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Zwischen Selbstachtung und Selbstmitgefühl | Kristin Neff | TEDxCentennialParkWomen

  • 0:14 - 0:19
    Ich glaube, man könnte mich fast als
    Apostel des Selbstmitgefühls bezeichnen.
  • 0:19 - 0:23
    Ich liebe es, die gute Nachricht vom
    Selbstmitgefühl zu verbreiten.
  • 0:23 - 0:27
    In den letzten zehn Jahren
    meiner Forschungskarriere
  • 0:27 - 0:30
    habe ich den gesundheitlichen Nutzen
    von Selbstmitgefühl untersucht
  • 0:30 - 0:34
    und seit einiger Zeit
    arbeite ich an Interventionen,
  • 0:34 - 0:38
    die anderen helfen sollen,
    mit sich selbst einfühlsamer zu sein.
  • 0:39 - 0:43
    Ich setze mich deshalb so
    leidenschaftlich für Selbstmitgefühl ein,
  • 0:43 - 0:47
    weil ich dessen Macht im
    eigenen Leben erlebt habe.
  • 0:47 - 0:51
    Ich habe Selbstmitgefühl im
    Jahr 1997 kennengelernt.
  • 0:51 - 0:55
    Damals brachte ich gerade meine
    Doktorarbeit in Berkeley zu Ende.
  • 0:55 - 0:58
    Ich hatte eine wirklich schwere Zeit.
  • 0:58 - 1:01
    Ich hatte gerade eine sehr
    ungute Scheidung hinter mir,
  • 1:01 - 1:04
    empfand viel Scham und
    machte mir selbst Vorwürfe.
  • 1:04 - 1:06
    Ich erlebte viel Stress.
  • 1:06 - 1:08
    Würde ich meinen Doktor
    abschließen können?
  • 1:08 - 1:11
    Und wenn, würde ich
    dann eine Stelle finden?
  • 1:12 - 1:16
    So dachte ich, es wäre die richtige Zeit,
    um Meditation zu lernen.
  • 1:16 - 1:19
    Ich meldete mich bei einer örtlichen
    buddhistischen Meditationsgruppe an.
  • 1:19 - 1:23
    Am ersten Abend des ersten Kurses
  • 1:23 - 1:26
    sprach die Gruppenleiterin
    über die Bedeutung von Mitgefühl.
  • 1:26 - 1:30
    Mitgefühl nicht nur für andere,
    sondern auch für uns selbst,
  • 1:30 - 1:33
    wie wichtig es ist, uns selbst in unser
    Mitgefühl einzuschließen,
  • 1:33 - 1:37
    uns selbst mit der gleichen Güte,
    Fürsorge und Betroffenheit zu behandeln,
  • 1:37 - 1:39
    mit der wir einen guten Freund behandeln.
  • 1:39 - 1:43
    In dem Moment schien es mir,
    als ginge mir ein Licht auf.
  • 1:43 - 1:45
    Zuerst dachte ich: Wie?
  • 1:46 - 1:49
    Du darfst lieb zu dir selbst sein
    und das wird ermutigt?
  • 1:49 - 1:50
    Aber ich erkannte,
  • 1:50 - 1:55
    dass es genau das war, was ich in diesem
    schweren Moment meines Lebens brauchte.
  • 1:55 - 1:56
    Seit diesem Tag
  • 1:56 - 2:01
    habe ich mich gezielt darum bemüht,
    mehr Mitgefühl für mich aufzubringen,
  • 2:01 - 2:04
    und das machte praktisch
    sofort einen Riesenunterschied.
  • 2:05 - 2:09
    Und dann bekam ich zum Glück tatsächlich
    eine zweijährige Stelle als Postdoktorand
  • 2:09 - 2:12
    bei einer der führenden Forscherinnen
    für das Erleben von Selbstachtung.
  • 2:12 - 2:16
    Als ich mit ihr arbeitete, erkannte ich
    nach und nach, dass Selbstmitgefühl
  • 2:16 - 2:20
    viele Vorteile aufwies,
    die Selbstachtung nicht hatte.
  • 2:21 - 2:25
    Lassen Sie mich zunächst definieren,
    was ich mit Selbstachtung meine.
  • 2:25 - 2:30
    Selbstachtung ist eine Gesamtbewertung
    des Selbstwerts, also eine Beurteilung:
  • 2:30 - 2:35
    "Bin ich eine gute Person
    oder bin ich eine schlechte Person?"
  • 2:35 - 2:38
    Über viele Jahre sahen
    Psychologen Selbstachtung
  • 2:38 - 2:41
    als den wichtigsten Indikator
    für psychische Gesundheit,
  • 2:41 - 2:42
    und dafür gibt es einen Grund.
  • 2:42 - 2:46
    Es gibt viel Forschung, die aufzeigt,
    dass man bei geringer Selbstachtung,
  • 2:46 - 2:49
    wenn man sich selbst hasst,
    deprimiert werden wird,
  • 2:49 - 2:51
    ängstlich werden wird,
  • 2:51 - 2:54
    und alle möglichen
    psychischen Probleme haben wird.
  • 2:54 - 2:57
    Wird es wirklich schlimm,
    denkt man eventuell sogar an Suizid.
  • 2:58 - 3:02
    Doch hohe Selbstachtung
    kann auch problematisch sein.
  • 3:02 - 3:04
    Das Problem ist nicht, sie zu haben,
  • 3:04 - 3:07
    es geht eher darum, wie man sie bekommt.
  • 3:08 - 3:10
    In der amerikanischen Kultur
  • 3:10 - 3:12
    (Lachen)
  • 3:12 - 3:14
    setzt eine hohe Selbstachtung voraus,
  • 3:15 - 3:18
    dass wir uns als etwas Besonderes
    und Überdurchschnittliches erleben.
  • 3:18 - 3:21
    Würde ich zu Ihnen sagen,
    ihre Arbeitsleistung sei
  • 3:21 - 3:24
    "Durchschnitt" oder
    "Als Mutter Durchschnitt",
  • 3:24 - 3:27
    oder würden Sie mir sagen,
    der Vortrag war Durchschnitt,
  • 3:27 - 3:28
    dann wäre ich ziemlich zerstört.
  • 3:28 - 3:30
    Es geht nicht, Durchschnitt zu sein.
  • 3:30 - 3:32
    Es gilt als Beleidigung,
    Durchschnitt zu sein.
  • 3:33 - 3:35
    Was ist problematisch daran?
  • 3:35 - 3:40
    Wenn alle von uns gleichzeitig
    überdurchschnittlich sein müssen?
  • 3:40 - 3:44
    Kommt Ihnen da nicht Worte wie
    "logische Unmöglichkeit" in den Sinn?
  • 3:45 - 3:48
    Was passiert, wenn alle
    überdurchschnittlich sein wollen?
  • 3:48 - 3:50
    Als wir mit diesen Spielchen
    begonnen haben,
  • 3:50 - 3:55
    haben wir plötzlich angefangen,
    uns aufzublasen und andere herabzusetzen,
  • 3:55 - 3:58
    sodass wir uns anderen
    überlegen fühlen können.
  • 3:58 - 4:00
    Und manche betreiben das wirklich extrem.
  • 4:00 - 4:02
    Manche mögen es wissen,
  • 4:02 - 4:05
    aber es gibt in dieser Kultur tatsächlich
    eine Narzissmus-Epidemie.
  • 4:05 - 4:08
    Wir haben das Narzissmus-Niveau
    unter Collegestudenten verfolgt,
  • 4:08 - 4:10
    über einen Zeitraum von 25 Jahren,
  • 4:10 - 4:13
    es liegt auf dem höchsten
    jemals verzeichneten Niveau.
  • 4:13 - 4:15
    Viele Psychologen glauben,
  • 4:15 - 4:20
    dass dies von der gezielten Förderung von
    Selbstachtung in den Schulen herrührt.
  • 4:22 - 4:24
    Und es gibt eine Menge
    unschöne soziale Dynamiken,
  • 4:24 - 4:28
    die möglicherweise aus dem Bedürfnis
    stammen, sich anderen überlegen zu fühlen,
  • 4:28 - 4:30
    um mit sich zufrieden zu sein.
  • 4:30 - 4:34
    Wir haben auch eine Epidemie
    des Mobbings in unseren Schulen.
  • 4:35 - 4:36
    Warum mobben Kinder?
  • 4:36 - 4:39
    Wieso haben Kinder,
    die gerade ihr Selbst entwickeln,
  • 4:39 - 4:41
    die Neigung, andere zu mobben?
  • 4:41 - 4:44
    Teilweise, weil sie ihre
    Selbstachtung darauf aufbauen,
  • 4:44 - 4:47
    dass sie sich stärker
    und mächtiger erleben
  • 4:47 - 4:49
    als diese anderen Kinder,
    auf denen sie herumhacken.
  • 4:49 - 4:51
    Oder warum haben Menschen Vorurteile?
  • 4:51 - 4:56
    Warum glauben wir, dass unsere religiöse
    oder ethnische Gruppe oder unsere Partei
  • 4:56 - 4:58
    besser ist als die andere Gruppe?
  • 4:58 - 5:01
    Teilweise, um unser eigenes
    Selbstwertempfinden zu erhöhen.
  • 5:03 - 5:09
    Ein weiteres Problem mit der Selbstachtung
    ist ihre Abhängigkeit vom Erfolg.
  • 5:09 - 5:13
    Wir sind nur zufrieden mit uns, wenn wir
    Erfolg in den Lebensbereichen haben,
  • 5:13 - 5:15
    die uns wichtig sind.
  • 5:15 - 5:17
    Aber was geschieht, wenn wir versagen?
  • 5:17 - 5:20
    Was passiert, wenn wir unseren
    Maßstäben nicht genügen können?
  • 5:20 - 5:21
    Wir fühlen uns lausig,
  • 5:21 - 5:23
    uns geht es schlecht mit uns.
  • 5:23 - 5:25
    Und Frauen sind besonders betroffen,
  • 5:25 - 5:29
    denn, was glauben Sie, ist,
    wie die Forschung weltweit zeigt,
  • 5:29 - 5:34
    der wichtigste Bereich, aus dem Frauen
    ihre Selbstachtung beziehen?
  • 5:35 - 5:37
    (Lachen)
  • 5:37 - 5:38
    Richtig.
  • 5:38 - 5:40
    Unsere Wahrnehmung davon,
    wie anziehend wir sind.
  • 5:40 - 5:43
    Die an Frauen gestellten
    Maßstäbe sind so hoch.
  • 5:43 - 5:47
    Wie sollen wir uns überlegen fühlen,
    mit all den Topmodels vor Augen?
  • 5:47 - 5:51
    Und selbst die sind verunsichert, wenn sie
    sich mit anderen Topmodels vergleichen.
  • 5:51 - 5:54
    Es ist sehr interessant,
    dies entwicklungsbezogen zu sehen.
  • 5:54 - 5:58
    In der 3. Klasse denken Jungen wie
    Mädchen, dass sie ziemlich attraktiv sind
  • 5:58 - 6:01
    und beide haben ein ziemlich
    hohes Selbstwertgefühl.
  • 6:01 - 6:04
    Dann zeigt sich für die Jungen,
    etwa zum Ende der 6. Klasse:
  • 6:04 - 6:06
    ja, ich sehe ganz gut aus,
    fühle mich recht wohl.
  • 6:06 - 6:11
    Am Ende der Highschool: ich sehe gut aus,
    fühle mich wohl in meiner Haut.
  • 6:11 - 6:13
    Doch für Mädchen nach der 3. Klasse …
  • 6:13 - 6:16
    geht die Wahrnehmung ihrer Attraktivität
  • 6:16 - 6:20
    und damit ihre Selbstachtung
    in einen Sturzflug.
  • 6:21 - 6:23
    Es beginnt sehr früh.
  • 6:23 - 6:25
    Wie entkommen wir dieser Tretmühle,
  • 6:25 - 6:27
    diesem ständigen Bedürfnis,
  • 6:27 - 6:31
    sich anderen überlegen zu fühlen,
    damit wir uns wohlfühlen können?
  • 6:31 - 6:34
    Hier kommt nun Selbstmitgefühl ins Spiel.
  • 6:34 - 6:38
    Selbstmitgefühl ist nicht,
    dass wir uns selbst positiv bewerten,
  • 6:39 - 6:43
    Selbstmitgefühl ist, dass wir
    mit uns selbst freundlich umgehen
  • 6:43 - 6:48
    und uns so annehmen, wie wir sind:
    mit unseren Schwächen und allem sonst.
  • 6:49 - 6:52
    Tatsächlich definiere ich
    Selbstmitgefühl in meiner Forschung
  • 6:52 - 6:55
    auf der Basis von drei Kernkomponenten.
  • 6:56 - 6:59
    Die erste, könnte man sagen,
    ist die offensichtlichste
  • 6:59 - 7:01
    und ist, uns selbst mit Güte
  • 7:01 - 7:04
    statt mit harschen
    Selbstbewertungen zu behandeln.
  • 7:04 - 7:07
    Uns selbst wie einen
    guten Freund zu behandeln,
  • 7:07 - 7:11
    ermutigend, verständnisvoll,
    einfühlend, geduldig, sanftmütig.
  • 7:12 - 7:15
    Wenn wir aufhören, hinzuspüren,
    wie wir mit uns selbst umgehen,
  • 7:15 - 7:18
    speziell an schlechten Tagen,
    wenn es nicht so gut läuft,
  • 7:18 - 7:24
    verwenden wir häufig eine besonders harte
    und harsche Sprache gegenüber uns selbst.
  • 7:25 - 7:26
    Wir sagen uns selbst Dinge,
  • 7:26 - 7:28
    wie wir sie keinem sagen
    würden, der uns lieb ist.
  • 7:28 - 7:30
    Wir sagen uns selbst Dinge,
  • 7:30 - 7:34
    die wir wahrscheinlich auch niemandem
    sagen würden, den wir nicht so mögen.
  • 7:34 - 7:37
    Oft sind wir uns selbst der größte Feind.
  • 7:37 - 7:40
    Mit Selbstmitgefühl
    kehren wir dieses Muster um
  • 7:40 - 7:43
    und fangen an, uns selbst
    wie gute Freunde zu behandeln.
  • 7:45 - 7:48
    Die zweite Komponente des Selbstmitgefühls
  • 7:48 - 7:50
    ist unsere gemeinsame Menschlichkeit.
  • 7:50 - 7:54
    Wo Selbstachtung fragt: "Wie
    unterscheide ich mich von anderen?",
  • 7:54 - 7:58
    sagt Selbstmitgefühl:
    "Nun, wie gleiche ich anderen?"
  • 7:58 - 8:00
    Und einer der Aspekte,
    in denen wir anderen gleichen --
  • 8:00 - 8:02
    Was heißt es, Mensch zu sein?
  • 8:02 - 8:05
    Ein Mensch zu sein, heißt,
    unvollkommen zu sein.
  • 8:05 - 8:08
    Wir alle, jeder auf dem ganzen Globus,
  • 8:08 - 8:12
    sind, wie auch unser Leben,
    als Menschen unvollkommen.
  • 8:12 - 8:15
    Das ist die gemeinsame
    menschliche Erfahrung.
  • 8:15 - 8:18
    Obgleich irrational, passiert es oft,
  • 8:18 - 8:20
    wenn wir etwa bemerken,
  • 8:20 - 8:22
    ein Ziel nicht erreicht zu haben
    oder im Leben zu kämpfen,
  • 8:22 - 8:26
    dass wir das als "hier läuft
    etwas schief" erleben.
  • 8:26 - 8:28
    "Das ist nicht normal."
    "Das sollte nicht so sein."
  • 8:28 - 8:31
    "Ich sollte meine Ziele nicht verfehlen!"
  • 8:31 - 8:37
    Und es ist dieses Erleben von Abnormität,
    der Trennung von anderen,
  • 8:37 - 8:40
    was psychologisch so schädlich wirkt.
  • 8:40 - 8:42
    Wir machen es so viel schlimmer,
  • 8:42 - 8:45
    wenn wir uns in unserem Leiden und
    unserer Unzulänglichkeit isoliert fühlen,
  • 8:45 - 8:49
    wobei dies doch gerade das ist,
    was uns mit anderen verbindet.
  • 8:51 - 8:56
    Die dritte Komponente des
    Selbstmitgefühls ist Achtsamkeit.
  • 8:56 - 9:01
    Achtsamkeit bedeutet, bei dem zu
    bleiben, was im Moment gegeben ist.
  • 9:01 - 9:05
    Wir brauchen die Fähigkeit, uns dem
    zuzuwenden und wahrzunehmen, anzuerkennen
  • 9:05 - 9:07
    sowie anzunehmen, dass wir leiden,
  • 9:07 - 9:10
    um uns selbst Mitgefühl entgegenzubringen.
  • 9:11 - 9:15
    Tatsächlich sind wir uns oftmals
    unseres Leidens nicht bewusst,
  • 9:15 - 9:20
    speziell, wenn dieses Leiden aus unseren
    harschen Selbstverurteilungen herrührt.
  • 9:20 - 9:22
    Wir verlieren uns in der
    Rolle des Selbstkritikers,
  • 9:22 - 9:27
    sind identifiziert mit jenem Teil
    in uns, der strammsteht und sagt:
  • 9:27 - 9:29
    "Du liegst falsch, du hättest
    es besser machen sollen."
  • 9:29 - 9:32
    Aber wir nehmen den unglaublichen
    Schmerz nicht einmal wahr,
  • 9:32 - 9:33
    den wir uns zufügen.
  • 9:33 - 9:34
    Doch wenn wir nicht merken,
  • 9:34 - 9:37
    was wir uns selbst mit unserer
    harschen Selbstkritik antun,
  • 9:37 - 9:40
    können wir uns nicht das Mitgefühl
    geben, das wir brauchen.
  • 9:41 - 9:43
    Vielleicht fragen Sie:
    "Warum machen wir das?"
  • 9:43 - 9:47
    Selbstkritik ist bekanntermaßen
    schmerzlich. Warum machen wir es dann?
  • 9:47 - 9:48
    Unsere Forschung ergab,
  • 9:48 - 9:51
    dass es viele Gründe hat,
    wenn wir über uns grübeln,
  • 9:51 - 9:52
    doch der wichtigste ist,
  • 9:53 - 9:57
    dass wir glauben, wir bräuchten dies,
    um uns selbst zu motivieren,
  • 9:58 - 10:00
    dass wir, wenn wir zu nett
    mit uns selbst umgingen,
  • 10:00 - 10:03
    zügellos und faul werden würden.
  • 10:05 - 10:09
    Die Frage ist also: Stimmt das?
  • 10:09 - 10:13
    Tatsächlich zeigt die Forschung
    genau das Gegenteil:
  • 10:13 - 10:16
    Wenn wir uns selbst kritisieren,
    untergräbt das unsere Motivation.
  • 10:16 - 10:17
    Hier sind die Gründe:
  • 10:18 - 10:21
    Wenn wir uns selbst kritisieren,
  • 10:21 - 10:24
    dann geraten wir in unser körpereigenes
    System zur Bedrohungsabwehr:
  • 10:24 - 10:26
    das Reptiliengehirn.
  • 10:27 - 10:28
    Dieses System entstand,
  • 10:28 - 10:31
    um bei Bedrohungen unserer
    körperlichen Unversehrtheit
  • 10:31 - 10:33
    Adrenalin und Cortisol freizusetzen
  • 10:33 - 10:36
    und Kampf-Flucht-Reaktionen vorzubereiten.
  • 10:36 - 10:39
    Das System entwickelte sich für
    Bedrohungen körperlicher Art,
  • 10:40 - 10:44
    doch in der heutigen Zeit richten sich
    Bedrohungen nicht auf unser reales Selbst,
  • 10:44 - 10:46
    sondern gegen unser Selbstkonzept.
  • 10:46 - 10:49
    Wenn wir einen Gedanken
    über uns selbst denken,
  • 10:49 - 10:51
    den wir nicht mögen und der
    Unvollkommenheit bedeutet,
  • 10:51 - 10:52
    fühlen wir uns bedroht,
  • 10:52 - 10:57
    und attackieren daher das Problem,
    das heißt, wir attackieren uns selbst.
  • 10:57 - 10:59
    Dieses Kritisieren ist ein Doppelschlag,
  • 10:59 - 11:03
    denn wir sind sowohl
    Angreifer als auch Angegriffene.
  • 11:03 - 11:06
    Sich selbst zu kritisieren,
    setzt viel Cortisol frei.
  • 11:06 - 11:10
    Wenn Sie sich fortlaufend kritisieren,
    haben Sie stets hohe Stresslevel,
  • 11:10 - 11:14
    und schließlich legt sich der Körper,
    um sich selbst zu schützen, still
  • 11:14 - 11:18
    und meldet "ich bin depressiv",
    um mit dem Stress fertigzuwerden.
  • 11:18 - 11:23
    Bekanntlich ist Depression nicht gerade
    der beste motivationale Geisteszustand.
  • 11:24 - 11:25
    Nachvollziehbar?
  • 11:26 - 11:28
    Zum Glück sind wir nicht nur Reptilien,
  • 11:29 - 11:31
    wir sind auch Säuger.
  • 11:34 - 11:36
    Es gibt einen anderen Weg,
    uns sicher zu fühlen,
  • 11:36 - 11:40
    und das ist, das Fürsorgesystem
    der Säugetiere anzuzapfen.
  • 11:40 - 11:43
    Die Säuger zeichnet aus,
    dass sie sehr unreif geboren werden,
  • 11:43 - 11:46
    was bedeutet, dass sich
    ein System herausbilden musste,
  • 11:46 - 11:48
    in dem das Kind dem Wunsch folgt,
  • 11:48 - 11:52
    nahe bei der Mutter
    und in Sicherheit zu bleiben.
  • 11:52 - 11:55
    Dies bedeutet, dass unser Körper
    darauf programmiert ist, auf Wärme,
  • 11:56 - 12:00
    auf sanfte Berührungen
    und Ansprache zu reagieren.
  • 12:00 - 12:03
    Wenn wir uns also Mitgefühl geben,
  • 12:03 - 12:07
    dann reduzieren wir unseren
    Cortisolspiegel, wie die Forschung zeigt,
  • 12:07 - 12:09
    und setzen Oxytocin und Opiate frei,
  • 12:09 - 12:11
    die Wohlfühl-Hormone sind.
  • 12:11 - 12:14
    Wenn wir uns sicher und getröstet erleben,
  • 12:14 - 12:18
    sind wir im optimalen geistigen Zustand,
    um unser Bestes zu geben.
  • 12:19 - 12:21
    Das lässt sich leicht nachvollziehen,
  • 12:21 - 12:25
    wir müssen nur daran denken, wie wir
    unsere Kinder am besten motivieren.
  • 12:25 - 12:27
    Nehmen wir mal einen Vater,
  • 12:27 - 12:32
    dessen Sohn mit einer schlechten
    Note in Mathe aus der Schule kommt.
  • 12:32 - 12:35
    Der Vater hat zwei Möglichkeiten,
    sein Kind zu motivieren.
  • 12:35 - 12:38
    Die erste ist harsche Kritik.
  • 12:39 - 12:41
    Der Sohn kommt rein,
    zeigt dem Vater die Mathenote
  • 12:41 - 12:43
    und der Vater sagt:
  • 12:43 - 12:48
    "Mit dir schämt man sich ja. Du Versager.
    Du wirst es nie zu etwas bringen."
  • 12:48 - 12:51
    Lässt Sie das schaudern?
  • 12:51 - 12:56
    Ist das nicht genau die Sprache,
    die wir uns selbst gegenüber verwenden?
  • 12:56 - 12:59
    Was wird mit diesem Sohn geschehen?
  • 12:59 - 13:02
    Wird er sich mehr bemühen?
    Ja, kurzfristig wird er das machen.
  • 13:02 - 13:06
    Aber schließlich wird er den
    Glauben an sich selbst verlieren.
  • 13:06 - 13:10
    Er wird niedergeschlagen sein,
    Versagensängste entwickeln
  • 13:10 - 13:12
    und Mathe aufgeben,
  • 13:12 - 13:15
    denn die Folgen erneuten Versagens
    sind einfach zu schrecklich.
  • 13:17 - 13:20
    Aber was, wenn der Vater
    einen Weg des Mitgefühls wählt?
  • 13:20 - 13:23
    Der Sohn zeigt ihm die schwache
    Mathenote und der Vater sagt:
  • 13:23 - 13:27
    "Autsch. Das muss dir ziemlich
    wehtun. Das tut mir leid.
  • 13:27 - 13:31
    Komm, lass dich umarmen. Ich lieb'
    dich trotzdem. Das passiert jedem.
  • 13:32 - 13:34
    Ich weiß ja, dass du in Mathe
    besser werden willst,
  • 13:34 - 13:36
    du willst ja aufs College."
  • 13:36 - 13:40
    Mitgefühl sagt Folgendes:
    "Was kann ich tun, um zu helfen?"
  • 13:40 - 13:41
    "Wie kann ich dich unterstützen?"
  • 13:41 - 13:45
    Und je ermutigender, liebevoller
    und mitfühlender der Vater ist,
  • 13:45 - 13:47
    desto besser die emotionale Position,
  • 13:47 - 13:50
    aus der heraus der Sohn
    sein Bestes tun kann.
  • 13:51 - 13:56
    Glücklicherweise wird alles, was ich
    gesagt habe, durch die Forschung gestützt.
  • 13:58 - 14:01
    Insbesondere in den letzten Jahren
    hat es einen raschen Anstieg
  • 14:01 - 14:05
    der Studien zu Selbstmitgefühl gegeben.
  • 14:05 - 14:08
    Die Grundaussage ist eindeutig:
  • 14:08 - 14:12
    Selbstmitgefühl ist sehr mit
    psychischem Wohlbefinden verbunden.
  • 14:12 - 14:15
    Es ist stark mit geringerer Depressivität,
  • 14:15 - 14:19
    mit weniger Ängstlichkeit,
    Stress und Perfektionismus verknüpft.
  • 14:19 - 14:23
    Es ist ebenso stark mit positiven
    Zuständen, wie Glücksempfinden
  • 14:23 - 14:24
    und Lebenszufriedenheit, verbunden.
  • 14:24 - 14:29
    Genauso mit mehr Motivation,
    Bereitschaft zur Selbstverantwortung
  • 14:29 - 14:32
    und Entscheidungen für
    einen gesünderen Lebensstil.
  • 14:32 - 14:36
    Es ist auch mit mehr erlebter
    Verbundenheit zu anderen verknüpft,
  • 14:36 - 14:38
    besseren zwischenmenschlichen Beziehungen.
  • 14:40 - 14:41
    Wir haben auch Forschung gemacht,
  • 14:41 - 14:44
    wo wir Selbstachtung und
    Selbstmitgefühl verglichen haben.
  • 14:44 - 14:46
    Nach unseren Befunden
  • 14:46 - 14:49
    bietet uns Selbstmitgefühl
    die Vorteile von Selbstachtung,
  • 14:49 - 14:51
    ohne deren Nachteile zu haben.
  • 14:51 - 14:53
    Es ist also mit starker
    seelischer Gesundheit verbunden,
  • 14:53 - 14:59
    aber nicht mit Narzissmus,
    fortwährendem sozialen Vergleich
  • 14:59 - 15:01
    oder Aggression zur Verteidigung des Ich.
  • 15:01 - 15:06
    Es erzeugt auch ein deutlich stabileres
    Selbstwerterleben als Selbstachtung,
  • 15:06 - 15:10
    weil es genau dann für uns da ist,
    wenn wir versagen.
  • 15:10 - 15:12
    Gerade wenn Ihre
    Selbstachtung Sie verlässt,
  • 15:12 - 15:17
    greift Selbstmitgefühl und gibt Ihnen
    das Gefühl, wertgeschätzt zu sein,
  • 15:17 - 15:20
    nicht weil Sie Maßstäbe erfüllt haben
    oder sich selbst positiv beurteilen,
  • 15:20 - 15:24
    sondern weil Sie ein Mensch sind,
    der in diesem Moment der Liebe wert ist.
  • 15:25 - 15:29
    Und auch das ist etwas,
    das ich aus meinem Privatleben kenne.
  • 15:30 - 15:33
    Die größte Herausforderung
    in meinem bisherigen Leben war,
  • 15:33 - 15:37
    als bei meinem Sohn Rowan
    Autismus diagnostiziert wurden.
  • 15:37 - 15:39
    Und zum Glück hatte ich damals schon
  • 15:39 - 15:43
    viel Übungserfahrung mit Selbstmitgefühl.
  • 15:43 - 15:46
    Als mir die Diagnose mitgeteilt wurde,
  • 15:46 - 15:48
    fühlte ich zunächst unglaublichen Schmerz.
  • 15:48 - 15:50
    Sogar etwas Scham war dabei.
  • 15:50 - 15:54
    Und es war schwer, das zu fühlen
    und es vor mir selbst zuzugeben.
  • 15:54 - 15:56
    Denn wieso empfinde ich Kummer
  • 15:56 - 15:59
    über dieses Kind, das ich mehr
    als irgendjemanden sonst liebe?
  • 16:00 - 16:03
    Ich hatte also dieses Gefühl und wusste,
  • 16:03 - 16:09
    dass ich es einfach annehmen
    musste, so schwer es auch war.
  • 16:09 - 16:13
    Je mehr ich meinen Kummer annehmen konnte,
    umso schneller wurde ich damit fertig,
  • 16:13 - 16:16
    und umso fähiger war ich,
    mich meinem Sohn zuzuwenden,
  • 16:16 - 16:19
    ihn zu akzeptieren
    und ihn so zu lieben, wie er ist.
  • 16:20 - 16:23
    Es half mir auch unendlich oft
    inmitten heftiger Momente.
  • 16:25 - 16:28
    Sie wissen vielleicht,
    dass autistische Kinder,
  • 16:28 - 16:32
    insbesondere wenn sie jung sind,
    extreme Wutausbrüche zeigen können.
  • 16:33 - 16:36
    Stellen Sie sich vor,
    sie sind im Flieger nach England --
  • 16:36 - 16:39
    es war wirklich so,
    Rowan war vier Jahre alt --
  • 16:40 - 16:42
    keine Ahnung, was ihn aufregte,
  • 16:42 - 16:45
    aber er hatte einen Trotzanfall,
    wie er im Buche steht.
  • 16:45 - 16:47
    Schlägt wild um sich und schreit.
  • 16:48 - 16:53
    Alle im Flieger sehen uns an,
    als ob sie uns den Tod wünschen würden.
  • 16:53 - 16:56
    Er ist vier Jahre alt, sieht normal aus,
    die Leute denken:
  • 16:56 - 16:59
    "Was ist mit diesem Kind?
    Warum führt er sich so auf?
  • 16:59 - 17:02
    Was ist mit der Mutter,
    wieso hat sie ihr Kind nicht im Griff?"
  • 17:02 - 17:05
    Okay, jede Menge Angst.
    Was soll ich nur machen?
  • 17:06 - 17:09
    Aus dem Fenster zu springen,
    war leider keine Option, also --
  • 17:09 - 17:12
    Mir fällt ein, ihn in der
    Toilette zu beruhigen.
  • 17:12 - 17:14
    Vielleicht dämpft es sein Geschrei.
  • 17:14 - 17:18
    Irgendwie bringe ich den Vierjährigen,
    der wild um sich schlägt, also zum WC,
  • 17:18 - 17:20
    das, natürlich, ...
  • 17:20 - 17:22
    besetzt war.
  • 17:22 - 17:23
    (Lachen)
  • 17:23 - 17:27
    Stellen Sie sich also vor, Sie stehen
    auf dem engen Platz vor der WC-Tür
  • 17:28 - 17:30
    mit dem tobenden Kind.
  • 17:30 - 17:35
    Dann wurde mir klar, alles, was jetzt
    noch bleibt, war Selbstmitgefühl.
  • 17:35 - 17:39
    Also legte ich meine Hände über
    mein Herz, versuchte ihn zu trösten,
  • 17:39 - 17:41
    konzentrierte mich aber
    vor allem auf mich.
  • 17:41 - 17:45
    "Das ist echt heftig, Schatz. Es tut mir
    leid, dass du das jetzt durchmachst.
  • 17:45 - 17:46
    Aber ich bin für dich da."
  • 17:46 - 17:49
    Und wissen Sie was?
    Es hat mir durchgeholfen.
  • 17:49 - 17:55
    Indem ich mir erlaubte,
    mir selbst mit offenem Herzen zu begegnen,
  • 17:55 - 17:59
    konnte ich Rowan gegenüber
    ein offenes Herz behalten.
  • 17:59 - 18:03
    Manchmal denken Leute, Selbstmitgefühl
    sei selbstbezogen oder egoistisch.
  • 18:03 - 18:04
    Doch das ist es nicht.
  • 18:04 - 18:07
    Denn je mehr wir unser Herz
    für uns selbst öffnen können,
  • 18:07 - 18:11
    desto mehr haben wir,
    was wir anderen geben können.
  • 18:12 - 18:17
    Ich möchte Sie also einladen, sich selbst
    gegenüber fürsorglich zu werden.
  • 18:17 - 18:20
    Insbesondere als Frauen
    wissen Sie, wie es geht.
  • 18:20 - 18:22
    Wie man ein guter Freund ist.
  • 18:22 - 18:25
    Sie wissen, wie man jemanden
    tröstet, der es braucht.
  • 18:25 - 18:28
    Sie müssen sich nur daran erinnern,
    sich selbst eine gute Freundin zu sein.
  • 18:29 - 18:31
    Es ist leichter, als Sie denken.
  • 18:31 - 18:34
    Es könnte Ihr Leben wirklich verändern.
  • 18:34 - 18:38
    Deshalb ist Selbstmitgefühl etwas,
    das mehr Verbreitung finden sollte.
  • 18:38 - 18:40
    Danke.
  • 18:40 - 18:43
    (Beifall)
Title:
Zwischen Selbstachtung und Selbstmitgefühl | Kristin Neff | TEDxCentennialParkWomen
Description:

In einer Atmosphäre von Liebe und Freundlichkeit spricht Dr. Kristin Neff über Selbstmitgefühl: Wie es Menschen helfen kann, immer positiver zu werden, wie es Leben verändern kann und wie es sich fundamental vom herkömmlichen Konzept der Selbstachtung unterscheidet.

Dieser Vortrag wurde bei einem TEDx-Event gehalten, der dem Format für TED-Konferenzen entspricht, aber eigenständig von einem lokalen Veranstalter organisiert wurde. Erfahren Sie mehr unter http://ted.com/tedx.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDxTalks
Duration:
19:02

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