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36C3 Vorspannmusik
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Herald-Engel: Willkommen zu unserem
nächsten Vortrag. Der Titel ist:
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Das Mauern muss weg! Best of
Informationsfreiheit. Warum dank des
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Informationsfreiheitsgesetzes noch
Hoffnung besteht und wann das
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Zensurheberrecht abgeschafft wird. Dies
und die Highlights aus Frag den Staat 2019
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wird uns Arne Semsrott rüberbringen. Er
ist der Projektleiter von Frag den Staat,
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einem Projekt der Open Knowledge
Foundation und außerdem einer der Autoren
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bei netzpolitik.org. Bitte begrüßt ihn mit
einem herzlichen Applaus.
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Applaus
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Arne: Hallo, hallo? Schauen wir mal, wie
lange dieses Video hiervon auf YouTube
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bleibt. Los gehts!
Star Wars Jingle
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Windu: Die dunkle Seite der Macht umgibt
den Kanzler.
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Yoda: Mhm, die dunkle Seite alles sie vor
uns verbirgt.
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Rey: Was für ein Kampf denn?
Maz: Der einzige von Bedeutung gegen die
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dunkle Seite
Keylo: Ich zeige euch die dunkle Seite.
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Applaus
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Arne: Wir reden bei diesem Kongress
über Ressourcen, wir reden über
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Ressourcenmangel und damit
zusammenhängend natürlich über
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die ungleiche Verteilung von Ressourcen.
Und wenn wir uns die politische Landschaft
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in Deutschland anschauen,
dann, glaube ich, haben wir ein
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sehr krasses Ungleichgewicht in der
Verteilung von Ressourcen und in der
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Verteilung von Macht, in der Verteilung
von Möglichkeiten Einfluss zu nehmen auf
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politische Entscheidungen. Und wenn wir
uns die Exekutive anschauen – also die
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Verwaltung, die Regierung in Deutschland –
dann sehen wir, dass die in den letzten
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Jahren wahnsinnig an Ressourcen gewonnen
hat und das zur Ungleichheit der
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Parlamente, der Judikative. Also die
anderen Gewalten im Staate ächzen unter
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der Masse der Verfahren, die Gerichte zum
Beispiel, während die Exekutive immer
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weiter an Macht gewinnt. Und wenn man sich
das Bundeskabinett, also die Exekutive auf
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Bundesebene mal anschaut, sehen wir dass
eigentlich in den letzten Jahren sich
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wahnsinnig wenig getan hat. Der
Innenminister ist immer noch Seehofer.
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Applaus
Letztes Jahr 69. Geburtstag gehabt, hat
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sich darüber gefreut, dass 69 Leute an
seinem Geburtstag abgeschoben wurden.
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Einer ist kurz darauf gestorben. Horst
Seehofer ist immer noch im Amt. Oder:
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Andreas Scheuer ist immer noch
Verkehrsminister.
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Applaus
Hat hunderte Millionen Euro Steuergeld
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verbraten, ist immer noch im Amt. Oder:
Sie. Angeblich Umweltministerin? Ich weiß
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ja nicht, wie es euch geht, aber:
Klimakrise? Eigentlich müsste man was aus
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dem Umweltministerium hören. Ich bin mir
nicht sicher, vielleicht ist das einfach
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nur Fiktion, und die gibt's nicht
wirklich. Wenn wir uns die
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Bundesministerien anschauen und die
Ressourcen uns anschauen, können wir
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allein schon mit Blick auf die
Organigramme, die internen Strukturen
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sehen, wie sie gewachsen sind. Das ist das
Innenministerium vor 20 Jahren. Das ist es
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jetzt. Vor 20 Jahren so. Jetzt so. Damals
4 Staatssekretäre, jetzt 8. Wir sehen,
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dass das auch dazu führt, dass die
Exekutive sich anders verhält gegenüber
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anderen Gewalten im Staate, also gegenüber
den Parlamenten, gegenüber der Justiz. Wir
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sehen zum Beispiel, dass das
Innenministerium solche Kampagnen fährt,
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um Leute davon abzuhalten, in Deutschland
zu bleiben. Und wir sehen, dass da noch
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ein paar Tricks mit dabei sind. Wir haben
dieses Jahr ein paar Dokumente
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veröffentlicht, dazu, interne Konzepte zu
dieser abscheulichen Kampagne, in der zum
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Beispiel drinstand, dass das
Innenministerium einen Politikeransatz
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gebucht hat. Was heißt das? Die haben
nicht nur einfach plakatiert im
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Innenstadtbereich von verschiedenen
Städten, sondern gezielt Orte angewählt,
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wo Politiker arbeiten, vor Ministerien,
vor dem Parlament, haben sie plakatiert,
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sind also selbst zum politischen Akteur
geworden. Und nicht nur das. Es gab eine
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Kleine Anfrage im Bundestag dazu. Was hat
das Innenministerium gemacht? Hat einfach
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geleugnet, dass es das gemacht hat. Das
heißt, nicht nur wird das Innenministerium
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hier zum politischen Akteur, es belügt
auch noch die Legislative. Oder das hier:
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Das Innenministerium geht inzwischen dazu
über, schon eigene Gesetze zu schreiben.
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Im Bereich des Wahlrechts, eigentlich
ja traditionell etwas, was die
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Parlamente machen. Aber in diesem Fall die
Änderung des Europawahlrechts will jetzt
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das Innenministerium mitbestimmen, will
außerdem den Gesetzentwurf, den sie dazu
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geschrieben haben, nicht herausgeben.
Deswegen haben wir sie verklagt. Wir sehen
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es im Kleineren auch in der Frage, wie
sich das Innenministerium vor Gericht
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verhält. Wir hatten dieses Jahr ein paar
Verfahren gegen das Innenministerium und
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das war ganz interessant, wie die so
argumentiert haben. In einem Fall haben
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sie über mich geschrieben, ich sei nicht
Journalist, sondern nur Blogger. Warum?
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Weil ich als Journalist, wenn ich so
gewertet werde, mehr Auskunftsrechte habe.
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Da sagt das Innenministerium: Bin ich
nicht. Paar Wochen später, anderes
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Verfahren. Das Innenministerium sagt, der
Kläger als freier Journalist, das bin ich,
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hat ein wirtschaftliches Interesse, muss
mehr Gebühren zahlen. Das heißt eine ganz
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interessante Frage: Wer setzt sich hier
durch? Das Innenministerium oder das
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Innenministerium? Ich setz aufs
Innenministerium.
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Applaus
Oder das: Gerichte ordnen an, dass Leute
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nicht abgeschoben werden dürfen, die
Exekutive setzt sich darüber hinweg,
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ignoriert einfach Gerichtsurteile. Oder:
Die Gerichte ordnen an, dass Fahrverbote
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angeordnet werden müssen. Und die Politik?
Die setzt das nicht um. Deswegen
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vielleicht 2020, das Jahr, in dem Markus
Söder in Haft kommt. Wer weiß?
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Applaus
Übrigens aber nicht nur Söder, sondern
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auch der Ministerpräsident von Baden-
Württemberg, den betrifft das auch.
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Kretschmann, wer den nicht kennt, das ist
der Ministerpräsident der CDU.
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Gelächter und Applaus
Angesichts dieses Machtzuwachses,
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angesichts dieses veränderten
Machtgleichgewichts, glaube ich, müssen
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wir nach mehr Mitteln suchen, wie wir
tatsächlich noch auf Augenhöhe mit dem
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Staat agieren können. Ich glaube, das
Informationsfreiheitsgesetz bietet eine
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solche Möglichkeit zumindest im Kleinen,
weil man selbst entscheiden kann, wann man
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angreift. Man kann selbst Informationen
anfragen und alles, was eine Behörde tun
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kann, ist, den Status quo zu verteidigen.
Darüber hinaus kann man aber vor Gericht
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ziehen, und vor Gericht zählt – zumindest
idealerweise – das bessere Argument. Und
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es ist kein Zufall, dass Tony Blair in
seiner Autobiografie über das britische
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Informationsfreiheitsgesetz geschrieben
hat, dass das die schlechteste
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Entscheidung seiner Amtszeit war, das
einzuführen. Also nicht etwa der Irak-
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Krieg, sondern die Einführung des
britischen Informationsfreiheitsgesetzes.
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Und es ist auch kein Wunder, dass die
progressiven Gesetze in diesem Bereich
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nicht aus der Verwaltung selbst kommen,
sondern aus anderen Bereichen wie zum
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Beispiel in Hamburg. Das
Transparenzgesetz, das vom CCC mit
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initiiert eingeführt wurde. Das haben wir
uns dieses Jahr zum Vorbild genommen in
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Berlin, haben ein Volksbegehren gestartet
für ein Transparenzgesetz in einem Bündnis
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mit knapp 40 Organisationen – der
CCC gehört auch dazu –, wo wir ein
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Transparenzgesetz geschrieben haben, ein
eigenes Gesetz, das so progressiv ist, wie
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es sein kann heutzutage, um mal
klarzumachen, wie denn eigentlich eine
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Transparenz-Gesetzgebung aussehen sollte.
Nicht nur das. Wir haben über 30.000
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Unterschriften dafür gesammelt, sodass
jetzt der Senat wirklich ganz formell
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prüfen muss, ob sie dieses Gesetz
übernehmen. Entweder sie machen das, oder
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sie machen’s nicht. Wenn sie’s nicht
tun, sammeln wir im nächsten Schritt
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170.000 Unterschriften. Dann gibt’s eine
Volksabstimmung. Und das Transparenzgesetz
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in Berlin kommt auf jeden Fall.
Applaus
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Was hat sich noch getan?
Transparenzgesetze gibt es jetzt immer ein
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paar mehr. In Thüringen gibt es jetzt ein
sogenanntes Transparenzgesetz. Das wird so
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genannt, ist leider aber nicht so wirklich
eins. Aber wie auch immer, es geht voran.
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Sachsen will tatsächlich im kommenden Jahr
sich auch ein Transparenzgesetz geben. Und
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dann gäbe es tatsächlich nur noch zwei
Bundesländer ohne irgendein Gesetz zum
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Informationszugang. Und wenn wir uns das
in Europa noch einmal anschauen, macht das
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nochmal sehr deutlich, was das bedeutet.
In Deutschland, Sachsen, Niedersachsen und
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Bayern ohne Informationsfreiheitsgesetz.
Auf Europa-Ebene sind es Weißrussland und
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Österreich. Das heißt, ein Regime, das
sich in letzter Zeit, in den letzten
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Jahren, nur deswegen an der Macht halten
konnte, weil es von Putin geschmiert wird,
-
und Weißrussland.
Gelächter und Applaus
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Aber Informationsfreiheitsgesetz ist
natürlich nicht gleich
-
Informationsfreiheitsgesetz, wir sind
gleichzeitig auch im Backlash aus der
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Verwaltung. In Hamburg ist dieses Jahr
passiert, dass durch den grünen
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Justizsenator eine Einschränkung und eine
Verschlimmbesserung des dortigen
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Transparenzgesetzes passiert ist. Das
Datenschutzniveau für Antragsteller zum
-
Beispiel deutlich gesenkt wurde. Und wir
haben auf Bundesebene gesehen, dass das
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Finanzministerium durch einen kleinen
Zusatz in einem Gesetz, wo es gar nicht um
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Informationsfreiheit ging, nämlich in ’nem
E-Mobilitätsgesetz eine Ausnahme
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reingeschrieben hat zur Beratung von
Bundes- und Landesfinanzbehörden. Das
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bedeutet, dass zum Beispiel
Beratungsunterlagen zu Cum-Ex in Zukunft
-
nicht mehr herausgegeben werden, weil das
in einem Gesetz versteckt so eingebaut
-
wurde. Und das ist alleine nur die
Gesetzesseite. Und ich glaub das sehe ich
-
so an mir. Wir fokussieren uns wahnsinnig
stark auf die Gesetzesebene. Was steht in
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einem Gesetzestext? Das kenne ich auch so
aus Sicherheitsgesetzen. Wir schauen uns
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eigentlich zu wenig an: Was passiert denn
danach eigentlich? Was ist die
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Gesetzeswirklichkeit? Wir versuchen im
Bereich der Informationsfreiheit ein paar
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Gesetze, die es eigentlich gibt, die sehr
progressiv sind, mehr noch mal in die
-
Praxis zu bringen. Zum Beispiel das
Bundesarchivgesetz, was schon sehr viel
-
von Historiker*innen genutzt
wird, aber noch viel zu wenig
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glaub ich von Journalist*innen.
Wir haben in diesem Jahr zum
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Beispiel Dokumente veröffentlicht zu
Kronprinz Wilhelm, also von den
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Hohenzollern, der ja gerade versucht,
Entschädigungen zu kriegen vom deutschen
-
Staat, weil die Hohenzollern enteignet
wurden. Wir haben ein paar Briefe
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veröffentlicht von den Hohenzollern an
Hitler, wo zum Beispiel sehr klar
-
drinsteht, wie eng eigentlich die
Beziehung zwischen den Königlichen und den
-
Nationalsozialisten war. Und wenn man sich
das so anschaut, finde ich, sollten die
-
Hohenzollern eigentlich dankbar sein, dass
sie nur enteignet wurden.
-
Applaus
Wir haben im Sommer ein bisschen was
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veröffentlicht zu Bahlsen und der
Vergangenheit von Bahlsen. Ein paar
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Dokumente zu Zwangsarbeiterrekrutierung
von Bahlsen veröffentlicht und zu
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Fabriken, die Bahlsen in der Ukraine
okkupiert hat und da dann mit
-
Zwangsarbeitern ausgestattet hat. Das hat
dazu geführt, dass Bahlsen im Sommer
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angekündigt hat, eine Historikerkommission
zu gründen. Und wir haben ein paar erste
-
Dokumente dazu schon veröffentlicht.
Außerdem haben wir das
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Verbraucherinformationsgesetz in diesem
Jahr ein bisschen wachgeküsst.
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Verbraucherinformationsgesetz, ein
Spezialgesetz aus dem Verbraucherschutz-
-
Bereich, das eigentlich dazu führen soll,
dass es ein höheres Niveau an
-
Verbraucherschutz gibt, aber bisher kaum
genutzt. Wir haben ne Online-Plattform
-
gebaut namens Topf Secret zusammen mit
Foodwatch, wo es darum ging, dass man im
-
Prinzip jedes Restaurant, Café, Imbiss
anklicken kann und dann mit zwei Klicks
-
eine VIG-Anfrage, eine
Verbraucherinformationsgesetz-Anfrage, an
-
die zuständige Behörde schicken kann. Das
hat dann dazu geführt, dass das ein paar
-
Leute gemacht haben. So als Beispiel VIG-
Anträge in Bayern gab es in den letzten
-
Jahren 60, 90, in diesem Jahr ein paar
mehr.
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Lachen und Applaus
Bundesweit waren es knapp 40.000
-
Anfragen. Da ist ordentlich was in
Bewegung gekommen. Berlin hat jetzt ein
-
Gesetzgebungsverfahren gestartet, damit
Hygienekontrollberichte in Zukunft an den
-
Ladentüren von Restaurants und Imbissen
direkt draußen dran stehen. So soll es ja
-
auch sein. Das sollte man nicht mehr
anfragen müssen. Es sollte direkt online
-
sein.
Applaus
-
Unser größter Gegenspieler in diesem
Bereich ist die Dehoga, der
-
Gaststättenverband in dem Bereich. Dehoga,
das ist, glaube ich, eine Abkürzung für
-
deutsche Hooligans im Gaststättengewerbe.
Lachen
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Die haben massiv versucht, darauf Einfluss
zu nehmen. Die haben z. B. ans
-
Landwirtschaftsministerium geschrieben und
haben versucht, das verbieten zu lassen.
-
Wir wissen das, weil wir alle internen
Unterlagen des Landwirtschaftsministeriums
-
dazu angefragt haben. Und da steht auch
drin, dass das Landwirtschaftsministerium
-
das abgelehnt hat. Aber die Dehoga ist
dann ein bisschen weiter gegangen, hat
-
seine Mitgliedsunternehmen, die
Lebensmittelbetriebe, dazu animiert, Klage
-
einzureichen. Es gibt in Deutschland über
200 Klagen gegen Topf Secret in allen
-
möglichen Kommunen, die aber alle
letztlich erfolglos sein werden.
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Transparenz wird sich durchsetzen.
Stattdessen hat sich so eine kleine
-
Industrie darum gebildet. Also es gibt
jetzt Kommunikationsberater, die eigene
-
Seminare anbieten. Ich habe eine Topf-
Secret-Anfrage bekommen. Was mache ich
-
jetzt damit? Und es gibt auch
Anwaltskanzleien, die mit dem Schmutz in
-
Lebensmittelbetrieben Geld verdienen,
darunter Gleiss Lutz. Das größere Problem
-
in dem Bereich ist aber tatsächlich, wenn
Behörden Anfragen überhaupt gar nicht
-
beantworten. Wir sehen es, dass Behörden
teilweise sagen: Ja, da wär unser
-
Kerngeschäft, unsere Kernaufgabe in
Gefahr, wenn wir jetzt solche Antworten
-
auch noch dazu machen müssen. Und was das
große Missverständnis dabei ist, glaube
-
ich, dass Antworten auf Bürgeranfragen
eigentlich eine Kernaufgabe der Verwaltung
-
ist. Das muss sie allmählich lernen.
Applaus
-
Und deswegen ziehen wir auch vor Gericht.
Wir haben angefangen, dieses Jahr massiv
-
Untätigkeitsklagen bei fehlender Antwort
einzureichen, waren damit auch sehr
-
erfolgreich. Und wir wollen das nächstes
Jahr weitestgehend automatisieren. Da
-
arbeiten wir grad dran, dass bei jeder
Anfrage, die nach 3 Monaten keine
-
Antwort bekommen hat, eine Klage folgt.
Und ich glaube, das kann tatsächlich zu
-
einem Gamechanger werden in dem Bereich.
Applaus
-
Und wir haben da noch was. Wir haben
gerade ein paar Anfragen rumliegen, die
-
sind jetzt fast ein Jahr alt. Vom
Verkehrsministerium. Denn der eine Ort,
-
wo Andreas Scheuer ein Tempolimit
durchsetzt, das ist seine eigene Behörde,
-
und wir wollen dabei Untätigkeitsklage
einreichen gegen das Verkehrsministerium.
-
Wir wollen das aber nicht einfach nur so
machen. Wir wollen ne Glückwunschkarte
-
schicken, und es gibt so
Glückwunschkarten, da kann man raufsingen.
-
Das würden wir gern einmal machen mit euch
allen zusammen. Und zwar Folgendes: Ich
-
singe das einmal vor und dann können wir
es gleich alle zusammen singen. Happy
-
birthday to you. Happy birthday to you.
Wir verklagen euch, Ministerium. Wir sehen
-
uns vor Gericht. Okay? Gut. Ich zähl 1,
2 … Was? Achso den Text. Ja, den mache ich
-
noch. Genau, dann vergesst ihr’s nicht.
1, 2, 3 und dann singen wir alle zusammen,
-
und du nimmst das auf, ja? 1, 2, 3.
Publikum: Happy birthday to you. Happy
-
birthday to you. Wir verklagen euch,
Ministerium. Wir sehen uns vor Gericht.
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Applaus
Arne: Mal abspielen?
-
Karte: Happy birthday to you.
Arne: Ja, gut. Stefan Wehrmeyer, Gründer
-
und Entwickler von Frag den Staat.
Applaus
-
Das Mauern muss weg und ich glaube in den
nächsten Jahren, gerade angesichts der
-
Ressourcen, die in die Exekutive fliegen,
werden wir noch größere Kämpfe darüber
-
haben, wer denn eigentlich Zugriff auf
Informationen hat, wer sie kontrolliert.
-
Und das werden paar sehr harte Kämpfe. Das
haben wir dieses zum Beispiel gesehen im
-
Zusammenhang mit dem Hambacher Forst. Wir
haben viel mit Aktivistinnen grad so aus
-
dem Bereich zusammengearbeitet und haben
gemerkt, dass die Suche nach Informationen
-
in diesem Bereich auch eine therapeutische
Wirkung haben kann. Gerade bei der Räumung
-
vom Hambacher Forst sind viele Leute
traumatisiert worden, auch weil sie gar
-
nicht wissen: Wer ist denn eigentlich
dafür verantwortlich gewesen? Wie waren
-
die Entscheidungswege? Und in dem
Zusammenhang ist die Suche nach
-
Information, glaube ich, etwas wirklich
Sinnstiftendes. Es geht darum, wie man im
-
Englischen sagt, making sense of the
world, also einen Sinn zu erzeugen. Und
-
insofern ist das, glaube ich, ein
Grundbedürfnis von vielen Menschen, zu
-
verstehen, wie denn eigentlich politische
Entscheidungen zustande kommen. Ein
-
bisschen krasseres Beispiel dazu noch aus
Mexiko. Da gibt es zurzeit ein Projekt,
-
das sammelt per
Informationsfreiheitsanfrage die Standorte
-
von Massengräbern aus den Drogenkriegen.
Auch das glaube ich ganz klar so ein Bild
-
dafür, wie wichtig, wie sinnstiftend die
Suche nach Informationen ist. Es gab in
-
dem Zusammenhang, und ich glaube, das ist
hier dann auch etwas, was viele Menschen
-
traumatisiert hat die Frage: Was haben die
Geheimdienste denn eigentlich in
-
Deutschland so in den letzten Jahren
verzapft? Was hat der NSU verzapft? Wer
-
hat da vielleicht von gewusst? Früher
schon. Die Welt hat ein sehr wichtiges
-
Urteil in diesem Jahr errungen zu Uwe
Mundlos, also einem der NSU-Terroristen.
-
Und ich glaube, da wird in den nächsten
Jahren noch mehr kommen, auch weil wir
-
relativ viel gezielt gegen Geheimdienste
klagen. Wir haben dieses Jahr ein paar
-
Prozesse gehabt, zum Beispiel gegen den
sogenannten Verfassungsschutz in Berlin.
-
Da sind wir vors Verwaltungsgericht in
Berlin gezogen. Das hat festgestellt, dass
-
grundsätzlich der Verfassungsschutz in
Berlin Auskunft geben muss. Auf Anfrage
-
von Umweltinformation. Also Check, eine
Klage gewonnen und haben gegen den
-
Bundesnachrichtendienst geklagt. In
Leipzig hat das Bundesverwaltungsgericht
-
entschieden, dass auch der BND
grundsätzlich Auskunft geben muss. Auf
-
Anfrage nach Umweltinformationen und nicht
nur das. Es muss auch Antragstellern
-
Hilfestellung geben bei den Anträgen. Und
das wird ja noch sehr interessant im
-
kommenden Jahr wie das aussieht. Das
übrigens ein Bild von uns. Einer davon ist
-
unser Anwalt.
Lachen und Applaus
-
Damit sind wir glaub ich bei einem der
zentralen Themen in diesem Jahr, nämlich
-
Urheberrecht. Und bei der
Urheberrechtsreform, der Richtlinie, ging
-
es ja auch viel um die Frage: Wer
kontrolliert denn eigentlich den Zugang
-
und die Weiterverbreitung von
Informationen? Wir haben dazu immer mal
-
wieder ein paar Beispiele von Frag den
Staat, wo Leute Anfragen stellen und dann
-
durch Urheberrecht entstellte Antworten
bekommen. Zum Beispiel vom Schleswig-
-
Holsteiner Bildungsministerium, das in
diesem Jahr ein paar Anfragen beantworten
-
musste zu Abituraufgaben. Die haben ein
paar Abiturausgaben der letzten Jahre
-
herausgegeben und hatten aber so viel
Angst vor dem Urheberrecht, dass sie die
-
Quellen da drin immer alle geschwärzt
haben. Und das sah dann so aus, zum
-
Beispiel. Das ist ein Goethe von vor ein
paar hundert Jahren geschwärzt. Dann sah
-
das so aus: ein Brecht, schlechte Zeit für
Lyrik. Ich würde ja sagen eher gute Zeit
-
für Lyrik, wenn man so etwas bekommt. Und
das ist ein Eichendorff, der ist so schön
-
entstellt. Das ist, glaube ich, sogar
schöner als das Original. Wir fanden das
-
so schön und haben eine kleine Kunst
Edition gemacht. Die könnt ihr euch
-
besorgen und auch aufhängen. Ein bisschen
krasser in dem Fall ist aber natürlich die
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Frage, was passiert, wenn Behörden das
Urheberrecht einsetzen, um damit andere
-
Dinge zu tun, zum Beispiel zu zensieren?
Wir hatten in diesem Jahr einen relativ
-
prominenten Fall dazu mit dem
Bundesinstitut für Risikobewertung. Das
-
gehört zum Landwirtschaftsministerium und
hatte ein Gutachten gemacht zu Glyphosat,
-
also zur Frage, was für Krebsrisiken es
gibt, wenn man das einsetzt. Und wir haben
-
das angefragt, haben es auch bekommen.
Sechs Seiten, allerdings mit einem Satz
-
dazu: Das BfR hat uns geschrieben „Sie
bekommen das jetzt hier einzeln, Sie
-
dürfen es aber nicht veröffentlichen.“ Also
haben wir es veröffentlicht, und dann ist
-
das BfR auch gegen uns vorgegangen. Hätte
man das ahnen können? Ja, weiß ich nicht.
-
Aber das war die URL von dem ganzen Ding.
Also vielleicht hätten wir das ahnen
-
können.
Gelächter und Applaus
-
Und was hat dieses Bundesinstitut, was hat
das BfR, gemacht? Das ist eigentlich in
-
den Full-Alman-Modus gegangen und hat
gesagt: „Sie begehen eine
-
Urheberrechtsverletzung. Sie haben uns ins
Gericht gefilmt“, und das ist dann
-
letztlich auch passiert. Wir haben dann
nämlich Post bekommen von den Abmahn-
-
Anwälten der Bundesregierung, Gleiss Lutz.
Die sind erst mal zu Gericht gelaufen. Das
-
Gericht hat gesagt: Einstweilige
Anordnung. Ihr müsst das runter nehmen.
-
Das heißt, wir mussten dieses Gutachten
tatsächlich erstmal runternehmen und haben
-
uns gefragt: So, was können wir dann als
nächstes machen? Ja, ok, wir dürfen es
-
nicht veröffentlichen, aber wir haben es
natürlich einzeln bekommen. Deswegen darf
-
jede Person das einzeln bekommen. Also
haben wir ein Formular gebastelt. Mit
-
2 Klicks konnte man dieses Gutachten auch
anfragen, was dazu geführt hat, dass
-
innerhalb des ersten Tages 18 000 Leute
dieses Gutachten auch angefragt haben.
-
Applaus
Und um das vielleicht ins Verhältnis zu
-
setzen: Gewöhnlich kriegt das BfR so 2, 3
IFG-Anfragen pro Jahr. Jetzt also 40 000
-
insgesamt innerhalb von ein paar Tagen.
Und das BfR muss erst mal überlegen:
-
OK, was machen wir? Was sagt das
Landwirtschaftsministerium zu uns? OK,
-
wir müssen es anscheinend rausgeben,
haben also eine Allgemeinverfügung
-
gemacht, haben gar nicht allen Leuten
einzeln geantwortet, sondern nur online
-
quasi bereitgestellt. Ja, wir geben’s
raus. Aber sie haben das Gutachten nicht
-
allen Leuten einzeln zugeschickt. Was
haben sie stattdessen gemacht? Sie haben
-
eine Onlineplattform gebaut; haben die
erstmal in Auftrag gegeben intern. Das hat
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15 000€ gekostet …
Gelächter und vereinzelt Applaus
-
… , plus Rechnerkapazitäten von 9,80€.
Man konnte sich da dann einloggen, wenn
-
man Benutzername und Passwort bekommen
hat. 7 Tage gültig war dann der Login.
-
Und die haben 15 000€ da investiert,
haben nochmal über 100 000€ für Anwälte
-
inzwischen ausgegeben, also wirklich
massiver Ressourceneinsatz, während
-
wir dann so ein bisschen auf Spenden
angewiesen waren, um überhaupt vor Gericht
-
gehen zu können. Wir haben teilweise
von jungen Leuten von ihrem Taschengeld
-
Geld bekommen. Ich würde mal sagen:
The kids are alright.
-
Applaus
Herzlichen Dank, herzlichen Dank für die
-
Unterstützung. Das hat es uns wirklich
ermöglicht, da weiterzumachen. Wenn man
-
sich da eingeloggt hat auf dieser Online-
Plattform vom BfR, dann, wenn man es
-
geschafft hat, sah das so aus. So ein
beklopptes Wasserzeichen drüber, wenn man
-
sich das Gutachten dann anschauen wollte -
das waren sechs JPEGs und der Rechtsklick
-
war dann disabled, damit man’s sich nicht
runterladen kann. Das sah dann so aus, so
-
mit Artefakten. Und es haben uns viele
Leute kontaktiert, die gesagt haben: „Ja,
-
ich habe eine Seheinschränkung und ich
brauche Hilfsmittel. Ich kann das gar
-
nicht lesen.“ Wir haben uns gemeinsam mit
diesen Leuten an den Bundesbeauftragten
-
für die Belange von Menschen mit
Behinderung gewandt.
-
Gelächter und Applaus
Und der hat jetzt ein Verfahren
-
eingeleitet gegen das BfR, weil es gegen
Vorgaben zur Barrierefreiheit verstoßen
-
hat.
Gelächter und Applaus
-
Das war aber nicht das einzige Problem mit
dieser Online-Plattform, die das BfR da
-
gebaut hat. Es gab noch andere
Probleme, die sie hatten.
-
Lachen
Die Datenbank dahinter war mit dem
-
Passwort „doof“ geschützt, und die Idee
dahinter war natürlich, dass Leute sich
-
das nicht runterladen können, um es weiter
zu verbreiten. Und Stefan hat sich da mal
-
zwei Stunden hingesetzt. Am ersten Tag hat
er was gebaut. Das sah dann so aus. Man
-
konnt sich das einfach von Frag den Staat
einholen, dann hat er sich eingeloggt mit
-
den Zugangsdaten, hat die JPEGs
runtergeladen, hat die konvertiert in ein
-
PDF und dann, zack, war es da. Ich bin
kein Jurist, aber ich glaube, ich glaube,
-
die Katze hat gerade eine
Urheberrechtsverletzung begangen, bin mir
-
aber nicht ganz sicher. Was ist dann
passiert? Die FAZ hat darüber berichtet,
-
und das war ein ganz interessanter Moment,
weil dann im Landwirtschaftsministerium,
-
das ja zuständig ist, die Alarmglocken
angegangen sind. Warum wissen wir das? Wir
-
haben natürlich sämtliche internen
Unterlagen des Landwirtschaftsministeriums
-
dazu angefragt, und da sah es dann intern
so aus, dass die massive Kritik auch in
-
der als gemäßigt zu sehenden Presse
geeignet ist, die Glaubwürdigkeit des BfR
-
nachhaltig zu beschädigen.
Landwirtschaftsministerium hat trotzdem
-
nichts gemacht. Das BfR ist einfach so
weitergegangen und das ganze Verfahren
-
nahm seinen Lauf. Wir sind natürlich gegen
die einstweilige Verfügung vorgegangen,
-
auch weil wir uns die gegnerische Kanzlei,
die Abmahnkanzlei, ein bisschen genauer
-
angeschaut haben. Äh, falsches Slide, ne?
Ja. Gleiss Lutz ist gegen uns mit ziemlich
-
aggressiven Schriftsätzen so vorgegangen.
Und wenn man sich deren Webseite anschaut,
-
steht da ganz groß „Exzellenz hat einen
Namen – Gleiss Lutz“. Was machen die
-
sonst? Die machen, die vertreten
Volkswagen in Dieselsachen, die vertreten
-
Foodora gegen Betriebsräte, die vertreten
Bertelsmann und auch die Bundesregierung.
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Wenn man ein bisschen runterscrollt auf
deren Websites, sieht man: Die ziehen alle
-
an einem Strang. Was man nicht sieht, ist
was auf der anderen Seite vom Strang ist.
-
Das sieht nämlich so aus dann.
Gelächter
-
Und was passiert ist in diesem ganzen
Verfahren ist: Wir haben vom
-
Gerichtsvollzieher die einstweilige
Verfügung zugestellt bekommen. So ist das
-
dann mit einem gelben Umschlag und die kam
dann einmal und die kam ein paar Tage
-
später noch mal, hat uns das zugestellt.
Dann ist sie zu unseren Anwälten gegangen,
-
ist dann nochmal hingegangen, hat das
insgesamt fünfmal zugestellt, und wir
-
wurden allmählich misstrauisch. Und die
Gerichtsvollzieherin, die hat das nicht
-
ganz verstanden. Immer wenn die in unser
Büro kam, haben alle gejubelt und wollten
-
Selfies machen mit der
Gerichtsvollzieherin.
-
Lachen
Und wir sind auch inzwischen per Du, ist
-
alles ganz super.
Lachen
-
Und was natürlich passiert war war dass
bei diesen 5 Zustellversuchen immer
-
irgendwelche Fehler passiert sind. Die
haben dann die Seitenreihenfolge
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vertauscht oder Stempel falsch gesetzt,
haben immer formelle Fehler gemacht. Das
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kann man bei so einer einstweiligen
Verfügung nicht machen. Wir haben das dem
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Gericht gemeldet, und das Gericht hat nach
einer Verhandlung entschieden: Alles
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abgewehrt. Ihr dürft das Ding wieder
veröffentlichen. Einstweilige Verfügung
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ist durch. Da kann man ja auch nur sagen:
Exzellenz hat einen Namen: Gleiss Lutz.
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Applaus
Große Frage: Was ist dann passiert? Was
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hat das BfR gemacht? Das BfR ist natürlich
einfach weiter vorgegangen gegen uns. Die
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haben nochmal Klage eingereicht und am
4.6.2020 wird dieses Verfahren im
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Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht
Köln entschieden werden. In der ersten
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Instanz. Aber wir gehen davon aus, dass es
durch die nächsten, weiteren Instanzen
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gehen wird. Ich glaub, wenn wir das
müssen, gehen wir auf jeden Fall zum
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Europäischen Gerichtshof mit dem Ding,
weil wir glauben, dass das wirklich eine
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zentrale Frage ist: Was ist das Verhältnis
von Urheberrecht und Informationsfreiheit
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zueinander? Und wenn das Urheberrecht zum
Zensurheberrecht werden kann, dann ist das
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ein Riesenproblem. Das sehen übrigens
nicht nur wir so. Das sieht auch die als
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gemäßigt zu sehende Presse so.
Lachen
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Die unterstützt uns auch dabei, und ich
glaube, das ist wirklich eine zentrale
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Frage in den nächsten Jahren, und wir
gehen da durch alle Instanzen.
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Applaus
Und damit komme ich tatsächlich auch schon
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zum Schlussteil und will mir nochmal eine
andere Behörde anschauen, nämlich auf EU-
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Ebene. Ich glaube, was wir in Deutschland
sehen am Machtgewinn der Exekutive, das
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sehen wir nochmal potenziert auf EU-Ebene
– gerade, wenn es um EU-Agenturen geht.
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Frontex ist so das krasseste Beispiel von
einer Behörde, die im Prinzip ganz ohne
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öffentliche Kontrolle agieren kann. Wenn
wir uns Frontex anschauen, dann sehen wir,
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dass die in den letzten Jahren immer so
ein paar Millionen als Budget hatten und
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in den nächsten Jahren tatsächlich
Milliardenbudgets haben werden. Frontex
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wird als europäische Grenzpolizei in
Zukunft die Möglichkeit haben, sich eigene
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Flugzeuge, eigene Schiffe, eigene Waffen
zu kaufen. Der Waffeneinsatz von Frontex-
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Beamten an der Grenze ist in Zukunft
erlaubt. Der Chef von Frontex sagt so: „We
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don't have a military army, but we will
have, let's say, cilivilian troops wearing
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a European uniform and for certain
functions carrying weapons.“ Und wenn
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Frontex-Beamten im Ausland unterwegs sind,
dann sind die gar nicht nur beschränkt auf
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die EU und die EU-Außengrenzen. Sie können
auch darüber hinaus tätig werden, sind zum
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Beispiel gerade schon in Albanien
stationiert, arbeiten dort und sind da
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auch tatsächlich per Immunität von
Strafverfolgung geschützt. Das heißt, wenn
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sie eine Straftat begehen im Ausland, dann
müsen sie dafür keine negativen
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Konsequenzen fordern. Und wenn wir uns
Frontex anschauen, dann ist das eine
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Behörde, die im Prinzip von keiner Seite
so richtig kontrolliert wird. Das
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Europäische Parlament darf mal reinschauen
ins Budget oder so. Aber hat tatsächlich
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auch keine richtigen Kontrollfunktion. Ich
glaube, vor dem Angesicht ist es besonders
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wichtig, zumindest mit
Informationsfreiheitsgesetzen zu
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versuchen, Informationen zu bekommen von
Frontex. Man kriegt zum Beispiel das hier.
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So'n paar interne Unterlagen. Das, zum
Beispiel, ist 'ne Folie, wo Frontex
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beschreibt, wie sie Abschiebungen
koordinieren. Frontex koordiniert nämlich
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die meisten Abschiebeflüge, die aus Europa
rausgehen. Und ganz schön an diesenm
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Screenshot finde ich, was da oben für Tabs
noch offen sind. Nämlich das hier: Warm
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Light Relaxing Music. Ich glaube, wenn ich
tausende Menschen abschieben würde, dann
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bräuchte ich auch relaxing music dafür.
Ein Riesenproblem bei Frontex ist aber
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nicht einfach nur, dass sie das machen
dürfen, sondern dass es regelmäßig
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Berichte gibt über
Menschenrechtsverletzungen. Und wir sehen
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das im Prinzip an so gut wie allen EU-
Außengrenzen, dass es massive Probleme
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gibt, weil Leute menschenrechtswidrig
abgeschoben werden, weil sie misshandelt
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werden, weil es Riesenprobleme gibt, weil
sich auch Flüchtlinge nicht an jemanden
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wenden können, der das dann kontrolliert.
Und wir haben versucht, in diesem Jahr
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nochmal ein bisschen verstärkter darauf
ein bisschen einzugehen mit
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Informationsfreiheitsanfragen. Auf EU-
Ebene gibt es ja auch so ein Gesetz. Das
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haben wir benutzt, um Informationen zu
kriegen von Frontex zu ihrem Mittelmeer
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Einsatz. Also Frontex hat eine ganze Menge
Schiffe im Mittelmeer. Wir wissen aber
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nicht ganz genau, was sie tun. Und wir
wollten von Frontex eigentlich nur wissen:
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Was für Boote habt ihr? Wie heißen die?
Unter welcher Flagge fahren die? Und
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Frontex hat gesagt: „Nein, nein,
öffentliche Sicherheit, das dürft ihr
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nicht bekommen. Dann werden die
Terroristen gewinnen.“ Und wir haben uns
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aber ein bisschen Twitter angeschaut. Ja,
genau diese Informationen gibt doch
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Frontex selbst raus. Wenn sie das selbst
auf Twitter raushauen, dann muss es doch
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auch die Möglichkeit geben, das einzeln
anzufragen und zu bekommen. Frontex hat
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Nein gesagt. Also sind wir vor das
Europäische Gericht gezogen, zusammen mit
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Luisa Izuzquiza, einer Kollegin und
Freundin von uns, und haben Frontex
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verklagt. Das war tatsächlich die erste
Klage von ’ner zivilgesellschaftlichen
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Organisationen gegen Frontex überhaupt.
Applaus
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Und wir waren da ziemlich optimistisch.
Twitter hier, Anklageschrift da. Und was
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hat das europäische Gericht gemacht? Es
hat unsere Klage abgewehrt, hat gesagt:
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„Nee. Wenn Frontex sagt, die öffentliche
Sicherheit ist in Gefahr, dann wird das
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schon so sein. Wir vertrauen denen da.“
Besonders interessantes Detail in dieser
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Verhandlung war dann, dass ein Kapitän von
Frontex aufstand – der hatte seine
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Kapitänsuniform an – und dann sagte der
Richter erst mal zu dem „Thank you for
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your service“. Und dann wusste man schon,
in welche Richtung das geht. Das ist also
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abgewehrt worden und jetzt ist die große
Frage: Gehen wir da in Berufung oder
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nicht? Man kann in Berufung gehen, das ist
allerdings ziemlich teuer. 10-15 000 €
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riskieren wir da wahrscheinlich, wenn
wir vor den Europäischen Gerichtshof
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ziehen. Und die große Frage ist: Lohnt
sich das? Sollten wir das tun? Die Antwort
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gebe ich vielleicht noch nicht komplett
heraus. Aber ich glaube, ich kann eine
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geschwärzte Antwort zumindest herausgeben
auf die Frage „Lohnt sich der Kampf gegen
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die dunkle Seite?“ Ich würde zumindest
sagen: Der Kampf, der geht weiter. Vielen
-
Vielen Dank.
-
Applaus
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Herald: Vielen Dank, Arne.
Arne: Jo
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Herald: Wenn ihr Fragen habt an Arne, so
Stichwort Transparenz, stellt euch doch
-
bitte hinter die Mikrofone oder stellt die
Frage im Internet beim Signal-Angel. Wir
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haben noch knapp acht Minuten für Fragen.
Signal-Angel, hattest du was gefunden?
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Signal-Angel: Das Internet möchte so ein
bisschen vielleicht doch den Teufel an die
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Wand malen. Es möchte nämlich gerne
wissen: Was passiert denn, wenn ein
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Ministerium eine IFG-Anfrage
an Frag den Staat stellt?
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Arne: Also eine gesetzliche Grundlage für
Anfragen gibt es natürlich nicht. Es
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passiert immer mal wieder, dass die dann
fragen: „Ja, wo kriegt ihr denn eigentlich
-
euer Geld her? Und wie funktioniert das
dann alles?“ Und dann geben wir ihnen
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einfach den Link
fragdenstaat.de/transparenz. Also wir
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haben das alles online dargestellt und
weitere Fragen können Sie gern an uns
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stellen.
Herald: Mikrofon Nummer 4, deine Frage
-
bitte.
F: Angesichts der steigenden Budgets für
-
die kommenden Jahre von Frontex stellt
sich mir noch eine Frage. Und zwar, ob es
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vielleicht nicht auch damit zu tun haben
könnte, dass die EU mehr militärische
-
Eigenständigkeit und Kompetenz haben
möchte, wenn man sich anschaut, was es mit
-
der NATO und den USA so auf sich hat.
A: Wenn wir uns die Militarisierung der EU
-
anschauen, glaube ich, dass man
tatsächlich vor allem diese EU-Agenturen
-
sich anschauen sollte. Das ist dann unter
anderem Frontex. Das, was immer so an die
-
Wand gemalt wird „Sollten wir eine
europäische Armee haben oder nicht?“ Ich
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glaube, das passiert zumindest im Kleinen
in dem Bereich schon, weil da besonders
-
wenig Menschen hingucken. Und ich kann mir
durchaus vorstellen, dass das dann auch
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als Einfallstor genommen wird, um dann in
andere Bereiche weiter vorzudringen.
-
F: Danke
Herald: Mikrofon Nummer 5, deine Frage.
-
F: Erstmal vielen Dank für den
unermüdlichen Einsatz. Ich steh etwas
-
zwischen den Stühlen. und zwar bin ich
einerseits Informatiker, aber auch seit
-
vielen Jahren Gastronom. Und es geht um
die Kooperation mit Foodwatch. Ihr habt
-
uns einen ziemlich unruhigen Jahresanfang
beschert. Meine Frage ist: War euch vorher
-
bewusst, dass wir Gastronomen selber mit
den Kontrollen wahnsinnig unglücklich
-
sind, weil sie sehr starken Fokus auf
bauliche Mängel legen, allerdings absolut
-
antiquiert sind und an
Lebensmittelsicherheit vorbeizielen?
-
A: Ja, das ist tatsächlich eine total
interessante Frage. Womit wir nicht
-
gerechnet haben ist, wie viel Backlash es
da gibt in dem Bereich. Ich glaube, dass
-
eine Transparenzlösung, um die es uns ja
vor allem geht, – wo aktiv veröffentlicht
-
wird: Wo gibt es Probleme mit der
Lebensmittelsicherheit und wo nicht? –
-
allen Menschen hilft. Wir haben zum
Beispiel gesehen aus den Statistiken der
-
letzten Jahre, dass es ja in 75 Prozent
der Betriebe absolut keine Beanstandungen
-
gibt. Das heißt, die sind sauber, da
gibt’s keine Probleme. Ich glaube, dass,
-
wenn man da eine ordentliche Lösung finden
würde, zum Beispiel, indem man das draußen
-
an Restaurants rantun kann, man da vor
allem dann auch den Betrieben hilft, wo es
-
eben solche Probleme nicht gibt
F: Alles klar. Vielen Dank.
-
Herald: Mikrofon Nummer 2, deine Frage.
F: Meine Frage ist: Wenn die da so viel
-
Geld auf diese Behinderung von diesen
Anfragen stellen. Gibt es da irgendwelche
-
Möglichkeiten, da was zu tun? Vielleicht
bei dem Bundesrechnungshof?
-
A: Ja, ich glaube tatsächlich auch, dass
der Bundesrechnungshof sich das mal
-
anschauen sollte, auch gerade den
Anwaltseinsatz. Wie viel da rausgeballert
-
wird an externe Anwälte. Das Problem ist
so’n bisschen, dass der – zumindest nach
-
meiner Erfahrung – nicht so sehr auf direkte
Anregung tätig wird. Aber vielleicht kennt
-
ihr ja Leute, die in dem Bereich arbeiten.
Ich glaube, dass so eine Anregung in dem
-
Bereich sehr interessant wäre
für alle Beteiligten.
-
Herald: Wenn ihr jetzt reinkommt, macht
das doch bitte leise, damit der Rest
-
weiter zuhören kann. Lieber Signal-Angel,
die nächste, Frage bitte.
-
F: Das Internet hätte gern gewusst, wie
hoch eure Kosten für die Rechtsverfolgung
-
sind.
A: Wir haben in diesem Jahr knapp 40 000€
-
ausgegeben für Klagen und verklagt
werden. Und wir finanzieren das
-
größtenteils über Spenden. Genau.
Herald: Mikrofon Nummer vier, deine Frage.
-
F: Vielen Dank für den Talk und für euren
super Einsatz über die Jahre. Als ITler,
-
wenn ich in einer Behörde arbeiten würde,
würde ich mir denken. Okay, wenn ihr
-
irgendwann so eine Aktion auf unsere
Behörde macht, habe ich den Stress. Kommen
-
Behörden auf euch zu und fragen euch: Was
müssten wir als Transparenz machen, damit
-
wir so etwas nie haben?
A: In Deutschland?
-
F: Ja.
Lachen
-
Applaus
F: Auch gerne Europa.
-
A: Es ist ja tatsächlich so, dass es nicht
die Behörde gibt. Das ist wirklich
-
ziemlich heterogen, und es gibt viele
Leute, die für mehr Transparenz kämpfen.
-
Aber das wird in der Regel von der
Behördenleitung nicht gewollt. Wir
-
unterstützen gern alle Leute, die in
Behörden arbeiten auf dem Weg zu mehr
-
Transparenz. Wir sind da auch tatsächlich
in Kooperation zumindest mit einzelnen
-
Leuten, mit Behörden an sich aber nicht.
Aber es ist durchaus auch mal so, dass wir
-
einen Anruf kriegen von Leuten aus einer
Behörde, die uns sagen: „Frag doch mal das
-
an, und wenn ihr klagen wollt, dann
spenden wir euch auch dafür.“ Man kann
-
also durchaus auch über Bande spielen und
wir holen uns dann Informationen, die
-
vielleicht Leute aus Behörden auch gerne
an der Öffentlichkeit sehen würden.
-
F: Vielen Dank
Herald: So, ich seh zumindest niemanden
-
mehr, der noch 'ne Frage hat. Signal-
Angel, hast du noch was?
-
Signal: Ja, das Internet sucht scheinbar
die IFG-Meisterschaft 2019.
-
A: Ja, haben wir nicht geschafft. Wir
wurden zwischendurch verklagt. Das hat
-
unseren Zeitplan ein bisschen aus der Bahn
geworfen. Wir können aber jetzt schon
-
ankündigen: Auf jeden Fall, es wird eine
IFG-Meisterschaft 2020 geben und
-
dann erzählen wir davon auch ausführlich.
Applaus
-
Herald: Mikrofon Nummer 5 bitte.
F: Benutzen manche Behörden euer Tool um
-
Informationen von anderen Behörden zu
bekommen, weil es schneller geht?
-
Lachen und Applaus
A: Ich lass' das mal als Anregung so im
-
Raum stehen.
F: Alles klar.
-
Herald: Okay, ich seh niemanden mehr
stehen. Signal-Angel hat aber noch eine
-
Frage. Bitteschön.
Signal: Das Internet würde gerne
-
ehrenamtlich helfen. Es fragt nämlich, ob
ihr Juristen oder andere ehrenamtliche
-
Mitarbeiter braucht, um die
Kosten zu senken?
-
A: Ja, sehr gerne. Tatsächlich viel im
Bereich von Jura. Da brauchen wir auf
-
jeden Fall Unterstützung. Vielleicht mal
für einzelne Gutachten, Einschätzungen von
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Rechtsfragen, natürlich auch an der Arbeit
der Software selbst. Froide heißt die
-
Software dahinter, ist ein Django-Projekt,
könnte ihr euch gerne auf GitHub anschauen
-
und die Issues gerne auch mal ein
bisschen durchleuchten.
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Herald: Okay, dann vielen, vielen Dank für
deinen lebhaften Vortrag, den
-
unterhaltsamen Vortrag und dass du dir die
Zeit genommen hast noch die Fragen zu
-
beantworten. Dein Applaus.
Applaus
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Abspannmusik
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
-
im Jahr 2020. Mach mit und hilf uns!