Zwischen Selbstachtung und Selbstmitgefühl | Kristin Neff | TEDxCentennialParkWomen
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0:14 - 0:19Ich glaube, man könnte mich fast als
Apostel des Selbstmitgefühls bezeichnen. -
0:19 - 0:23Ich liebe es, die gute Nachricht vom
Selbstmitgefühl zu verbreiten. -
0:23 - 0:27In den letzten zehn Jahren
meiner Forschungskarriere -
0:27 - 0:30habe ich den gesundheitlichen Nutzen
von Selbstmitgefühl untersucht -
0:30 - 0:34und seit einiger Zeit
arbeite ich an Interventionen, -
0:34 - 0:38die anderen helfen sollen,
mit sich selbst einfühlsamer zu sein. -
0:39 - 0:43Ich setze mich deshalb so
leidenschaftlich für Selbstmitgefühl ein, -
0:43 - 0:47weil ich dessen Macht im
eigenen Leben erlebt habe. -
0:47 - 0:51Ich habe Selbstmitgefühl im
Jahr 1997 kennengelernt. -
0:51 - 0:55Damals brachte ich gerade meine
Doktorarbeit in Berkeley zu Ende. -
0:55 - 0:58Ich hatte eine wirklich schwere Zeit.
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0:58 - 1:01Ich hatte gerade eine sehr
ungute Scheidung hinter mir, -
1:01 - 1:04empfand viel Scham und
machte mir selbst Vorwürfe. -
1:04 - 1:06Ich erlebte viel Stress.
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1:06 - 1:08Würde ich meinen Doktor
abschließen können? -
1:08 - 1:11Und wenn, würde ich
dann eine Stelle finden? -
1:12 - 1:16So dachte ich, es wäre die richtige Zeit,
um Meditation zu lernen. -
1:16 - 1:19Ich meldete mich bei einer örtlichen
buddhistischen Meditationsgruppe an. -
1:19 - 1:23Am ersten Abend des ersten Kurses
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1:23 - 1:26sprach die Gruppenleiterin
über die Bedeutung von Mitgefühl. -
1:26 - 1:30Mitgefühl nicht nur für andere,
sondern auch für uns selbst, -
1:30 - 1:33wie wichtig es ist, uns selbst in unser
Mitgefühl einzuschließen, -
1:33 - 1:37uns selbst mit der gleichen Güte,
Fürsorge und Betroffenheit zu behandeln, -
1:37 - 1:39mit der wir einen guten Freund behandeln.
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1:39 - 1:43In dem Moment schien es mir,
als ginge mir ein Licht auf. -
1:43 - 1:45Zuerst dachte ich: Wie?
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1:46 - 1:49Du darfst lieb zu dir selbst sein
und das wird ermutigt? -
1:49 - 1:50Aber ich erkannte,
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1:50 - 1:55dass es genau das war, was ich in diesem
schweren Moment meines Lebens brauchte. -
1:55 - 1:56Seit diesem Tag
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1:56 - 2:01habe ich mich gezielt darum bemüht,
mehr Mitgefühl für mich aufzubringen, -
2:01 - 2:04und das machte praktisch
sofort einen Riesenunterschied. -
2:05 - 2:09Und dann bekam ich zum Glück tatsächlich
eine zweijährige Postdoktorandenstelle -
2:09 - 2:12bei einer der führenden Forscherinnen
auf dem Gebiet der Selbstachtung. -
2:12 - 2:16Als ich mit ihr arbeitete, erkannte ich
nach und nach, dass Selbstmitgefühl -
2:16 - 2:20viele Vorteile aufwies,
die Selbstachtung nicht hatte. -
2:21 - 2:25Lassen Sie mich zunächst definieren,
was ich mit Selbstachtung meine. -
2:25 - 2:30Selbstachtung ist eine Gesamtbewertung
des Selbstwerts, also eine Beurteilung: -
2:30 - 2:35"Bin ich eine gute Person
oder bin ich eine schlechte Person?" -
2:35 - 2:38Über viele Jahre sahen
Psychologen Selbstachtung -
2:38 - 2:41als den wichtigsten Indikator
für psychische Gesundheit, -
2:41 - 2:42und dafür gibt es einen Grund.
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2:42 - 2:46Es gibt viel Forschung, die aufzeigt,
dass man bei geringer Selbstachtung, -
2:46 - 2:49wenn man sich selbst hasst,
depressiv werden wird, -
2:49 - 2:51ängstlich werden wird,
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2:51 - 2:54und alle möglichen
psychischen Probleme haben wird. -
2:54 - 2:57Wird es wirklich schlimm,
denkt man eventuell sogar an Suizid. -
2:58 - 3:02Doch hohe Selbstachtung
kann auch problematisch sein. -
3:02 - 3:04Das Problem ist nicht, sie zu haben,
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3:04 - 3:07es geht eher darum, wie man sie bekommt.
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3:08 - 3:10In der amerikanischen Kultur
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3:10 - 3:12(Lachen)
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3:12 - 3:14setzt eine hohe Selbstachtung voraus,
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3:15 - 3:18dass wir uns als etwas Besonderes
und Überdurchschnittliches erleben. -
3:18 - 3:21Würde ich zu Ihnen sagen,
ihre Arbeitsleistung sei -
3:21 - 3:24"Durchschnitt" oder
"Als Mutter Durchschnitt" -
3:24 - 3:27oder würden Sie mir sagen,
der Vortrag war Durchschnitt, -
3:27 - 3:28dann wäre ich ziemlich zerstört.
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3:28 - 3:30Es geht nicht, Durchschnitt zu sein.
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3:30 - 3:32Es gilt als Beleidigung,
Durchschnitt zu sein. -
3:33 - 3:35Was ist problematisch daran?
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3:35 - 3:40Wenn alle von uns gleichzeitig
überdurchschnittlich sein müssen? -
3:40 - 3:44Kommen Ihnen da nicht Worte wie
"logische Unmöglichkeit" in den Sinn? -
3:45 - 3:48Was passiert, wenn alle
überdurchschnittlich sein wollen? -
3:48 - 3:50Als wir mit diesen Spielchen
begonnen haben, -
3:50 - 3:55haben wir plötzlich angefangen,
uns aufzublasen und andere herabzusetzen, -
3:55 - 3:58sodass wir uns anderen
überlegen fühlen können. -
3:58 - 4:00Und manche betreiben das wirklich extrem.
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4:00 - 4:02Manche mögen es wissen,
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4:02 - 4:05aber es gibt in dieser Kultur tatsächlich
eine Narzissmus-Epidemie. -
4:05 - 4:08Wir haben das Narzissmus-Niveau
unter Collegestudenten verfolgt, -
4:08 - 4:10über einen Zeitraum von 25 Jahren,
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4:10 - 4:13es liegt auf dem höchsten
jemals verzeichneten Niveau. -
4:13 - 4:15Viele Psychologen glauben,
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4:15 - 4:20dass dies von der gezielten Förderung von
Selbstachtung in den Schulen herrührt. -
4:22 - 4:24Und es gibt eine Menge
unschöne soziale Dynamiken, -
4:24 - 4:28die möglicherweise aus dem Bedürfnis
stammen, sich anderen überlegen zu fühlen, -
4:28 - 4:30um mit sich zufrieden zu sein.
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4:30 - 4:34Wir haben auch eine Epidemie
des Mobbings in unseren Schulen. -
4:35 - 4:36Warum mobben Kinder?
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4:36 - 4:39Wieso haben Kinder,
die gerade ihr Selbst entwickeln, -
4:39 - 4:41die Neigung, andere zu mobben?
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4:41 - 4:44Teilweise, weil sie ihre
Selbstachtung darauf aufbauen, -
4:44 - 4:47dass sie sich stärker
und mächtiger erleben -
4:47 - 4:49als diese anderen Kinder,
auf denen sie herumhacken. -
4:49 - 4:51Oder warum haben Menschen Vorurteile?
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4:51 - 4:56Warum glauben wir, dass unsere religiöse
oder ethnische Gruppe oder unsere Partei -
4:56 - 4:58besser ist als die andere Gruppe?
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4:58 - 5:01Teilweise, um unser eigenes
Selbstwertempfinden zu erhöhen. -
5:03 - 5:09Ein weiteres Problem mit der Selbstachtung
ist ihre Abhängigkeit vom Erfolg. -
5:09 - 5:13Wir sind nur zufrieden mit uns, wenn wir
Erfolg in den Lebensbereichen haben, -
5:13 - 5:15die uns wichtig sind.
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5:15 - 5:17Aber was geschieht, wenn wir versagen?
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5:17 - 5:20Was passiert, wenn wir unseren
Maßstäben nicht genügen können? -
5:20 - 5:21Wir fühlen uns lausig,
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5:21 - 5:23uns geht es schlecht mit uns.
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5:23 - 5:25Und Frauen sind besonders betroffen,
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5:25 - 5:29denn, was glauben Sie, ist,
wie die Forschung weltweit zeigt, -
5:29 - 5:34der wichtigste Bereich, aus dem Frauen
ihre Selbstachtung beziehen? -
5:35 - 5:37(Lachen)
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5:37 - 5:38Richtig.
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5:38 - 5:40Unsere Wahrnehmung davon,
wie anziehend wir sind. -
5:40 - 5:43Die an Frauen gestellten
Maßstäbe sind so hoch. -
5:43 - 5:47Wie sollen wir uns überlegen fühlen,
mit all den Topmodels vor Augen? -
5:47 - 5:51Und selbst die sind verunsichert, wenn sie
sich mit anderen Topmodels vergleichen. -
5:51 - 5:54Es ist sehr interessant,
dies entwicklungsbezogen zu sehen. -
5:54 - 5:58In der 3. Klasse denken Jungen wie
Mädchen, dass sie ziemlich attraktiv sind -
5:58 - 6:01und beide haben ein ziemlich
hohes Selbstwertgefühl. -
6:01 - 6:04Dann zeigt sich für die Jungen,
etwa zum Ende der 6. Klasse: -
6:04 - 6:06ja, ich sehe ganz gut aus,
fühle mich recht wohl. -
6:06 - 6:11Am Ende der Highschool: ich sehe gut aus,
fühle mich wohl in meiner Haut. -
6:11 - 6:13Doch für Mädchen nach der 3. Klasse …
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6:13 - 6:16geht die Wahrnehmung ihrer Attraktivität
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6:16 - 6:20und damit ihre Selbstachtung
in einen Sturzflug. -
6:21 - 6:23Es beginnt sehr früh.
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6:23 - 6:25Wie entkommen wir dieser Tretmühle,
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6:25 - 6:27diesem ständigen Bedürfnis,
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6:27 - 6:31sich anderen überlegen zu fühlen,
damit wir uns wohlfühlen können? -
6:31 - 6:34Hier kommt nun Selbstmitgefühl ins Spiel.
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6:34 - 6:38Selbstmitgefühl ist nicht,
dass wir uns selbst positiv bewerten, -
6:39 - 6:43Selbstmitgefühl ist, dass wir
mit uns selbst freundlich umgehen -
6:43 - 6:48und uns so annehmen, wie wir sind:
mit unseren Schwächen und allem sonst. -
6:49 - 6:52Tatsächlich definiere ich
Selbstmitgefühl in meiner Forschung -
6:52 - 6:55auf der Basis von drei Kernkomponenten.
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6:56 - 6:59Die erste, könnte man sagen,
ist die offensichtlichste -
6:59 - 7:01und ist, uns selbst mit Güte
-
7:01 - 7:04statt mit harschen
Selbstbewertungen zu behandeln. -
7:04 - 7:07Uns selbst wie einen
guten Freund zu behandeln, -
7:07 - 7:11ermutigend, verständnisvoll,
einfühlend, geduldig, sanftmütig. -
7:12 - 7:15Wenn wir innehalten und merken,
wie wir mit uns selbst umgehen, -
7:15 - 7:18besonders an schlechten Tagen,
wenn es nicht so gut läuft. -
7:18 - 7:24Wir verwenden häufig eine besonders harte
und harsche Sprache gegenüber uns selbst. -
7:25 - 7:26Wir sagen uns selbst Dinge,
-
7:26 - 7:28wie wir sie keinem sagen
würden, der uns lieb ist. -
7:28 - 7:30Wir sagen uns selbst Dinge,
-
7:30 - 7:34die wir wahrscheinlich auch niemandem
sagen würden, den wir nicht so mögen. -
7:34 - 7:37Oft sind wir uns selbst der größte Feind.
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7:37 - 7:40Mit Selbstmitgefühl
kehren wir dieses Muster um -
7:40 - 7:43und fangen an, uns selbst
wie gute Freunde zu behandeln. -
7:45 - 7:48Die zweite Komponente des Selbstmitgefühls
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7:48 - 7:50ist unsere gemeinsame Menschlichkeit.
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7:50 - 7:54Wo Selbstachtung fragt: "Wie
unterscheide ich mich von anderen?", -
7:54 - 7:58sagt Selbstmitgefühl:
"Nun, wie gleiche ich anderen?" -
7:58 - 8:00Und einer der Aspekte,
in denen wir anderen gleichen --. -
8:00 - 8:02Was heißt es, Mensch zu sein?
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8:02 - 8:05Ein Mensch zu sein, heißt,
unvollkommen zu sein. -
8:05 - 8:08Wir alle, jeder auf dem ganzen Globus,
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8:08 - 8:12wir sind unvollkommen,
unser Leben ist unvollkommen. -
8:12 - 8:15Diese Erfahrung teilen wir
mit allen Menschen. -
8:15 - 8:18Obgleich irrational, passiert es oft,
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8:18 - 8:20wenn wir etwa bemerken,
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8:20 - 8:22ein Ziel nicht erreicht zu haben
oder im Leben zu kämpfen, -
8:22 - 8:26dass wir das als "hier läuft
etwas schief" erleben. -
8:26 - 8:28"Das ist nicht normal",
"Das sollte nicht so sein", -
8:28 - 8:31"Ich sollte meine Ziele nicht verfehlen."
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8:31 - 8:37Und es ist dieses Erleben von Abnormität,
der Trennung von anderen, -
8:37 - 8:40was psychologisch so schädlich wirkt.
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8:40 - 8:42Wir machen es so viel schlimmer,
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8:42 - 8:45wenn wir uns in unserem Leiden und
unserer Unzulänglichkeit isoliert fühlen, -
8:45 - 8:49wobei dies doch gerade das ist,
was uns mit anderen verbindet. -
8:51 - 8:56Die dritte Komponente des
Selbstmitgefühls ist Achtsamkeit. -
8:56 - 9:01Achtsamkeit bedeutet,
im gegenwärtigen Moment zu sein. -
9:01 - 9:05Wir brauchen die Fähigkeit, uns dem
zuzuwenden und wahrzunehmen, anzuerkennen -
9:05 - 9:07sowie anzunehmen, dass wir leiden,
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9:07 - 9:10um uns selbst Mitgefühl entgegenzubringen.
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9:11 - 9:15Tatsächlich sind wir uns oftmals
unseres Leidens nicht bewusst, -
9:15 - 9:20speziell, wenn dieses Leiden aus unseren
harschen Selbstverurteilungen herrührt. -
9:20 - 9:22Wir verlieren uns in der
Rolle des Selbstkritikers, -
9:22 - 9:27sind identifiziert mit jenem Teil
in uns, der strammsteht und sagt: -
9:27 - 9:29"Du liegst falsch, du hättest
es besser machen sollen." -
9:29 - 9:32Aber wir nehmen den unglaublichen
Schmerz nicht einmal wahr, -
9:32 - 9:33den wir uns zufügen.
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9:33 - 9:34Doch wenn wir nicht merken,
-
9:34 - 9:37was wir uns selbst mit unserer
harschen Selbstkritik antun, -
9:37 - 9:40können wir uns nicht das Mitgefühl
geben, das wir brauchen. -
9:41 - 9:43Vielleicht fragen Sie:
"Warum machen wir das?" -
9:43 - 9:47Selbstkritik ist bekanntermaßen
schmerzlich. Warum machen wir es dann? -
9:47 - 9:48Unsere Forschung ergab,
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9:48 - 9:51dass wir aus vielen Gründen
über uns grübeln, -
9:51 - 9:52doch der wichtigste ist,
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9:53 - 9:57dass wir glauben, wir bräuchten dies,
um uns selbst zu motivieren, -
9:58 - 10:00dass wir, wenn wir zu nett
mit uns selbst umgingen, -
10:00 - 10:03zügellos und faul werden würden.
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10:05 - 10:09Die Frage ist also: Stimmt das?
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10:09 - 10:13Tatsächlich zeigt die Forschung
genau das Gegenteil: -
10:13 - 10:16Wenn wir uns selbst kritisieren,
untergräbt das unsere Motivation. -
10:16 - 10:17Hier sind die Gründe:
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10:18 - 10:21Wenn wir uns selbst kritisieren,
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10:21 - 10:24dann geraten wir in unser körpereigenes
System zur Bedrohungsabwehr: -
10:24 - 10:26das Reptiliengehirn.
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10:27 - 10:28Dieses System entstand,
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10:28 - 10:31um bei Bedrohungen unserer
körperlichen Unversehrtheit -
10:31 - 10:33Adrenalin und Cortisol freizusetzen
-
10:33 - 10:36und Kampf-Flucht-Reaktionen vorzubereiten.
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10:36 - 10:39Das System entwickelte sich für
Bedrohungen körperlicher Art, -
10:40 - 10:44doch in der heutigen Zeit richten sich
Bedrohungen nicht auf unser reales Selbst, -
10:44 - 10:46sondern gegen unser Selbstkonzept.
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10:46 - 10:49Wenn wir einen Gedanken
über uns selbst denken, -
10:49 - 10:51den wir nicht mögen und der
Unvollkommenheit bedeutet, -
10:51 - 10:52fühlen wir uns bedroht,
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10:52 - 10:57und attackieren daher das Problem,
das heißt, wir attackieren uns selbst. -
10:57 - 10:59Dieses Kritisieren ist ein Doppelschlag,
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10:59 - 11:03denn wir sind sowohl
Angreifer als auch Angegriffene. -
11:03 - 11:06Sich selbst zu kritisieren,
setzt viel Cortisol frei. -
11:06 - 11:10Wenn Sie sich fortlaufend kritisieren,
haben Sie stets hohe Stresslevel, -
11:10 - 11:14und schließlich legt sich der Körper,
um sich selbst zu schützen, still -
11:14 - 11:18und meldet "ich bin depressiv",
um mit dem Stress fertigzuwerden. -
11:18 - 11:23Bekanntlich ist Depression nicht gerade
der beste motivationale Geisteszustand. -
11:24 - 11:25Nachvollziehbar?
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11:26 - 11:28Zum Glück sind wir nicht nur Reptilien,
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11:29 - 11:31wir sind auch Säuger.
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11:34 - 11:36Es gibt einen anderen Weg,
uns sicher zu fühlen, -
11:36 - 11:40und das ist, das Fürsorgesystem
der Säugetiere anzuzapfen. -
11:40 - 11:43Die Säuger zeichnet aus,
dass sie sehr unreif geboren werden, -
11:43 - 11:46was bedeutet, dass sich
ein System herausbilden musste, -
11:46 - 11:48in dem das Kind dem Wunsch folgt,
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11:48 - 11:52nahe bei der Mutter
und in Sicherheit zu bleiben. -
11:52 - 11:55Dies bedeutet, dass unser Körper
darauf programmiert ist, auf Wärme, -
11:56 - 12:00auf sanfte Berührungen
und Ansprache zu reagieren. -
12:00 - 12:03Wenn wir uns also Mitgefühl geben,
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12:03 - 12:07dann reduzieren wir unseren
Cortisolspiegel, wie die Forschung zeigt, -
12:07 - 12:09und setzen Oxytocin und Opiate frei,
-
12:09 - 12:11die Wohlfühl-Hormone sind.
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12:11 - 12:14Wenn wir uns sicher und getröstet erleben,
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12:14 - 12:18sind wir im optimalen geistigen Zustand,
um unser Bestes zu geben. -
12:19 - 12:21Das lässt sich leicht nachvollziehen,
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12:21 - 12:25wir müssen nur daran denken, wie wir
unsere Kinder am besten motivieren. -
12:25 - 12:27Nehmen wir mal einen Vater,
-
12:27 - 12:32dessen Sohn mit einer schlechten
Note in Mathe aus der Schule kommt. -
12:32 - 12:35Der Vater hat zwei Möglichkeiten,
sein Kind zu motivieren. -
12:35 - 12:38Die erste ist harsche Kritik.
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12:39 - 12:41Der Sohn kommt rein,
zeigt dem Vater die Mathenote -
12:41 - 12:43und der Vater sagt:
-
12:43 - 12:48"Mit dir schämt man sich ja. Du Versager.
Du wirst es nie zu etwas bringen." -
12:48 - 12:51Lässt Sie das schaudern?
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12:51 - 12:56Ist das nicht genau die Sprache,
die wir uns selbst gegenüber verwenden? -
12:56 - 12:59Was wird mit diesem Sohn geschehen?
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12:59 - 13:02Wird er sich mehr bemühen?
Ja, kurzfristig wird er das machen. -
13:02 - 13:06Aber schließlich wird er den
Glauben an sich selbst verlieren. -
13:06 - 13:10Er wird niedergeschlagen sein,
Versagensängste entwickeln -
13:10 - 13:12und Mathe aufgeben,
-
13:12 - 13:15denn die Folgen erneuten Versagens
sind einfach zu schrecklich. -
13:17 - 13:20Aber was, wenn der Vater
einen Weg des Mitgefühls wählt? -
13:20 - 13:23Der Sohn zeigt ihm die schwache
Mathenote und der Vater sagt: -
13:23 - 13:27"Autsch. Das muss dir ziemlich
wehtun. Das tut mir leid. -
13:27 - 13:31Komm, lass dich umarmen. Ich lieb'
dich trotzdem. Das passiert jedem. -
13:32 - 13:34Ich weiß ja, dass du in Mathe
besser werden willst, -
13:34 - 13:36du willst ja aufs College."
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13:36 - 13:40Mitgefühl sagt Folgendes:
"Was kann ich tun, um zu helfen?" -
13:40 - 13:41"Wie kann ich dich unterstützen?"
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13:41 - 13:45Und je ermutigender, liebevoller
und mitfühlender der Vater ist, -
13:45 - 13:47desto besser die emotionale Position,
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13:47 - 13:50aus der heraus der Sohn
sein Bestes tun kann. -
13:51 - 13:56Glücklicherweise wird alles, was ich
gesagt habe, durch die Forschung gestützt. -
13:58 - 14:01Insbesondere in den letzten Jahren
hat es einen raschen Anstieg -
14:01 - 14:05der Studien zu Selbstmitgefühl gegeben.
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14:05 - 14:08Die Grundaussage ist eindeutig:
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14:08 - 14:12Selbstmitgefühl ist sehr mit
psychischem Wohlbefinden verbunden. -
14:12 - 14:15Es ist stark mit geringerer Depressivität,
-
14:15 - 14:19mit weniger Ängstlichkeit,
Stress und Perfektionismus verknüpft. -
14:19 - 14:23Es ist ebenso stark mit positiven
Zuständen, wie Glücksempfinden -
14:23 - 14:24und Lebenszufriedenheit, verbunden.
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14:24 - 14:29Genauso mit mehr Motivation,
Bereitschaft zur Selbstverantwortung -
14:29 - 14:32und Entscheidungen für
einen gesünderen Lebensstil. -
14:32 - 14:36Es ist auch mit mehr erlebter
Verbundenheit zu anderen verknüpft, -
14:36 - 14:38besseren zwischenmenschlichen Beziehungen.
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14:40 - 14:41Wir haben auch Studien gemacht,
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14:41 - 14:44in denen wir Selbstachtung und
Selbstmitgefühl verglichen haben. -
14:44 - 14:46Nach unseren Befunden
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14:46 - 14:49bietet uns Selbstmitgefühl
die Vorteile von Selbstachtung, -
14:49 - 14:51ohne deren Nachteile zu haben.
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14:51 - 14:53Es ist also mit starker
seelischer Gesundheit verbunden, -
14:53 - 14:59aber nicht mit Narzissmus,
fortwährendem sozialen Vergleich -
14:59 - 15:01oder Aggression zur Verteidigung des Ich.
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15:01 - 15:06Es erzeugt auch ein deutlich stabileres
Selbstwerterleben als Selbstachtung, -
15:06 - 15:10weil es genau dann für uns da ist,
wenn wir versagen. -
15:10 - 15:12Gerade wenn Ihre
Selbstachtung Sie verlässt, -
15:12 - 15:17greift Selbstmitgefühl und gibt Ihnen
das Gefühl, wertgeschätzt zu sein, -
15:17 - 15:20nicht weil Sie Maßstäbe erfüllt haben
oder sich selbst positiv beurteilen, -
15:20 - 15:24sondern weil Sie ein Mensch sind,
der in diesem Moment der Liebe wert ist. -
15:25 - 15:29Und auch das ist etwas,
das ich aus meinem Privatleben kenne. -
15:30 - 15:33Die größte Herausforderung
in meinem bisherigen Leben war, -
15:33 - 15:37als bei meinem Sohn Rowan
Autismus diagnostiziert wurden. -
15:37 - 15:39Und zum Glück hatte ich damals schon
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15:39 - 15:43viel Übungserfahrung mit Selbstmitgefühl.
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15:43 - 15:46Als mir die Diagnose mitgeteilt wurde,
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15:46 - 15:48fühlte ich zunächst unglaublichen Schmerz.
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15:48 - 15:50Sogar etwas Scham war dabei.
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15:50 - 15:54Und es war schwer, das zu fühlen
und es vor mir selbst zuzugeben. -
15:54 - 15:56Denn wieso empfinde ich Kummer
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15:56 - 15:59über dieses Kind, das ich mehr
als irgendjemanden sonst liebe? -
16:00 - 16:03Ich hatte also dieses Gefühl und wusste,
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16:03 - 16:09dass ich es einfach annehmen
musste, so schwer es auch war. -
16:09 - 16:13Je mehr ich meinen Kummer annehmen konnte,
umso schneller wurde ich damit fertig, -
16:13 - 16:16und umso fähiger war ich,
mich meinem Sohn zuzuwenden, -
16:16 - 16:19ihn zu akzeptieren
und ihn so zu lieben, wie er ist. -
16:20 - 16:23Es half mir auch unendlich oft
inmitten heftiger Momente. -
16:25 - 16:28Sie wissen vielleicht,
dass autistische Kinder, -
16:28 - 16:32insbesondere wenn sie jung sind,
extreme Wutausbrüche zeigen können. -
16:33 - 16:36Stellen Sie sich vor,
sie sind im Flieger nach England -- -
16:36 - 16:39es war wirklich so,
Rowan war vier Jahre alt -- -
16:40 - 16:42keine Ahnung, was ihn aufregte,
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16:42 - 16:45aber er hatte einen Trotzanfall,
wie er im Buche steht. -
16:45 - 16:47Schlägt wild um sich und schreit.
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16:48 - 16:53Alle im Flieger sehen uns an,
als ob sie uns den Tod wünschen würden. -
16:53 - 16:56Er ist vier Jahre alt, sieht normal aus,
die Leute denken: -
16:56 - 16:59"Was ist mit diesem Kind?
Warum führt er sich so auf? -
16:59 - 17:02Was ist mit der Mutter,
wieso hat sie ihr Kind nicht im Griff?" -
17:02 - 17:05Okay, jede Menge Angst.
Was soll ich nur machen? -
17:06 - 17:09Aus dem Fenster zu springen,
war leider keine Option, also -- -
17:09 - 17:12Mir fällt ein, ihn in der
Toilette zu beruhigen. -
17:12 - 17:14Vielleicht dämpft es sein Geschrei.
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17:14 - 17:18Irgendwie bringe ich den Vierjährigen,
der wild um sich schlägt, also zum WC, -
17:18 - 17:20das, natürlich, ...
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17:20 - 17:22besetzt war.
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17:22 - 17:23(Lachen)
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17:23 - 17:27Stellen Sie sich also vor, Sie stehen
auf dem engen Platz vor der WC-Tür -
17:28 - 17:30mit dem tobenden Kind.
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17:30 - 17:35Dann wurde mir klar, alles, was jetzt
noch bleibt, war Selbstmitgefühl. -
17:35 - 17:39Also legte ich meine Hände über
mein Herz, versuchte ihn zu trösten, -
17:39 - 17:41konzentrierte mich aber
vor allem auf mich. -
17:41 - 17:45"Das ist echt heftig, Schatz. Es tut mir
leid, dass du das jetzt durchmachst. -
17:45 - 17:46Aber ich bin für dich da."
-
17:46 - 17:49Und wissen Sie was?
Es hat mir durchgeholfen. -
17:49 - 17:55Indem ich mir erlaubte,
mir selbst mit offenem Herzen zu begegnen, -
17:55 - 17:59konnte ich Rowan gegenüber
ein offenes Herz behalten. -
17:59 - 18:03Manchmal denken Leute, Selbstmitgefühl
sei selbstbezogen oder egoistisch. -
18:03 - 18:04Doch das ist es nicht.
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18:04 - 18:07Denn je mehr wir unser Herz
für uns selbst öffnen können, -
18:07 - 18:11desto mehr haben wir,
was wir anderen geben können. -
18:12 - 18:17Ich möchte Sie also einladen, sich selbst
gegenüber fürsorglich zu werden. -
18:17 - 18:20Insbesondere als Frauen
wissen Sie, wie es geht. -
18:20 - 18:22Wie man ein guter Freund ist.
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18:22 - 18:25Sie wissen, wie man jemanden
tröstet, der es braucht. -
18:25 - 18:28Sie müssen sich nur daran erinnern,
sich selbst eine gute Freundin zu sein. -
18:29 - 18:31Es ist leichter, als Sie denken.
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18:31 - 18:34Es könnte Ihr Leben wirklich verändern.
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18:34 - 18:38Deshalb ist Selbstmitgefühl etwas,
das mehr Verbreitung finden sollte. -
18:38 - 18:40Danke.
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18:40 - 18:43(Beifall)
- Title:
- Zwischen Selbstachtung und Selbstmitgefühl | Kristin Neff | TEDxCentennialParkWomen
- Description:
-
In einer Atmosphäre von Liebe und Freundlichkeit spricht Dr. Kristin Neff über Selbstmitgefühl: Wie es Menschen helfen kann, immer positiver zu werden, wie es Leben verändern kann und wie es sich fundamental vom herkömmlichen Konzept der Selbstachtung unterscheidet.
Dieser Vortrag wurde bei einem TEDx-Event gehalten, der dem Format für TED-Konferenzen entspricht, aber eigenständig von einem lokalen Veranstalter organisiert wurde. Erfahren Sie mehr unter http://ted.com/tedx.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDxTalks
- Duration:
- 19:02