36C3 Vorspannmusik
Herald-Engel: Willkommen zu unserem
nächsten Vortrag. Der Titel ist:
Das Mauern muss weg! Best of
Informationsfreiheit. Warum dank des
Informationsfreiheitsgesetzes noch
Hoffnung besteht und wann das
Zensurheberrecht abgeschafft wird. Dies
und die Highlights aus Frag den Staat 2019
wird uns Arne Semsrott rüberbringen. Er
ist der Projektleiter von Frag den Staat,
einem Projekt der Open Knowledge
Foundation und außerdem einer der Autoren
bei netzpolitik.org. Bitte begrüßt ihn mit
einem herzlichen Applaus.
Applaus
Arne: Hallo, hallo? Schauen wir mal, wie
lange dieses Video hiervon auf YouTube
bleibt. Los gehts!
Star Wars Jingle
Windu: Die dunkle Seite der Macht umgibt
den Kanzler.
Yoda: Mhm, die dunkle Seite alles sie vor
uns verbirgt.
Rey: Was für ein Kampf denn?
Maz: Der einzige von Bedeutung gegen die
dunkle Seite
Keylo: Ich zeige euch die dunkle Seite.
Applaus
Arne: Wir reden bei diesem Kongress
über Ressourcen, wir reden über
Ressourcenmangel und damit
zusammenhängend natürlich über
die ungleiche Verteilung von Ressourcen.
Und wenn wir uns die politische Landschaft
in Deutschland anschauen,
dann, glaube ich, haben wir ein
sehr krasses Ungleichgewicht in der
Verteilung von Ressourcen und in der
Verteilung von Macht, in der Verteilung
von Möglichkeiten Einfluss zu nehmen auf
politische Entscheidungen. Und wenn wir
uns die Exekutive anschauen – also die
Verwaltung, die Regierung in Deutschland –
dann sehen wir, dass die in den letzten
Jahren wahnsinnig an Ressourcen gewonnen
hat und das zur Ungleichheit der
Parlamente, der Judikative. Also die
anderen Gewalten im Staate ächzen unter
der Masse der Verfahren, die Gerichte zum
Beispiel, während die Exekutive immer
weiter an Macht gewinnt. Und wenn man sich
das Bundeskabinett, also die Exekutive auf
Bundesebene mal anschaut, sehen wir dass
eigentlich in den letzten Jahren sich
wahnsinnig wenig getan hat. Der
Innenminister ist immer noch Seehofer.
Applaus
Letztes Jahr 69. Geburtstag gehabt, hat
sich darüber gefreut, dass 69 Leute an
seinem Geburtstag abgeschoben wurden.
Einer ist kurz darauf gestorben. Horst
Seehofer ist immer noch im Amt. Oder:
Andreas Scheuer ist immer noch
Verkehrsminister.
Applaus
Hat hunderte Millionen Euro Steuergeld
verbraten, ist immer noch im Amt. Oder:
Sie. Angeblich Umweltministerin? Ich weiß
ja nicht, wie es euch geht, aber:
Klimakrise? Eigentlich müsste man was aus
dem Umweltministerium hören. Ich bin mir
nicht sicher, vielleicht ist das einfach
nur Fiktion, und die gibt's nicht
wirklich. Wenn wir uns die
Bundesministerien anschauen und die
Ressourcen uns anschauen, können wir
allein schon mit Blick auf die
Organigramme, die internen Strukturen
sehen, wie sie gewachsen sind. Das ist das
Innenministerium vor 20 Jahren. Das ist es
jetzt. Vor 20 Jahren so. Jetzt so. Damals
4 Staatssekretäre, jetzt 8. Wir sehen,
dass das auch dazu führt, dass die
Exekutive sich anders verhält gegenüber
anderen Gewalten im Staate, also gegenüber
den Parlamenten, gegenüber der Justiz. Wir
sehen zum Beispiel, dass das
Innenministerium solche Kampagnen fährt,
um Leute davon abzuhalten, in Deutschland
zu bleiben. Und wir sehen, dass da noch
ein paar Tricks mit dabei sind. Wir haben
dieses Jahr ein paar Dokumente
veröffentlicht, dazu, interne Konzepte zu
dieser abscheulichen Kampagne, in der zum
Beispiel drinstand, dass das
Innenministerium einen Politikeransatz
gebucht hat. Was heißt das? Die haben
nicht nur einfach plakatiert im
Innenstadtbereich von verschiedenen
Städten, sondern gezielt Orte angewählt,
wo Politiker arbeiten, vor Ministerien,
vor dem Parlament, haben sie plakatiert,
sind also selbst zum politischen Akteur
geworden. Und nicht nur das. Es gab eine
Kleine Anfrage im Bundestag dazu. Was hat
das Innenministerium gemacht? Hat einfach
geleugnet, dass es das gemacht hat. Das
heißt, nicht nur wird das Innenministerium
hier zum politischen Akteur, es belügt
auch noch die Legislative. Oder das hier:
Das Innenministerium geht inzwischen dazu
über, schon eigene Gesetze zu schreiben.
Im Bereich des Wahlrechts, eigentlich
ja traditionell etwas, was die
Parlamente machen. Aber in diesem Fall die
Änderung des Europawahlrechts will jetzt
das Innenministerium mitbestimmen, will
außerdem den Gesetzentwurf, den sie dazu
geschrieben haben, nicht herausgeben.
Deswegen haben wir sie verklagt. Wir sehen
es im Kleineren auch in der Frage, wie
sich das Innenministerium vor Gericht
verhält. Wir hatten dieses Jahr ein paar
Verfahren gegen das Innenministerium und
das war ganz interessant, wie die so
argumentiert haben. In einem Fall haben
sie über mich geschrieben, ich sei nicht
Journalist, sondern nur Blogger. Warum?
Weil ich als Journalist, wenn ich so
gewertet werde, mehr Auskunftsrechte habe.
Da sagt das Innenministerium: Bin ich
nicht. Paar Wochen später, anderes
Verfahren. Das Innenministerium sagt, der
Kläger als freier Journalist, das bin ich,
hat ein wirtschaftliches Interesse, muss
mehr Gebühren zahlen. Das heißt eine ganz
interessante Frage: Wer setzt sich hier
durch? Das Innenministerium oder das
Innenministerium? Ich setz aufs
Innenministerium.
Applaus
Oder das: Gerichte ordnen an, dass Leute
nicht abgeschoben werden dürfen, die
Exekutive setzt sich darüber hinweg,
ignoriert einfach Gerichtsurteile. Oder:
Die Gerichte ordnen an, dass Fahrverbote
angeordnet werden müssen. Und die Politik?
Die setzt das nicht um. Deswegen
vielleicht 2020, das Jahr, in dem Markus
Söder in Haft kommt. Wer weiß?
Applaus
Übrigens aber nicht nur Söder, sondern
auch der Ministerpräsident von Baden-
Württemberg, den betrifft das auch.
Kretschmann, wer den nicht kennt, das ist
der Ministerpräsident der CDU.
Gelächter und Applaus
Angesichts dieses Machtzuwachses,
angesichts dieses veränderten
Machtgleichgewichts, glaube ich, müssen
wir nach mehr Mitteln suchen, wie wir
tatsächlich noch auf Augenhöhe mit dem
Staat agieren können. Ich glaube, das
Informationsfreiheitsgesetz bietet eine
solche Möglichkeit zumindest im Kleinen,
weil man selbst entscheiden kann, wann man
angreift. Man kann selbst Informationen
anfragen und alles, was eine Behörde tun
kann, ist, den Status quo zu verteidigen.
Darüber hinaus kann man aber vor Gericht
ziehen, und vor Gericht zählt – zumindest
idealerweise – das bessere Argument. Und
es ist kein Zufall, dass Tony Blair in
seiner Autobiografie über das britische
Informationsfreiheitsgesetz geschrieben
hat, dass das die schlechteste
Entscheidung seiner Amtszeit war, das
einzuführen. Also nicht etwa der Irak-
Krieg, sondern die Einführung des
britischen Informationsfreiheitsgesetzes.
Und es ist auch kein Wunder, dass die
progressiven Gesetze in diesem Bereich
nicht aus der Verwaltung selbst kommen,
sondern aus anderen Bereichen wie zum
Beispiel in Hamburg. Das
Transparenzgesetz, das vom CCC mit
initiiert eingeführt wurde. Das haben wir
uns dieses Jahr zum Vorbild genommen in
Berlin, haben ein Volksbegehren gestartet
für ein Transparenzgesetz in einem Bündnis
mit knapp 40 Organisationen – der
CCC gehört auch dazu –, wo wir ein
Transparenzgesetz geschrieben haben, ein
eigenes Gesetz, das so progressiv ist, wie
es sein kann heutzutage, um mal
klarzumachen, wie denn eigentlich eine
Transparenz-Gesetzgebung aussehen sollte.
Nicht nur das. Wir haben über 30.000
Unterschriften dafür gesammelt, sodass
jetzt der Senat wirklich ganz formell
prüfen muss, ob sie dieses Gesetz
übernehmen. Entweder sie machen das, oder
sie machen’s nicht. Wenn sie’s nicht
tun, sammeln wir im nächsten Schritt
170.000 Unterschriften. Dann gibt’s eine
Volksabstimmung. Und das Transparenzgesetz
in Berlin kommt auf jeden Fall.
Applaus
Was hat sich noch getan?
Transparenzgesetze gibt es jetzt immer ein
paar mehr. In Thüringen gibt es jetzt ein
sogenanntes Transparenzgesetz. Das wird so
genannt, ist leider aber nicht so wirklich
eins. Aber wie auch immer, es geht voran.
Sachsen will tatsächlich im kommenden Jahr
sich auch ein Transparenzgesetz geben. Und
dann gäbe es tatsächlich nur noch zwei
Bundesländer ohne irgendein Gesetz zum
Informationszugang. Und wenn wir uns das
in Europa noch einmal anschauen, macht das
nochmal sehr deutlich, was das bedeutet.
In Deutschland, Sachsen, Niedersachsen und
Bayern ohne Informationsfreiheitsgesetz.
Auf Europa-Ebene sind es Weißrussland und
Österreich. Das heißt, ein Regime, das
sich in letzter Zeit, in den letzten
Jahren, nur deswegen an der Macht halten
konnte, weil es von Putin geschmiert wird,
und Weißrussland.
Gelächter und Applaus
Aber Informationsfreiheitsgesetz ist
natürlich nicht gleich
Informationsfreiheitsgesetz, wir sind
gleichzeitig auch im Backlash aus der
Verwaltung. In Hamburg ist dieses Jahr
passiert, dass durch den grünen
Justizsenator eine Einschränkung und eine
Verschlimmbesserung des dortigen
Transparenzgesetzes passiert ist. Das
Datenschutzniveau für Antragsteller zum
Beispiel deutlich gesenkt wurde. Und wir
haben auf Bundesebene gesehen, dass das
Finanzministerium durch einen kleinen
Zusatz in einem Gesetz, wo es gar nicht um
Informationsfreiheit ging, nämlich in ’nem
E-Mobilitätsgesetz eine Ausnahme
reingeschrieben hat zur Beratung von
Bundes- und Landesfinanzbehörden. Das
bedeutet, dass zum Beispiel
Beratungsunterlagen zu Cum-Ex in Zukunft
nicht mehr herausgegeben werden, weil das
in einem Gesetz versteckt so eingebaut
wurde. Und das ist alleine nur die
Gesetzesseite. Und ich glaub das sehe ich
so an mir. Wir fokussieren uns wahnsinnig
stark auf die Gesetzesebene. Was steht in
einem Gesetzestext? Das kenne ich auch so
aus Sicherheitsgesetzen. Wir schauen uns
eigentlich zu wenig an: Was passiert denn
danach eigentlich? Was ist die
Gesetzeswirklichkeit? Wir versuchen im
Bereich der Informationsfreiheit ein paar
Gesetze, die es eigentlich gibt, die sehr
progressiv sind, mehr noch mal in die
Praxis zu bringen. Zum Beispiel das
Bundesarchivgesetz, was schon sehr viel
von Historiker*innen genutzt
wird, aber noch viel zu wenig
glaub ich von Journalist*innen.
Wir haben in diesem Jahr zum
Beispiel Dokumente veröffentlicht zu
Kronprinz Wilhelm, also von den
Hohenzollern, der ja gerade versucht,
Entschädigungen zu kriegen vom deutschen
Staat, weil die Hohenzollern enteignet
wurden. Wir haben ein paar Briefe
veröffentlicht von den Hohenzollern an
Hitler, wo zum Beispiel sehr klar
drinsteht, wie eng eigentlich die
Beziehung zwischen den Königlichen und den
Nationalsozialisten war. Und wenn man sich
das so anschaut, finde ich, sollten die
Hohenzollern eigentlich dankbar sein, dass
sie nur enteignet wurden.
Applaus
Wir haben im Sommer ein bisschen was
veröffentlicht zu Bahlsen und der
Vergangenheit von Bahlsen. Ein paar
Dokumente zu Zwangsarbeiterrekrutierung
von Bahlsen veröffentlicht und zu
Fabriken, die Bahlsen in der Ukraine
okkupiert hat und da dann mit
Zwangsarbeitern ausgestattet hat. Das hat
dazu geführt, dass Bahlsen im Sommer
angekündigt hat, eine Historikerkommission
zu gründen. Und wir haben ein paar erste
Dokumente dazu schon veröffentlicht.
Außerdem haben wir das
Verbraucherinformationsgesetz in diesem
Jahr ein bisschen wachgeküsst.
Verbraucherinformationsgesetz, ein
Spezialgesetz aus dem Verbraucherschutz-
Bereich, das eigentlich dazu führen soll,
dass es ein höheres Niveau an
Verbraucherschutz gibt, aber bisher kaum
genutzt. Wir haben ne Online-Plattform
gebaut namens Topf Secret zusammen mit
Foodwatch, wo es darum ging, dass man im
Prinzip jedes Restaurant, Café, Imbiss
anklicken kann und dann mit zwei Klicks
eine VIG-Anfrage, eine
Verbraucherinformationsgesetz-Anfrage, an
die zuständige Behörde schicken kann. Das
hat dann dazu geführt, dass das ein paar
Leute gemacht haben. So als Beispiel VIG-
Anträge in Bayern gab es in den letzten
Jahren 60, 90, in diesem Jahr ein paar
mehr.
Lachen und Applaus
Bundesweit waren es knapp 40.000
Anfragen. Da ist ordentlich was in
Bewegung gekommen. Berlin hat jetzt ein
Gesetzgebungsverfahren gestartet, damit
Hygienekontrollberichte in Zukunft an den
Ladentüren von Restaurants und Imbissen
direkt draußen dran stehen. So soll es ja
auch sein. Das sollte man nicht mehr
anfragen müssen. Es sollte direkt online
sein.
Applaus
Unser größter Gegenspieler in diesem
Bereich ist die Dehoga, der
Gaststättenverband in dem Bereich. Dehoga,
das ist, glaube ich, eine Abkürzung für
deutsche Hooligans im Gaststättengewerbe.
Lachen
Die haben massiv versucht, darauf Einfluss
zu nehmen. Die haben z. B. ans
Landwirtschaftsministerium geschrieben und
haben versucht, das verbieten zu lassen.
Wir wissen das, weil wir alle internen
Unterlagen des Landwirtschaftsministeriums
dazu angefragt haben. Und da steht auch
drin, dass das Landwirtschaftsministerium
das abgelehnt hat. Aber die Dehoga ist
dann ein bisschen weiter gegangen, hat
seine Mitgliedsunternehmen, die
Lebensmittelbetriebe, dazu animiert, Klage
einzureichen. Es gibt in Deutschland über
200 Klagen gegen Topf Secret in allen
möglichen Kommunen, die aber alle
letztlich erfolglos sein werden.
Transparenz wird sich durchsetzen.
Stattdessen hat sich so eine kleine
Industrie darum gebildet. Also es gibt
jetzt Kommunikationsberater, die eigene
Seminare anbieten. Ich habe eine Topf-
Secret-Anfrage bekommen. Was mache ich
jetzt damit? Und es gibt auch
Anwaltskanzleien, die mit dem Schmutz in
Lebensmittelbetrieben Geld verdienen,
darunter Gleiss Lutz. Das größere Problem
in dem Bereich ist aber tatsächlich, wenn
Behörden Anfragen überhaupt gar nicht
beantworten. Wir sehen es, dass Behörden
teilweise sagen: Ja, da wär unser
Kerngeschäft, unsere Kernaufgabe in
Gefahr, wenn wir jetzt solche Antworten
auch noch dazu machen müssen. Und was das
große Missverständnis dabei ist, glaube
ich, dass Antworten auf Bürgeranfragen
eigentlich eine Kernaufgabe der Verwaltung
ist. Das muss sie allmählich lernen.
Applaus
Und deswegen ziehen wir auch vor Gericht.
Wir haben angefangen, dieses Jahr massiv
Untätigkeitsklagen bei fehlender Antwort
einzureichen, waren damit auch sehr
erfolgreich. Und wir wollen das nächstes
Jahr weitestgehend automatisieren. Da
arbeiten wir grad dran, dass bei jeder
Anfrage, die nach 3 Monaten keine
Antwort bekommen hat, eine Klage folgt.
Und ich glaube, das kann tatsächlich zu
einem Gamechanger werden in dem Bereich.
Applaus
Und wir haben da noch was. Wir haben
gerade ein paar Anfragen rumliegen, die
sind jetzt fast ein Jahr alt. Vom
Verkehrsministerium. Denn der eine Ort,
wo Andreas Scheuer ein Tempolimit
durchsetzt, das ist seine eigene Behörde,
und wir wollen dabei Untätigkeitsklage
einreichen gegen das Verkehrsministerium.
Wir wollen das aber nicht einfach nur so
machen. Wir wollen ne Glückwunschkarte
schicken, und es gibt so
Glückwunschkarten, da kann man raufsingen.
Das würden wir gern einmal machen mit euch
allen zusammen. Und zwar Folgendes: Ich
singe das einmal vor und dann können wir
es gleich alle zusammen singen. Happy
birthday to you. Happy birthday to you.
Wir verklagen euch, Ministerium. Wir sehen
uns vor Gericht. Okay? Gut. Ich zähl 1,
2 … Was? Achso den Text. Ja, den mache ich
noch. Genau, dann vergesst ihr’s nicht.
1, 2, 3 und dann singen wir alle zusammen,
und du nimmst das auf, ja? 1, 2, 3.
Publikum: Happy birthday to you. Happy
birthday to you. Wir verklagen euch,
Ministerium. Wir sehen uns vor Gericht.
Applaus
Arne: Mal abspielen?
Karte: Happy birthday to you.
Arne: Ja, gut. Stefan Wehrmeyer, Gründer
und Entwickler von Frag den Staat.
Applaus
Das Mauern muss weg und ich glaube in den
nächsten Jahren, gerade angesichts der
Ressourcen, die in die Exekutive fliegen,
werden wir noch größere Kämpfe darüber
haben, wer denn eigentlich Zugriff auf
Informationen hat, wer sie kontrolliert.
Und das werden paar sehr harte Kämpfe. Das
haben wir dieses zum Beispiel gesehen im
Zusammenhang mit dem Hambacher Forst. Wir
haben viel mit Aktivistinnen grad so aus
dem Bereich zusammengearbeitet und haben
gemerkt, dass die Suche nach Informationen
in diesem Bereich auch eine therapeutische
Wirkung haben kann. Gerade bei der Räumung
vom Hambacher Forst sind viele Leute
traumatisiert worden, auch weil sie gar
nicht wissen: Wer ist denn eigentlich
dafür verantwortlich gewesen? Wie waren
die Entscheidungswege? Und in dem
Zusammenhang ist die Suche nach
Information, glaube ich, etwas wirklich
Sinnstiftendes. Es geht darum, wie man im
Englischen sagt, making sense of the
world, also einen Sinn zu erzeugen. Und
insofern ist das, glaube ich, ein
Grundbedürfnis von vielen Menschen, zu
verstehen, wie denn eigentlich politische
Entscheidungen zustande kommen. Ein
bisschen krasseres Beispiel dazu noch aus
Mexiko. Da gibt es zurzeit ein Projekt,
das sammelt per
Informationsfreiheitsanfrage die Standorte
von Massengräbern aus den Drogenkriegen.
Auch das glaube ich ganz klar so ein Bild
dafür, wie wichtig, wie sinnstiftend die
Suche nach Informationen ist. Es gab in
dem Zusammenhang, und ich glaube, das ist
hier dann auch etwas, was viele Menschen
traumatisiert hat die Frage: Was haben die
Geheimdienste denn eigentlich in
Deutschland so in den letzten Jahren
verzapft? Was hat der NSU verzapft? Wer
hat da vielleicht von gewusst? Früher
schon. Die Welt hat ein sehr wichtiges
Urteil in diesem Jahr errungen zu Uwe
Mundlos, also einem der NSU-Terroristen.
Und ich glaube, da wird in den nächsten
Jahren noch mehr kommen, auch weil wir
relativ viel gezielt gegen Geheimdienste
klagen. Wir haben dieses Jahr ein paar
Prozesse gehabt, zum Beispiel gegen den
sogenannten Verfassungsschutz in Berlin.
Da sind wir vors Verwaltungsgericht in
Berlin gezogen. Das hat festgestellt, dass
grundsätzlich der Verfassungsschutz in
Berlin Auskunft geben muss. Auf Anfrage
von Umweltinformation. Also Check, eine
Klage gewonnen und haben gegen den
Bundesnachrichtendienst geklagt. In
Leipzig hat das Bundesverwaltungsgericht
entschieden, dass auch der BND
grundsätzlich Auskunft geben muss. Auf
Anfrage nach Umweltinformationen und nicht
nur das. Es muss auch Antragstellern
Hilfestellung geben bei den Anträgen. Und
das wird ja noch sehr interessant im
kommenden Jahr wie das aussieht. Das
übrigens ein Bild von uns. Einer davon ist
unser Anwalt.
Lachen und Applaus
Damit sind wir glaub ich bei einem der
zentralen Themen in diesem Jahr, nämlich
Urheberrecht. Und bei der
Urheberrechtsreform, der Richtlinie, ging
es ja auch viel um die Frage: Wer
kontrolliert denn eigentlich den Zugang
und die Weiterverbreitung von
Informationen? Wir haben dazu immer mal
wieder ein paar Beispiele von Frag den
Staat, wo Leute Anfragen stellen und dann
durch Urheberrecht entstellte Antworten
bekommen. Zum Beispiel vom Schleswig-
Holsteiner Bildungsministerium, das in
diesem Jahr ein paar Anfragen beantworten
musste zu Abituraufgaben. Die haben ein
paar Abiturausgaben der letzten Jahre
herausgegeben und hatten aber so viel
Angst vor dem Urheberrecht, dass sie die
Quellen da drin immer alle geschwärzt
haben. Und das sah dann so aus, zum
Beispiel. Das ist ein Goethe von vor ein
paar hundert Jahren geschwärzt. Dann sah
das so aus: ein Brecht, schlechte Zeit für
Lyrik. Ich würde ja sagen eher gute Zeit
für Lyrik, wenn man so etwas bekommt. Und
das ist ein Eichendorff, der ist so schön
entstellt. Das ist, glaube ich, sogar
schöner als das Original. Wir fanden das
so schön und haben eine kleine Kunst
Edition gemacht. Die könnt ihr euch
besorgen und auch aufhängen. Ein bisschen
krasser in dem Fall ist aber natürlich die
Frage, was passiert, wenn Behörden das
Urheberrecht einsetzen, um damit andere
Dinge zu tun, zum Beispiel zu zensieren?
Wir hatten in diesem Jahr einen relativ
prominenten Fall dazu mit dem
Bundesinstitut für Risikobewertung. Das
gehört zum Landwirtschaftsministerium und
hatte ein Gutachten gemacht zu Glyphosat,
also zur Frage, was für Krebsrisiken es
gibt, wenn man das einsetzt. Und wir haben
das angefragt, haben es auch bekommen.
Sechs Seiten, allerdings mit einem Satz
dazu: Das BfR hat uns geschrieben „Sie
bekommen das jetzt hier einzeln, Sie
dürfen es aber nicht veröffentlichen.“ Also
haben wir es veröffentlicht, und dann ist
das BfR auch gegen uns vorgegangen. Hätte
man das ahnen können? Ja, weiß ich nicht.
Aber das war die URL von dem ganzen Ding.
Also vielleicht hätten wir das ahnen
können.
Gelächter und Applaus
Und was hat dieses Bundesinstitut, was hat
das BfR, gemacht? Das ist eigentlich in
den Full-Alman-Modus gegangen und hat
gesagt: „Sie begehen eine
Urheberrechtsverletzung. Sie haben uns ins
Gericht gefilmt“, und das ist dann
letztlich auch passiert. Wir haben dann
nämlich Post bekommen von den Abmahn-
Anwälten der Bundesregierung, Gleiss Lutz.
Die sind erst mal zu Gericht gelaufen. Das
Gericht hat gesagt: Einstweilige
Anordnung. Ihr müsst das runter nehmen.
Das heißt, wir mussten dieses Gutachten
tatsächlich erstmal runternehmen und haben
uns gefragt: So, was können wir dann als
nächstes machen? Ja, ok, wir dürfen es
nicht veröffentlichen, aber wir haben es
natürlich einzeln bekommen. Deswegen darf
jede Person das einzeln bekommen. Also
haben wir ein Formular gebastelt. Mit
2 Klicks konnte man dieses Gutachten auch
anfragen, was dazu geführt hat, dass
innerhalb des ersten Tages 18 000 Leute
dieses Gutachten auch angefragt haben.
Applaus
Und um das vielleicht ins Verhältnis zu
setzen: Gewöhnlich kriegt das BfR so 2, 3
IFG-Anfragen pro Jahr. Jetzt also 40 000
insgesamt innerhalb von ein paar Tagen.
Und das BfR muss erst mal überlegen:
OK, was machen wir? Was sagt das
Landwirtschaftsministerium zu uns? OK,
wir müssen es anscheinend rausgeben,
haben also eine Allgemeinverfügung
gemacht, haben gar nicht allen Leuten
einzeln geantwortet, sondern nur online
quasi bereitgestellt. Ja, wir geben’s
raus. Aber sie haben das Gutachten nicht
allen Leuten einzeln zugeschickt. Was
haben sie stattdessen gemacht? Sie haben
eine Onlineplattform gebaut; haben die
erstmal in Auftrag gegeben intern. Das hat
15 000€ gekostet …
Gelächter und vereinzelt Applaus
… , plus Rechnerkapazitäten von 9,80€.
Man konnte sich da dann einloggen, wenn
man Benutzername und Passwort bekommen
hat. 7 Tage gültig war dann der Login.
Und die haben 15 000€ da investiert,
haben nochmal über 100 000€ für Anwälte
inzwischen ausgegeben, also wirklich
massiver Ressourceneinsatz, während
wir dann so ein bisschen auf Spenden
angewiesen waren, um überhaupt vor Gericht
gehen zu können. Wir haben teilweise
von jungen Leuten von ihrem Taschengeld
Geld bekommen. Ich würde mal sagen:
The kids are alright.
Applaus
Herzlichen Dank, herzlichen Dank für die
Unterstützung. Das hat es uns wirklich
ermöglicht, da weiterzumachen. Wenn man
sich da eingeloggt hat auf dieser Online-
Plattform vom BfR, dann, wenn man es
geschafft hat, sah das so aus. So ein
beklopptes Wasserzeichen drüber, wenn man
sich das Gutachten dann anschauen wollte -
das waren sechs JPEGs und der Rechtsklick
war dann disabled, damit man’s sich nicht
runterladen kann. Das sah dann so aus, so
mit Artefakten. Und es haben uns viele
Leute kontaktiert, die gesagt haben: „Ja,
ich habe eine Seheinschränkung und ich
brauche Hilfsmittel. Ich kann das gar
nicht lesen.“ Wir haben uns gemeinsam mit
diesen Leuten an den Bundesbeauftragten
für die Belange von Menschen mit
Behinderung gewandt.
Gelächter und Applaus
Und der hat jetzt ein Verfahren
eingeleitet gegen das BfR, weil es gegen
Vorgaben zur Barrierefreiheit verstoßen
hat.
Gelächter und Applaus
Das war aber nicht das einzige Problem mit
dieser Online-Plattform, die das BfR da
gebaut hat. Es gab noch andere
Probleme, die sie hatten.
Lachen
Die Datenbank dahinter war mit dem
Passwort „doof“ geschützt, und die Idee
dahinter war natürlich, dass Leute sich
das nicht runterladen können, um es weiter
zu verbreiten. Und Stefan hat sich da mal
zwei Stunden hingesetzt. Am ersten Tag hat
er was gebaut. Das sah dann so aus. Man
konnt sich das einfach von Frag den Staat
einholen, dann hat er sich eingeloggt mit
den Zugangsdaten, hat die JPEGs
runtergeladen, hat die konvertiert in ein
PDF und dann, zack, war es da. Ich bin
kein Jurist, aber ich glaube, ich glaube,
die Katze hat gerade eine
Urheberrechtsverletzung begangen, bin mir
aber nicht ganz sicher. Was ist dann
passiert? Die FAZ hat darüber berichtet,
und das war ein ganz interessanter Moment,
weil dann im Landwirtschaftsministerium,
das ja zuständig ist, die Alarmglocken
angegangen sind. Warum wissen wir das? Wir
haben natürlich sämtliche internen
Unterlagen des Landwirtschaftsministeriums
dazu angefragt, und da sah es dann intern
so aus, dass die massive Kritik auch in
der als gemäßigt zu sehenden Presse
geeignet ist, die Glaubwürdigkeit des BfR
nachhaltig zu beschädigen.
Landwirtschaftsministerium hat trotzdem
nichts gemacht. Das BfR ist einfach so
weitergegangen und das ganze Verfahren
nahm seinen Lauf. Wir sind natürlich gegen
die einstweilige Verfügung vorgegangen,
auch weil wir uns die gegnerische Kanzlei,
die Abmahnkanzlei, ein bisschen genauer
angeschaut haben. Äh, falsches Slide, ne?
Ja. Gleiss Lutz ist gegen uns mit ziemlich
aggressiven Schriftsätzen so vorgegangen.
Und wenn man sich deren Webseite anschaut,
steht da ganz groß „Exzellenz hat einen
Namen – Gleiss Lutz“. Was machen die
sonst? Die machen, die vertreten
Volkswagen in Dieselsachen, die vertreten
Foodora gegen Betriebsräte, die vertreten
Bertelsmann und auch die Bundesregierung.
Wenn man ein bisschen runterscrollt auf
deren Websites, sieht man: Die ziehen alle
an einem Strang. Was man nicht sieht, ist
was auf der anderen Seite vom Strang ist.
Das sieht nämlich so aus dann.
Gelächter
Und was passiert ist in diesem ganzen
Verfahren ist: Wir haben vom
Gerichtsvollzieher die einstweilige
Verfügung zugestellt bekommen. So ist das
dann mit einem gelben Umschlag und die kam
dann einmal und die kam ein paar Tage
später noch mal, hat uns das zugestellt.
Dann ist sie zu unseren Anwälten gegangen,
ist dann nochmal hingegangen, hat das
insgesamt fünfmal zugestellt, und wir
wurden allmählich misstrauisch. Und die
Gerichtsvollzieherin, die hat das nicht
ganz verstanden. Immer wenn die in unser
Büro kam, haben alle gejubelt und wollten
Selfies machen mit der
Gerichtsvollzieherin.
Lachen
Und wir sind auch inzwischen per Du, ist
alles ganz super.
Lachen
Und was natürlich passiert war war dass
bei diesen 5 Zustellversuchen immer
irgendwelche Fehler passiert sind. Die
haben dann die Seitenreihenfolge
vertauscht oder Stempel falsch gesetzt,
haben immer formelle Fehler gemacht. Das
kann man bei so einer einstweiligen
Verfügung nicht machen. Wir haben das dem
Gericht gemeldet, und das Gericht hat nach
einer Verhandlung entschieden: Alles
abgewehrt. Ihr dürft das Ding wieder
veröffentlichen. Einstweilige Verfügung
ist durch. Da kann man ja auch nur sagen:
Exzellenz hat einen Namen: Gleiss Lutz.
Applaus
Große Frage: Was ist dann passiert? Was
hat das BfR gemacht? Das BfR ist natürlich
einfach weiter vorgegangen gegen uns. Die
haben nochmal Klage eingereicht und am
4.6.2020 wird dieses Verfahren im
Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht
Köln entschieden werden. In der ersten
Instanz. Aber wir gehen davon aus, dass es
durch die nächsten, weiteren Instanzen
gehen wird. Ich glaub, wenn wir das
müssen, gehen wir auf jeden Fall zum
Europäischen Gerichtshof mit dem Ding,
weil wir glauben, dass das wirklich eine
zentrale Frage ist: Was ist das Verhältnis
von Urheberrecht und Informationsfreiheit
zueinander? Und wenn das Urheberrecht zum
Zensurheberrecht werden kann, dann ist das
ein Riesenproblem. Das sehen übrigens
nicht nur wir so. Das sieht auch die als
gemäßigt zu sehende Presse so.
Lachen
Die unterstützt uns auch dabei, und ich
glaube, das ist wirklich eine zentrale
Frage in den nächsten Jahren, und wir
gehen da durch alle Instanzen.
Applaus
Und damit komme ich tatsächlich auch schon
zum Schlussteil und will mir nochmal eine
andere Behörde anschauen, nämlich auf EU-
Ebene. Ich glaube, was wir in Deutschland
sehen am Machtgewinn der Exekutive, das
sehen wir nochmal potenziert auf EU-Ebene
– gerade, wenn es um EU-Agenturen geht.
Frontex ist so das krasseste Beispiel von
einer Behörde, die im Prinzip ganz ohne
öffentliche Kontrolle agieren kann. Wenn
wir uns Frontex anschauen, dann sehen wir,
dass die in den letzten Jahren immer so
ein paar Millionen als Budget hatten und
in den nächsten Jahren tatsächlich
Milliardenbudgets haben werden. Frontex
wird als europäische Grenzpolizei in
Zukunft die Möglichkeit haben, sich eigene
Flugzeuge, eigene Schiffe, eigene Waffen
zu kaufen. Der Waffeneinsatz von Frontex-
Beamten an der Grenze ist in Zukunft
erlaubt. Der Chef von Frontex sagt so: „We
don't have a military army, but we will
have, let's say, cilivilian troops wearing
a European uniform and for certain
functions carrying weapons.“ Und wenn
Frontex-Beamten im Ausland unterwegs sind,
dann sind die gar nicht nur beschränkt auf
die EU und die EU-Außengrenzen. Sie können
auch darüber hinaus tätig werden, sind zum
Beispiel gerade schon in Albanien
stationiert, arbeiten dort und sind da
auch tatsächlich per Immunität von
Strafverfolgung geschützt. Das heißt, wenn
sie eine Straftat begehen im Ausland, dann
müsen sie dafür keine negativen
Konsequenzen fordern. Und wenn wir uns
Frontex anschauen, dann ist das eine
Behörde, die im Prinzip von keiner Seite
so richtig kontrolliert wird. Das
Europäische Parlament darf mal reinschauen
ins Budget oder so. Aber hat tatsächlich
auch keine richtigen Kontrollfunktion. Ich
glaube, vor dem Angesicht ist es besonders
wichtig, zumindest mit
Informationsfreiheitsgesetzen zu
versuchen, Informationen zu bekommen von
Frontex. Man kriegt zum Beispiel das hier.
So'n paar interne Unterlagen. Das, zum
Beispiel, ist 'ne Folie, wo Frontex
beschreibt, wie sie Abschiebungen
koordinieren. Frontex koordiniert nämlich
die meisten Abschiebeflüge, die aus Europa
rausgehen. Und ganz schön an diesenm
Screenshot finde ich, was da oben für Tabs
noch offen sind. Nämlich das hier: Warm
Light Relaxing Music. Ich glaube, wenn ich
tausende Menschen abschieben würde, dann
bräuchte ich auch relaxing music dafür.
Ein Riesenproblem bei Frontex ist aber
nicht einfach nur, dass sie das machen
dürfen, sondern dass es regelmäßig
Berichte gibt über
Menschenrechtsverletzungen. Und wir sehen
das im Prinzip an so gut wie allen EU-
Außengrenzen, dass es massive Probleme
gibt, weil Leute menschenrechtswidrig
abgeschoben werden, weil sie misshandelt
werden, weil es Riesenprobleme gibt, weil
sich auch Flüchtlinge nicht an jemanden
wenden können, der das dann kontrolliert.
Und wir haben versucht, in diesem Jahr
nochmal ein bisschen verstärkter darauf
ein bisschen einzugehen mit
Informationsfreiheitsanfragen. Auf EU-
Ebene gibt es ja auch so ein Gesetz. Das
haben wir benutzt, um Informationen zu
kriegen von Frontex zu ihrem Mittelmeer
Einsatz. Also Frontex hat eine ganze Menge
Schiffe im Mittelmeer. Wir wissen aber
nicht ganz genau, was sie tun. Und wir
wollten von Frontex eigentlich nur wissen:
Was für Boote habt ihr? Wie heißen die?
Unter welcher Flagge fahren die? Und
Frontex hat gesagt: „Nein, nein,
öffentliche Sicherheit, das dürft ihr
nicht bekommen. Dann werden die
Terroristen gewinnen.“ Und wir haben uns
aber ein bisschen Twitter angeschaut. Ja,
genau diese Informationen gibt doch
Frontex selbst raus. Wenn sie das selbst
auf Twitter raushauen, dann muss es doch
auch die Möglichkeit geben, das einzeln
anzufragen und zu bekommen. Frontex hat
Nein gesagt. Also sind wir vor das
Europäische Gericht gezogen, zusammen mit
Luisa Izuzquiza, einer Kollegin und
Freundin von uns, und haben Frontex
verklagt. Das war tatsächlich die erste
Klage von ’ner zivilgesellschaftlichen
Organisationen gegen Frontex überhaupt.
Applaus
Und wir waren da ziemlich optimistisch.
Twitter hier, Anklageschrift da. Und was
hat das europäische Gericht gemacht? Es
hat unsere Klage abgewehrt, hat gesagt:
„Nee. Wenn Frontex sagt, die öffentliche
Sicherheit ist in Gefahr, dann wird das
schon so sein. Wir vertrauen denen da.“
Besonders interessantes Detail in dieser
Verhandlung war dann, dass ein Kapitän von
Frontex aufstand – der hatte seine
Kapitänsuniform an – und dann sagte der
Richter erst mal zu dem „Thank you for
your service“. Und dann wusste man schon,
in welche Richtung das geht. Das ist also
abgewehrt worden und jetzt ist die große
Frage: Gehen wir da in Berufung oder
nicht? Man kann in Berufung gehen, das ist
allerdings ziemlich teuer. 10-15 000 €
riskieren wir da wahrscheinlich, wenn
wir vor den Europäischen Gerichtshof
ziehen. Und die große Frage ist: Lohnt
sich das? Sollten wir das tun? Die Antwort
gebe ich vielleicht noch nicht komplett
heraus. Aber ich glaube, ich kann eine
geschwärzte Antwort zumindest herausgeben
auf die Frage „Lohnt sich der Kampf gegen
die dunkle Seite?“ Ich würde zumindest
sagen: Der Kampf, der geht weiter. Vielen
Vielen Dank.
Applaus
Herald: Vielen Dank, Arne.
Arne: Jo
Herald: Wenn ihr Fragen habt an Arne, so
Stichwort Transparenz, stellt euch doch
bitte hinter die Mikrofone oder stellt die
Frage im Internet beim Signal-Angel. Wir
haben noch knapp acht Minuten für Fragen.
Signal-Angel, hattest du was gefunden?
Signal-Angel: Das Internet möchte so ein
bisschen vielleicht doch den Teufel an die
Wand malen. Es möchte nämlich gerne
wissen: Was passiert denn, wenn ein
Ministerium eine IFG-Anfrage
an Frag den Staat stellt?
Arne: Also eine gesetzliche Grundlage für
Anfragen gibt es natürlich nicht. Es
passiert immer mal wieder, dass die dann
fragen: „Ja, wo kriegt ihr denn eigentlich
euer Geld her? Und wie funktioniert das
dann alles?“ Und dann geben wir ihnen
einfach den Link
fragdenstaat.de/transparenz. Also wir
haben das alles online dargestellt und
weitere Fragen können Sie gern an uns
stellen.
Herald: Mikrofon Nummer 4, deine Frage
bitte.
F: Angesichts der steigenden Budgets für
die kommenden Jahre von Frontex stellt
sich mir noch eine Frage. Und zwar, ob es
vielleicht nicht auch damit zu tun haben
könnte, dass die EU mehr militärische
Eigenständigkeit und Kompetenz haben
möchte, wenn man sich anschaut, was es mit
der NATO und den USA so auf sich hat.
A: Wenn wir uns die Militarisierung der EU
anschauen, glaube ich, dass man
tatsächlich vor allem diese EU-Agenturen
sich anschauen sollte. Das ist dann unter
anderem Frontex. Das, was immer so an die
Wand gemalt wird „Sollten wir eine
europäische Armee haben oder nicht?“ Ich
glaube, das passiert zumindest im Kleinen
in dem Bereich schon, weil da besonders
wenig Menschen hingucken. Und ich kann mir
durchaus vorstellen, dass das dann auch
als Einfallstor genommen wird, um dann in
andere Bereiche weiter vorzudringen.
F: Danke
Herald: Mikrofon Nummer 5, deine Frage.
F: Erstmal vielen Dank für den
unermüdlichen Einsatz. Ich steh etwas
zwischen den Stühlen. und zwar bin ich
einerseits Informatiker, aber auch seit
vielen Jahren Gastronom. Und es geht um
die Kooperation mit Foodwatch. Ihr habt
uns einen ziemlich unruhigen Jahresanfang
beschert. Meine Frage ist: War euch vorher
bewusst, dass wir Gastronomen selber mit
den Kontrollen wahnsinnig unglücklich
sind, weil sie sehr starken Fokus auf
bauliche Mängel legen, allerdings absolut
antiquiert sind und an
Lebensmittelsicherheit vorbeizielen?
A: Ja, das ist tatsächlich eine total
interessante Frage. Womit wir nicht
gerechnet haben ist, wie viel Backlash es
da gibt in dem Bereich. Ich glaube, dass
eine Transparenzlösung, um die es uns ja
vor allem geht, – wo aktiv veröffentlicht
wird: Wo gibt es Probleme mit der
Lebensmittelsicherheit und wo nicht? –
allen Menschen hilft. Wir haben zum
Beispiel gesehen aus den Statistiken der
letzten Jahre, dass es ja in 75 Prozent
der Betriebe absolut keine Beanstandungen
gibt. Das heißt, die sind sauber, da
gibt’s keine Probleme. Ich glaube, dass,
wenn man da eine ordentliche Lösung finden
würde, zum Beispiel, indem man das draußen
an Restaurants rantun kann, man da vor
allem dann auch den Betrieben hilft, wo es
eben solche Probleme nicht gibt
F: Alles klar. Vielen Dank.
Herald: Mikrofon Nummer 2, deine Frage.
F: Meine Frage ist: Wenn die da so viel
Geld auf diese Behinderung von diesen
Anfragen stellen. Gibt es da irgendwelche
Möglichkeiten, da was zu tun? Vielleicht
bei dem Bundesrechnungshof?
A: Ja, ich glaube tatsächlich auch, dass
der Bundesrechnungshof sich das mal
anschauen sollte, auch gerade den
Anwaltseinsatz. Wie viel da rausgeballert
wird an externe Anwälte. Das Problem ist
so’n bisschen, dass der – zumindest nach
meiner Erfahrung – nicht so sehr auf direkte
Anregung tätig wird. Aber vielleicht kennt
ihr ja Leute, die in dem Bereich arbeiten.
Ich glaube, dass so eine Anregung in dem
Bereich sehr interessant wäre
für alle Beteiligten.
Herald: Wenn ihr jetzt reinkommt, macht
das doch bitte leise, damit der Rest
weiter zuhören kann. Lieber Signal-Angel,
die nächste, Frage bitte.
F: Das Internet hätte gern gewusst, wie
hoch eure Kosten für die Rechtsverfolgung
sind.
A: Wir haben in diesem Jahr knapp 40 000€
ausgegeben für Klagen und verklagt
werden. Und wir finanzieren das
größtenteils über Spenden. Genau.
Herald: Mikrofon Nummer vier, deine Frage.
F: Vielen Dank für den Talk und für euren
super Einsatz über die Jahre. Als ITler,
wenn ich in einer Behörde arbeiten würde,
würde ich mir denken. Okay, wenn ihr
irgendwann so eine Aktion auf unsere
Behörde macht, habe ich den Stress. Kommen
Behörden auf euch zu und fragen euch: Was
müssten wir als Transparenz machen, damit
wir so etwas nie haben?
A: In Deutschland?
F: Ja.
Lachen
Applaus
F: Auch gerne Europa.
A: Es ist ja tatsächlich so, dass es nicht
die Behörde gibt. Das ist wirklich
ziemlich heterogen, und es gibt viele
Leute, die für mehr Transparenz kämpfen.
Aber das wird in der Regel von der
Behördenleitung nicht gewollt. Wir
unterstützen gern alle Leute, die in
Behörden arbeiten auf dem Weg zu mehr
Transparenz. Wir sind da auch tatsächlich
in Kooperation zumindest mit einzelnen
Leuten, mit Behörden an sich aber nicht.
Aber es ist durchaus auch mal so, dass wir
einen Anruf kriegen von Leuten aus einer
Behörde, die uns sagen: „Frag doch mal das
an, und wenn ihr klagen wollt, dann
spenden wir euch auch dafür.“ Man kann
also durchaus auch über Bande spielen und
wir holen uns dann Informationen, die
vielleicht Leute aus Behörden auch gerne
an der Öffentlichkeit sehen würden.
F: Vielen Dank
Herald: So, ich seh zumindest niemanden
mehr, der noch 'ne Frage hat. Signal-
Angel, hast du noch was?
Signal: Ja, das Internet sucht scheinbar
die IFG-Meisterschaft 2019.
A: Ja, haben wir nicht geschafft. Wir
wurden zwischendurch verklagt. Das hat
unseren Zeitplan ein bisschen aus der Bahn
geworfen. Wir können aber jetzt schon
ankündigen: Auf jeden Fall, es wird eine
IFG-Meisterschaft 2020 geben und
dann erzählen wir davon auch ausführlich.
Applaus
Herald: Mikrofon Nummer 5 bitte.
F: Benutzen manche Behörden euer Tool um
Informationen von anderen Behörden zu
bekommen, weil es schneller geht?
Lachen und Applaus
A: Ich lass' das mal als Anregung so im
Raum stehen.
F: Alles klar.
Herald: Okay, ich seh niemanden mehr
stehen. Signal-Angel hat aber noch eine
Frage. Bitteschön.
Signal: Das Internet würde gerne
ehrenamtlich helfen. Es fragt nämlich, ob
ihr Juristen oder andere ehrenamtliche
Mitarbeiter braucht, um die
Kosten zu senken?
A: Ja, sehr gerne. Tatsächlich viel im
Bereich von Jura. Da brauchen wir auf
jeden Fall Unterstützung. Vielleicht mal
für einzelne Gutachten, Einschätzungen von
Rechtsfragen, natürlich auch an der Arbeit
der Software selbst. Froide heißt die
Software dahinter, ist ein Django-Projekt,
könnte ihr euch gerne auf GitHub anschauen
und die Issues gerne auch mal ein
bisschen durchleuchten.
Herald: Okay, dann vielen, vielen Dank für
deinen lebhaften Vortrag, den
unterhaltsamen Vortrag und dass du dir die
Zeit genommen hast noch die Fragen zu
beantworten. Dein Applaus.
Applaus
Abspannmusik
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
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