmbaren, gespeicherten Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, ohne weitere Einschränkung. Also die gespeicherte Kreditkartennummer fällt hier drunter, die auf den Zettel geschriebene Kreditkartennummer fällt hier nicht da drunter. Denn sie ist wahrnehmbar und nicht gespeichert als nichtwahrnehmbare Datei. Als weitere Voraussetzung haben wir hier, dass die Daten durch eine rechtswidrige Tat erlangt worden sein müssen. Rechtswidrige Tat, das kann sein, beispielsweise Person A verliert einen USB-Stick, Person B sieht das, nimmt den an sich, da sind Daten drauf, begeht eine Unterschlagung, indem die Person B den USB-Stick an sich nimmt. Schon haben wir, wenn dort gespeicherte Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, haben wir eine taugliche Vortat für die Datenhehlerei. So, und wenn dort jetzt jemand Daten findet, die er sich anschaut und sehr interessant findet und denkt: Das gehört veröffentlicht, das geht alle an! Dann sind wir hier schon in diesem Tatbestand. Tathandlung ist, dass diese Daten jemand sich oder einem anderen verschafft, oder einem anderen überlässt, oder verbreitet oder sonstwie zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen. Das ist ein sehr, sehr weit gefasster Zustand. Ein „Sichverschaffen“, das ist jedes Ansichnehmen letztendlich, das hat schon das Reichsgericht entschieden, und wenn wir hier von Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht reden, dann ist das rein subjektiv. Strafrechtler sprechen da von einer überschießenden Innentendenz, es ist kein Erfolg notwendig. Man muss sich nicht bereichern, die Bereicherung muss nicht eintreten. Man muss es wollen. Und wenn ich… Bereicherung ist jede Mehrung des Vermögens. Wenn ich also einen gefundenen USB-Stick für 10 Euro weiterverkaufe an jemanden, der das darauf gespeicherte Familienrezept eines Apfelkuchens ankauft, dann mache ich mich strafbar. So, das ist im Schnelldurchlauf die Erklärung, was dort unter Strafe gestellt ist. Und wir müssen uns jetzt mal anschauen, denn die Zeit läuft, was ist kritikwürdig an diesem Gesetz? Es gab sehr viel Kritik an der Art des Gesetzgebungsverfahrens, an dem hier geschützten Rechtsgut, an der Analogie zum Hehlerei-Tatbestand, an dem zu weit gefassten, nicht begrenzten Tatbestand an sich, und vor allem auch am fehlenden Schutz für Berufsgeheimnisträger. Dazu gehören Journalisten, dazu gehören Rechtsanwälte. Dazu gehören auch andere Berufsgruppen, die mitunter mit Informationen in Berührung kommen oder regelmäßig mit Informationen in Berührung kommen, wenn es darum geht, gesellschaftliche Missstände aufzudecken, weil solche Daten typischerweise auch von dem ein oder anderen Spezialisten geprüft werden, mit durchgeschaut werden, wenn es darum geht, ob so etwas veröffentlicht werden soll oder nicht. Das ist das Kernproblem hier dieses Tatbestandes, dass er in Whistleblowing-Vorgänge und in die Veröffentlichung von bisher der Öffentlichkeit verborgenen, aber dringend notwendigen oder veröffentlichungswürdigen Informationen, dass der denen im Wege steht. Ich geh mal kurz ein bisschen die einzelnen Kritikpunkte durch. Negative Kritik schon im Gesetzgebungsverfahren, nur als Beispiel, Pressemitteilung des Deutschen Anwaltsverein, vom 21.05.2015. Dieses Gesetz, von dem ich hier rede, das wurde zusammen mit der Vorratsdatenspeicherung eingeführt, und erstmal ist schon aufgefallen, dass da an verborgener Stelle, also praktisch Huckepack, noch der 202d eingeführt werden soll. Der Deutsche Anwaltsverein hat weiter ausgeführt: dieser Straftatbestand der Datenhehlerei kann auch Pressevertreter in ihrer alltäglichen Arbeit treffen. Sollten Journalisten Daten aus Behörden, Wirtschaftsunternehmen oder von anderen Personen bekommen und einsehen, würden sie sich grundsätzlich strafbar machen. Zum Gesetzgebungsverfahren selber: ich habe eben gesagt, wie die Expertenanhörung bei der Frage der Strafvollstreckungsgesetze war. Hier hat der Gesetzgeber schlichtweg auf eine Expertenanhörung verzichtet. Das hat auch der DAV kritisiert. Der sagte: „der DAV kritisiert weiter, dass die Bundesregierung Verbände und Organisationen in diesem Stadium des gesetzgeberischen Vorhabens gar nicht einbeziehen will“. Es wurde nicht wie üblich um die Abgabe von Stellungnahmen gebeten, obgleich es sich um ein Vorhaben in einem äußerst sensiblen Bereich handelt. Dann habe ich vorhin ein bisschen Ausführung gemacht, um einen Einstieg zu bekommen, was für Rechtsgüter schützen Strafgesetze? Wir haben schon Strafgesetze, die letztendlich ein inhalts… ohne Ansehen des Inhalts Daten schützen. Hier ist Schutzgut ein formelles Datengeheimnis, das der Rechtsordnung ansonsten fremd ist, das die Zivilrechtsordnung in diesem Sinne gar nicht kennt. Ich zitiere mal Prof. Stuckenberg aus dem eingangs zitierten, eingangs genannten Fachbeitrag von ihm. Er schreibt: „Dieses angebliche Rechtsgut ist ein merkwürdiges Ding. Denn es existiert offenbar nur im Strafrecht, und soll auf einem ‚Recht an dem gedanklichen Inhalt‘ beruhen, das im ‚Interesse der Aufrechterhaltung des Herrschaftsverhältnisses über eine Information‘ zur Entscheidung über die Weitergabe über übermittelte Daten befugt“. Die Anführungsstriche, das war zum Kenntlichmachen von Zitaten aus der Gesetzesbegründung. Also hier schon ein sehr zweifelhaftes Rechtsgut, was sehr umfassend geschützt wird, was der Rechtsordnung bisher in diesem Sinne fremd war. Dann wurde auch, und das ist vielleicht eher aus so einer dogmatischen oder formellen juristischen Sicht stark kritisiert, dass hier von ‚Datenhehlerei‘ gesprochen wird. Die Hehlerei bezieht sich normal nur auf körperliche Gegenstände. Wenn mir was geklaut wird, dann möchte ich das als eigentlich rechtmäßiger Eigentümer zurückbekommen. Und wenn das nun… wenn es losgeht, dass es immer weiterverkauft wird von Hehlern, dann wird es für mich immer schwerer, mein mir entwendetes Eigentum, dieses zurückgewinnen zu können. Wenn Daten jedoch kopiert werden, dann habe ich sie immer noch. Sie werden kopiert, ich kann damit immer noch das machen, was ich vorher machen kann. Ich habe sie vielleicht nicht mehr exklusiv. Aber dass, wenn sie jemand weiterverkauft, es schwerer würde für mich, diese zurückzubekommen, das trifft schlichtweg nicht zu. Denn Daten, die man beliebig häufig kopieren kann, in diesem Sinne kann ich sie nicht zurückbekommen, und mir selber kommen sie auch gar nicht abhanden. Ganz entscheidend ist aber, dass der Tatbestand viel zu weit gefasst ist. Prof. Singelnstein, in dem auch genannten Artikel, der spricht von einem „doppelt entgrenzten Tatbestand“, einerseits hinsichtlich des Tatobjektes und hinsichtlich des Tatbestandes. Andere Straftatbestände aus diesem Bereich, in dem wir uns hier bewegen, die erfordern entweder, dass es also ganz spezielle Daten sind, oder dass die Daten speziell geschützt sind, oder dass der Täter spezielle Hindernisse überwindet, um diese Daten zu bekommen. Da wurde hier darauf verzichtet, so dass ein Großteil von Handlungen hier drunter fällt. Ganz entscheidend für mich, und ich meine, ganz entscheidend für alle Pressevertreter und auch für alle Menschen, die sich freuen, wenn aufgedeckt wird, was so alles passiert in der Welt, und worüber wir hier in einer Demokratie unterrichtet werden wollen, kritisieren aber vor allem den Tatbestandausschluss in Absatz 3, der viel zu eng gefasst ist. Berufsgeheimnisträger sind nicht ausreichend geschützt. Ich habe ihn oben nochmal gezeigt. Hier steht drin, dass bezüglich Medienvertreter, die berufsmäßig mit diesen Dingen zu tun haben, privilegiert sind, sich nicht strafbar machen. Aber was ist mit den vielen Bloggern? Was ist mit auch Journalisten oder Medienvertretern, die etwas nebenberuflich machen, oder aus Ehrenamt, weil sie für gerechte Dinge kämpfen, weil sie sich engagieren für ein demokratisches Gemeinwesen. Die sind hier ganz offensichtlich nicht geschützt. Es sind auch, nicht zwangsläufig zumindest, Handlungen geschützt, die nur im Vorfeld von Recherchen, also im Vorfeld von Veröffentlichungen, geschehen, wenn es gerade nicht zu Veröffentlichungen kommt später. Und wenn wir uns hier andere Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte angucken, dann muss man wissen, dass es eine praktisch sehr ähnliche Formulierung in §184b Absatz 5 gibt. Den habe ich hier auch noch mal gezeigt. Bei 184b sind wir in einem unangenehmen Bereich des Strafrechts, dem Sexualstrafrecht, und zwar im Bereich der Kinderpornographie. Da ist es so, dass, wer Kinderpornographie besitzt, der macht sich strafbar, was auch nachvollziehbar ist. Aber ein Anwalt, der jemanden verteidigt, der deshalb ein Strafverfahren hat, der muss natürlich Beweismittel einsehen. Ebenso wie Staatsanwälte auch diese Beweismittel in ihren Akten haben. Wir hatten jetzt kürzlich einen Fall, wo ein Strafverteidiger diese Informationen an einen Sachverständigen gegeben hat, kinderpornographisches Material, damit der für die Verteidigung ein Gutachten erstellt. Und für diese Weitergabe wurde der Anwalt verurteilt. Und das zumindest steht auch im Raum bei 202d, StGB. Denn die Berufsträger werden hier zumindest in den Regelbeispielen, es hieß ja insbesondere, werden nicht genannt. Und ob etwas, was ein Anwalt tut, noch darunter zu fassen ist oder nicht, ist höchst fraglich. Und durch diese Regelung wird letztendlich die Gefahr von Strafverfolgung den entsprechenden Personen, Medienvertretern und Menschen, die mit geleakten Informationen in Verbindung kommen, beruflich, denen aufgebürdet, und das ist schlichtweg nicht hinnehmbar. Denn es ist nicht hinnehmbar, weil das Aufdecken, das Leaken von wichtigen Informationen für die Demokratie aus meiner Sicht heute wichtiger als je zuvor ist. Wenn wir uns überlegen, dass Edward Snowden seinen Schritt nicht getan hätte und die Welt heute immer noch nicht wüsste, was die NSA macht, was Five Eyes machen, dann wäre die Welt, meine ich, tatsächlich eine andere. Ein anderes Beispiel sind die Luxemburg-Leaks. Dort hat Luxemburg Konzernen ermöglicht, überhaupt keine Körperschaftssteuer, oder vielleicht 1 Prozent Körperschaftssteuer zu bezahlen. Zum Schaden des europäischen Steuerzahlers, zu Eurem Schaden. Das sind Gelder, die hier unter anderem der deutsche Fiskus nicht eingenommen hat, mit dem der Staat, zumindest denkbar zumindest, sinnvolle Dinge der Daseinsfürsorge tun kann, was eine ureigenste staatliche Aufgabe ist. Diese Praxis hätten wir heute noch, wenn diese Luxemburg-Papers nicht veröffentlicht worden wären. Tatsächlich wurden dort in diesem Zuge zwei Personen dieses Jahr zu Haftstrafen verurteilt. Und das ist aus demokratischen Gesichtspunkten ebenso wenig hinnehmbar, wie wenn umfangreiche geheime Verhandlungen geführt werden von der EU über Handelsabkommen, die nicht nur für uns unabsehbare Auswirkungen haben, sondern auch für die Generation unserer Kinder. Beifall Aus diesem Grund wurde die Frist, die am 18.12.2016 – das war ein Sonntag, Frist fiel damit auf den nächsten Tag, einen Montag – abgelaufen ist zur Einlegung von Verfassungsbeschwerden, auch genutzt. Ich selber habe eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Denn ich halte… Beifall …mich für in verfassungswidriger Weise in meiner freien Berufsausübung eingeschränkt. Ich weiß, dass das nicht die einzige Verfassungsbeschwerde ist. Es gibt noch mindestens eine, von der wir auch noch einiges hören werden, meine ich. Wartet mal zwei bis drei Wochen, mehr darf ich dazu wohl nicht sagen. Die Sache wird also vom Bundesverfassungsgericht, hoffentlich, verhandelt. Viele Verfassungsbeschwerden werden gar nicht angenommen. Hier wurde eingangs noch mal auf die Verfassungsbeschwerde gegen den Hacker-Paragraf hingewiesen. Die wurde nicht angenommen. Das Verfassungsgericht hat sich aber doch inhaltlich zumindest so geäußert, dass dieser Tatbestand verfassungsgemäß, verfassungskonform und einschränkend ausgelegt werden muss, was zumindest immerhin etwas ist. Warten wir ab, wie hier das Verfassungsgericht entscheidet. Ich hoffe, dass auch dort die überaus große Wichtigkeit gesehen wird, was die Weitergabe von eigentlich unter Verschluss gehaltenen Informationen angeht. Und dass auch dort gesehen wird, dass dieses Gesetz eine echte Bedrohung für die Pressefreiheit ist, und auch für die Berufsfreiheit. Vielen Dank! Beifall Herald: Okay, wir hätten Zeit für vielleicht eine Frage. Sehr gut, dann haben wir keine Fragen. Manchmal muss man eben Politik machen, um Code zu schreiben. Also vielen Dank für die Verfassungsbeschwerde auf jeden Fall. Beifall Und wir hoffen, dass das Ganze gut ausgeht. Bis dann! Ulrich: Da scheint es noch eine Frage zu geben. Herald: Oh, es gibt noch eine Frage! Sehr gut! Also! Signal Angel: Und zwar aus dem Internet: Warum erfüllt der unter unterschlagene USB-Stick auch ohne Bereicherungsabsicht für die gespeicherten Daten die Tatbestände der Datenhehlerei? Ulrich: Moment. Ich habe gesagt, die Unterschlagung ist… Also, ein unterschlagenes Speichermedium, was bisher nicht öffentlich zugängliche Daten enthält, ist eine taugliche Vortat. Dazu müssten wir hier uns nochmal kurz den Tatbestand angucken. Da heißt es: Wer Daten – Verweis auf 202a, Absatz 2, da ist eine Legaldefinition – die nicht allgemein zugänglich sind, und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat… Das war mein Beispiel. Der sozusagen gefundene USB-Stick, wo ich sehe, den verliert jemand, den ich einstecke, wenn dort Daten drauf sind, die nicht allgemein zugänglich sind, und das kann sein, dass jemand sagt: „Jeden Morgen um acht schaue ich aus dem Fenster und schreibe auf, wie der Himmel aussieht, Wolken klar, leicht bewölkt, stark bewölkt“. Ja? Dann wären das Daten, die sind nicht allgemein zugänglich, andere machen vielleicht so was auch, aber diese Daten sind nicht allgemein zugänglich. Und die wären durch eine rechtswidrige Tat erlangt, nämlich jemand verliert diese Daten, jemand anderes findet sie und nimmt sie an sich. Und das ist sozusagen die Voraussetzung, dass wir dann weiterkommen. Und wenn ich jetzt sage: „Ich habe hier ganz scharfe Aufzeichnungen, da schreibt irgendjemand jeden Tag, wie der Himmel aussieht. Willste die kaufen für ’nen Fünfer?“ Dann wären wir hier voll drin. Signal Angel: Okay, das Internet bedankt sich. Herald: Danke ans Internet, also. 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