RC3 Nowhere Vorspannmusik
Herald: Willkommen! Guten Morgen in der
Chaoszone TV an Tag 3. Wir freuen uns
sehr, dass heute auch mit live im Studio
ist, Jonathan Elbisch mit seinem Talk
"Mit, gegen oder jenseits von Politik?
Eine Reflexion über die paradoxen
anarchistischen Politikbegriff." Die
politische Theorie des Anarchismus ist ein
Thema und auch dort macht er einige
Veranstaltungen. Im Anschluss habt ihr
live die Möglichkeit Fragen an ihn zu
stellen. Bitte nutzt dafür den Hashtag
rC3ChaosZone auf Mastodon, Twitter und im
Chat. This talk is going to be translated
in english, please use the selecting down
under video player accordingly. Have fun!
Jonathan: Hallo, schön, dass ihr da seid!
Mit, gegen, jenseits von Politik? Über das
paradoxe anarchistische
Politikverständnis. Darum geht es heute in
diesem Vortrag. Schön, dass ihr da seid.
Ich hoffe, ihr könnt dem etwas abgewinnen
und viel Spaß beim Reinhören. Danke erst
mal an die Chaoszone in Halle, die uns das
ermöglicht hat, die Stage jetzt hier auf
dem CCC, das Filmchen zu machen. Zu mir
gibt es glaube ich eigentlich nicht so
viel zu sagen. Also ich bin Jonathan und
führe euch jetzt durch diesen Vortrag.
Freue mich, wenn ihr zuhört und alles
weitere könnt ihr auf meinem Blog
paradox-a.de z. B. lesen oder wenn ihr
wollt mit mir in Kontakt kommen. Worum
geht es heute? Es geht um ein
irritierendes Moment, was ich hatte und
ich glaube auch verschiedene andere
Menschen, nämlich um eine
Gleichzeitigkeit, wenn man sich mit
anarchistischem Denken oder auch in
anarchistischer Szene bewegt zwischen
einerseits einer ganz vehementen Kritik
und Ablehnung von Politik und andererseits
einer Bezugnahme auf Politik oder eben
auch das Praktizieren von radikaler
Politik. Als ich das so beobachtet und
durchdacht habe, ist mir aufgefallen: Ok,
das ist schon irritierend. Wie kann es
sein, dass eben einerseits eben diese
Bezugnahme und das Praktizieren von
radikaler Politik im Anarchismus
offensichtlich geschieht und gleichzeitig
eben eine sehr grundlegende Ablehnung und
Kritik daran besteht? Dem werden wir jetzt
hier ein bisschen nachgehen. Ist
vielleicht so ein bisschen wie in diesem
Bild etwas verkürzt, wie ihr es hier seht,
ja Politik Scheiße, Anarchie gut. Ok, so
einfach ist es nicht. Aber ihr kennt es,
ihr habt vielleicht so eine Can in der
Hand, lauft irgendwo rum und die Wand ist
nicht so groß, da muss die Botschaft ein
bisschen kurz sein. Außerdem vielleicht
kommen da auch Leute, es ist ein bisschen
eine stressige Situation, da macht man die
Botschaft eher simpel. Das ist die Frage:
Ist es so einfach? Politik scheiße,
Anarchie gut? Vielleicht etwas zu leicht.
Aber auf der anderen Seite zeigt es
zumindest: Ok, im Anarchismus gibt es
offenbar so eine sehr grundlegende Kritik
an dem, was Politik ist. Und das wäre
jetzt so ein bisschen der Aufhänger für
das, was ich jetzt noch erzähle. Wie ist
es im Anarchismus? Was ist denn überhaupt
eigentlich das Politikverständnis? Was
verstehen Anarchist:Innen unter Politik?
Darum geht es jetzt im Folgenden. Und mit
dieser Irritation über die politische
Logik würde ich auch anfangen. Was gibt es
da für Momente heute, wo wir merken: Ok,
so einfach ist es nicht, irgendwie Politik
zu machen? Wenn man so eine anarchistische
Haltung hat, dann will ich euch mitnehmen
zu so ein paar Zitaten oder
Quellentextarbeiten über das Unbehagen mit
Politik im radikalen Sozialismus. Dann
noch mal stärker die Arbeit mit
Quellentexten, was halt meine eigentliche
Arbeit ist. Ich hoffe, ihr könnt dem was
abgewinnen. Um da drauf hin die Frage zu
klären: Was ist Politik im Anarchismus? Da
gibt es wie immer natürlich verschiedene
Meinungen dazu. Ich stelle euch jetzt
einfach eine Perspektive dar und ihr könnt
schauen, was ihr dem abgewinnen könnt und
auch gerne kritisch dadrüber diskutieren
natürlich. Und die Frage : Ok, wenn
Politik vielleicht gar nicht so der
Bringer ist, wie wir uns das manchmal
denken oder glauben, was gibt es denn dann
für Alternativen? Was ist so was wie Anti-
Politik? Also Anti-Politik wäre hier
einfach einen Arbeitsbegriff. Das hat
jetzt noch keinen bestimmten Inhalt. Das
ist einfach das, was dann Politik nicht
ist. Aber was ist das sonst sozusagen?
Welche Sphären außer Politik spielen dann
doch eine Rolle im anarchistischen Denken?
Und das werden wir uns dann nachher
anschauen. Gut soweit. Also wie gesagt,
ich hoffe ihr könnt mir so weit folgen und
los gehts. Und damit geht es los mit der
Irritation über politische Logik. Ich
hatte ja eben schon gesagt, es geht
natürlich im Anarchismus um eine Kritik an
staatlicher Politik, an Parlamentarismus,
auch an Parteien und anderen politischen
Gremien. Aber dadrüber hinaus geht die
Kritik noch weiter. Es geht um eine
politische Logik, die wir auch finden in
Graswurzelbewegung oder in sozialen
Bewegungen. Da stellen sich eigentlich die
interessanten Fragen. Wie gesagt, ich
beschäftige mich mit anarchistischer
Theorie. Das hat dann viel mit Texten und
Sachen durchdenken zu tun. Aber das alles
wäre ja nicht so interessant und vor allem
eben auch nicht so relevant, wenn es sich
nicht dabei um ganz konkrete Sachen
handeln würde, die mich selber auch
beschäftigen und irritieren, was ich sehe.
Deswegen habe ich euch jetzt 8 Beispiele
mitgebracht, wo so eine Irritation über
eine politische Logik halt in soziale
Bewegung selber entsteht und die glaube
ich auch ganz typische Beispiele sind,
damit ihr seht: Ok, das spielt schon eine
große Rolle tatsächlich für Leute, die in
emanzipatorischen, sozialen Bewegungen
unterwegs sind. 8 Beispiele und es geht
los mit dem Ersten. Da geht es um eine
sehr klassische anarchistische Demo gegen
Gefängnisse, nämlich die Demonstration in
Chemnitz gegen den Frauenknast, die in den
letzten Jahren immer wieder stattgefunden
hat, meistens Ende März. Da wird das Thema
eben des Feminismus mit dem Thema der
Knastkritik verbunden. Insofern erst mal
interessant, diese Schnittpunkte
herzustellen und wir finden auf den
Demonstrationen Ausdruck für Beides.
Einerseits eben diese utopische
Vorstellung für eine Gesellschaft ohne
Gefängnisse, dass es möglich ist, dass wir
in einer anderen Gesellschaft leben, die
keine Gefängnisse nötig hat. Und das ist
zugleich auch eine ethische Forderung,
denn Anarchist:Innen würden sagen:
Menschen einzusperren bessert sie auf
keinen Fall, sondern verstärkt vielleicht
auch einfach nur diesen Klassencharakter
z. B. den ein Gefängnis auch hat. Oder
warum entsteht überhaupt so was wie
Kriminalität usw? Warum werden Menschen
weggesperrt? Das hat ganz andere Gründe
sozusagen. Und sie halt oder sie halt dann
einzusperren ist nicht die Lösung. Es ist
eine ethische Kritik an diesem
Gefängnissystem. Beides übersteigt die
politische Logik, die aber genauso auch
eine Rolle spielt in dieser Demonstration,
die eben wie gesagt sehr anarchistisch,
sehr radikal auch geprägt ist. Nämlich die
Forderung nach Mindestlohn hinter Gittern,
also dass die Gefangenen, die dort
arbeiten, ganz selbstverständlich eben
auch einen entsprechenden Lohn erhalten
und dass sie dort eine
Versammlungsfreiheit haben. Denn das ist
ja der Ausgangspunkt, dass sie sich
organisieren können. Das gefällt natürlich
den Gefängniswärtern und Aufsehern nicht,
sind aber ganz pragmatische politische
Forderungen nach Reformen sozusagen.
Beides geht zusammen und das ist eine
gewisse Irritation, diese Gleichzeitigkeit
für eine Gesellschaft ohne Gefängnisse und
gleichzeitig die Bedingungen im Gefängnis
selber zu verbessern. Wie geht es
zusammen? Ganz ähnlich gelagert ist auch
das zweite Beispiel. Da gehts um die
Demonstration in Annaberg, die Pro Choice
Demo, die es da gibt. Die richtet sich
gegen den sogenannten Marsch für das Leben
von so christlichen Fundamentalist:Innen.
Das sind Abtreibungsgegner:Innen, sehr
hardcore. Auch in Stuttgart und Berlin
gibt es diese Demonstration oder Leute und
dementsprechend auch den radikal
feministischen Protest dagegen. Auch dort
sehen wir das Gleiche. Einerseits sehen
wir das in den Sprüchen wie z. B. Kein
Gott, kein Staat, kein Patriarchat. Dadrin
steckt schon die Vorstellung, dass der
Staat selber auch mit einer patriarchalen
Logik verknüpft ist. Also strukturell
sozusagen scheiße ist. Das es nicht dadrum
geht, sich auf patriarchalen Staat
einzulassen. Übrigens auch in den
feministischen Streikbewegung in
Lateinamerika, wo diese Verknüpfung sehr
stark hergestellt wird aktuell. Also
Politik hat eben in dem Sinne auch immer
diesen Geschmack patriarchal zu sein und
wird in Frage gestellt, wird ganz
grundsätzlich kritisiert. Auf der anderen
Seite ist einer der zentralen Forderungen
radikal feministischer Bewegungen die
Abschaffung des Verbots von
Schwangerschaftsabbrüchen. Das ist der
Paragraph 218 im Strafgesetzbuch, was
übrigens schon seit 150 Jahren
mittlerweile in Deutschland verboten ist,
Schwangerschaftsabbruch, und ein
ziemlicher Skandal, weil es ja doch ein
sehr großer Eingriff in das
Selbstbestimmungsrecht von vielen Menschen
darstellt. Die Abschaffung dieses
Paragraphs ist also eine ganz eminent
politische Forderung. Und auch das beißt
sich eben mit der grundsätzlichen Kritik,
dass die politische Logik selber auch in
patriarchal staatlichen Touch hat. Ok also
ich hoffe, ihr konntet soweit folgen, dass
man schon mal zwei, es geht aber noch
weiter. Ein sehr klassisches Beispiel
würde ich auch sagen, begegnet mir auch in
dieser Debatte über Aktionen zivilen
Ungehorsams oder Blockadeaktionen. Das ist
ja auch sehr populär geworden in den
letzten Jahren, zum Beispiel bei Ende
Gelände und ähnlichen Gruppierungen, die
eben zu Massenaktion aufrufen. Da sehen
wir halt zivilen Ungehorsam. Leute gehen
z. B. auf so eine Schiene und besetzen
die, weil da die Braunkohle lang gefahren
wird, mit dem Zug zum Kraftwerk. Und sie
blockieren diese Schiene, um eben sehr
direkt klar zu machen, wir wollen hier
einen Riegel vorschieben. Wir wollen diese
Braunkohleinfrastruktur blockieren, um
dann direkten Schaden auch bei dem
Unternehmen zu verursachen. Wobei das ist
die Frage, ob das so klar ist. Stellt euch
vor, die Blockade steht. Da sind
vielleicht so 100 200 Menschen und dann
rückt die Polizei näher. Es wird auch
abends usw. Polizei rückt näher, wie das
ja bei solchen Aktionen so ist. Und die
Leute auf der Schiene in der Blockade
überlegen sich dann: Ok, sollen wir die
Blockade räumen oder nicht? Denn z. B. war
die Presse schon da, es war insgesamt
vielleicht ein erfolgreicher Tag und die
einen würden sagen: Ja, ist doch gut, wir
können hier aufhören, wir haben unser Ziel
erreicht. Wir haben hier eine gute,
stabile Blockade gemacht und das ist, was
wir wollten. Wir haben auch einen guten
Pressebericht sozusagen, wir haben unser
Thema gesetzt. Aber gleichzeitig würden
andere Leute sagen: Hey, das ist mir doch
nicht genug. Ich bin doch nicht hier, um
irgendein Pressebericht zu machen, sondern
ich will hier eine direkte Aktion machen.
Ich möchte gerne, dass dieses Kraftwerk
jetzt an dieser Stelle blockiert wird, um
den Betreibern so viel Schaden wie möglich
zu verursachen, um hier direkt
einzugreifen und der Pressebericht, der
bringt mir da gar nichts. Hier geht es
nicht unbedingt dadrum, dass das letztere
unbedingt radikaler ist oder oder an sich
anarchistischer, sondern solche Debatten
kommen eben immer wieder vor. Und da sehen
wir, da beißen sich auch zwei Logiken. Der
zivile Ungehorsam, der ja eher einer
politischen Logik folgt und die direkte
Aktion, die eben was anderes ist und diese
politische Logik wieder in Frage stellt.
Wie die sich dann im Endeffekt
entscheiden, ob die diese Blockade dann
aufgeben oder nicht, das ist sowieso immer
Sache der Leute. Das ist wie gesagt keine
Wertung, sondern hängt immer vom Fall
drauf ab. Aber wir sehen, dass diese
beiden Logiken da sehr eng ineinander
verstrickt sind. Und das ist, denke ich,
ein Thema, was immer wieder vorkommt. Dann
begegnete mir das auch mal noch bei so
einem Aktionscamp vor auch schon einigen
Jahren, wo ich gemerkt habe, da gab es
auch so eine Debatte dadrum, was denn
eigentlich das Politische ist, so hätte
ich das zumindest interpretiert. Also
einerseits gab es da Leute, die ganz viel
in der Infrastruktur von dem Camp gemacht
haben, was da so dazugehört. Das Kochen,
die Zelte aufbauen, das Zeug aufzuräumen
usw., auch das Camp selber zu organisieren
und die das so als ihre Aufgabe betrachtet
haben und sozusagen auch diese Politik da
auch parallel was aufzubauen. Und dann
kamen so sehr aktionsorientierte, eben
eher sehr stark kommunistische Leute. Die
kamen dann halt nur so für ein, zwei Tage
mal vorbei, für die große Aktion, für den
Aktionstag und sind dann auch auf ihre
Aktion gegangen und da kam es zum Streit.
Ja also diese Alternativleute, die eher
die Infrastruktur gemacht haben, haben
sich halt aufgeregt, dass die
Aktionskommis halt garnichts zu dem Camp
beitragen, sondern bloß die Infrastruktur
nutzen. Die Kommis haben dann wieder
gesagt: Ja ok, aber ihr Hippies sozusagen,
baut hier euer Camp auf, aber darum geht
es ja jetzt auch nicht. Auch dadrin sehen
wir, dass es offenbar so eine Art Streit
darum gibt: Was ist denn jetzt das
Politische? Tatsächlich einfach so ein
paralleles Camp aufzubauen? Oder ist das
eigentliche Politische die richtige
Politik? Scheinbar dann diese eine groß
angekündigte Aktion. Ein 4. Beispiel, nein
ein 5. wäre dann auch noch so diese
Gretchenfrage der Gewaltanwendung. Ja,
also auch bei so einem anderen
Gipfelprotest nochmal, kam das z. B. vor,
dass es da halt Ausschreitungen gab und
dann gibt es ja ganz klassisch danach dann
immer wieder so eine Debatte bla bla, was
bringt das usw. Und in dem Fall geht es
aber gar nicht darum, ob jetzt die Gewalt
gerechtfertigt oder so ist oder nicht,
sondern die Frage war: Wie interpretieren
Menschen das, was da passiert? Und z. B.
argumentieren Anarchist:Innen eher in
diese Richtung, dass sie sagen: Ok, ich
muss das nicht unbedingt teilen oder gut
finden, dass es eben zu Ausschreitungen
kam. Aber wir wollen uns gar nicht auf
diese politische Logik jetzt einlassen,
was jetzt gerechtfertigt oder
ungerechtfertigt ist. Uns geht es um das
selbstbestimmte Handeln von Menschen und
deswegen urteilen wir nicht dadrüber,
welche Aktion wir gut finden. Wir wollen
uns gar nicht auf dieses Geschachere
einlassen sozusagen, war das jetzt richtig
oder falsch? Sondern wir sehen es als
einen selbstbestimmten Ausdruck von
bestimmten Menschen an, unabhängig ob wir
das im Einzelnen gut finden und teilen
oder nicht. Andere argumentieren aber
politisch strategisch wäre das jetzt
falsch, ja, also man sollte sich jetzt
nicht irgendwie dadrauf einlassen, dann
durch Provokation z. B. irgendwie was
anzuzünden usw. halt, weil das sozusagen
für die Gesamtsache nichts bringt, die
Gesamtsache halt diskreditiert und aus
strategischen Gründen, also der
politischen Logik, wäre das sozusagen
falsch in diesem Zusammenhang. Also auch
hier sehen wir wieder Politik und eben
etwas anderes, dieses selbstbestimmte
Handeln eher in diesem Fall, was der
Politik gegenübergestellt wird. 3
Beispiele habe ich noch. Eins ist denke
ich auch sehr typisch und auch in vielen
so selbstorganisierten linken Gruppen zu
finden. Da geht es um den Streit zwischen
Kaderpolitik und persönlicher
Weiterentwicklung, so würde ich das
nennen. Ja, das war eben eine linke,
politische Gruppe, wo dieser Streit
entflammt ist. Die lief ganz gut, so ein
paar Jahre, kamen auch immer wieder neue
Leute dazu. Die haben viele Aktionen
gestartet und so, das war recht
erfolgreich. Aber dann kamen sie an so
einen Punkt, wo sich so ein Streit
entsponnen hat. Und zwar ging es um diese
Frage: Wie geht es weiter? Und da waren
ein paar Leute, auch eher so Typen Typen,
die gesagt haben: Hey, wir müssen jetzt
noch eine Kundgebung machen und wir
sollten noch an dieser Kampagne teilnehmen
und wir sollten jetzt noch einen Flyer
schreiben oder sowas in der Art. Also
schon eher sozusagen angegeben haben, was
denn jetzt zu tun ist und was dann auch
politisch gemacht werden muss. Ja weil das
lief ja vorher scheinbar ganz gut. Aber
andere haben gesagt: Hey, das ist für uns
eine totale Kaderpolitik. Ihr gebt einfach
vor, was gemacht werden muss, weil das
angeblich das richtige Politische ist. Und
wir wollen aber eher uns persönlich auch
weiterentwickeln. Wir wollen halt auch
eher schauen, wie sind wir selber z. B. in
Herrschaftsverhältnisse verstrickt? Was
hat das mit uns zu tun? Wie verändern wir
vielleicht unsere Beziehungen? Und das ist
für uns eigentlich das Politische und
übersteigt aber auch ganz stark diese enge
politische Logik, die die Kaderleute
sozusagen vorgegeben haben. Auch da will
ich jetzt gar nicht sagen, was jetzt
richtig oder falsch ist, weil ich
tatsächlich beide Seiten ein bisschen
verstehen kann. Ich merke aber ok, auch
dieser Streit scheint eben sehr typisch zu
sein. Hier kommen so 2 Sachen zusammen
oder prallen auch aufeinander in diesem
Streit. Schließlich noch das gute alte
Wahlproblem, da könnte man auch viel dazu
sagen. Aber vielleicht nur so viel, dass
es in anarchistischen, also selbst in
anarchistisch inspirierten Kreisen, auch
nach wie vor gar nicht so klar ist, dass
Wahlen nur abgelehnt wird. Da gibt es
immer wieder Leute, auch im Anarcho-
Syndikalismus, die halt sagen: Ja, unter
heutigen Bedingungen macht es natürlich
auch einen Unterschied, welche Parteien an
der Macht sind. Aber das Entscheidende
ist, dass sich nicht eben aktiv an Wahlen
beteiligt wird, also dass z. B. Leute in
anarcho-syndikalistischen Gewerkschaften
das nicht als ihre Aufgabe anzusehen, zu
Wahlen aufzurufen oder was Bestimmtes zu
wählen. Sie überlassen es einfach ihren
eigenen Leuten, ihren Mitgliedern dann zu
entscheiden, wie sie sich dazu
positionieren und sagen eben auch, dass
sie das nicht als ihr Feld ansehen, dieses
politische Terrain, sondern ihre Kämpfe
eben auf der ökonomischen Ebene führen
wollen. Und das es auch dadrum eigentlich
gehen muss, wenn man was erreichen will.
Also auch hier Politik, der wird die
Ökonomie gegenübergestellt und das
spiegelt sich in solchen Debatten über
"macht es Sinn, sich an Wahlen zu
beteiligen?" wieder. Und schließlich
schön, dass ihr so lange schon zugehört
habt bei diesem Teil, das letzte Beispiel:
Wenn Satire ernst wird, ja, also
Satireparteien, die dann tatsächlich
wieder ins Parlament, die dann mal ins
Parlament gewählt werden wie, Die PARTEI.
Die machen ja viel Halligalli, ja wenn ihr
an Die PARTEI denkt so, und nehmen damit
es ja auch sehr stark das Politische aufs
Korn. Da könnte man sagen: Ok, in dieser
Form von Satire ist ein Moment von Anti-
Politik enthalten, weil sie zwar die
politische Logik nehmen, aber sie
satirisch eben untermauern oder eben
wenden. Was aber, wenn Leute aus
Satireparteien tatsächlich in Parlamente
gewählt werden? Können sie das dann noch
aufrechterhalten? Können sie dann weiter
nur Anti-Politik machen oder werden sie
tatsächlich dann trotzdem Teil der
Politik? Und das ist auch mal hier
passiert in Leipzig tatsächlich, wo zwei
Leute von der PARTEI ins Stadtparlament
gewählt worden sind, die dann genau vor
diesen Fragen standen: Machen wir jetzt
Politik oder machen wir nicht Politik? Und
was verstehen wir tatsächlich unter
Politik, wenn Satire ernst wird? So habe
ich das genannt. Auch dadrin zeigt sich
eben so eine Spannung in der politischen
Logik. Ihr seht es jetzt auch hier nochmal
in dem Schema. Das hatte ich auch schon
mal gezeigt. Also wenn wir sagen, das ist
Politik, wir benennen, was Politik ist,
dann gibt es etwas Anderes, so in der
Theorie, was eben dann entsteht, was wir
dann ausschließen. Saul Newman, der eben
das ein bisschen entwickelt hat, sagt das
eben Anti-Politik vor allem in der Utopie
und in der Ethik besteht. Und das sind
beides zweifellos Momente oder Sphären,
die im Anarchismus sehr stark ausgeprägt
sind. Ich habe das dann noch ergänzt und
würde sagen: Auf der politischen Seite
können wir sagen, das Strategische und
auch das Programmatische, das sind eben
sehr politische Sachen, die im Anarchismus
immer wieder in Frage gestellt werden. Der
Theorie von Saul Newman nach entsteht eben
zwischen Beiden in so einem Paradoxon, das
ist nicht aufgelöst, eine Politik der
Autonomie oder vielleicht sogar die
autonome Politik. Ich finde, das ist eine
ganz gute Art zu verstehen oder zu
begreifen, warum es offenbar so ein
Problem im Anarchismus mit dem
Politikmachen geht, aber ich gehe weit
über dieses Schema und die Gedanken von
Saul Newman hinaus. Im Gegensatz zu dem
sage ich nämlich: Anarchismus ist was
Bestimmtes. Eine bestimmte, ist ein
bestimmter Flügel in emanzipatorischen,
sozialen Bewegungen. Das sind bestimmte
Leute und Gruppen und nicht nur irgendwie
so ein Gedanke oder was Philosophisches,
sondern da habe ich ganz konkrete Sachen
vor Augen. Außerdem geht es mir auch nicht
so wie anderen Postanarchist:Innen, dass
ich jetzt irgendwie die Vorstellung einer
anderen Gesellschaft ablehne. Im
Gegenteil, ich würde sagen, eine andere
Gesellschaftsform ist möglich. Ich würde
die Libertärer Sozialismus nennen. Der
wird natürlich immer wieder auch von
Anarchie in Frage gestellt. Aber
prinzipiell erstmal so ranzugehen, zu
sagen: Ja, wir wollen eine andere
Gesellschaftsform, eine qualitativ andere,
die ein libertärer Sozialismus ist. Das
würde ich im Unterschied zur Newman z. B.
machen. Diese Art, wie ich euch das jetzt
vorgestellt habe, ist auch eine Theorie,
die nicht nur abstrakt ist, sondern die
auch auf Erfahrungswissen beruht und auch
einen Bezug zu emanzipatorischen, sozialen
Bewegungen hat. Da beziehe ich eben meine
Fragen her und da hoffe ich, dass eben
diese Art von Denken auch rein mündet,
dass sie eben nicht nur akademisch
abgehoben ist, sondern tatsächlich Leuten
auch was bringt und vielleicht aber ein
bisschen unterfütterter als die Eine oder
Andere anarchistische Theorie, die es
schon gibt. Gut, das war's. Und damit gehe
ich weiter mit euch. Was ist nun aber das
Unbehagen mit der Politik im radikalen
Sozialismus? Wo ist da das Problem? Was
ist da das Unwohlsein dabei? Darum geht es
jetzt in diesem Teil. Und der erste Punkt
ist, dass der Anarchismus gerade in dem
Moment entsteht, wo die Frage aufkommt, ob
sich der Sozialismus als eine
Graswurzelbewegung von unten jetzt
politisieren soll. Ob er eine politische
Bewegung werden soll? Also in der Mitte
auch am Ende des 19. Jahrhunderts stand
diese Frage bei der sozialen Bewegung,
eben sozialistischen Bewegungen, sind ja
noch verschiedene, sollen wir jetzt eben
daran teilnehmen? Sollen wir Parteien
gründen? Sollen wir auf den Staat
einwirken oder ihn auch politisch
revolutionär übernehmen? Und
Anarchist:Innen richten sich dagegen,
gegen Staatlichkeit als ein Prinzip der
Zentralisierung, der Hierarchisierung und
des Autoritarismus und entstehen sozusagen
gerade in diesem Moment der Politisierung
sozialistischer Bewegungen, wenden also
auch dieses politische Prinzip oder die
politische Logik, die dahinter steht, ab.
Stattdessen wollen sie an ihren
althergebrachten Organisationsprinzipien
festhalten, den Föderalismus, der
Dezentralität und der Autonomie, eben
verschiedener miteinander vernetzter
Basisgruppen. In dem ihren
Zusammenschluss, dem sozialistischen, der
internationalen Arbeiterassoziation kommt
es dann zum Ausschluss der sogenannten
Antiautoritären. 1872 gründen die dann
ihre eigene Organisation, die
antiautoritäre Internationale. Und da
schließen sie den sogenannten Pakt von
Saint-Imier, der sich diesen ja auch
wieder mal, die im nächsten Jahr auch
wieder mal jährt. Und in diesem Pakt
machen die so eine Erklärung, da steht:
Wir erklären, dass die Zerstörung jeder
politischen Macht die erste Pflicht des
Proletariats ist. 2.: Dass jede
Organisation einer sogenannten
provisorischen und revolutionären
politischen Macht, um diese Zerstörung
herbeizuführen, nur ein Betrug mehr sein
kann und für das Proletariat ebenso
gefährlich wäre, als alle heute
bestehenden Regierungen. 3.: Dass nach der
Verwerfung jedes Kompromisses zur
Durchführung der sozialen Revolution die
Proletarier aller Länder außerhalb jeder
Bourgeoisiepolitik die Solidarität der
revolutionären Aktion einrichten müssen.
Also hier haben wir es sozusagen schwarz
auf weiß. In diesem Gründungsdokument eben
anarchistischer Bewegung steht es ganz
klar: Wir lehnen die politische Logik ab,
und zwar nicht nur den Staat, sondern auch
in dem weiteren Sinne das, was dahinter
vermutet wird. Es geht hier ganz klar um
die Zerstörung der politischen Macht. Also
wie gesagt, hier haben wir es, ganz klar.
Natürlich kann es jetzt nicht sein, dass
ich sage: Ok, das waren so die echten,
ursprünglichen truen Anarchisten oder so,
die das gesagt haben. Jetzt ist Politik
scheiße. Die haben dann natürlich was
Bestimmtes dadrunter verstanden. Wir
können es nicht einfach so aufs Heute
übertragen, dass wäre ahistorisch. Aber es
ist erstmal interessant, dass es da eben
offenbar diese ganz klare Absage als
Gründungsdokument des Anarchismus gibt.
Und diese Erfahrung in anarchistischer
Bewegung wiederholt sich dann auch noch
mal, also auch bei der Zweiten
Internationale der Sozialistischen, die
danach gegründet wurde. Auch da wurden
Anarchist:Innen wieder ausgeschlossen und
haben dadraufhin anarcho-syndikalistische
Gewerkschaften z. B. gegründet. Aufgrund
dieser Ausschlusserfahrung ihrer eigenen
Organisation, in der sie eben nicht der
politischen Logik folgen. Und auch nochmal
z. B. als es so eine rote
Gewerkschaftsinternationale gab in Moskau,
wo eben dann schon nach der russischen
Revolution das ganze auf den russischen
Staat hin zugeschnitten war, oder die
UdSSR, die halt dann versucht haben die
Gewerkschaften politisch zu dominieren.
Auch da gab es dann nochmal 1922 so eine
Abkehr, wo gesagt haben, oder wo
Anarchist:Innen gesagt haben: Wir haben,
nein, wir wollen eben nicht unter dieser
politischen Logik kommunistischer Parteien
subsumiert werden. Das ist erstmal
interessant, dass eben wie gesagt der
Anarchismus in dem Moment entsteht, wo es
eine Kritik und eine Abwendung tatsächlich
vom politischen Prinzip gibt. Und damit
gehen wir noch ein bisschen weiter. Das
eine waren die historischen Erfahrungen.
Ein weiteres Problem, was Anarchist:Innen
mit der Politik haben, ist die
Verstaatlichung von Politik. Also das
sehen wir in ganz vielen verschiedenen
sozialen Bewegungen, wo ja immer wieder
die Frage aufkommt: Welcher Bezug ist zum
Staat? Sind wir eben außerhalb? Sind wir
außerparlamentarisch? Sind wir
Vorhutorganisation für eine bestimmte
Partei? Oder doch was ganz
selbstorganisiertes außerhalb? Diese
Fragen stellen sich auch heute immer
wieder in sozialen Bewegungen. Natürlich
gibt es Politik auch außerhalb des
Staates. Wenn wir uns versammeln,
Demonstrationen, Platzbesetzungen, auch in
Gruppen usw. Da findet Politik außerhalb
des Staates durchaus statt. Aber das
Problem ist eben, dass Politik dem Staat
zugeordnet und auch von diesem vereinnahmt
wird. Und das sehen wir an allen möglichen
Bewegungen, z. B. ganz stark auch am CSD,
der eben über die ganzen letzten Jahre
immer stärker tatsächlich sich halt auch
so ein ja neoliberales Establishment
sozusagen bezogen hat oder auch von diesem
vereinnahmt wurde. Es gibt natürlich
verschiedene politische strategische
Ansätze. Man kann da verschiedene
Meinungen dazu haben, aber ich finde, dass
man da ganz gut dadran sieht und deswegen
Anarchist:Innen auch ein Problem damit
haben. Natürlich nicht mit dem Thema, was
damit verbunden ist, aber mit der Form,
die so eine Art von Bewegung annimmt. Also
organisieren sie dann wieder
selbstständige Sachen, die Queere und
LGBTI Thematiken nochmal außerhalb dessen
eben thematisieren. Wie gesagt,
Anarchismus richtet sich gegen
Staatlichkeit als ein hierarchisches,
zentralisierendes, als ein autoritäres
Prinzip. Und dagegen werden aber andere
Konzepte ins Feld geführt, wird gesagt: Es
gibt doch ganz viele gelebte Ansätze der
Selbstorganisation. Das ist wie gesagt ein
wechselseitiger Prozess, auch in
politischen Gruppen. Das finde ich auch
irritierend. Leute sagen z. B. in der
radikalen Linken: Wir lehnen die Politik
des Staates ab, aber wir treffen uns jeden
Dienstag in unserer politischen Gruppe.
Das zeigt schon auch, dass da so ein
gewisser Widerspruch oder so ein gewisses
Spannungsfeld ist. Denn eben die Politik
des Staates scheint da ja eine ganz andere
zu sein als die, die in der Gruppe
stattfindet. Und beides wird trotzdem als
politisch irgendwie bezeichnet. In
gewisser Weise, also die Frage ist: Welche
Politik in diesem, in dieser Aussage, wir
sind in einer außerparlamentarischen oder
wie auch immer politischen Gruppe steckt
schon aber auch die Zuordnung in gewisser
Weise zur politischen Logik des Staates
hin. Und das ist eben das Problem mit der
Politik, dass sie verstaatlicht wird. Wie
gesagt, wie sich soziale Bewegungen
entwickeln, ist immer eine offene Frage.
Gibt es da Auseinandersetzungen zu führen?
Da gibt es auch nicht den an sich
richtigen Weg. Aber es ist natürlich klar,
dass Anarchist:Innen dafür eintreten, eben
was Eigenes, was Selbstorganisiert zu
machen und das ist auch die Kritik, die
Infragestellung von Politik. Ein drittes
Element dieses Unbehagens des radikalen
Sozialismus mit der Politik ist die
sogenannte Politikverdrossenheit. Die
Politikverdrossenheit ist ja vor allem
eine Erfindung von
Politikwissenschaftler:Innen ja. Also z.
B. gibt es irgendeine Wahl und so und so
viele Leute haben nicht gewählt und dann
fragt irgendein Journalist halt so einen
Politikwissenschaftler: "Hey, was ist da
los? Haben wir noch Demokratie? Warum
wählen die nicht?" Und der
Politikwissenschaftler erklärt es dann,
sagt: "Das ist Politikverdrossenheit." Und
dann alle so: "Aha, ok,
Politikverdrossenheit. Was ist denn jetzt
los?" Und dann sagt er: "Ok, die Leute
fühlen sich nicht so verstanden und sich
verarscht, die verstehen die Politik nicht
und irgendwie sind die einst verdrossen.
Man muss denen das besser erklären. Man
muss ihnen das ein bisschen schmackhafter
machen mit der Politik, dann werden die
das schon verstehen." So, der Punkt ist
halt nicht der Anarchismus als solches,
die Politikverdrossenheit, sondern das
sind Widersprüche liberal demokratischer
Republiken, die halt immer versuchen, das
Politische als eine relativ autonome
Sphäre zu haben. Sie kann eben nicht ganz
staatlich sein, sie kann aber auch nicht
ganz in der Gesellschaft sein, sie ist
irgendwie dazwischen. Gleichzeitig gibt es
Technokratie, auch heute ganz viel, die
halt das Politische unterläuft,
unterminiert. So ähnlich auch wie das
Marktprinzip, einfach der Kapitalismus
demokratische Politik unterminiert und
demokratische Politik natürlich auch von
anderen Projekten wie faschistischen
angefochten wird. Also es geht eine
Erosion und eine Öffnung des Politischen,
wie so ein bisschen wie so ein Schwamm in
der liberalen Demokratie immer wieder
hervor und das sind Widersprüche, die wie
gesagt, in liberalen Demokratien selber
entstehen und zu so einer Frustration
einfach führen, die dann als
Politikverdrossenheit oder sowas
bezeichnet wird. Die bringen, wie gesagt,
Anarchist:Innen nicht hervor, aber sie
docken da an, indem sie die Widersprüche
aufzeigen, die in der Gesellschaft
entstehen, in der politischen Logik, in
der wir uns heute befinden. Und ein
letzter Punkt wäre ein Argument von
Anarchist:Innen, warum es sich lohnt,
kritisch zu sein oder so ein Unbehagen
auch mit der Politik zu haben, ist, dass
gesagt wird: Es gibt doch so viel Anderes,
außer Politik, was wir machen können. Und
wenn ihr mal drüber nachdenkt, je nachdem
wo ihr unterwegs seid, gibt es da auch
viele Beispiele aus irgendwie so einer
selbstorganisierten alternativen, mehr
oder weniger radikalen Linken. Also z. B.
die direkte Unterstützung von Geflüchteten
ist vielleicht nicht unbedingt ein
politischer Akt, sondern hilft halt
tatsächlich direkt bestimmten Leuten, die
halt ja ihre Länder verlassen mussten und
halt Hilfe brauchen. Oder eben so dieses
klassische Modell von autonomen Zentren,
die eben wo versucht wird, was anders, was
selbstverwaltet zu machen. Auch
selbstverständlich diese ganze Schiene der
Kultur oder der Subkultur. Wenn ihr an
Punkrock denkt, wenn ihr an Veganismus
denkt oder an Hardcoreszenen und solche
Geschichten, wo über diese kulturelle
Schiene tatsächlich ganz viel Veränderung
möglich wurde. Natürlich wurde das auch
kapitalistisch wieder vereinnahmt, aber
dadurch ist gesellschaftliche Veränderung
entstanden, die oft auch so gestartet ist,
dass Leute, die eben z. B. sehr radikale
oder auch anarchistische Ansichten hatten,
was Anderes machen wollten. Und das in so
einem scheinbar kulturellen Bereich, der
deswegen auch der Politik etwas
entgegengesetzt wird. Und natürlich
verschiedene Formen von
Selbstorganisatiosprozessen. Wenn sich
Menschen in der Nachbarschaft helfen oder
sowas in der Art ist es dann schon
Politik, wenn die das in der organisierten
Form machen? Ab wann ist es denn Politik?
Oder ist es notwendigerweise Politik,
sondern Nachbarschafts, gegenseitige
Hilfe, Geschichte oder sowas? Vielleicht
ist es eben auch was Anderes. Also,
Anarchist:Innen haben ein Unbehagen mit
Politik und Politik erscheint eben ganz
oft als langweilig, irgendwie auch so als
komisch, als suspekt in gewisser Weise.
Sie dauert lang, sie ist langwierig, sie
hemmt auch die Initiative von einzelnen
Leuten ja. Sie hat halt so einen
bürokratischen Touch und ist ganz oft auch
hierarchisch. Und so vor allem ist sie
auch nicht authentisch. Sie scheint die
Einzelnen zu übergehen und irgendwie nicht
so viel mit ihnen zu tun zu haben. Ob man
es sich immer so einfach machen kann und
dann zu sagen: Ok, scheiß auf Politik, das
ist eine andere Frage, weil ich
gleichzeitig sagen würde: Nein,
Anarchismus ist eben nicht apolitisch oder
unpolitisch, er ist vielmehr anti-
politisch. In dem die politische Logik in
Frage gestellt wird, trotz all dem
Unbehagen, gibt es trotzdem einen Bezug
auf die Politik und wird sie auch
praktiziert. Aber davon hören wir dann
gleich einfach noch was. Ok, jetzt kommen
wir zu dem etwas langwierigeren,
langweiligeren Teil meiner Arbeit, dass
ihr auch wissen, woher ich das beziehe.
Also das ist ganz viel die Arbeit eben mit
Quellentexten des Anarchismus. Und da gibt
es eben so ganz bestimmte anti-politische
Aussagen in diesen Quellentexten. Ich
stelle euch ein Paar vor, dass ihr einen
Eindruck habt, woher beziehe ich denn das
jetzt, was ich sage? Z. B.: "Was man
Politik nennt, das ist vergleichsweise
etwas so Oberflächliches und
Unmenschliches, dass ich praktisch niemals
bemerkt habe, dass sie mich überhaupt
angeht", schreibt Henry David Thoreau.
Oder Pierre-Joseph Proudhon: "Insofern
Politik auf einem ideologischen Konstrukt
liegt, kann sie nicht einfach mit diesem
aufhören oder über es hinausgehen. Logik
und Naivität liegen im Wesen von Politik:
und das ist genau, wo ihre Falle liegt."
Oder: "Man darf sich keine Hirten geben,
wenn man nicht Herde, keine Regierenden,
wenn man nicht Sklave sein will. Weg mit
der Regierung und diesen verderblichen
Ambitionen. Weg mit diesen politischen
Taschenspielern, die mit den 3 Worten der
republikanischen Devise Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit jonglieren wie
mit drei Kugeln, um sie dann verschwinden
zu lassen", schreibt Joseph Déjacque. Oder
Johann Most in der Debatte über den
sozialistischen Volksstaat: "Wurden diese
sozialistischen Debatten nicht eher
besser, bis auch in dieser Beziehung
anarchistische Gedanken in die Debatten
reindrangen. Von da ab wurde gezeigt, dass
man nicht eine schlaue, eine
Opportunitäts-, Zukunfts- oder wenn es
hochkam, revolutionäre Politik zu treiben
habe, sondern dass man mit der ganzen
Politik aufräumen müsse." Und Émile Pouget
schreibt: "Es ist unmöglich, zwischen dem
Kampf der Gewerkschaften und der Teilnahme
am traurigen Geschäft der Politik eine
Parallele zu ziehen, geschweige denn,
beide zu verwechseln." Und um jetzt nicht
diesen Typen so das Schlusswort zu lassen,
noch was von Emma Goldman in Bezug auf die
Frage der des Wahlrechts für Frauen
schreibt sie: "Ich glaube nicht, dass die
Frau die Politik schlechter machen wird;
aber ich kann auch nicht glauben, dass sie
sie verbessern kann. Warum also auf einer
solchen Gesetzgebung bestehen, wenn die
Frau die Fehler des Mannes ohnehin nicht
korrigieren kann? Die Geschichte der
Bemühungen des Menschen in der Politik
zeigt, dass ihm diese überhaupt nichts
gebracht haben, was er nicht auch auf
direkterem Wege, zu einem geringeren Preis
und längerfristig hätte erreichen können."
Ja jetzt seht ihr genau, das sind so ein
paar Zitate einfach, die zeigen, ok, da
gibt es so diese anti-politischen Aussagen
im Anarchismus, auch das sind jetzt
historische Quellentexte, dass können wir
nicht einfach 1 zu 1 auf heute übertragen,
weil sich so ein Verständnis von so einem
Begriff natürlich verändert. Es ist
sowieso interessant, sich mit so einem
großen Begriff wie Politik zu
beschäftigen, weil wir sehen, es geht gar
nicht nur um das Wort, sondern um die
Vorstellungen, die wir damit verbinden.
Also um eigentlich um das, was dahinter
steht. Die Übertragung von dem Text, der
jetzt mehr als 100 Jahre alt ist, ins
Heute, geht so nicht. Und trotzdem finde
ich es erstmal interessant und auch
faszinierend, dass da so eine ganz klare
Absage an die Politik ist. Also nicht die
Frage nach: lasst uns eine andere oder
eine bessere oder mehr Politik machen.
Lasst uns vielleicht eine direktere oder
mehr Demokratie schaffen, sondern eine
ganz klare Absage an das Politikmachen an
sich, was auch über, wie gesagt, die
Politik des Staates hinausgeht, sondern
die politische Logik betrifft. Und das ist
eben spannend in sich damit zu
beschäftigen und zeigt, dass das offenbar
so ein Element des Anarchismus ist, dass
es dieses Unbehagen mit der Politik gibt.
Es gibt also, wie ich gezeigt habe, einige
anarchistische Probleme mit dem
Politikmachen und es führt dann
logischerweise zu der Frage: What the fuck
ist denn Politik überhaupt? Wie bei vielen
solchen großen Begriffen Freiheit,
Gerechtigkeit, Frieden haben natürlich
alle Leute irgendwelche Assoziationen und
irgendwelche Gefühle auch dazu. Es ist
eben bei diesen Containerbegriffen so der
Fall, dass wir da alles mögliche
reinpacken können und auch ein bisschen
das Problem gleichzeitig dadran, weil wir
so tun, als wäre das sowieso klar und das
ist es aber ganz oft nicht. Deswegen ist
diese Arbeit, was ich hier mache, mich mit
diesem Begriff zu beschäftigen, aus
anarchistischer Perspektive in dem Fall
auch besonders interessant, weil es dadrum
geht, sich diese Begriffe anzueignen und
sie mit eigenen Inhalt zu füllen, um
Antworten zu finden, wie wir in der
Gesellschaft, in der wir leben, handeln
können und auch anders handeln können, wie
wir sie auch grundsätzlich verändern
können. Über Begriffe zu streiten lohnt
sich deswegen nur teilweise, weil Leute
verwenden eben unterschiedliche Begriffe,
dadrüber können wir uns aber dann
verständigen und da wird es interessant,
ok, was liegt denn dahinter? Also z. B.
gibt es Leute, die sagen, das was der
Staat macht, ist ja gar keine Politik. Das
ist eigentlich nur die Verwaltung von
Menschen. Das eigentlich Politische, das
ist, wenn wir uns auf der Straße
versammeln, wenn Menschen anfangen, direkt
ihre Angelegenheiten selber zu klären.
Also so einen radikaldemokratischer oder
direktdemokratischer Politikbegriff. Ich
verwende hier aber einen anderen
Politikbegriff, in dem es eben nicht darum
geht, mehr oder echte oder eigentliche
oder endlich mal wieder Politik zu machen,
sondern die in Frage zu stellen und da zu
anderen Schlussfolgerungen zu kommen. Also
es ist ein bestimmter Politikbegriff und
d. h. nicht, dass der jetzt an sich
richtiger ist als andere, sondern dass er
einfach die Debatte von einer bestimmten
Seite aufrollt. Und da würde ich ganz klar
sagen: Ja, Politik ist die Verhandlung von
verschiedenen Themen, von verschiedenen
Interessen, aber die Beteiligten, die
Akteur:Innen haben dazu ganz dabei ganz
unterschiedliche politische
Machtressourcen. Also keine
gleichberechtigte Verhandlung an einem
Tisch, sondern immer auch einen
ausstechen, immer auch eine Konkurrenz,
die damit verbunden wird. Und die
Entscheidungen, die dann politisch
getroffen werden, die können auch Konsens
und Kompromisse beinhalten, aber kommen
eben nicht auf eine gleichberechtigte
Weise zustande. Sie sind eben
durchgesetzte Hierarchien und Zwang werden
sie durchgesetzt und anderen teilweise
aufgedrückt, die möglicherweise auch
überhaupt gar nicht an den
Aushandlungsprozessen beteiligt sind. Also
wir könnten deswegen sagen: Politik dient
auch dazu, die Rahmenbedingungen einer
antagonistisch geteilten Gesellschaft
aufrechtzuerhalten. D. h., dass wir eine
Gesellschaft der Ungleichheit leben, der
Klassengesellschaft, des Patriarchats und
auch z. B. der staatlichen Logik. Und
Politik erhält es aufrecht, macht dann
auch Kompromisse, auch teilweise
ausgeschlossenen oder weniger
privilegierten Leuten gegenüber. Aber wenn
wir etwas ganz anderes wollen, eine
andere, libertär sozialistische
Gesellschaft, geht es dadrum, auch den
Modus in Frage zu stellen, was Politik
eben beinhaltet. Das Interessante am
Anarchismus ist, dass diese Frage erst
aufgemacht wird. Was ist denn dann aber
eine Form, wie sich Menschen organisieren
können in anderen Zusammenhängen. Also
ihre Angelegenheiten miteinander klären?
Und da gibt es z. B. das Konzept der
Föderation, dezentraler autonomer
Kommunen, wo sich Menschen
zusammenschließen und auch ihre
Angelegenheiten klären, aber eben auf eine
andere Weise, als es heute politisch ist.
Die Frage "wann wird es dann wieder einen
Herrschaftsverhältnis und wie genau
geschieht das?" ist sehr wichtig. Und da
gilt es auch, weitere Erfahrungen zu
sammeln und die auszuarbeiten. Interessant
an der Stelle ist aber eben vor allem,
dass sie erst aufgemacht wird durch eine
Kritik dessen, was herkömmliche Politik
beinhaltet. Politik wird vom Staat
vereinnahmt und auch diesem zugeordnet.
Darüber habe ich schon gesprochen. Wir
haben es also mit einem politischen
Herrschaftsverhältnis zu tun. Das
abzubauen und aufzuheben bedeutet, die
Bedingungen der Gesellschaft, in der wir
leben, sehr grundsätzlich zu verändern.
Wenn wir nochmal weitergehen und sagen:
Das ist eben Staatlichkeit, nicht nur als
die Institution Staat, sondern als
hierarchisierendes, zentralisierendes,
autoritäres Prinzip, dann geht das mit der
Politik auch dadrum, dass dieses
staatliche Prinzip in andere
gesellschaftliche Bereiche übersetzt wird,
verallgemeinert wird. Entgegen eben
Ansätzen der Selbstorganisation und
Selbstverwaltung von Menschen oder auch
der Selbstbestimmung. Also ich verwende
hier einen ganz bestimmten Politikbegriff,
den kann man eng governemental nennen.
Also d. h. auf das Regieren bezogen, der
ist negativ-normativ. Das bedeutet, es
wird in Frage gestellt, ob Politik
tatsächlich die gute Ordnung stiftet oder
ob wir die gute Ordnung nicht ganz anders
schaffen können. Er ist
konfliktorientiert, da geht es um Kämpfe,
er ist historisierend, also Politik ist
eben nicht immer das Gleiche, sondern als
Ausdruck in einer bestimmten Form von
Gesellschaft müssen wir mitdenken, wie
entwickelt sich das weiter? Und er ist
ultra-realistisch habe ich das genannt.
Also er geht davon aus, dass es um
Machtkämpfe gibt, dass wir diese
Machtkämpfe anerkennen müssen, dass es
eben ein Teil des Wesens von Politik ist.
Aber dadurch, dass dieser Realismus, der
da drinsteckt, dieser Konkurrenzkampf und
dieses Ausstechen ganz ernst genommen und
auch überspitzt wird, ist er eben ultra-
realistisch. Und wer, wie gesagt, einen
anderen Politikbegriff verwendet, das ist
auch völlig in Ordnung, aber eben dieser
bestimmte Politikbegriff dient dazu, eine
andere Perspektive auf das Politikmachen
zu gewinnen, mit diesen Sachen, die ich
bis jetzt schon gesagt habe. Es gibt also
diese Kritik und diese Ablehnung von
Politik. Ich habe gesagt so Antipolitik
ist so der Arbeitsbegriff, um zu
symbolisieren, dass es so eine Suche nach
etwas anderem gibt in eben eine
Gesellschaft, die durch politische
Herrschaft strukturiert ist, was so ein
bisschen kompliziert ist. Wie kommen wir
da raus? Was sind so anti-politische
Bezugspunkte? Also wo kann es hingehen?
Und auch das habe ich eben aus
anarchistischen Quellentexten
rekonstruiert, ihr seht es hier ein
bisschen auf diesem Schema. Wenn wir sagen
ok, da gibt es so diese verstaatlichte
Politik in der Mitte, geht es eben davon
weg. Es gibt andere gesellschaftliche
Sphären und Bereiche, andere
Möglichkeiten, Formen, wie wir handeln
können. Es sind z. B. eben die Utopie, die
Ethik und die Kultur, dazu habe ich vorhin
ja schon was gesagt. Es sind im
Anarchismus aber eben auch die Sphären des
Individuums, des Sozialen, der
Gesellschaft, der Ökonomie und der
Gemeinschaft. Also alles Versuche,
wegzustreben von dem Politischen. Die
Selbstbestimmung z. B. der Individuen wird
dem entgegengesetzt, wie Einzelne in der
Politik eben sich einordnen sollen. Und
das Soziale? Da geht es um eine
Selbstorganisation, z. B. der
Nachbarschaft, die was Anderes sein soll
als die politische Verwaltung. Ähnlich
auch, wenn wir von der Gesellschaft
ausgehen, die natürlich ein bisschen
verkürzt nur dem Staat gegenübergesetzt
wird. Es ist tatsächlich deutlich
komplizierter, aber im Anarchismus
trotzdem eben so die Vorstellung, es gibt
eine, kann eine gesellschaftliche
Selbstorganisation geben, die über den
Staat hinausgeht. Die Ökonomie wird eben
der Politik entgegengesetzt, in dem gesagt
wird: Ok, Ökonomie, strukturiert eben vor
allem Herrschaft auch. Und wir müssen dort
ran, um wirkliche Unterschiede machen zu
können. Einerseits eben durch parallele
sozialistische Formen, Kollektivbetriebe
usw., andererseits eben durch ökonomische
Kämpfe, die da geführt werden. Und die
Gemeinschaft, das sind eben ganz viel
Kommuneprojekte, Alternativprojekte, die
eben auch versuchen, was Anderes zu
realisieren. Da könnten wir jetzt sagen
ok, Anarchisten versuchen da offenbar
etwas anderes, es strebt zumindest raus
aus dieser politischen Logik, so wie ich
sie vorhin definiert habe. Wozu kommt dann
aber Politik eigentlich wieder rein? Denn
das ist ja offensichtlich auch der Fall,
dass Anarchist:Innen bisweilen Politik
machen. Warum ist das der Fall? Und da
geht es eben vor allem dadrum, dass
versucht wird zu verhindern, dass sich
diese verschiedenen Praktiken, die da
entwickelt werden, zu Selbstzwecken
entwickeln. Also z. B. die
Selbstbestimmung im Individualismus. Die
kann zu einem Problem werden, wenn es
dadrum geht, dass Einzelne nur noch um
sich selber kreisen. Oder auch im
Sozialen, z. B. so ein KüfA-Projekt, das
kann schon zu einer Kompensation von Armut
werden oder man kocht dann halt nur für
die Szene oder so die politische, da haben
wir es wieder, die anti-politische Szene,
die zusammenkommt. Auch jetzt Gesellschaft
an sich ist jetzt nicht sozusagen nur frei
von Politik. Wir können das nicht einfach
so raushalten. Und in dem Ökonomischen,
auch da gibt es eben das Problem zu sagen:
wir wollen nichts mit der Politik zu tun
haben, führt ganz schnell zu so einer
Leerstelle. Einerseits ist ja bei den
Leuten, die sich da organisieren,
Proletarier:Innen z. B. bei einer
autonomen Gewerkschaft, auch da gibt es
Widersprüche. Auch da gibt es
unterschiedliche Ansichten, die irgendwie
verhandelt werden müssen. Und weiterhin
kann die reine Konzentration auf
Gewerkschaftsarbeit und Arbeitskämpfe auch
dazu führen, dass die trotzdem wieder
durch politische Parteien vereinnahmt und
dominiert werden, weil eben abgelehnt
wird, sich damit zu beschäftigen. Und
schließlich im Hinblick auf die
Gemeinschaft gibt es ganz viele
Kommuneprojekte, die vielleicht so
gestartet sind, dass die Leute da was ganz
Anderes schaffen wollten, die dann aber
trotzdem nur so ein schöner und irgendwie
alternativer Wohnen wurden, ohne dass noch
der Anspruch da drin lag, die Gesellschaft
grundsätzlich zu verändern. Ähnlich wie
bei der Alternativkultur, die eben auch
was ganz Anderes schaffen wollte, aber
dann eben nur Subkultur bleibt und nicht
Gesellschaftsform, in der wir leben,
grundsätzlicher in Frage stellt. Also geht
es eben dadrum, die politische Logik
selber, sozusagen, zu hinterfragen und
trotzdem Politik wieder rein zu führen.
Sie kommt durch die Hintertür wieder rein,
so habe ich das formuliert und genau das
führt zu dieser komischen, irritierenden
Gleichzeitigkeit der Bezugnahme auf
Politik, auch das Praktizieren bisweilen
von radikaler Politik bei ihrer
gleichzeitigen Ablehnung und der Kritik an
Politik, wie wir sie haben. Also sprich,
es geht hier nicht dadrum, dann zu sagen,
dass wir einfach irgendwie eine andere
Politik machen können, sondern die Politik
bleibt ein Problem und trotzdem kann im
Anarchismus die Antwort sein, dass wir ab
und zu uns auf dieses politische Game
einlassen müssen, wenn wir das aus
bestimmten Gründen für sinnvoll halten.
Und mit diesen Überlegungen werden wir da
aber trotzdem ganz anders rangehen. Und
diese ganze, doch sehr theoretische
Erklärung, wie ich sie jetzt geliefert
hat, soll vor allem versinnbildlichen,
dass das Sinn ergibt, dass es diesen
scheinbaren Widerspruch im anarchistischen
Politikverständnis gibt. Denn bei näherer
Betrachtung stellt sich heraus, dass es
hier tatsächlich um eine Paradoxie geht.
Und das ist nicht ein zu kurz denken im
Anarchismus selber, sondern es ist
tatsächlich der Versuch, auf die
Widersprüchlichkeit der Gesellschaft, in
der wir leben, eine Antwort zu finden. In
dem Sinne, dass wir anerkennen: Ja,
Politik ist ein Herrschaftsverhältnis,
aber manchmal müssen wir auch Politik
machen. Und gerade deswegen tun wir das
aber anders. Die Paradoxie im
anarchistischen Politikverständnis ist
also der Versuch, sich in Widersprüchen zu
bewegen und sie nicht einfach nur
wiederzugeben, sie nicht einfach zu
reproduzieren, sondern tatsächlich mit dem
Anliegen, Gesellschaftsform zu
transformieren, in der wir sind, also auch
die Bedingungen zu verändern, unter denen
Politik praktiziert wird. Das ergibt Sinn
und ich glaube, das erklärt z. B. diese
Erzählung, die ich euch am Anfang gebracht
habe, ein bisschen besser. Wir verstehen
besser, warum es diese Widersprüche oder
diese Gleichzeitigkeiten ganz oft gibt,
auch nicht nur in historischen
Quellentexten oder Erfahrungen, sondern in
emanzipatorischen, sozialen Bewegungen,
die immer wieder für solche Fragen
gestellt werden. Wie gehen wir tatsächlich
mit der Politik um? Auf wen beziehen wir
uns? Und wie können wir etwas anders
realisieren? Im Anarchismus geht es
dadrum, nach Autonomie zu streben. Das
bedeutet eine gleichzeitige Bewegung raus
aus den Herrschaftsverhältnissen, also
auch raus aus der politischen
Herrschaftslogik und die Verwirklichung
etwas anderen, was an die Stelle dessen
treten soll. Das bedeutet, dieses Streben
nach Autonomie, was natürlich immer ein
Prozess ist, der nie absolut abgeschlossen
sein kann. Und da gibt es im Anarchismus
selber ganz unterschiedliche Strategien,
die docken so ein bisschen an, an diese
verschiedenen anti-politischen
Bezugsquelle, an die politischen
Bezugsgruppe, Punkten, die ich genannt
habe, also z. B. im Individualismus,
Mutualismus, im anarchistischen
Kommunismus oder Anarcho-Syndikalismus
oder eben im kommunitären Anarchismus,
sind es verschiedene Versuche, nach
Autonomie zu streben, die sich natürlich
auch wieder vermischen. Und das scheint
auch der gemeinsame Nenner zu sein, in
diesen sehr pluralen Anarchismus, diesen
verschiedenen Strömungen, mit denen wir zu
tun haben. Selbstorganisation und
Selbstbestimmung sind als
Organisationsprinzipien mit Autonomie auch
verknüpft und das sehen wir hier nochmal
in dem Schema. Ich denke, das erklärt
sozusagen, was über das Wesen des
Anarchismus oder über seine
charakteristischen Merkmale. Ja, jetzt
sind wir hier. Schön, dass ihr mir so weit
gefolgt seid. Zum Abschluss werde ich
einfach noch mal das, was ich erzählt
habe, so ein bisschen thesenhaft
zusammenfassen, also das, was ich auch
herausgearbeitet habe, denn viele Sachen,
von denen die ich erzählt habe, sind auch
Teil meines Promotionsprojektes.
Thesenhaft, ihr könnt es einfach
verfolgen. Worum ging es jetzt hier? 1.
Die Kritik an und Ablehnung von
sozialistischer Politik ist ein
wesentlicher Ausgangspunkt für die
Entstehung des Anarchismus. Und das sowohl
historisch als auch heute wieder. 2.
Politik wird diesem Verständnis nach immer
dem Staat zugeordnet oder von diesem
aufgesogen und eingehegt. Dazu mag es auch
unterschiedliche Ansichten geben, wie wir
damit umgehen, aber wer das ignoriert,
täuscht sich über das Wesen von Politik,
auch Politik in einem weiteren Sinne über
den Staat hinaus. 3. Neben der politischen
Sphäre gibt es auch andere
gesellschaftlichen Sphären, in denen
emanzipatorisch gehandelt und Alternativen
hervorgebracht werden können. Im
Anarchismus werden das Individuum, das
Soziale, die Gesellschaft, die Ökonomie
und die Gemeinschaft als Gegenpole zur
Politik, als Bezugspunkte für Anti-Politik
aufgemacht. 4. Paradoxerweise kommt es im
Anarchismus aber trotzdem wieder zu
Politik, kommt Politik quasi durch die
Hintertür wieder rein. Politik dient dazu,
die alternativen Praktiken in
verschiedenen Bereichen auf das gemeinsam
entwickelte Ziel der libertär-
sozialistischen Gesellschaft hin
auszurichten. D. h., sie hat die Funktion,
dass alternative Praktiken sozial-
revolutionäre sind, oder bleiben, oder
werden, anstatt dass sie zum Selbstzwecken
werden oder eben für herkömmliche Politik
aufgegeben werden. Und schließlich 5. Eine
prinzipielle Kritik an Politik lohnt sich
und ist auch wichtig, um überhaupt
radikale Positionen zu entwickeln.
Radikale Praktiken hervorzubringen, mit
denen nach Autonomie gestrebt werden kann,
um mit bestimmten Illusionen zu brechen,
ist es sinnvoll, auch so einen engen,
gouvernementalen, konfliktorientierten und
ultra-realistischen Politikbegriff zu
verwenden, der theoretisch dazu dient, das
eben zu unterfüttern, wasich jetzt gesagt
habe, um uns eine andere Perspektive auf
gesellschaftliche
Veränderungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Das bedeutet nicht, dass das, was ich euch
jetzt erzählt habe, an sich richtig oder
die Wahrheit ist. Man kann Verschiedenes
unter Politik verstehen. Was ich versucht
habe, ist eine bestimmte Perspektive auf
das Ganze zu entwickeln. Und ich hoffe,
dass ich euch das so rüberbringen konnte,
dass ihr dem soweit folgen könnt. Im
Endeffekt macht ihr euch eure eigenen
Gedanken. Wie handelt ihr in der
Gesellschaft, in der ihr seid? Was habt
ihr da für Vorstellungen? Vielleicht fangt
ihr einfach tatsächlich mal so an und
überlegt: Ja, was ist denn Politik für
euch? Macht euch ein Mindmap oder so,
schreibt ein paar Assoziationen auf und
fragt euch dann aber: Ok, woher kommen
denn meine Vorstellungen? Ist das wirklich
mein Begriff von Politik? Was ist meine
Vorstellung davon? Inwiefern beißt der
sich vielleicht mit der Politik des
Staates oder auch von Parteien oder auch
von politischen Gruppen? Was ist eben
etwas, was da wirklich anders ist? Und ich
würde argumentieren: Ja, lasst uns eben
sagen, Politik ist weiterhin ein Problem,
aber sie ist trotzdem so notwendig wie
jetzt irgendwie Haushalt, wie der Abwasch
oder so, niemand macht sie unbedingt
gerne, aber sie muss halt gemacht werden.
Und sie an Andere abzuschieben ist eben
auch nicht die Lösung. Bloß gleichzeitig
kritisch damit umzugehen, darum geht es im
Anarchismus, um was Anderes
hervorzubringen und dabei werden wir aber
ganz viel entdecken, bei dieser Anti-
Politik, wenn wir uns fragen: Ok, was ist
denn da, andere Möglichkeiten, entstehen
eben andere Praktiken. Und das ist der
Versuch, auch letztendlich zu erklären,
wie Anarchismus funktioniert. Eine
interessante Strömung, die eben wenig
theoretisch besprochen wird. Und dazu
wollte ich hier so einen kleinen Beitrag
leisten und einen kleinen Auszug aus eben
meiner Arbeit darstellen. Das ist übrigens
ein gutes Stichwort. Ihr könnt mit mir
auch in Kontakt kommen, also ich habe
einen Blog, der heißt paradox-a.de da
könnt ihr mich anfragen für
Veranstaltungsanfragen, ihr könnt aber
auch, wenn ihr ein bisschen Kohle übrig
habt, mit mir Kontakt aufnehmen und mir
Geld geben, weil ich diese Doktorarbeit
tatsächlich auch veröffentlichen würde.
Dafür brauche ich noch ein bisschen Geld.
Das kann ich nicht so direkt machen,
schreibt mir gerne eine E-Mail und dann,
wenn ihr das unterstützen wollt, könnt ihr
das gerne machen. Würde ich mich freuen.
Ich danke auch noch mal der Chaoszone in
Halle, dass wir das hier realisieren
konnten und auch Miri und Chris, die hier
den ganzen Drumrum und Filmkram gemacht
haben. War cool, hat auch Spaß gemacht und
ansonsten, ja, würde ich sagen: Bis
demnächst. Macht euch eure Gedanken.
Herald: Herzlich willkommen zurück aus
diesem wunderschönen Vortrag aus der
Seenlandschaft. Jetzt zurück ins Studio in
Halle im Eigenbaukombinat. Wir haben
einige Fragen an den bei uns sich im
Studio befindlichen Vortragenden. Deswegen
gleich die 1. Frage. Zum 1. Punkt mit den
Gefängnissen. Es gibt einen Protest
dagegen, aber gibt es auch Vorschläge, wie
man stattdessen die Menschheit, die
Menschen, von der Gesellschaft
ausschließt? Also nochmal die Frage: zum
1. Punkt mit den Gefängnissen. Es gibt
einen Protest dagegen, aber gibt es auch
Vorschläge, wie man stattdessen die
Menschen von der Gesellschaft ausschließt?
Jonathan: Ja, das ist natürlich eine sehr
gute Frage. Also das habe ich jetzt
erstmal als Beispiel genommen, um ja
dieses Thema des paradoxen Politikbegriff
im Anarchismus quasi zu behandeln.
Insofern bin ich jetzt nicht unbedingt
Experte, was das angeht. Aber ja, ich
glaube, da gibt es schon verschiedene
Modelle. Also Norwegen und Schweden haben
da relativ progressive Überlegungen. Da
gibt es z. B. dann Gefängnisinseln, wo die
Leute aber jetzt nicht die ganze Zeit
weggesperrt sind, sondern haltversuchen
dann selbstverwaltet dort zu sein. Und das
betrifft dann aber eben nicht alle. Das
betrifft dann nicht so ganz geringe
Lapalienstraftaten wie Schwarzfahren oder
so, wo schon zurecht gefragt, werden kann,
warum deswegen wirklich Leute ins
Gefängnis gehen. Also diese Frage ist
natürlich dann auch im Hintergrund zu
stellen. Aber klar, es macht sich
natürlich fest, an diesen krassen
Gewalttaten oder sowas in der Art, die
nicht einfach verschwinden werden oder
oder sowas in der Art. Und ich glaube, das
wäre zum Beispiel ein Modell. Allerdings
muss ich zugeben, dass es halt ganz viele
andere Möglichkeiten glaube ich gibt und
diese Frage schon erst mal gestellt werden
sollte: Ok, woher entsteht denn überhaupt
Gewaltkriminalität? Das was wir als
Kriminalität bezeichnen usw. Und im worst
case, das ist zumindest meine persönliche
Weise, wäre es so eine Art Verbannung
vielleicht irgendwie vorstellbar. Das ist
allerdings wie immer auch unter
Anarchist:Innen selber sehr umstritten.
H: Vielen Dank! Eine weitere Frage hätten
wir: Wo siehst du den Unterschied zwischen
Anarchismus und Liberalismus?
J: Ja, also ich meine klar, das kann man
natürlich wie immer verschieden angehen,
also so heute politisch, in den
verschiedenen politischen Lagern oder so.
Da steht der Liberalismus, wo anders als
der Anarchismus, der eben viel stärker
noch auf die Selbstorganisation setzt.
Wenn man es jetzt dann politisch
theoretisch betrachtet, dann ist es dann
immer wieder doch die Frage des Staates.
Also Staat würde ich auch in einem
weiteren Sinne betrachten. Nicht nur die
Institution Staat, sondern das, was ich
ein bisschen im Vortrag auch versucht
habe, darzustellen, als ein
hierarchisches, autoritäres
zentralisierendes Verhältnis. Da sagen die
Liberalen natürlich, im Endeffekt braucht
es diese Zentrale Steuerungsinstanz, die
halt die Gesellschaft reguliert, die auch
sowas wie Staatlichkeit ist mit dem Zwang
und der Gewalt. Aber es gibt auf der
anderen Seite trotzdem ideengeschichtlich
auch immer wieder diese Schnittpunkte,
also der Anarchismus ist auch beeinflusst
von liberalen Gedanken und auch von
sozialistischen. Insofern würde ich da gar
nicht die klare Trennung ziehen. Es wäre
sicherlich die in Bezug auf des Staates
und auch ich denke das Verständnis des
Individuums, was im Anarchismus schon
stärker, eben immer in Verbundenheit mit
anderen Menschen gedacht wird, während im
Liberalismus doch stärker das Bild
vorherrscht, eben von abgeschlossenen
Einzelnen. Das wären jetzt Beispiele und
sicherlich in wirtschaftspolitischer
Hinsicht, das im Liberalismus ja auch
Konkurrenz als was Gutes betrachtet wird,
während es im Anarchismus wahrscheinlich
eher eine Art Verfallserscheinungen ist,
die Kooperation insgesamt als überlegen
angesehen wird. Das ist jetzt sehr
holzschnittartig, aber um schnell darauf
zu antworten, ja.
H: Sehr vielen Dank. Und noch ein Punkt
aufzugreifen und deiner Antwort: Siehst du
nicht die Gefahr, z. B. Forderungen an den
Staat zu stellen, als eine Legitimierung
dessen? Müssen nicht Forderungen z. B. an
direkt Betroffene, aber sich passiv
verhaltene, gestellt werden?
J: Ja, das ist natürlich, also finde ich,
erstmal eine sehr gute Frage, die wir
weiter diskutieren können. Also ich würde
nochmal einen Schritt zurückgehen und ich
sehe das eben oft dann so, dass aus sowas,
einer Radikalen oder so Linken oder auch
Selbstorganisierten werden ja ganz oft
Forderungen gestellt, aber oft ist gar
nicht klar, wer sind denn die Leute, die
fordern und wenn jetzt nicht staatliche
Institutionen direkt handeln sollen, wer
sind dann die Leute, die handeln. Also da
gibt es ganz viele Unklarheiten. Ein
Gegenmodell zur Forderung ist natürlich,
die Dinge in die eigenen Hände zu nehmen
und Leute aufzufordern, ja aktiv zu
werden, was anders zu verwirklichen. Und
ich glaube, das ist dann der Weg, der
jetzt auch in der Frage eher vorgeschlagen
wird. Also eher der Appell an Menschen,
direkt etwas zu verändern. Da sind aber
eben alle Leute, die eben Alternativen
vorschlagen, gefragt, da auch was den
Leuten an die Hand zu geben und nicht
einfach nur zu sagen: Ja, bitte macht doch
mal Irgendwas anders. Sondern da braucht
es natürlich schon irgendwie auch
anschauliche Modelle, die Menschen
überzeugen und das ist sicherlich immer so
eine Gratwanderung zwischen Dinge
vorschlagen, aber Dinge eben nicht zu sehr
als einen fixen Plan vorauszusetzen, weil
im Anarchismus geht es natürlich schon
dadrum, dass Menschen auch ihre eigenen
Wege finden.
H: Ich hätte noch eine kontroverse Frage
aus dem Internet, vielleicht kannst du uns
die auch ein bisschen einordnen. Warum
sind eigentlich nichtstaatliche Attentate
auf Despoten aus der Mode gekommen? Sind
die Menschen in Diktaturen zu bequem
geworden? Was denkst du?
J: Tja, also danke für die Frage. Es ist
natürlich so: Wenn ich jetzt zum
Anarchismus spreche, dann muss ich ja
solche Fragen immer wieder auch mal
beantworten. Aber im Vortrag, würde ich
behaupten, ging es ein bisschen um etwas
anderes. Also das jetzt mal nebenbei, da
muss ich jetzt sozusagen nichts
rechtfertigen, aber ich kann trotzdem auf
die Frage eingehen. Also ich meine, das
hat natürlich was damit zu tun, dass
historisch es eine Phase gab, wo
Anarchist:Innen halt, oder Leute, die so
bezeichnet wurden, Attentate auf
Staatsoberhäupter gemacht haben. Das war
Ende des 19., Anfang des 20. Jhd. auch je
nachdem, wie man es betrachtet,
erfolgreich. Und das Ganze, was wir heute
als Überwachungs- und Sicherheitsstaat
betrachten, dadurch ja auch sehr stark
ausgebaut wurde. Also sicherlich
Überwachung, Kontrolle und solche Sachen
sind heute äußerst weit fortgeschritten
usw. Insofern ist das sicherlich nicht das
Mittel der Wahl, aber man kann dadrüber
hinaus natürlich auch diskutieren, ob das
so sinnvoll ist. Einerseits ist es eine
sehr verkürzte Herrschaftskritik, wenn man
die an Personen festmacht. Das trifft
vielleicht nicht tatsächlich das Wesen der
Herrschaft, insbesondere auch nicht eben
einer sehr komplexen Form von Herrschaft,
wie wir sie heute haben. Und insofern
würde ich sagen, dass das jetzt
wahrscheinlich nicht das Mittel ist, zu
dem ich jetzt greifen würde. Also hat aber
auch strategische und es hat natürlich
auch ethische Gründe, weswegen ich jetzt
nicht unbedingt einzelne Leute dafür
verantwortlich machen würde. Aber im
Anarchismus wird natürlich ein bisschen
stärker, als jetzt in anderen linken oder
sozialistischen Theorien, schon auch die
Frage der Verantwortung mit aufgeworfen.
Also welche privilegierten Klassen
profitieren tatsächlich von der
Herrschaftsordnung, in der sie ist und das
eben auch zu problematisieren, finde ich
völlig gerechtfertigt. Das ist aber eine
andere Frage als die jetzt mit sowas wie
Attentaten. Naja, ich hoffe ich konnte das
halbwegs beantworten. Ansonsten müssen wir
noch mal länger chatten, glaube ich.
lacht
H: Vielen, vielen Dank. Vielleicht, und
mit der Bitte um eine kurze Antwort.
Welche konkreten Handlungsempfehlungen
gibst du politisch Interessierten, aber im
aktuellen Politikkontext inaktiven
Personen? Also was sollte man jetzt quasi
machen, wenn man sich politisch engagieren
möchte, ohne quasi, also was sollte man
machen, wenn man sich politisch engagieren
möchte, aber es noch nicht tut, im
aktuellen Kontext?
J: Aber es noch nicht tut, aber schon
dabei ist
H: Oder sich dafür interessiert, also die
Welt zu gestalten?
J: Ja, also wie immer, das habe ich, so
gehe ich ran und ich denke, das habe ich
ja auch so rübergebracht, denke ich, es
gibt sehr viele verschiedene
Möglichkeiten, aber es gibt ja die
emanzipatorischen sozialen Bewegungen
heute, vor allem eben der Feminismus, die
Klimagerechtigkeitsbewegung, aber auch
andere Formen von sozialen Kämpfen. Also
diese Bewegungen, die gibt es ja an vielen
Orten. Und was anderes haben wir nicht.
Also ich glaube, das sind schon die
richtigen Leute mit den richtigen Ideen in
Anführungsstrichen. Ich sehe das auch gar
nicht so negativ. Also ich persönlich, und
da gibt es andere Anarchist:Innen, die
sehen das wieder anders, setze halt schon
auf die Macht von emanzipatorischen
sozialen Bewegungen, als ein Gegenmodell,
auch eine andere Gesellschaft von unten
aufzubauen. Und dort finden die Dinge
statt. Also würde ich schon sagen: Guckt,
worauf wir einen Bock habt, auf welche
Form von Themen. Versucht euch dann
dauerhaft verbindlich in Gruppen
zusammenzuschließen, versucht diese
verschiedenen Themen zusammenzuführen, die
es gibt, an denen ihr an Veränderung
arbeiten wollt. Und natürlich schlagen
Anarchist:Innen vor, im Gegensatz zu
anderen Leuten, dass eben so eine soziale
Bewegung autonom von Parteien und von
parlamentarischen und anderen staatlich
politischen Institutionen sein soll. Also
das es die Möglichkeit gibt, zu solcher
selbstorganisierter Bewegung, und das ist
tatsächlich auch eine Stärke ist, eine
eigene Form von Organisation und gerade im
deutschsprachigen Raum können wir uns da
noch ein bisschen eine Scheibe auch von
anderen Ländern abschneiden, dass es eben
da eigene selbstorganisierte, autonome
Formen gibt. Und ich persönlich setze da
drauf und würde sagen: Ja, da ist eben
auch eine Stärke. Das gibt eben auch
strategisch Sinn, so zu denken und sich
nicht immer gleich z. B. auf den Staat zu
orientieren oder zu sagen: Solche Sachen
sind nur erfolgreich, wenn z. B. die in
Gesetzgebung oder sowas in der Art münden.
Sondern wir können eben Alternativen heute
von uns aus parallel schaffen. Natürlich
mit vielen Leuten gemeinsam. In aller
Kürze.
H: Alles klar, vielen Dank. Könntest du
nochmal die Adresse deines Blogs sagen
bitte?
J: Ja klar, genau. Also ich schreibe so
meine anderen Weisheiten auf paradox-a.de
Wenn ihr Lust habt, könnt ihr da
vorbeischauen oder mich auch gerne
kontaktieren. Jetzt genau war es nur wenig
Zeit zum Antworten, aber ich freue mich
sehr, dass ich hier sein konnte.
Dankeschön dafür ja.
H: Ansonsten sind alle dazu eingeladen, im
Rocket.Chat oder auf dem Hashtag
Rc3ChaosZone auf Mastodon und Twitter
mitzudiskutieren. Ich denke, da werden wir
die weiteren Sachen dann vermitteln. Dein
letztes Wort?
J: Genau. Und heute Abend ist noch ein
anderer Talk von mir, eher auch eine
lockere Erzählung, bei der Stage aboute
Future um 18 Uhr. Also wenn es euch
interessiert hat, schaut da einfach gerne
noch mal rein oder eben später, wenn es
hochgeladen ist. Würde mich freuen.
H: Dann vielen Dank! Grüße aus Halle und
wir geben ab nach Potsdam. Nach einer
kurzen Pause.
RC3 Musik
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
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