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RC3 Nowhere Vorspannmusik
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Herald: Willkommen! Guten Morgen in der
Chaoszone TV an Tag 3. Wir freuen uns
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sehr, dass heute auch mit live im Studio
ist, Jonathan Elbisch mit seinem Talk
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"Mit, gegen oder jenseits von Politik?
Eine Reflexion über die paradoxen
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anarchistischen Politikbegriff." Die
politische Theorie des Anarchismus ist ein
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Thema und auch dort macht er einige
Veranstaltungen. Im Anschluss habt ihr
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live die Möglichkeit Fragen an ihn zu
stellen. Bitte nutzt dafür den Hashtag
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rC3ChaosZone auf Mastodon, Twitter und im
Chat. This talk is going to be translated
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in english, please use the selecting down
under video player accordingly. Have fun!
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Jonathan: Hallo, schön, dass ihr da seid!
Mit, gegen, jenseits von Politik? Über das
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paradoxe anarchistische
Politikverständnis. Darum geht es heute in
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diesem Vortrag. Schön, dass ihr da seid.
Ich hoffe, ihr könnt dem etwas abgewinnen
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und viel Spaß beim Reinhören. Danke erst
mal an die Chaoszone in Halle, die uns das
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ermöglicht hat, die Stage jetzt hier auf
dem CCC, das Filmchen zu machen. Zu mir
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gibt es glaube ich eigentlich nicht so
viel zu sagen. Also ich bin Jonathan und
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führe euch jetzt durch diesen Vortrag.
Freue mich, wenn ihr zuhört und alles
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weitere könnt ihr auf meinem Blog
paradox-a.de z. B. lesen oder wenn ihr
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wollt mit mir in Kontakt kommen. Worum
geht es heute? Es geht um ein
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irritierendes Moment, was ich hatte und
ich glaube auch verschiedene andere
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Menschen, nämlich um eine
Gleichzeitigkeit, wenn man sich mit
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anarchistischem Denken oder auch in
anarchistischer Szene bewegt zwischen
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einerseits einer ganz vehementen Kritik
und Ablehnung von Politik und andererseits
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einer Bezugnahme auf Politik oder eben
auch das Praktizieren von radikaler
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Politik. Als ich das so beobachtet und
durchdacht habe, ist mir aufgefallen: Ok,
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das ist schon irritierend. Wie kann es
sein, dass eben einerseits eben diese
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Bezugnahme und das Praktizieren von
radikaler Politik im Anarchismus
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offensichtlich geschieht und gleichzeitig
eben eine sehr grundlegende Ablehnung und
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Kritik daran besteht? Dem werden wir jetzt
hier ein bisschen nachgehen. Ist
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vielleicht so ein bisschen wie in diesem
Bild etwas verkürzt, wie ihr es hier seht,
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ja Politik Scheiße, Anarchie gut. Ok, so
einfach ist es nicht. Aber ihr kennt es,
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ihr habt vielleicht so eine Can in der
Hand, lauft irgendwo rum und die Wand ist
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nicht so groß, da muss die Botschaft ein
bisschen kurz sein. Außerdem vielleicht
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kommen da auch Leute, es ist ein bisschen
eine stressige Situation, da macht man die
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Botschaft eher simpel. Das ist die Frage:
Ist es so einfach? Politik scheiße,
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Anarchie gut? Vielleicht etwas zu leicht.
Aber auf der anderen Seite zeigt es
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zumindest: Ok, im Anarchismus gibt es
offenbar so eine sehr grundlegende Kritik
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an dem, was Politik ist. Und das wäre
jetzt so ein bisschen der Aufhänger für
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das, was ich jetzt noch erzähle. Wie ist
es im Anarchismus? Was ist denn überhaupt
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eigentlich das Politikverständnis? Was
verstehen Anarchist:Innen unter Politik?
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Darum geht es jetzt im Folgenden. Und mit
dieser Irritation über die politische
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Logik würde ich auch anfangen. Was gibt es
da für Momente heute, wo wir merken: Ok,
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so einfach ist es nicht, irgendwie Politik
zu machen? Wenn man so eine anarchistische
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Haltung hat, dann will ich euch mitnehmen
zu so ein paar Zitaten oder
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Quellentextarbeiten über das Unbehagen mit
Politik im radikalen Sozialismus. Dann
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noch mal stärker die Arbeit mit
Quellentexten, was halt meine eigentliche
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Arbeit ist. Ich hoffe, ihr könnt dem was
abgewinnen. Um da drauf hin die Frage zu
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klären: Was ist Politik im Anarchismus? Da
gibt es wie immer natürlich verschiedene
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Meinungen dazu. Ich stelle euch jetzt
einfach eine Perspektive dar und ihr könnt
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schauen, was ihr dem abgewinnen könnt und
auch gerne kritisch dadrüber diskutieren
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natürlich. Und die Frage : Ok, wenn
Politik vielleicht gar nicht so der
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Bringer ist, wie wir uns das manchmal
denken oder glauben, was gibt es denn dann
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für Alternativen? Was ist so was wie Anti-
Politik? Also Anti-Politik wäre hier
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einfach einen Arbeitsbegriff. Das hat
jetzt noch keinen bestimmten Inhalt. Das
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ist einfach das, was dann Politik nicht
ist. Aber was ist das sonst sozusagen?
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Welche Sphären außer Politik spielen dann
doch eine Rolle im anarchistischen Denken?
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Und das werden wir uns dann nachher
anschauen. Gut soweit. Also wie gesagt,
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ich hoffe ihr könnt mir so weit folgen und
los gehts. Und damit geht es los mit der
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Irritation über politische Logik. Ich
hatte ja eben schon gesagt, es geht
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natürlich im Anarchismus um eine Kritik an
staatlicher Politik, an Parlamentarismus,
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auch an Parteien und anderen politischen
Gremien. Aber dadrüber hinaus geht die
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Kritik noch weiter. Es geht um eine
politische Logik, die wir auch finden in
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Graswurzelbewegung oder in sozialen
Bewegungen. Da stellen sich eigentlich die
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interessanten Fragen. Wie gesagt, ich
beschäftige mich mit anarchistischer
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Theorie. Das hat dann viel mit Texten und
Sachen durchdenken zu tun. Aber das alles
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wäre ja nicht so interessant und vor allem
eben auch nicht so relevant, wenn es sich
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nicht dabei um ganz konkrete Sachen
handeln würde, die mich selber auch
-
beschäftigen und irritieren, was ich sehe.
Deswegen habe ich euch jetzt 8 Beispiele
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mitgebracht, wo so eine Irritation über
eine politische Logik halt in soziale
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Bewegung selber entsteht und die glaube
ich auch ganz typische Beispiele sind,
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damit ihr seht: Ok, das spielt schon eine
große Rolle tatsächlich für Leute, die in
-
emanzipatorischen, sozialen Bewegungen
unterwegs sind. 8 Beispiele und es geht
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los mit dem Ersten. Da geht es um eine
sehr klassische anarchistische Demo gegen
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Gefängnisse, nämlich die Demonstration in
Chemnitz gegen den Frauenknast, die in den
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letzten Jahren immer wieder stattgefunden
hat, meistens Ende März. Da wird das Thema
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eben des Feminismus mit dem Thema der
Knastkritik verbunden. Insofern erst mal
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interessant, diese Schnittpunkte
herzustellen und wir finden auf den
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Demonstrationen Ausdruck für Beides.
Einerseits eben diese utopische
-
Vorstellung für eine Gesellschaft ohne
Gefängnisse, dass es möglich ist, dass wir
-
in einer anderen Gesellschaft leben, die
keine Gefängnisse nötig hat. Und das ist
-
zugleich auch eine ethische Forderung,
denn Anarchist:Innen würden sagen:
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Menschen einzusperren bessert sie auf
keinen Fall, sondern verstärkt vielleicht
-
auch einfach nur diesen Klassencharakter
z. B. den ein Gefängnis auch hat. Oder
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warum entsteht überhaupt so was wie
Kriminalität usw? Warum werden Menschen
-
weggesperrt? Das hat ganz andere Gründe
sozusagen. Und sie halt oder sie halt dann
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einzusperren ist nicht die Lösung. Es ist
eine ethische Kritik an diesem
-
Gefängnissystem. Beides übersteigt die
politische Logik, die aber genauso auch
-
eine Rolle spielt in dieser Demonstration,
die eben wie gesagt sehr anarchistisch,
-
sehr radikal auch geprägt ist. Nämlich die
Forderung nach Mindestlohn hinter Gittern,
-
also dass die Gefangenen, die dort
arbeiten, ganz selbstverständlich eben
-
auch einen entsprechenden Lohn erhalten
und dass sie dort eine
-
Versammlungsfreiheit haben. Denn das ist
ja der Ausgangspunkt, dass sie sich
-
organisieren können. Das gefällt natürlich
den Gefängniswärtern und Aufsehern nicht,
-
sind aber ganz pragmatische politische
Forderungen nach Reformen sozusagen.
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Beides geht zusammen und das ist eine
gewisse Irritation, diese Gleichzeitigkeit
-
für eine Gesellschaft ohne Gefängnisse und
gleichzeitig die Bedingungen im Gefängnis
-
selber zu verbessern. Wie geht es
zusammen? Ganz ähnlich gelagert ist auch
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das zweite Beispiel. Da gehts um die
Demonstration in Annaberg, die Pro Choice
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Demo, die es da gibt. Die richtet sich
gegen den sogenannten Marsch für das Leben
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von so christlichen Fundamentalist:Innen.
Das sind Abtreibungsgegner:Innen, sehr
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hardcore. Auch in Stuttgart und Berlin
gibt es diese Demonstration oder Leute und
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dementsprechend auch den radikal
feministischen Protest dagegen. Auch dort
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sehen wir das Gleiche. Einerseits sehen
wir das in den Sprüchen wie z. B. Kein
-
Gott, kein Staat, kein Patriarchat. Dadrin
steckt schon die Vorstellung, dass der
-
Staat selber auch mit einer patriarchalen
Logik verknüpft ist. Also strukturell
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sozusagen scheiße ist. Das es nicht dadrum
geht, sich auf patriarchalen Staat
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einzulassen. Übrigens auch in den
feministischen Streikbewegung in
-
Lateinamerika, wo diese Verknüpfung sehr
stark hergestellt wird aktuell. Also
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Politik hat eben in dem Sinne auch immer
diesen Geschmack patriarchal zu sein und
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wird in Frage gestellt, wird ganz
grundsätzlich kritisiert. Auf der anderen
-
Seite ist einer der zentralen Forderungen
radikal feministischer Bewegungen die
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Abschaffung des Verbots von
Schwangerschaftsabbrüchen. Das ist der
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Paragraph 218 im Strafgesetzbuch, was
übrigens schon seit 150 Jahren
-
mittlerweile in Deutschland verboten ist,
Schwangerschaftsabbruch, und ein
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ziemlicher Skandal, weil es ja doch ein
sehr großer Eingriff in das
-
Selbstbestimmungsrecht von vielen Menschen
darstellt. Die Abschaffung dieses
-
Paragraphs ist also eine ganz eminent
politische Forderung. Und auch das beißt
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sich eben mit der grundsätzlichen Kritik,
dass die politische Logik selber auch in
-
patriarchal staatlichen Touch hat. Ok also
ich hoffe, ihr konntet soweit folgen, dass
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man schon mal zwei, es geht aber noch
weiter. Ein sehr klassisches Beispiel
-
würde ich auch sagen, begegnet mir auch in
dieser Debatte über Aktionen zivilen
-
Ungehorsams oder Blockadeaktionen. Das ist
ja auch sehr populär geworden in den
-
letzten Jahren, zum Beispiel bei Ende
Gelände und ähnlichen Gruppierungen, die
-
eben zu Massenaktion aufrufen. Da sehen
wir halt zivilen Ungehorsam. Leute gehen
-
z. B. auf so eine Schiene und besetzen
die, weil da die Braunkohle lang gefahren
-
wird, mit dem Zug zum Kraftwerk. Und sie
blockieren diese Schiene, um eben sehr
-
direkt klar zu machen, wir wollen hier
einen Riegel vorschieben. Wir wollen diese
-
Braunkohleinfrastruktur blockieren, um
dann direkten Schaden auch bei dem
-
Unternehmen zu verursachen. Wobei das ist
die Frage, ob das so klar ist. Stellt euch
-
vor, die Blockade steht. Da sind
vielleicht so 100 200 Menschen und dann
-
rückt die Polizei näher. Es wird auch
abends usw. Polizei rückt näher, wie das
-
ja bei solchen Aktionen so ist. Und die
Leute auf der Schiene in der Blockade
-
überlegen sich dann: Ok, sollen wir die
Blockade räumen oder nicht? Denn z. B. war
-
die Presse schon da, es war insgesamt
vielleicht ein erfolgreicher Tag und die
-
einen würden sagen: Ja, ist doch gut, wir
können hier aufhören, wir haben unser Ziel
-
erreicht. Wir haben hier eine gute,
stabile Blockade gemacht und das ist, was
-
wir wollten. Wir haben auch einen guten
Pressebericht sozusagen, wir haben unser
-
Thema gesetzt. Aber gleichzeitig würden
andere Leute sagen: Hey, das ist mir doch
-
nicht genug. Ich bin doch nicht hier, um
irgendein Pressebericht zu machen, sondern
-
ich will hier eine direkte Aktion machen.
Ich möchte gerne, dass dieses Kraftwerk
-
jetzt an dieser Stelle blockiert wird, um
den Betreibern so viel Schaden wie möglich
-
zu verursachen, um hier direkt
einzugreifen und der Pressebericht, der
-
bringt mir da gar nichts. Hier geht es
nicht unbedingt dadrum, dass das letztere
-
unbedingt radikaler ist oder oder an sich
anarchistischer, sondern solche Debatten
-
kommen eben immer wieder vor. Und da sehen
wir, da beißen sich auch zwei Logiken. Der
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zivile Ungehorsam, der ja eher einer
politischen Logik folgt und die direkte
-
Aktion, die eben was anderes ist und diese
politische Logik wieder in Frage stellt.
-
Wie die sich dann im Endeffekt
entscheiden, ob die diese Blockade dann
-
aufgeben oder nicht, das ist sowieso immer
Sache der Leute. Das ist wie gesagt keine
-
Wertung, sondern hängt immer vom Fall
drauf ab. Aber wir sehen, dass diese
-
beiden Logiken da sehr eng ineinander
verstrickt sind. Und das ist, denke ich,
-
ein Thema, was immer wieder vorkommt. Dann
begegnete mir das auch mal noch bei so
-
einem Aktionscamp vor auch schon einigen
Jahren, wo ich gemerkt habe, da gab es
-
auch so eine Debatte dadrum, was denn
eigentlich das Politische ist, so hätte
-
ich das zumindest interpretiert. Also
einerseits gab es da Leute, die ganz viel
-
in der Infrastruktur von dem Camp gemacht
haben, was da so dazugehört. Das Kochen,
-
die Zelte aufbauen, das Zeug aufzuräumen
usw., auch das Camp selber zu organisieren
-
und die das so als ihre Aufgabe betrachtet
haben und sozusagen auch diese Politik da
-
auch parallel was aufzubauen. Und dann
kamen so sehr aktionsorientierte, eben
-
eher sehr stark kommunistische Leute. Die
kamen dann halt nur so für ein, zwei Tage
-
mal vorbei, für die große Aktion, für den
Aktionstag und sind dann auch auf ihre
-
Aktion gegangen und da kam es zum Streit.
Ja also diese Alternativleute, die eher
-
die Infrastruktur gemacht haben, haben
sich halt aufgeregt, dass die
-
Aktionskommis halt garnichts zu dem Camp
beitragen, sondern bloß die Infrastruktur
-
nutzen. Die Kommis haben dann wieder
gesagt: Ja ok, aber ihr Hippies sozusagen,
-
baut hier euer Camp auf, aber darum geht
es ja jetzt auch nicht. Auch dadrin sehen
-
wir, dass es offenbar so eine Art Streit
darum gibt: Was ist denn jetzt das
-
Politische? Tatsächlich einfach so ein
paralleles Camp aufzubauen? Oder ist das
-
eigentliche Politische die richtige
Politik? Scheinbar dann diese eine groß
-
angekündigte Aktion. Ein 4. Beispiel, nein
ein 5. wäre dann auch noch so diese
-
Gretchenfrage der Gewaltanwendung. Ja,
also auch bei so einem anderen
-
Gipfelprotest nochmal, kam das z. B. vor,
dass es da halt Ausschreitungen gab und
-
dann gibt es ja ganz klassisch danach dann
immer wieder so eine Debatte bla bla, was
-
bringt das usw. Und in dem Fall geht es
aber gar nicht darum, ob jetzt die Gewalt
-
gerechtfertigt oder so ist oder nicht,
sondern die Frage war: Wie interpretieren
-
Menschen das, was da passiert? Und z. B.
argumentieren Anarchist:Innen eher in
-
diese Richtung, dass sie sagen: Ok, ich
muss das nicht unbedingt teilen oder gut
-
finden, dass es eben zu Ausschreitungen
kam. Aber wir wollen uns gar nicht auf
-
diese politische Logik jetzt einlassen,
was jetzt gerechtfertigt oder
-
ungerechtfertigt ist. Uns geht es um das
selbstbestimmte Handeln von Menschen und
-
deswegen urteilen wir nicht dadrüber,
welche Aktion wir gut finden. Wir wollen
-
uns gar nicht auf dieses Geschachere
einlassen sozusagen, war das jetzt richtig
-
oder falsch? Sondern wir sehen es als
einen selbstbestimmten Ausdruck von
-
bestimmten Menschen an, unabhängig ob wir
das im Einzelnen gut finden und teilen
-
oder nicht. Andere argumentieren aber
politisch strategisch wäre das jetzt
-
falsch, ja, also man sollte sich jetzt
nicht irgendwie dadrauf einlassen, dann
-
durch Provokation z. B. irgendwie was
anzuzünden usw. halt, weil das sozusagen
-
für die Gesamtsache nichts bringt, die
Gesamtsache halt diskreditiert und aus
-
strategischen Gründen, also der
politischen Logik, wäre das sozusagen
-
falsch in diesem Zusammenhang. Also auch
hier sehen wir wieder Politik und eben
-
etwas anderes, dieses selbstbestimmte
Handeln eher in diesem Fall, was der
-
Politik gegenübergestellt wird. 3
Beispiele habe ich noch. Eins ist denke
-
ich auch sehr typisch und auch in vielen
so selbstorganisierten linken Gruppen zu
-
finden. Da geht es um den Streit zwischen
Kaderpolitik und persönlicher
-
Weiterentwicklung, so würde ich das
nennen. Ja, das war eben eine linke,
-
politische Gruppe, wo dieser Streit
entflammt ist. Die lief ganz gut, so ein
-
paar Jahre, kamen auch immer wieder neue
Leute dazu. Die haben viele Aktionen
-
gestartet und so, das war recht
erfolgreich. Aber dann kamen sie an so
-
einen Punkt, wo sich so ein Streit
entsponnen hat. Und zwar ging es um diese
-
Frage: Wie geht es weiter? Und da waren
ein paar Leute, auch eher so Typen Typen,
-
die gesagt haben: Hey, wir müssen jetzt
noch eine Kundgebung machen und wir
-
sollten noch an dieser Kampagne teilnehmen
und wir sollten jetzt noch einen Flyer
-
schreiben oder sowas in der Art. Also
schon eher sozusagen angegeben haben, was
-
denn jetzt zu tun ist und was dann auch
politisch gemacht werden muss. Ja weil das
-
lief ja vorher scheinbar ganz gut. Aber
andere haben gesagt: Hey, das ist für uns
-
eine totale Kaderpolitik. Ihr gebt einfach
vor, was gemacht werden muss, weil das
-
angeblich das richtige Politische ist. Und
wir wollen aber eher uns persönlich auch
-
weiterentwickeln. Wir wollen halt auch
eher schauen, wie sind wir selber z. B. in
-
Herrschaftsverhältnisse verstrickt? Was
hat das mit uns zu tun? Wie verändern wir
-
vielleicht unsere Beziehungen? Und das ist
für uns eigentlich das Politische und
-
übersteigt aber auch ganz stark diese enge
politische Logik, die die Kaderleute
-
sozusagen vorgegeben haben. Auch da will
ich jetzt gar nicht sagen, was jetzt
-
richtig oder falsch ist, weil ich
tatsächlich beide Seiten ein bisschen
-
verstehen kann. Ich merke aber ok, auch
dieser Streit scheint eben sehr typisch zu
-
sein. Hier kommen so 2 Sachen zusammen
oder prallen auch aufeinander in diesem
-
Streit. Schließlich noch das gute alte
Wahlproblem, da könnte man auch viel dazu
-
sagen. Aber vielleicht nur so viel, dass
es in anarchistischen, also selbst in
-
anarchistisch inspirierten Kreisen, auch
nach wie vor gar nicht so klar ist, dass
-
Wahlen nur abgelehnt wird. Da gibt es
immer wieder Leute, auch im Anarcho-
-
Syndikalismus, die halt sagen: Ja, unter
heutigen Bedingungen macht es natürlich
-
auch einen Unterschied, welche Parteien an
der Macht sind. Aber das Entscheidende
-
ist, dass sich nicht eben aktiv an Wahlen
beteiligt wird, also dass z. B. Leute in
-
anarcho-syndikalistischen Gewerkschaften
das nicht als ihre Aufgabe anzusehen, zu
-
Wahlen aufzurufen oder was Bestimmtes zu
wählen. Sie überlassen es einfach ihren
-
eigenen Leuten, ihren Mitgliedern dann zu
entscheiden, wie sie sich dazu
-
positionieren und sagen eben auch, dass
sie das nicht als ihr Feld ansehen, dieses
-
politische Terrain, sondern ihre Kämpfe
eben auf der ökonomischen Ebene führen
-
wollen. Und das es auch dadrum eigentlich
gehen muss, wenn man was erreichen will.
-
Also auch hier Politik, der wird die
Ökonomie gegenübergestellt und das
-
spiegelt sich in solchen Debatten über
"macht es Sinn, sich an Wahlen zu
-
beteiligen?" wieder. Und schließlich
schön, dass ihr so lange schon zugehört
-
habt bei diesem Teil, das letzte Beispiel:
Wenn Satire ernst wird, ja, also
-
Satireparteien, die dann tatsächlich
wieder ins Parlament, die dann mal ins
-
Parlament gewählt werden wie, Die PARTEI.
Die machen ja viel Halligalli, ja wenn ihr
-
an Die PARTEI denkt so, und nehmen damit
es ja auch sehr stark das Politische aufs
-
Korn. Da könnte man sagen: Ok, in dieser
Form von Satire ist ein Moment von Anti-
-
Politik enthalten, weil sie zwar die
politische Logik nehmen, aber sie
-
satirisch eben untermauern oder eben
wenden. Was aber, wenn Leute aus
-
Satireparteien tatsächlich in Parlamente
gewählt werden? Können sie das dann noch
-
aufrechterhalten? Können sie dann weiter
nur Anti-Politik machen oder werden sie
-
tatsächlich dann trotzdem Teil der
Politik? Und das ist auch mal hier
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passiert in Leipzig tatsächlich, wo zwei
Leute von der PARTEI ins Stadtparlament
-
gewählt worden sind, die dann genau vor
diesen Fragen standen: Machen wir jetzt
-
Politik oder machen wir nicht Politik? Und
was verstehen wir tatsächlich unter
-
Politik, wenn Satire ernst wird? So habe
ich das genannt. Auch dadrin zeigt sich
-
eben so eine Spannung in der politischen
Logik. Ihr seht es jetzt auch hier nochmal
-
in dem Schema. Das hatte ich auch schon
mal gezeigt. Also wenn wir sagen, das ist
-
Politik, wir benennen, was Politik ist,
dann gibt es etwas Anderes, so in der
-
Theorie, was eben dann entsteht, was wir
dann ausschließen. Saul Newman, der eben
-
das ein bisschen entwickelt hat, sagt das
eben Anti-Politik vor allem in der Utopie
-
und in der Ethik besteht. Und das sind
beides zweifellos Momente oder Sphären,
-
die im Anarchismus sehr stark ausgeprägt
sind. Ich habe das dann noch ergänzt und
-
würde sagen: Auf der politischen Seite
können wir sagen, das Strategische und
-
auch das Programmatische, das sind eben
sehr politische Sachen, die im Anarchismus
-
immer wieder in Frage gestellt werden. Der
Theorie von Saul Newman nach entsteht eben
-
zwischen Beiden in so einem Paradoxon, das
ist nicht aufgelöst, eine Politik der
-
Autonomie oder vielleicht sogar die
autonome Politik. Ich finde, das ist eine
-
ganz gute Art zu verstehen oder zu
begreifen, warum es offenbar so ein
-
Problem im Anarchismus mit dem
Politikmachen geht, aber ich gehe weit
-
über dieses Schema und die Gedanken von
Saul Newman hinaus. Im Gegensatz zu dem
-
sage ich nämlich: Anarchismus ist was
Bestimmtes. Eine bestimmte, ist ein
-
bestimmter Flügel in emanzipatorischen,
sozialen Bewegungen. Das sind bestimmte
-
Leute und Gruppen und nicht nur irgendwie
so ein Gedanke oder was Philosophisches,
-
sondern da habe ich ganz konkrete Sachen
vor Augen. Außerdem geht es mir auch nicht
-
so wie anderen Postanarchist:Innen, dass
ich jetzt irgendwie die Vorstellung einer
-
anderen Gesellschaft ablehne. Im
Gegenteil, ich würde sagen, eine andere
-
Gesellschaftsform ist möglich. Ich würde
die Libertärer Sozialismus nennen. Der
-
wird natürlich immer wieder auch von
Anarchie in Frage gestellt. Aber
-
prinzipiell erstmal so ranzugehen, zu
sagen: Ja, wir wollen eine andere
-
Gesellschaftsform, eine qualitativ andere,
die ein libertärer Sozialismus ist. Das
-
würde ich im Unterschied zur Newman z. B.
machen. Diese Art, wie ich euch das jetzt
-
vorgestellt habe, ist auch eine Theorie,
die nicht nur abstrakt ist, sondern die
-
auch auf Erfahrungswissen beruht und auch
einen Bezug zu emanzipatorischen, sozialen
-
Bewegungen hat. Da beziehe ich eben meine
Fragen her und da hoffe ich, dass eben
-
diese Art von Denken auch rein mündet,
dass sie eben nicht nur akademisch
-
abgehoben ist, sondern tatsächlich Leuten
auch was bringt und vielleicht aber ein
-
bisschen unterfütterter als die Eine oder
Andere anarchistische Theorie, die es
-
schon gibt. Gut, das war's. Und damit gehe
ich weiter mit euch. Was ist nun aber das
-
Unbehagen mit der Politik im radikalen
Sozialismus? Wo ist da das Problem? Was
-
ist da das Unwohlsein dabei? Darum geht es
jetzt in diesem Teil. Und der erste Punkt
-
ist, dass der Anarchismus gerade in dem
Moment entsteht, wo die Frage aufkommt, ob
-
sich der Sozialismus als eine
Graswurzelbewegung von unten jetzt
-
politisieren soll. Ob er eine politische
Bewegung werden soll? Also in der Mitte
-
auch am Ende des 19. Jahrhunderts stand
diese Frage bei der sozialen Bewegung,
-
eben sozialistischen Bewegungen, sind ja
noch verschiedene, sollen wir jetzt eben
-
daran teilnehmen? Sollen wir Parteien
gründen? Sollen wir auf den Staat
-
einwirken oder ihn auch politisch
revolutionär übernehmen? Und
-
Anarchist:Innen richten sich dagegen,
gegen Staatlichkeit als ein Prinzip der
-
Zentralisierung, der Hierarchisierung und
des Autoritarismus und entstehen sozusagen
-
gerade in diesem Moment der Politisierung
sozialistischer Bewegungen, wenden also
-
auch dieses politische Prinzip oder die
politische Logik, die dahinter steht, ab.
-
Stattdessen wollen sie an ihren
althergebrachten Organisationsprinzipien
-
festhalten, den Föderalismus, der
Dezentralität und der Autonomie, eben
-
verschiedener miteinander vernetzter
Basisgruppen. In dem ihren
-
Zusammenschluss, dem sozialistischen, der
internationalen Arbeiterassoziation kommt
-
es dann zum Ausschluss der sogenannten
Antiautoritären. 1872 gründen die dann
-
ihre eigene Organisation, die
antiautoritäre Internationale. Und da
-
schließen sie den sogenannten Pakt von
Saint-Imier, der sich diesen ja auch
-
wieder mal, die im nächsten Jahr auch
wieder mal jährt. Und in diesem Pakt
-
machen die so eine Erklärung, da steht:
Wir erklären, dass die Zerstörung jeder
-
politischen Macht die erste Pflicht des
Proletariats ist. 2.: Dass jede
-
Organisation einer sogenannten
provisorischen und revolutionären
-
politischen Macht, um diese Zerstörung
herbeizuführen, nur ein Betrug mehr sein
-
kann und für das Proletariat ebenso
gefährlich wäre, als alle heute
-
bestehenden Regierungen. 3.: Dass nach der
Verwerfung jedes Kompromisses zur
-
Durchführung der sozialen Revolution die
Proletarier aller Länder außerhalb jeder
-
Bourgeoisiepolitik die Solidarität der
revolutionären Aktion einrichten müssen.
-
Also hier haben wir es sozusagen schwarz
auf weiß. In diesem Gründungsdokument eben
-
anarchistischer Bewegung steht es ganz
klar: Wir lehnen die politische Logik ab,
-
und zwar nicht nur den Staat, sondern auch
in dem weiteren Sinne das, was dahinter
-
vermutet wird. Es geht hier ganz klar um
die Zerstörung der politischen Macht. Also
-
wie gesagt, hier haben wir es, ganz klar.
Natürlich kann es jetzt nicht sein, dass
-
ich sage: Ok, das waren so die echten,
ursprünglichen truen Anarchisten oder so,
-
die das gesagt haben. Jetzt ist Politik
scheiße. Die haben dann natürlich was
-
Bestimmtes dadrunter verstanden. Wir
können es nicht einfach so aufs Heute
-
übertragen, dass wäre ahistorisch. Aber es
ist erstmal interessant, dass es da eben
-
offenbar diese ganz klare Absage als
Gründungsdokument des Anarchismus gibt.
-
Und diese Erfahrung in anarchistischer
Bewegung wiederholt sich dann auch noch
-
mal, also auch bei der Zweiten
Internationale der Sozialistischen, die
-
danach gegründet wurde. Auch da wurden
Anarchist:Innen wieder ausgeschlossen und
-
haben dadraufhin anarcho-syndikalistische
Gewerkschaften z. B. gegründet. Aufgrund
-
dieser Ausschlusserfahrung ihrer eigenen
Organisation, in der sie eben nicht der
-
politischen Logik folgen. Und auch nochmal
z. B. als es so eine rote
-
Gewerkschaftsinternationale gab in Moskau,
wo eben dann schon nach der russischen
-
Revolution das ganze auf den russischen
Staat hin zugeschnitten war, oder die
-
UdSSR, die halt dann versucht haben die
Gewerkschaften politisch zu dominieren.
-
Auch da gab es dann nochmal 1922 so eine
Abkehr, wo gesagt haben, oder wo
-
Anarchist:Innen gesagt haben: Wir haben,
nein, wir wollen eben nicht unter dieser
-
politischen Logik kommunistischer Parteien
subsumiert werden. Das ist erstmal
-
interessant, dass eben wie gesagt der
Anarchismus in dem Moment entsteht, wo es
-
eine Kritik und eine Abwendung tatsächlich
vom politischen Prinzip gibt. Und damit
-
gehen wir noch ein bisschen weiter. Das
eine waren die historischen Erfahrungen.
-
Ein weiteres Problem, was Anarchist:Innen
mit der Politik haben, ist die
-
Verstaatlichung von Politik. Also das
sehen wir in ganz vielen verschiedenen
-
sozialen Bewegungen, wo ja immer wieder
die Frage aufkommt: Welcher Bezug ist zum
-
Staat? Sind wir eben außerhalb? Sind wir
außerparlamentarisch? Sind wir
-
Vorhutorganisation für eine bestimmte
Partei? Oder doch was ganz
-
selbstorganisiertes außerhalb? Diese
Fragen stellen sich auch heute immer
-
wieder in sozialen Bewegungen. Natürlich
gibt es Politik auch außerhalb des
-
Staates. Wenn wir uns versammeln,
Demonstrationen, Platzbesetzungen, auch in
-
Gruppen usw. Da findet Politik außerhalb
des Staates durchaus statt. Aber das
-
Problem ist eben, dass Politik dem Staat
zugeordnet und auch von diesem vereinnahmt
-
wird. Und das sehen wir an allen möglichen
Bewegungen, z. B. ganz stark auch am CSD,
-
der eben über die ganzen letzten Jahre
immer stärker tatsächlich sich halt auch
-
so ein ja neoliberales Establishment
sozusagen bezogen hat oder auch von diesem
-
vereinnahmt wurde. Es gibt natürlich
verschiedene politische strategische
-
Ansätze. Man kann da verschiedene
Meinungen dazu haben, aber ich finde, dass
-
man da ganz gut dadran sieht und deswegen
Anarchist:Innen auch ein Problem damit
-
haben. Natürlich nicht mit dem Thema, was
damit verbunden ist, aber mit der Form,
-
die so eine Art von Bewegung annimmt. Also
organisieren sie dann wieder
-
selbstständige Sachen, die Queere und
LGBTI Thematiken nochmal außerhalb dessen
-
eben thematisieren. Wie gesagt,
Anarchismus richtet sich gegen
-
Staatlichkeit als ein hierarchisches,
zentralisierendes, als ein autoritäres
-
Prinzip. Und dagegen werden aber andere
Konzepte ins Feld geführt, wird gesagt: Es
-
gibt doch ganz viele gelebte Ansätze der
Selbstorganisation. Das ist wie gesagt ein
-
wechselseitiger Prozess, auch in
politischen Gruppen. Das finde ich auch
-
irritierend. Leute sagen z. B. in der
radikalen Linken: Wir lehnen die Politik
-
des Staates ab, aber wir treffen uns jeden
Dienstag in unserer politischen Gruppe.
-
Das zeigt schon auch, dass da so ein
gewisser Widerspruch oder so ein gewisses
-
Spannungsfeld ist. Denn eben die Politik
des Staates scheint da ja eine ganz andere
-
zu sein als die, die in der Gruppe
stattfindet. Und beides wird trotzdem als
-
politisch irgendwie bezeichnet. In
gewisser Weise, also die Frage ist: Welche
-
Politik in diesem, in dieser Aussage, wir
sind in einer außerparlamentarischen oder
-
wie auch immer politischen Gruppe steckt
schon aber auch die Zuordnung in gewisser
-
Weise zur politischen Logik des Staates
hin. Und das ist eben das Problem mit der
-
Politik, dass sie verstaatlicht wird. Wie
gesagt, wie sich soziale Bewegungen
-
entwickeln, ist immer eine offene Frage.
Gibt es da Auseinandersetzungen zu führen?
-
Da gibt es auch nicht den an sich
richtigen Weg. Aber es ist natürlich klar,
-
dass Anarchist:Innen dafür eintreten, eben
was Eigenes, was Selbstorganisiert zu
-
machen und das ist auch die Kritik, die
Infragestellung von Politik. Ein drittes
-
Element dieses Unbehagens des radikalen
Sozialismus mit der Politik ist die
-
sogenannte Politikverdrossenheit. Die
Politikverdrossenheit ist ja vor allem
-
eine Erfindung von
Politikwissenschaftler:Innen ja. Also z.
-
B. gibt es irgendeine Wahl und so und so
viele Leute haben nicht gewählt und dann
-
fragt irgendein Journalist halt so einen
Politikwissenschaftler: "Hey, was ist da
-
los? Haben wir noch Demokratie? Warum
wählen die nicht?" Und der
-
Politikwissenschaftler erklärt es dann,
sagt: "Das ist Politikverdrossenheit." Und
-
dann alle so: "Aha, ok,
Politikverdrossenheit. Was ist denn jetzt
-
los?" Und dann sagt er: "Ok, die Leute
fühlen sich nicht so verstanden und sich
-
verarscht, die verstehen die Politik nicht
und irgendwie sind die einst verdrossen.
-
Man muss denen das besser erklären. Man
muss ihnen das ein bisschen schmackhafter
-
machen mit der Politik, dann werden die
das schon verstehen." So, der Punkt ist
-
halt nicht der Anarchismus als solches,
die Politikverdrossenheit, sondern das
-
sind Widersprüche liberal demokratischer
Republiken, die halt immer versuchen, das
-
Politische als eine relativ autonome
Sphäre zu haben. Sie kann eben nicht ganz
-
staatlich sein, sie kann aber auch nicht
ganz in der Gesellschaft sein, sie ist
-
irgendwie dazwischen. Gleichzeitig gibt es
Technokratie, auch heute ganz viel, die
-
halt das Politische unterläuft,
unterminiert. So ähnlich auch wie das
-
Marktprinzip, einfach der Kapitalismus
demokratische Politik unterminiert und
-
demokratische Politik natürlich auch von
anderen Projekten wie faschistischen
-
angefochten wird. Also es geht eine
Erosion und eine Öffnung des Politischen,
-
wie so ein bisschen wie so ein Schwamm in
der liberalen Demokratie immer wieder
-
hervor und das sind Widersprüche, die wie
gesagt, in liberalen Demokratien selber
-
entstehen und zu so einer Frustration
einfach führen, die dann als
-
Politikverdrossenheit oder sowas
bezeichnet wird. Die bringen, wie gesagt,
-
Anarchist:Innen nicht hervor, aber sie
docken da an, indem sie die Widersprüche
-
aufzeigen, die in der Gesellschaft
entstehen, in der politischen Logik, in
-
der wir uns heute befinden. Und ein
letzter Punkt wäre ein Argument von
-
Anarchist:Innen, warum es sich lohnt,
kritisch zu sein oder so ein Unbehagen
-
auch mit der Politik zu haben, ist, dass
gesagt wird: Es gibt doch so viel Anderes,
-
außer Politik, was wir machen können. Und
wenn ihr mal drüber nachdenkt, je nachdem
-
wo ihr unterwegs seid, gibt es da auch
viele Beispiele aus irgendwie so einer
-
selbstorganisierten alternativen, mehr
oder weniger radikalen Linken. Also z. B.
-
die direkte Unterstützung von Geflüchteten
ist vielleicht nicht unbedingt ein
-
politischer Akt, sondern hilft halt
tatsächlich direkt bestimmten Leuten, die
-
halt ja ihre Länder verlassen mussten und
halt Hilfe brauchen. Oder eben so dieses
-
klassische Modell von autonomen Zentren,
die eben wo versucht wird, was anders, was
-
selbstverwaltet zu machen. Auch
selbstverständlich diese ganze Schiene der
-
Kultur oder der Subkultur. Wenn ihr an
Punkrock denkt, wenn ihr an Veganismus
-
denkt oder an Hardcoreszenen und solche
Geschichten, wo über diese kulturelle
-
Schiene tatsächlich ganz viel Veränderung
möglich wurde. Natürlich wurde das auch
-
kapitalistisch wieder vereinnahmt, aber
dadurch ist gesellschaftliche Veränderung
-
entstanden, die oft auch so gestartet ist,
dass Leute, die eben z. B. sehr radikale
-
oder auch anarchistische Ansichten hatten,
was Anderes machen wollten. Und das in so
-
einem scheinbar kulturellen Bereich, der
deswegen auch der Politik etwas
-
entgegengesetzt wird. Und natürlich
verschiedene Formen von
-
Selbstorganisatiosprozessen. Wenn sich
Menschen in der Nachbarschaft helfen oder
-
sowas in der Art ist es dann schon
Politik, wenn die das in der organisierten
-
Form machen? Ab wann ist es denn Politik?
Oder ist es notwendigerweise Politik,
-
sondern Nachbarschafts, gegenseitige
Hilfe, Geschichte oder sowas? Vielleicht
-
ist es eben auch was Anderes. Also,
Anarchist:Innen haben ein Unbehagen mit
-
Politik und Politik erscheint eben ganz
oft als langweilig, irgendwie auch so als
-
komisch, als suspekt in gewisser Weise.
Sie dauert lang, sie ist langwierig, sie
-
hemmt auch die Initiative von einzelnen
Leuten ja. Sie hat halt so einen
-
bürokratischen Touch und ist ganz oft auch
hierarchisch. Und so vor allem ist sie
-
auch nicht authentisch. Sie scheint die
Einzelnen zu übergehen und irgendwie nicht
-
so viel mit ihnen zu tun zu haben. Ob man
es sich immer so einfach machen kann und
-
dann zu sagen: Ok, scheiß auf Politik, das
ist eine andere Frage, weil ich
-
gleichzeitig sagen würde: Nein,
Anarchismus ist eben nicht apolitisch oder
-
unpolitisch, er ist vielmehr anti-
politisch. In dem die politische Logik in
-
Frage gestellt wird, trotz all dem
Unbehagen, gibt es trotzdem einen Bezug
-
auf die Politik und wird sie auch
praktiziert. Aber davon hören wir dann
-
gleich einfach noch was. Ok, jetzt kommen
wir zu dem etwas langwierigeren,
-
langweiligeren Teil meiner Arbeit, dass
ihr auch wissen, woher ich das beziehe.
-
Also das ist ganz viel die Arbeit eben mit
Quellentexten des Anarchismus. Und da gibt
-
es eben so ganz bestimmte anti-politische
Aussagen in diesen Quellentexten. Ich
-
stelle euch ein Paar vor, dass ihr einen
Eindruck habt, woher beziehe ich denn das
-
jetzt, was ich sage? Z. B.: "Was man
Politik nennt, das ist vergleichsweise
-
etwas so Oberflächliches und
Unmenschliches, dass ich praktisch niemals
-
bemerkt habe, dass sie mich überhaupt
angeht", schreibt Henry David Thoreau.
-
Oder Pierre-Joseph Proudhon: "Insofern
Politik auf einem ideologischen Konstrukt
-
liegt, kann sie nicht einfach mit diesem
aufhören oder über es hinausgehen. Logik
-
und Naivität liegen im Wesen von Politik:
und das ist genau, wo ihre Falle liegt."
-
Oder: "Man darf sich keine Hirten geben,
wenn man nicht Herde, keine Regierenden,
-
wenn man nicht Sklave sein will. Weg mit
der Regierung und diesen verderblichen
-
Ambitionen. Weg mit diesen politischen
Taschenspielern, die mit den 3 Worten der
-
republikanischen Devise Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit jonglieren wie
-
mit drei Kugeln, um sie dann verschwinden
zu lassen", schreibt Joseph Déjacque. Oder
-
Johann Most in der Debatte über den
sozialistischen Volksstaat: "Wurden diese
-
sozialistischen Debatten nicht eher
besser, bis auch in dieser Beziehung
-
anarchistische Gedanken in die Debatten
reindrangen. Von da ab wurde gezeigt, dass
-
man nicht eine schlaue, eine
Opportunitäts-, Zukunfts- oder wenn es
-
hochkam, revolutionäre Politik zu treiben
habe, sondern dass man mit der ganzen
-
Politik aufräumen müsse." Und Émile Pouget
schreibt: "Es ist unmöglich, zwischen dem
-
Kampf der Gewerkschaften und der Teilnahme
am traurigen Geschäft der Politik eine
-
Parallele zu ziehen, geschweige denn,
beide zu verwechseln." Und um jetzt nicht
-
diesen Typen so das Schlusswort zu lassen,
noch was von Emma Goldman in Bezug auf die
-
Frage der des Wahlrechts für Frauen
schreibt sie: "Ich glaube nicht, dass die
-
Frau die Politik schlechter machen wird;
aber ich kann auch nicht glauben, dass sie
-
sie verbessern kann. Warum also auf einer
solchen Gesetzgebung bestehen, wenn die
-
Frau die Fehler des Mannes ohnehin nicht
korrigieren kann? Die Geschichte der
-
Bemühungen des Menschen in der Politik
zeigt, dass ihm diese überhaupt nichts
-
gebracht haben, was er nicht auch auf
direkterem Wege, zu einem geringeren Preis
-
und längerfristig hätte erreichen können."
Ja jetzt seht ihr genau, das sind so ein
-
paar Zitate einfach, die zeigen, ok, da
gibt es so diese anti-politischen Aussagen
-
im Anarchismus, auch das sind jetzt
historische Quellentexte, dass können wir
-
nicht einfach 1 zu 1 auf heute übertragen,
weil sich so ein Verständnis von so einem
-
Begriff natürlich verändert. Es ist
sowieso interessant, sich mit so einem
-
großen Begriff wie Politik zu
beschäftigen, weil wir sehen, es geht gar
-
nicht nur um das Wort, sondern um die
Vorstellungen, die wir damit verbinden.
-
Also um eigentlich um das, was dahinter
steht. Die Übertragung von dem Text, der
-
jetzt mehr als 100 Jahre alt ist, ins
Heute, geht so nicht. Und trotzdem finde
-
ich es erstmal interessant und auch
faszinierend, dass da so eine ganz klare
-
Absage an die Politik ist. Also nicht die
Frage nach: lasst uns eine andere oder
-
eine bessere oder mehr Politik machen.
Lasst uns vielleicht eine direktere oder
-
mehr Demokratie schaffen, sondern eine
ganz klare Absage an das Politikmachen an
-
sich, was auch über, wie gesagt, die
Politik des Staates hinausgeht, sondern
-
die politische Logik betrifft. Und das ist
eben spannend in sich damit zu
-
beschäftigen und zeigt, dass das offenbar
so ein Element des Anarchismus ist, dass
-
es dieses Unbehagen mit der Politik gibt.
Es gibt also, wie ich gezeigt habe, einige
-
anarchistische Probleme mit dem
Politikmachen und es führt dann
-
logischerweise zu der Frage: What the fuck
ist denn Politik überhaupt? Wie bei vielen
-
solchen großen Begriffen Freiheit,
Gerechtigkeit, Frieden haben natürlich
-
alle Leute irgendwelche Assoziationen und
irgendwelche Gefühle auch dazu. Es ist
-
eben bei diesen Containerbegriffen so der
Fall, dass wir da alles mögliche
-
reinpacken können und auch ein bisschen
das Problem gleichzeitig dadran, weil wir
-
so tun, als wäre das sowieso klar und das
ist es aber ganz oft nicht. Deswegen ist
-
diese Arbeit, was ich hier mache, mich mit
diesem Begriff zu beschäftigen, aus
-
anarchistischer Perspektive in dem Fall
auch besonders interessant, weil es dadrum
-
geht, sich diese Begriffe anzueignen und
sie mit eigenen Inhalt zu füllen, um
-
Antworten zu finden, wie wir in der
Gesellschaft, in der wir leben, handeln
-
können und auch anders handeln können, wie
wir sie auch grundsätzlich verändern
-
können. Über Begriffe zu streiten lohnt
sich deswegen nur teilweise, weil Leute
-
verwenden eben unterschiedliche Begriffe,
dadrüber können wir uns aber dann
-
verständigen und da wird es interessant,
ok, was liegt denn dahinter? Also z. B.
-
gibt es Leute, die sagen, das was der
Staat macht, ist ja gar keine Politik. Das
-
ist eigentlich nur die Verwaltung von
Menschen. Das eigentlich Politische, das
-
ist, wenn wir uns auf der Straße
versammeln, wenn Menschen anfangen, direkt
-
ihre Angelegenheiten selber zu klären.
Also so einen radikaldemokratischer oder
-
direktdemokratischer Politikbegriff. Ich
verwende hier aber einen anderen
-
Politikbegriff, in dem es eben nicht darum
geht, mehr oder echte oder eigentliche
-
oder endlich mal wieder Politik zu machen,
sondern die in Frage zu stellen und da zu
-
anderen Schlussfolgerungen zu kommen. Also
es ist ein bestimmter Politikbegriff und
-
d. h. nicht, dass der jetzt an sich
richtiger ist als andere, sondern dass er
-
einfach die Debatte von einer bestimmten
Seite aufrollt. Und da würde ich ganz klar
-
sagen: Ja, Politik ist die Verhandlung von
verschiedenen Themen, von verschiedenen
-
Interessen, aber die Beteiligten, die
Akteur:Innen haben dazu ganz dabei ganz
-
unterschiedliche politische
Machtressourcen. Also keine
-
gleichberechtigte Verhandlung an einem
Tisch, sondern immer auch einen
-
ausstechen, immer auch eine Konkurrenz,
die damit verbunden wird. Und die
-
Entscheidungen, die dann politisch
getroffen werden, die können auch Konsens
-
und Kompromisse beinhalten, aber kommen
eben nicht auf eine gleichberechtigte
-
Weise zustande. Sie sind eben
durchgesetzte Hierarchien und Zwang werden
-
sie durchgesetzt und anderen teilweise
aufgedrückt, die möglicherweise auch
-
überhaupt gar nicht an den
Aushandlungsprozessen beteiligt sind. Also
-
wir könnten deswegen sagen: Politik dient
auch dazu, die Rahmenbedingungen einer
-
antagonistisch geteilten Gesellschaft
aufrechtzuerhalten. D. h., dass wir eine
-
Gesellschaft der Ungleichheit leben, der
Klassengesellschaft, des Patriarchats und
-
auch z. B. der staatlichen Logik. Und
Politik erhält es aufrecht, macht dann
-
auch Kompromisse, auch teilweise
ausgeschlossenen oder weniger
-
privilegierten Leuten gegenüber. Aber wenn
wir etwas ganz anderes wollen, eine
-
andere, libertär sozialistische
Gesellschaft, geht es dadrum, auch den
-
Modus in Frage zu stellen, was Politik
eben beinhaltet. Das Interessante am
-
Anarchismus ist, dass diese Frage erst
aufgemacht wird. Was ist denn dann aber
-
eine Form, wie sich Menschen organisieren
können in anderen Zusammenhängen. Also
-
ihre Angelegenheiten miteinander klären?
Und da gibt es z. B. das Konzept der
-
Föderation, dezentraler autonomer
Kommunen, wo sich Menschen
-
zusammenschließen und auch ihre
Angelegenheiten klären, aber eben auf eine
-
andere Weise, als es heute politisch ist.
Die Frage "wann wird es dann wieder einen
-
Herrschaftsverhältnis und wie genau
geschieht das?" ist sehr wichtig. Und da
-
gilt es auch, weitere Erfahrungen zu
sammeln und die auszuarbeiten. Interessant
-
an der Stelle ist aber eben vor allem,
dass sie erst aufgemacht wird durch eine
-
Kritik dessen, was herkömmliche Politik
beinhaltet. Politik wird vom Staat
-
vereinnahmt und auch diesem zugeordnet.
Darüber habe ich schon gesprochen. Wir
-
haben es also mit einem politischen
Herrschaftsverhältnis zu tun. Das
-
abzubauen und aufzuheben bedeutet, die
Bedingungen der Gesellschaft, in der wir
-
leben, sehr grundsätzlich zu verändern.
Wenn wir nochmal weitergehen und sagen:
-
Das ist eben Staatlichkeit, nicht nur als
die Institution Staat, sondern als
-
hierarchisierendes, zentralisierendes,
autoritäres Prinzip, dann geht das mit der
-
Politik auch dadrum, dass dieses
staatliche Prinzip in andere
-
gesellschaftliche Bereiche übersetzt wird,
verallgemeinert wird. Entgegen eben
-
Ansätzen der Selbstorganisation und
Selbstverwaltung von Menschen oder auch
-
der Selbstbestimmung. Also ich verwende
hier einen ganz bestimmten Politikbegriff,
-
den kann man eng governemental nennen.
Also d. h. auf das Regieren bezogen, der
-
ist negativ-normativ. Das bedeutet, es
wird in Frage gestellt, ob Politik
-
tatsächlich die gute Ordnung stiftet oder
ob wir die gute Ordnung nicht ganz anders
-
schaffen können. Er ist
konfliktorientiert, da geht es um Kämpfe,
-
er ist historisierend, also Politik ist
eben nicht immer das Gleiche, sondern als
-
Ausdruck in einer bestimmten Form von
Gesellschaft müssen wir mitdenken, wie
-
entwickelt sich das weiter? Und er ist
ultra-realistisch habe ich das genannt.
-
Also er geht davon aus, dass es um
Machtkämpfe gibt, dass wir diese
-
Machtkämpfe anerkennen müssen, dass es
eben ein Teil des Wesens von Politik ist.
-
Aber dadurch, dass dieser Realismus, der
da drinsteckt, dieser Konkurrenzkampf und
-
dieses Ausstechen ganz ernst genommen und
auch überspitzt wird, ist er eben ultra-
-
realistisch. Und wer, wie gesagt, einen
anderen Politikbegriff verwendet, das ist
-
auch völlig in Ordnung, aber eben dieser
bestimmte Politikbegriff dient dazu, eine
-
andere Perspektive auf das Politikmachen
zu gewinnen, mit diesen Sachen, die ich
-
bis jetzt schon gesagt habe. Es gibt also
diese Kritik und diese Ablehnung von
-
Politik. Ich habe gesagt so Antipolitik
ist so der Arbeitsbegriff, um zu
-
symbolisieren, dass es so eine Suche nach
etwas anderem gibt in eben eine
-
Gesellschaft, die durch politische
Herrschaft strukturiert ist, was so ein
-
bisschen kompliziert ist. Wie kommen wir
da raus? Was sind so anti-politische
-
Bezugspunkte? Also wo kann es hingehen?
Und auch das habe ich eben aus
-
anarchistischen Quellentexten
rekonstruiert, ihr seht es hier ein
-
bisschen auf diesem Schema. Wenn wir sagen
ok, da gibt es so diese verstaatlichte
-
Politik in der Mitte, geht es eben davon
weg. Es gibt andere gesellschaftliche
-
Sphären und Bereiche, andere
Möglichkeiten, Formen, wie wir handeln
-
können. Es sind z. B. eben die Utopie, die
Ethik und die Kultur, dazu habe ich vorhin
-
ja schon was gesagt. Es sind im
Anarchismus aber eben auch die Sphären des
-
Individuums, des Sozialen, der
Gesellschaft, der Ökonomie und der
-
Gemeinschaft. Also alles Versuche,
wegzustreben von dem Politischen. Die
-
Selbstbestimmung z. B. der Individuen wird
dem entgegengesetzt, wie Einzelne in der
-
Politik eben sich einordnen sollen. Und
das Soziale? Da geht es um eine
-
Selbstorganisation, z. B. der
Nachbarschaft, die was Anderes sein soll
-
als die politische Verwaltung. Ähnlich
auch, wenn wir von der Gesellschaft
-
ausgehen, die natürlich ein bisschen
verkürzt nur dem Staat gegenübergesetzt
-
wird. Es ist tatsächlich deutlich
komplizierter, aber im Anarchismus
-
trotzdem eben so die Vorstellung, es gibt
eine, kann eine gesellschaftliche
-
Selbstorganisation geben, die über den
Staat hinausgeht. Die Ökonomie wird eben
-
der Politik entgegengesetzt, in dem gesagt
wird: Ok, Ökonomie, strukturiert eben vor
-
allem Herrschaft auch. Und wir müssen dort
ran, um wirkliche Unterschiede machen zu
-
können. Einerseits eben durch parallele
sozialistische Formen, Kollektivbetriebe
-
usw., andererseits eben durch ökonomische
Kämpfe, die da geführt werden. Und die
-
Gemeinschaft, das sind eben ganz viel
Kommuneprojekte, Alternativprojekte, die
-
eben auch versuchen, was Anderes zu
realisieren. Da könnten wir jetzt sagen
-
ok, Anarchisten versuchen da offenbar
etwas anderes, es strebt zumindest raus
-
aus dieser politischen Logik, so wie ich
sie vorhin definiert habe. Wozu kommt dann
-
aber Politik eigentlich wieder rein? Denn
das ist ja offensichtlich auch der Fall,
-
dass Anarchist:Innen bisweilen Politik
machen. Warum ist das der Fall? Und da
-
geht es eben vor allem dadrum, dass
versucht wird zu verhindern, dass sich
-
diese verschiedenen Praktiken, die da
entwickelt werden, zu Selbstzwecken
-
entwickeln. Also z. B. die
Selbstbestimmung im Individualismus. Die
-
kann zu einem Problem werden, wenn es
dadrum geht, dass Einzelne nur noch um
-
sich selber kreisen. Oder auch im
Sozialen, z. B. so ein KüfA-Projekt, das
-
kann schon zu einer Kompensation von Armut
werden oder man kocht dann halt nur für
-
die Szene oder so die politische, da haben
wir es wieder, die anti-politische Szene,
-
die zusammenkommt. Auch jetzt Gesellschaft
an sich ist jetzt nicht sozusagen nur frei
-
von Politik. Wir können das nicht einfach
so raushalten. Und in dem Ökonomischen,
-
auch da gibt es eben das Problem zu sagen:
wir wollen nichts mit der Politik zu tun
-
haben, führt ganz schnell zu so einer
Leerstelle. Einerseits ist ja bei den
-
Leuten, die sich da organisieren,
Proletarier:Innen z. B. bei einer
-
autonomen Gewerkschaft, auch da gibt es
Widersprüche. Auch da gibt es
-
unterschiedliche Ansichten, die irgendwie
verhandelt werden müssen. Und weiterhin
-
kann die reine Konzentration auf
Gewerkschaftsarbeit und Arbeitskämpfe auch
-
dazu führen, dass die trotzdem wieder
durch politische Parteien vereinnahmt und
-
dominiert werden, weil eben abgelehnt
wird, sich damit zu beschäftigen. Und
-
schließlich im Hinblick auf die
Gemeinschaft gibt es ganz viele
-
Kommuneprojekte, die vielleicht so
gestartet sind, dass die Leute da was ganz
-
Anderes schaffen wollten, die dann aber
trotzdem nur so ein schöner und irgendwie
-
alternativer Wohnen wurden, ohne dass noch
der Anspruch da drin lag, die Gesellschaft
-
grundsätzlich zu verändern. Ähnlich wie
bei der Alternativkultur, die eben auch
-
was ganz Anderes schaffen wollte, aber
dann eben nur Subkultur bleibt und nicht
-
Gesellschaftsform, in der wir leben,
grundsätzlicher in Frage stellt. Also geht
-
es eben dadrum, die politische Logik
selber, sozusagen, zu hinterfragen und
-
trotzdem Politik wieder rein zu führen.
Sie kommt durch die Hintertür wieder rein,
-
so habe ich das formuliert und genau das
führt zu dieser komischen, irritierenden
-
Gleichzeitigkeit der Bezugnahme auf
Politik, auch das Praktizieren bisweilen
-
von radikaler Politik bei ihrer
gleichzeitigen Ablehnung und der Kritik an
-
Politik, wie wir sie haben. Also sprich,
es geht hier nicht dadrum, dann zu sagen,
-
dass wir einfach irgendwie eine andere
Politik machen können, sondern die Politik
-
bleibt ein Problem und trotzdem kann im
Anarchismus die Antwort sein, dass wir ab
-
und zu uns auf dieses politische Game
einlassen müssen, wenn wir das aus
-
bestimmten Gründen für sinnvoll halten.
Und mit diesen Überlegungen werden wir da
-
aber trotzdem ganz anders rangehen. Und
diese ganze, doch sehr theoretische
-
Erklärung, wie ich sie jetzt geliefert
hat, soll vor allem versinnbildlichen,
-
dass das Sinn ergibt, dass es diesen
scheinbaren Widerspruch im anarchistischen
-
Politikverständnis gibt. Denn bei näherer
Betrachtung stellt sich heraus, dass es
-
hier tatsächlich um eine Paradoxie geht.
Und das ist nicht ein zu kurz denken im
-
Anarchismus selber, sondern es ist
tatsächlich der Versuch, auf die
-
Widersprüchlichkeit der Gesellschaft, in
der wir leben, eine Antwort zu finden. In
-
dem Sinne, dass wir anerkennen: Ja,
Politik ist ein Herrschaftsverhältnis,
-
aber manchmal müssen wir auch Politik
machen. Und gerade deswegen tun wir das
-
aber anders. Die Paradoxie im
anarchistischen Politikverständnis ist
-
also der Versuch, sich in Widersprüchen zu
bewegen und sie nicht einfach nur
-
wiederzugeben, sie nicht einfach zu
reproduzieren, sondern tatsächlich mit dem
-
Anliegen, Gesellschaftsform zu
transformieren, in der wir sind, also auch
-
die Bedingungen zu verändern, unter denen
Politik praktiziert wird. Das ergibt Sinn
-
und ich glaube, das erklärt z. B. diese
Erzählung, die ich euch am Anfang gebracht
-
habe, ein bisschen besser. Wir verstehen
besser, warum es diese Widersprüche oder
-
diese Gleichzeitigkeiten ganz oft gibt,
auch nicht nur in historischen
-
Quellentexten oder Erfahrungen, sondern in
emanzipatorischen, sozialen Bewegungen,
-
die immer wieder für solche Fragen
gestellt werden. Wie gehen wir tatsächlich
-
mit der Politik um? Auf wen beziehen wir
uns? Und wie können wir etwas anders
-
realisieren? Im Anarchismus geht es
dadrum, nach Autonomie zu streben. Das
-
bedeutet eine gleichzeitige Bewegung raus
aus den Herrschaftsverhältnissen, also
-
auch raus aus der politischen
Herrschaftslogik und die Verwirklichung
-
etwas anderen, was an die Stelle dessen
treten soll. Das bedeutet, dieses Streben
-
nach Autonomie, was natürlich immer ein
Prozess ist, der nie absolut abgeschlossen
-
sein kann. Und da gibt es im Anarchismus
selber ganz unterschiedliche Strategien,
-
die docken so ein bisschen an, an diese
verschiedenen anti-politischen
-
Bezugsquelle, an die politischen
Bezugsgruppe, Punkten, die ich genannt
-
habe, also z. B. im Individualismus,
Mutualismus, im anarchistischen
-
Kommunismus oder Anarcho-Syndikalismus
oder eben im kommunitären Anarchismus,
-
sind es verschiedene Versuche, nach
Autonomie zu streben, die sich natürlich
-
auch wieder vermischen. Und das scheint
auch der gemeinsame Nenner zu sein, in
-
diesen sehr pluralen Anarchismus, diesen
verschiedenen Strömungen, mit denen wir zu
-
tun haben. Selbstorganisation und
Selbstbestimmung sind als
-
Organisationsprinzipien mit Autonomie auch
verknüpft und das sehen wir hier nochmal
-
in dem Schema. Ich denke, das erklärt
sozusagen, was über das Wesen des
-
Anarchismus oder über seine
charakteristischen Merkmale. Ja, jetzt
-
sind wir hier. Schön, dass ihr mir so weit
gefolgt seid. Zum Abschluss werde ich
-
einfach noch mal das, was ich erzählt
habe, so ein bisschen thesenhaft
-
zusammenfassen, also das, was ich auch
herausgearbeitet habe, denn viele Sachen,
-
von denen die ich erzählt habe, sind auch
Teil meines Promotionsprojektes.
-
Thesenhaft, ihr könnt es einfach
verfolgen. Worum ging es jetzt hier? 1.
-
Die Kritik an und Ablehnung von
sozialistischer Politik ist ein
-
wesentlicher Ausgangspunkt für die
Entstehung des Anarchismus. Und das sowohl
-
historisch als auch heute wieder. 2.
Politik wird diesem Verständnis nach immer
-
dem Staat zugeordnet oder von diesem
aufgesogen und eingehegt. Dazu mag es auch
-
unterschiedliche Ansichten geben, wie wir
damit umgehen, aber wer das ignoriert,
-
täuscht sich über das Wesen von Politik,
auch Politik in einem weiteren Sinne über
-
den Staat hinaus. 3. Neben der politischen
Sphäre gibt es auch andere
-
gesellschaftlichen Sphären, in denen
emanzipatorisch gehandelt und Alternativen
-
hervorgebracht werden können. Im
Anarchismus werden das Individuum, das
-
Soziale, die Gesellschaft, die Ökonomie
und die Gemeinschaft als Gegenpole zur
-
Politik, als Bezugspunkte für Anti-Politik
aufgemacht. 4. Paradoxerweise kommt es im
-
Anarchismus aber trotzdem wieder zu
Politik, kommt Politik quasi durch die
-
Hintertür wieder rein. Politik dient dazu,
die alternativen Praktiken in
-
verschiedenen Bereichen auf das gemeinsam
entwickelte Ziel der libertär-
-
sozialistischen Gesellschaft hin
auszurichten. D. h., sie hat die Funktion,
-
dass alternative Praktiken sozial-
revolutionäre sind, oder bleiben, oder
-
werden, anstatt dass sie zum Selbstzwecken
werden oder eben für herkömmliche Politik
-
aufgegeben werden. Und schließlich 5. Eine
prinzipielle Kritik an Politik lohnt sich
-
und ist auch wichtig, um überhaupt
radikale Positionen zu entwickeln.
-
Radikale Praktiken hervorzubringen, mit
denen nach Autonomie gestrebt werden kann,
-
um mit bestimmten Illusionen zu brechen,
ist es sinnvoll, auch so einen engen,
-
gouvernementalen, konfliktorientierten und
ultra-realistischen Politikbegriff zu
-
verwenden, der theoretisch dazu dient, das
eben zu unterfüttern, wasich jetzt gesagt
-
habe, um uns eine andere Perspektive auf
gesellschaftliche
-
Veränderungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Das bedeutet nicht, dass das, was ich euch
-
jetzt erzählt habe, an sich richtig oder
die Wahrheit ist. Man kann Verschiedenes
-
unter Politik verstehen. Was ich versucht
habe, ist eine bestimmte Perspektive auf
-
das Ganze zu entwickeln. Und ich hoffe,
dass ich euch das so rüberbringen konnte,
-
dass ihr dem soweit folgen könnt. Im
Endeffekt macht ihr euch eure eigenen
-
Gedanken. Wie handelt ihr in der
Gesellschaft, in der ihr seid? Was habt
-
ihr da für Vorstellungen? Vielleicht fangt
ihr einfach tatsächlich mal so an und
-
überlegt: Ja, was ist denn Politik für
euch? Macht euch ein Mindmap oder so,
-
schreibt ein paar Assoziationen auf und
fragt euch dann aber: Ok, woher kommen
-
denn meine Vorstellungen? Ist das wirklich
mein Begriff von Politik? Was ist meine
-
Vorstellung davon? Inwiefern beißt der
sich vielleicht mit der Politik des
-
Staates oder auch von Parteien oder auch
von politischen Gruppen? Was ist eben
-
etwas, was da wirklich anders ist? Und ich
würde argumentieren: Ja, lasst uns eben
-
sagen, Politik ist weiterhin ein Problem,
aber sie ist trotzdem so notwendig wie
-
jetzt irgendwie Haushalt, wie der Abwasch
oder so, niemand macht sie unbedingt
-
gerne, aber sie muss halt gemacht werden.
Und sie an Andere abzuschieben ist eben
-
auch nicht die Lösung. Bloß gleichzeitig
kritisch damit umzugehen, darum geht es im
-
Anarchismus, um was Anderes
hervorzubringen und dabei werden wir aber
-
ganz viel entdecken, bei dieser Anti-
Politik, wenn wir uns fragen: Ok, was ist
-
denn da, andere Möglichkeiten, entstehen
eben andere Praktiken. Und das ist der
-
Versuch, auch letztendlich zu erklären,
wie Anarchismus funktioniert. Eine
-
interessante Strömung, die eben wenig
theoretisch besprochen wird. Und dazu
-
wollte ich hier so einen kleinen Beitrag
leisten und einen kleinen Auszug aus eben
-
meiner Arbeit darstellen. Das ist übrigens
ein gutes Stichwort. Ihr könnt mit mir
-
auch in Kontakt kommen, also ich habe
einen Blog, der heißt paradox-a.de da
-
könnt ihr mich anfragen für
Veranstaltungsanfragen, ihr könnt aber
-
auch, wenn ihr ein bisschen Kohle übrig
habt, mit mir Kontakt aufnehmen und mir
-
Geld geben, weil ich diese Doktorarbeit
tatsächlich auch veröffentlichen würde.
-
Dafür brauche ich noch ein bisschen Geld.
Das kann ich nicht so direkt machen,
-
schreibt mir gerne eine E-Mail und dann,
wenn ihr das unterstützen wollt, könnt ihr
-
das gerne machen. Würde ich mich freuen.
Ich danke auch noch mal der Chaoszone in
-
Halle, dass wir das hier realisieren
konnten und auch Miri und Chris, die hier
-
den ganzen Drumrum und Filmkram gemacht
haben. War cool, hat auch Spaß gemacht und
-
ansonsten, ja, würde ich sagen: Bis
demnächst. Macht euch eure Gedanken.
-
Herald: Herzlich willkommen zurück aus
diesem wunderschönen Vortrag aus der
-
Seenlandschaft. Jetzt zurück ins Studio in
Halle im Eigenbaukombinat. Wir haben
-
einige Fragen an den bei uns sich im
Studio befindlichen Vortragenden. Deswegen
-
gleich die 1. Frage. Zum 1. Punkt mit den
Gefängnissen. Es gibt einen Protest
-
dagegen, aber gibt es auch Vorschläge, wie
man stattdessen die Menschheit, die
-
Menschen, von der Gesellschaft
ausschließt? Also nochmal die Frage: zum
-
1. Punkt mit den Gefängnissen. Es gibt
einen Protest dagegen, aber gibt es auch
-
Vorschläge, wie man stattdessen die
Menschen von der Gesellschaft ausschließt?
-
Jonathan: Ja, das ist natürlich eine sehr
gute Frage. Also das habe ich jetzt
-
erstmal als Beispiel genommen, um ja
dieses Thema des paradoxen Politikbegriff
-
im Anarchismus quasi zu behandeln.
Insofern bin ich jetzt nicht unbedingt
-
Experte, was das angeht. Aber ja, ich
glaube, da gibt es schon verschiedene
-
Modelle. Also Norwegen und Schweden haben
da relativ progressive Überlegungen. Da
-
gibt es z. B. dann Gefängnisinseln, wo die
Leute aber jetzt nicht die ganze Zeit
-
weggesperrt sind, sondern haltversuchen
dann selbstverwaltet dort zu sein. Und das
-
betrifft dann aber eben nicht alle. Das
betrifft dann nicht so ganz geringe
-
Lapalienstraftaten wie Schwarzfahren oder
so, wo schon zurecht gefragt, werden kann,
-
warum deswegen wirklich Leute ins
Gefängnis gehen. Also diese Frage ist
-
natürlich dann auch im Hintergrund zu
stellen. Aber klar, es macht sich
-
natürlich fest, an diesen krassen
Gewalttaten oder sowas in der Art, die
-
nicht einfach verschwinden werden oder
oder sowas in der Art. Und ich glaube, das
-
wäre zum Beispiel ein Modell. Allerdings
muss ich zugeben, dass es halt ganz viele
-
andere Möglichkeiten glaube ich gibt und
diese Frage schon erst mal gestellt werden
-
sollte: Ok, woher entsteht denn überhaupt
Gewaltkriminalität? Das was wir als
-
Kriminalität bezeichnen usw. Und im worst
case, das ist zumindest meine persönliche
-
Weise, wäre es so eine Art Verbannung
vielleicht irgendwie vorstellbar. Das ist
-
allerdings wie immer auch unter
Anarchist:Innen selber sehr umstritten.
-
H: Vielen Dank! Eine weitere Frage hätten
wir: Wo siehst du den Unterschied zwischen
-
Anarchismus und Liberalismus?
J: Ja, also ich meine klar, das kann man
-
natürlich wie immer verschieden angehen,
also so heute politisch, in den
-
verschiedenen politischen Lagern oder so.
Da steht der Liberalismus, wo anders als
-
der Anarchismus, der eben viel stärker
noch auf die Selbstorganisation setzt.
-
Wenn man es jetzt dann politisch
theoretisch betrachtet, dann ist es dann
-
immer wieder doch die Frage des Staates.
Also Staat würde ich auch in einem
-
weiteren Sinne betrachten. Nicht nur die
Institution Staat, sondern das, was ich
-
ein bisschen im Vortrag auch versucht
habe, darzustellen, als ein
-
hierarchisches, autoritäres
zentralisierendes Verhältnis. Da sagen die
-
Liberalen natürlich, im Endeffekt braucht
es diese Zentrale Steuerungsinstanz, die
-
halt die Gesellschaft reguliert, die auch
sowas wie Staatlichkeit ist mit dem Zwang
-
und der Gewalt. Aber es gibt auf der
anderen Seite trotzdem ideengeschichtlich
-
auch immer wieder diese Schnittpunkte,
also der Anarchismus ist auch beeinflusst
-
von liberalen Gedanken und auch von
sozialistischen. Insofern würde ich da gar
-
nicht die klare Trennung ziehen. Es wäre
sicherlich die in Bezug auf des Staates
-
und auch ich denke das Verständnis des
Individuums, was im Anarchismus schon
-
stärker, eben immer in Verbundenheit mit
anderen Menschen gedacht wird, während im
-
Liberalismus doch stärker das Bild
vorherrscht, eben von abgeschlossenen
-
Einzelnen. Das wären jetzt Beispiele und
sicherlich in wirtschaftspolitischer
-
Hinsicht, das im Liberalismus ja auch
Konkurrenz als was Gutes betrachtet wird,
-
während es im Anarchismus wahrscheinlich
eher eine Art Verfallserscheinungen ist,
-
die Kooperation insgesamt als überlegen
angesehen wird. Das ist jetzt sehr
-
holzschnittartig, aber um schnell darauf
zu antworten, ja.
-
H: Sehr vielen Dank. Und noch ein Punkt
aufzugreifen und deiner Antwort: Siehst du
-
nicht die Gefahr, z. B. Forderungen an den
Staat zu stellen, als eine Legitimierung
-
dessen? Müssen nicht Forderungen z. B. an
direkt Betroffene, aber sich passiv
-
verhaltene, gestellt werden?
J: Ja, das ist natürlich, also finde ich,
-
erstmal eine sehr gute Frage, die wir
weiter diskutieren können. Also ich würde
-
nochmal einen Schritt zurückgehen und ich
sehe das eben oft dann so, dass aus sowas,
-
einer Radikalen oder so Linken oder auch
Selbstorganisierten werden ja ganz oft
-
Forderungen gestellt, aber oft ist gar
nicht klar, wer sind denn die Leute, die
-
fordern und wenn jetzt nicht staatliche
Institutionen direkt handeln sollen, wer
-
sind dann die Leute, die handeln. Also da
gibt es ganz viele Unklarheiten. Ein
-
Gegenmodell zur Forderung ist natürlich,
die Dinge in die eigenen Hände zu nehmen
-
und Leute aufzufordern, ja aktiv zu
werden, was anders zu verwirklichen. Und
-
ich glaube, das ist dann der Weg, der
jetzt auch in der Frage eher vorgeschlagen
-
wird. Also eher der Appell an Menschen,
direkt etwas zu verändern. Da sind aber
-
eben alle Leute, die eben Alternativen
vorschlagen, gefragt, da auch was den
-
Leuten an die Hand zu geben und nicht
einfach nur zu sagen: Ja, bitte macht doch
-
mal Irgendwas anders. Sondern da braucht
es natürlich schon irgendwie auch
-
anschauliche Modelle, die Menschen
überzeugen und das ist sicherlich immer so
-
eine Gratwanderung zwischen Dinge
vorschlagen, aber Dinge eben nicht zu sehr
-
als einen fixen Plan vorauszusetzen, weil
im Anarchismus geht es natürlich schon
-
dadrum, dass Menschen auch ihre eigenen
Wege finden.
-
H: Ich hätte noch eine kontroverse Frage
aus dem Internet, vielleicht kannst du uns
-
die auch ein bisschen einordnen. Warum
sind eigentlich nichtstaatliche Attentate
-
auf Despoten aus der Mode gekommen? Sind
die Menschen in Diktaturen zu bequem
-
geworden? Was denkst du?
J: Tja, also danke für die Frage. Es ist
-
natürlich so: Wenn ich jetzt zum
Anarchismus spreche, dann muss ich ja
-
solche Fragen immer wieder auch mal
beantworten. Aber im Vortrag, würde ich
-
behaupten, ging es ein bisschen um etwas
anderes. Also das jetzt mal nebenbei, da
-
muss ich jetzt sozusagen nichts
rechtfertigen, aber ich kann trotzdem auf
-
die Frage eingehen. Also ich meine, das
hat natürlich was damit zu tun, dass
-
historisch es eine Phase gab, wo
Anarchist:Innen halt, oder Leute, die so
-
bezeichnet wurden, Attentate auf
Staatsoberhäupter gemacht haben. Das war
-
Ende des 19., Anfang des 20. Jhd. auch je
nachdem, wie man es betrachtet,
-
erfolgreich. Und das Ganze, was wir heute
als Überwachungs- und Sicherheitsstaat
-
betrachten, dadurch ja auch sehr stark
ausgebaut wurde. Also sicherlich
-
Überwachung, Kontrolle und solche Sachen
sind heute äußerst weit fortgeschritten
-
usw. Insofern ist das sicherlich nicht das
Mittel der Wahl, aber man kann dadrüber
-
hinaus natürlich auch diskutieren, ob das
so sinnvoll ist. Einerseits ist es eine
-
sehr verkürzte Herrschaftskritik, wenn man
die an Personen festmacht. Das trifft
-
vielleicht nicht tatsächlich das Wesen der
Herrschaft, insbesondere auch nicht eben
-
einer sehr komplexen Form von Herrschaft,
wie wir sie heute haben. Und insofern
-
würde ich sagen, dass das jetzt
wahrscheinlich nicht das Mittel ist, zu
-
dem ich jetzt greifen würde. Also hat aber
auch strategische und es hat natürlich
-
auch ethische Gründe, weswegen ich jetzt
nicht unbedingt einzelne Leute dafür
-
verantwortlich machen würde. Aber im
Anarchismus wird natürlich ein bisschen
-
stärker, als jetzt in anderen linken oder
sozialistischen Theorien, schon auch die
-
Frage der Verantwortung mit aufgeworfen.
Also welche privilegierten Klassen
-
profitieren tatsächlich von der
Herrschaftsordnung, in der sie ist und das
-
eben auch zu problematisieren, finde ich
völlig gerechtfertigt. Das ist aber eine
-
andere Frage als die jetzt mit sowas wie
Attentaten. Naja, ich hoffe ich konnte das
-
halbwegs beantworten. Ansonsten müssen wir
noch mal länger chatten, glaube ich.
-
lacht
H: Vielen, vielen Dank. Vielleicht, und
-
mit der Bitte um eine kurze Antwort.
Welche konkreten Handlungsempfehlungen
-
gibst du politisch Interessierten, aber im
aktuellen Politikkontext inaktiven
-
Personen? Also was sollte man jetzt quasi
machen, wenn man sich politisch engagieren
-
möchte, ohne quasi, also was sollte man
machen, wenn man sich politisch engagieren
-
möchte, aber es noch nicht tut, im
aktuellen Kontext?
-
J: Aber es noch nicht tut, aber schon
dabei ist
-
H: Oder sich dafür interessiert, also die
Welt zu gestalten?
-
J: Ja, also wie immer, das habe ich, so
gehe ich ran und ich denke, das habe ich
-
ja auch so rübergebracht, denke ich, es
gibt sehr viele verschiedene
-
Möglichkeiten, aber es gibt ja die
emanzipatorischen sozialen Bewegungen
-
heute, vor allem eben der Feminismus, die
Klimagerechtigkeitsbewegung, aber auch
-
andere Formen von sozialen Kämpfen. Also
diese Bewegungen, die gibt es ja an vielen
-
Orten. Und was anderes haben wir nicht.
Also ich glaube, das sind schon die
-
richtigen Leute mit den richtigen Ideen in
Anführungsstrichen. Ich sehe das auch gar
-
nicht so negativ. Also ich persönlich, und
da gibt es andere Anarchist:Innen, die
-
sehen das wieder anders, setze halt schon
auf die Macht von emanzipatorischen
-
sozialen Bewegungen, als ein Gegenmodell,
auch eine andere Gesellschaft von unten
-
aufzubauen. Und dort finden die Dinge
statt. Also würde ich schon sagen: Guckt,
-
worauf wir einen Bock habt, auf welche
Form von Themen. Versucht euch dann
-
dauerhaft verbindlich in Gruppen
zusammenzuschließen, versucht diese
-
verschiedenen Themen zusammenzuführen, die
es gibt, an denen ihr an Veränderung
-
arbeiten wollt. Und natürlich schlagen
Anarchist:Innen vor, im Gegensatz zu
-
anderen Leuten, dass eben so eine soziale
Bewegung autonom von Parteien und von
-
parlamentarischen und anderen staatlich
politischen Institutionen sein soll. Also
-
das es die Möglichkeit gibt, zu solcher
selbstorganisierter Bewegung, und das ist
-
tatsächlich auch eine Stärke ist, eine
eigene Form von Organisation und gerade im
-
deutschsprachigen Raum können wir uns da
noch ein bisschen eine Scheibe auch von
-
anderen Ländern abschneiden, dass es eben
da eigene selbstorganisierte, autonome
-
Formen gibt. Und ich persönlich setze da
drauf und würde sagen: Ja, da ist eben
-
auch eine Stärke. Das gibt eben auch
strategisch Sinn, so zu denken und sich
-
nicht immer gleich z. B. auf den Staat zu
orientieren oder zu sagen: Solche Sachen
-
sind nur erfolgreich, wenn z. B. die in
Gesetzgebung oder sowas in der Art münden.
-
Sondern wir können eben Alternativen heute
von uns aus parallel schaffen. Natürlich
-
mit vielen Leuten gemeinsam. In aller
Kürze.
-
H: Alles klar, vielen Dank. Könntest du
nochmal die Adresse deines Blogs sagen
-
bitte?
J: Ja klar, genau. Also ich schreibe so
-
meine anderen Weisheiten auf paradox-a.de
Wenn ihr Lust habt, könnt ihr da
-
vorbeischauen oder mich auch gerne
kontaktieren. Jetzt genau war es nur wenig
-
Zeit zum Antworten, aber ich freue mich
sehr, dass ich hier sein konnte.
-
Dankeschön dafür ja.
H: Ansonsten sind alle dazu eingeladen, im
-
Rocket.Chat oder auf dem Hashtag
Rc3ChaosZone auf Mastodon und Twitter
-
mitzudiskutieren. Ich denke, da werden wir
die weiteren Sachen dann vermitteln. Dein
-
letztes Wort?
J: Genau. Und heute Abend ist noch ein
-
anderer Talk von mir, eher auch eine
lockere Erzählung, bei der Stage aboute
-
Future um 18 Uhr. Also wenn es euch
interessiert hat, schaut da einfach gerne
-
noch mal rein oder eben später, wenn es
hochgeladen ist. Würde mich freuen.
-
H: Dann vielen Dank! Grüße aus Halle und
wir geben ab nach Potsdam. Nach einer
-
kurzen Pause.
-
RC3 Musik
-
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2022. Mach mit und hilf uns!