Michael Pollan erzählt aus der Pflanzenperspektive
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0:00 - 0:02Es ist eine einfache Vorstellung von der Natur.
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0:02 - 0:04Ich möchte ein gutes Wort für die Natur einlegen,
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0:04 - 0:06denn wir haben in den vergangenen Tagen nicht viel über sie gesprochen.
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0:06 - 0:11Ich möchte ein gutes Wort für den Boden, die Bienen, Pflanzen und Tiere einlegen,
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0:11 - 0:16und Ihnen von einem sehr einfachen Hilfsmittel berichten, das ich gefunden habe.
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0:16 - 0:21Obwohl es eher eine Gedankenspielerei ist und keine Technologie.
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0:21 - 0:27Es ist aber sehr hilfreich, unsere Beziehung zur natürlichen Welt zu ändern
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0:27 - 0:30und zu den anderen Spezies, von denen wir abhängig sind.
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0:30 - 0:33Und dieses Hilfsmittel ist ganz einfach, wie Chris vorschlug,
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0:33 - 0:38uns und die Welt aus den Augen der Pflanzen oder Tiere anzuschauen.
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0:38 - 0:42Es ist nicht meine Idee, andere Leute haben sie auch schon gehabt,
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0:42 - 0:45aber ich habe versucht, sie ein bisschen spazierenzuführen.
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0:46 - 0:48Ich sage Ihnen, wo ich sie herhabe.
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0:48 - 0:51Wie viele meiner Ideen und viele meiner Hilfsmittel
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0:51 - 0:55fand ich sie im Garten. Ich bin ein begeisterter Gärtner.
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0:55 - 0:59Es geschah an einem Tag vor etwa sieben Jahren. Ich pflanzte Kartoffeln,
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0:59 - 1:01es war die erste Maiwoche -
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1:01 - 1:06wir sind in Neuengland, wo die Apfelbäume in voller Blüte stehen.
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1:06 - 1:08Sie sehen aus wie riesige weiße Wolken.
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1:08 - 1:11Ich stehe also da und pflanze,
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1:11 - 1:13schneide Kartoffeln und pflanze sie ein,
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1:13 - 1:16und die Bienen bearbeiten gerade diesen Baum,
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1:16 - 1:18Hummeln genaugenommen, so dass der Baum nur so brummte.
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1:18 - 1:21Und was ich am Gärtnern wirklich mag,
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1:21 - 1:24es nimmt nicht die gesamte Konzentration in Anspruch,
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1:24 - 1:26man kann nicht wirklich verletzt werden - wie bei der Arbeit mit Holz -
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1:26 - 1:30und man hat den Kopf frei genug zum Nachdenken.
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1:30 - 1:34Und an jenem Nachmittag stellte ich mir folgende Frage,
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1:34 - 1:37während die Hummeln und ich arbeiteten:
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1:37 - 1:41Was haben diese Hummeln und ich gemeinsam?
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1:41 - 1:45Was unterschied und was verband unsere Rolle im Garten?
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1:45 - 1:47Und ich erkannte, dass wir eine ganze Menge gemeinsam hatten.
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1:47 - 1:53Wir beide verbreiteten die Gene einer bestimmten Spezies,
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1:53 - 1:58und wir beide - zumindest ist das anzunehmen -
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1:58 - 2:00dachten, wir geben hier den Ton an.
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2:00 - 2:04Ich hatte entschieden, welche Kartoffeln ich pflanzen wollte,
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2:04 - 2:08ich hatte meine Yukon Gold oder Yellow Finn oder so ausgewählt,
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2:08 - 2:13und ich hatte diese Gene aus einem Samenkatalog geordert,
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2:13 - 2:15hergeschafft und ich pflanzte sie an.
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2:15 - 2:19Und diese Hummel hatte sicherlich angenommen,
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2:19 - 2:22"Ich schnapp mir jetzt diesen Apfelbaum, diese Blüte,
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2:22 - 2:25ich hol mir den Nektar und dann hau ich ab."
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2:25 - 2:30Wir haben eine Grammatik, die uns zeigt, was wir sind,
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2:30 - 2:35dass wir eigenständige Individuen in der Natur sind, die Hummel wie auch ich.
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2:35 - 2:41Ich pflanze die Kartoffeln, jäte Unkraut, domestiziere die Spezies.
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2:41 - 2:43Aber an diesem Tag ging mir eins auf:
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2:43 - 2:46Was wäre, wenn Grammatik nichts mehr ist als selbstgefälliges Gedankenspiel?
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2:46 - 2:50Denn natürlich denkt die Hummel, sie hat die totale Kontrolle,
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2:50 - 2:52aber wir wissen es besser.
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2:52 - 2:56Wir wissen, was zwischen der Biene und der Blume läuft.
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2:56 - 3:00Die Biene ist nämlich clever von der Blume manipuliert worden.
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3:00 - 3:03Und wenn ich "manipuliert" sage, meine ich das im darwinschen Sinne.
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3:03 - 3:06Sie hat sich ein paar sehr charakteristische Eigenschaften zugelegt -
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3:06 - 3:11Farbe, Geruch, Geschmack, Muster - die die Biene angelockt haben.
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3:11 - 3:15Und die Biene wurde clever zum Nektarholen verleitet,
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3:15 - 3:18und dabei hat sie gleich noch ein bisschen Pulver am Bein mitgenommen,
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3:18 - 3:20und fliegt zur nächsten Blüte weiter.
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3:20 - 3:23Die Hummel hat hier überhaupt nicht das Sagen.
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3:23 - 3:25Und dann erkannte ich, dass ich es auch nicht hatte.
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3:25 - 3:28Ich war von der Kartoffel verführt worden, und von keiner anderen,
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3:28 - 3:33sie anzupflanzen - ihre Gene zu verbreiten und ihren Lebensraum zu erweitern.
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3:33 - 3:37Und damals hatte ich die Idee - "Was würde passieren, wenn wir uns
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3:37 - 3:40aus dem Blickwinkel der anderen Spezies betrachten, die uns bearbeiten?"
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3:40 - 3:45Und Landwirtschaft schien mir plötzlich nicht als Erfindung oder menschliche Technologie,
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3:45 - 3:47sondern als ko-evolutionäre Entwicklung, in der eine Gruppe cleverer Spezies,
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3:47 - 3:53hauptsächlich essbare Gräser, uns ausgenutzt hatten,
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3:53 - 3:58und herausgefunden hatten, wie sie uns zur Entwaldung der Welt bringen.
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3:58 - 4:01Der Wettbewerb der Gräser, oder?
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4:01 - 4:03Und plötzlich sah ich alles in einem anderen Licht.
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4:03 - 4:07Und plötzlich war auch das Rasenmähen an dem Tag ein ganz neues Erlebnis.
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4:07 - 4:10Ich hatte immer gedacht - und sogar in meinem ersten Buch,
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4:10 - 4:11einem Buch über Gärtnern, geschrieben -
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4:11 - 4:16dass Rasen die Natur unterm Stiefel der Kultur sind,
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4:16 - 4:18totalitäre Landschaften,
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4:18 - 4:22und wenn wir sie mähten, unterdrückten wir die Spezies auf grausame Art,
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4:22 - 4:26und ließen es nie Samen bilden oder sterben oder Sex haben.
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4:26 - 4:28Und das war Rasen für mich.
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4:28 - 4:32Aber dann erkannte ich, "Nein, genau das sollen wir für die Gräser tun.
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4:32 - 4:39Ich wurde in die Irre geführt von Rasen, deren Lebensziel es ist, die Bäume
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4:39 - 4:42zu übertrumpfen, mit denen sie ums Sonnenlicht streiten."
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4:42 - 4:46Und indem wir den Rasen mähen, kommen die Bäume nicht zurück,
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4:46 - 4:49was in Neuengland sehr, sehr schnell passiert.
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4:49 - 4:52Also schaute ich mir die Dinge so an
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4:52 - 4:54und schrieb ein Buch darüber namens "Botanik der Begierde".
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4:54 - 4:58Und ich erkannte, dass man, genauso, wie man eine Pflanze betrachten
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4:58 - 5:03und alle möglichen interessanten Details über Geschmack und Bienenvorlieben ableiten kann -
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5:03 - 5:09dass sie Süße mögen, und Symmetrie, und diese Farbe, aber jene nicht -
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5:09 - 5:12was konnten wir über uns herausfinden, wenn wir das mit uns täten?
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5:12 - 5:15Dass eine bestimmte Kartoffelart, eine bestimmte Drogenart,
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5:15 - 5:21eine sativa-indica Cannabis-Kreuzung, etwas über uns zu sagen hat.
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5:21 - 5:26Und wäre das nicht eine interessante Art, die Welt zu betrachten?
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5:26 - 5:30Jetzt kommen wir zum Test einer jeden Idee - oder Gedankenspiel -
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5:30 - 5:33was bringt uns dies?
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5:33 - 5:37Und wenn man über Natur redet, die als Autor mein Lieblingsthema ist,
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5:37 - 5:40wie besteht die Idee den Aldo-Leopold-Test?
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5:40 - 5:44Der da wäre, macht es uns zu besseren Bürgern der biotischen Gemeinschaft?
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5:44 - 5:51Unternehmen wir durch sie etwas zur Unterstützung und Weiterverbreitung
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5:51 - 5:52von Flora und Fauna, und nicht deren Zerstörung?
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5:52 - 5:54Ich meine schon, dass dieser Ansatz dies tut.
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5:54 - 5:57Lassen Sie mich aufzählen, was Sie durch diese neue Weltsicht gewinnen,
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5:57 - 6:02abgesehen von einigen unterhaltsamen Erkenntnissen über menschliche Begehren.
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6:02 - 6:09Auf einer intellektuellen Ebene hilft uns diese Sicht aus den Augen anderer Spezies,
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6:09 - 6:12mit dieser seltsamen Anomalie umzugehen,
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6:12 - 6:16- und das liegt im Reich der intellektuellen Geschichte -
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6:16 - 6:21und zwar, dass wir diese darwinsche Revolution vor 150 Jahren hatten.
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6:21 - 6:24Uff... Mini-Me. (Lachen)
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6:26 - 6:32Wir haben diese intellektuelle, diese darwinsche Revolution, in der wir,
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6:32 - 6:34dank Darwin, herausfanden, dass wir nur eine Spezies von vielen sind,
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6:34 - 6:38Evolution wirkt auf uns genauso wie auf alle anderen.
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6:38 - 6:40Mit uns wird umgegangen, genauso wie wir selbst mit anderem umgehen,
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6:40 - 6:44wir sind ein Teil des Stoffes, aus dem Leben gemacht ist.
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6:44 - 6:48Aber komisch ist, dass wir das 150 Jahre später immer noch nicht
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6:48 - 6:50verdaut haben, niemand glaubt das so richtig.
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6:50 - 6:55Wir sind in diesem Sinne noch kartesisch - die Kinder Descartes' -
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6:55 - 7:00und glauben, dass Subjektivität und Bewusstsein uns besonders machen,
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7:00 - 7:03Dass die Welt in Objekte und Subjekte geteilt ist,
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7:03 - 7:06dass der Natur auf einer Seite die Kultur auf der anderen gegenübersteht.
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7:06 - 7:11Sobald Sie sich die Dinge aus der Sicht der Pflanzen oder Tiere anschauen,
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7:11 - 7:15erkennen Sie das wahre Gedankenspiel -
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7:15 - 7:19nämlich die Auffassung, dass Natur der Kultur gegenübersteht,
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7:19 - 7:23dass das Bewusstsein über allem steht -
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7:23 - 7:26und das ist ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Sichtweise.
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7:26 - 7:29Der Blick auf die Welt aus der Sicht anderer Arten
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7:29 - 7:33heilt die Krankheit menschlicher Selbstüberschätzung.
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7:33 - 7:38Man erkennt auf einmal, dass Bewusstsein -
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7:38 - 7:42das wir sehr hoch bewerten und als
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7:42 - 7:44die Krone der Schöpfung betrachten,
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7:44 - 7:49dass menschliches Bewusstsein auch nur eine der Arten ist, auf der Welt zurechtzukommen.
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7:49 - 7:53Und es ist ganz natürlich, dass wir es für unser bestes Werkzeug halten.
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7:53 - 7:55Aber wissen Sie, es gibt einen Komiker, er sagte:
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7:55 - 7:59"Aber wer sagt mir denn jetzt, dass Bewusstsein so gut und wichtig ist?
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7:59 - 8:01Na das Bewusstsein."
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8:01 - 8:05Beim Blick auf die Pflanzen also erkennt man andere Werkzeuge,
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8:05 - 8:07die genau so interessant sind.
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8:07 - 8:11Ich gebe Ihnen zwei Beispiele, auch aus meinem Garten:
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8:11 - 8:16Limabohnen. Was tun Limabohnen wohl, wenn Spinnmilben sie angreifen?
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8:16 - 8:19Sie stoßen eine flüchtige Chemikalie aus, die in die Welt hinaus geht
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8:19 - 8:22und eine andere Milbenart herbeiruft,
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8:22 - 8:26die die Spinnenmilbe angreift und so die Limabohnen verteidigt.
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8:26 - 8:32Was Pflanzen also haben - wo wir Bewusstsein, Sprache und die Möglichkeit,
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8:32 - 8:34Werkzeuge herzustellen, haben - ist Biochemie.
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8:34 - 8:39Und die haben sie weit jenseits unserer Vorstellung perfektioniert.
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8:39 - 8:44Ihre Komplexität, ihre hohe Entwicklung ist wirklich bewundernswert,
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8:44 - 8:46und das halte ich für den wirklichen Skandal am Humangenomprojekt.
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8:46 - 8:51Anfänglich erwarteten wir um die 40.000 oder 50.000 menschliche Gene,
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8:51 - 8:55aber am Ende hatten wir nur 23.000.
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8:55 - 9:03Um das mal in Relation zu setzen: Reis hat 35.000 Gene.
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9:03 - 9:06Wer ist hier also die weiter entwickelte Art?
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9:06 - 9:07Na gut, wir sind alle gleichermaßen hochentwickelt.
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9:07 - 9:10Wir haben uns über dieselbe Zeitspanne entwickelt,
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9:10 - 9:12nur auf unterschiedlichen Pfaden.
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9:13 - 9:21Ein gesunder Nasenstüber, da spürt man Darwins Idee am eigenen Leib.
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9:21 - 9:24Und das ist auch meine Aufgabe als Autor, als Geschichtenerzähler,
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9:24 - 9:31ich versuche Menschen das empfinden zu lassen, was wir wissen,
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9:31 - 9:32und möchte Geschichten erzählen, die uns helfen, ökologisch zu denken.
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9:32 - 9:34Die andere Anwendung hat praktischen Wert.
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9:34 - 9:36Ich nehme Sie jetzt mit auf eine Farm, denn ich habe diesen Ansatz
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9:36 - 9:40bei der Entwicklung meines Verständnisses vom Ernährungssystem entwickelt.
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9:40 - 9:45Und dort lernte ich, dass wir alle, genau jetzt, von Mais manipuliert werden.
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9:45 - 9:50Und der Vortrag über Ethanol, den wir heute gehört haben, ist für mich
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9:50 - 9:55der endgültige Triumph von Mais über den Menschenverstand (Lachen, Applaus).
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9:55 - 10:03Es ist Teil des Plans von Mais zur Ergreifung der Weltherrschaft.
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10:03 - 10:04(Lachen)
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10:04 - 10:08Sie werden sehen, dass die Menge des in diesem Jahr angebauten Mais
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10:08 - 10:10drastisch zugenommen hat und es so viel mehr Lebensraum für ihn gibt,
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10:10 - 10:12weil wir beschlossen haben, dass Ethanol uns weiterhilft.
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10:12 - 10:16Es hat mir also geholfen, die industrielle Landwirtschaft zu verstehen,
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10:16 - 10:18die natürlich ein kartesisches System ist.
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10:18 - 10:21Es basiert auf der Idee, dass wir andere Arten unserem Willen unterwerfen,
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10:21 - 10:24und dass wir die Kontrolle haben und diese Fabriken und die ganzen
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10:24 - 10:27technischen Eingabemöglichkeiten haben und dann Essen oder Brennstoff
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10:27 - 10:29oder was wir eben wollen dabei herausbekommen.
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10:30 - 10:32Lassen Sie mich Ihnen eine sehr andere Art Farm zeigen.
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10:32 - 10:35Dies ist eine Farm im Shenandoah Valley in Virginia.
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10:35 - 10:38Ich begab mich auf die Suche nach einer Farm, wo diese Ideen,
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10:38 - 10:42sich Dinge aus der Sicht der Arten anzuschauen, umgesetzt wurden.
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10:42 - 10:44Und ich fand sie in einem Mann. Dieser Mann ist Joel Salatin.
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10:44 - 10:47Und ich verbrachte eine Woche als Lehrling auf seinem Hof,
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10:47 - 10:53und nahm aus dieser Woche so viel Hoffnung über unser Verhältnis zur Natur mit,
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10:53 - 10:56wie ich es in den 25 Jahren des Schreibens über Natur selten getan hab.
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10:56 - 10:57Und zwar dies:
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10:57 - 11:00Dieser Hof heißt Polyface, und das bedeutet ...
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11:00 - 11:04Es gibt dort sechs unterschiedliche Tierarten und ein paar Pflanzen,
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11:04 - 11:07die in einer sehr genauen Anordnung wachsen.
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11:07 - 11:09Es ist eine Permakultur, für die unter Ihnen, die mehr darüber wissen,
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11:09 - 11:17also die Kühe und Schweine und Schafe und Truthähne und die ...
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11:17 - 11:19Was hat er noch gleich?
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11:19 - 11:21Alle sechs Tierarten - ach, Kaninchen auch noch -
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11:21 - 11:24erfüllen alle einen ökologischen Dienst für eine andere Art,
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11:24 - 11:27zum Beispiel ist der Dung der einen das Mittagessen für eine andere,
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11:27 - 11:29und sie kümmern sich auch um die Schädlinge der anderen.
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11:29 - 11:32Es ist ein sehr präziser und schöner Tanz,
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11:32 - 11:35aber ich werde Ihnen eine Nahaufnahme eines Details geben,
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11:35 - 11:41und zwar die Beziehung zwischen seinen Rindern und seinen Legehennen.
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11:41 - 11:46Und ich werde Ihnen zeigen, was man mit diesem Ansatz herausbekommt, okay?
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11:46 - 11:48Und das ist viel mehr als nur Nahrung anbauen, wie Sie sehen werden:
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11:48 - 11:50es ist eine andere Art, mit der Natur umzugehen
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11:50 - 11:54und eine Möglichkeit, von den Nullsummenrechnungen wegzukommen,
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11:54 - 11:57dieser kartesischen Idee, dass entweder die Natur oder wir gewinnen,
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11:57 - 12:00und dass die Natur kleingehalten werden muss damit wir bekommen was wir wollen.
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12:01 - 12:03Also, eines Tages, Rind in einem Gatter.
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12:03 - 12:06Die einzige Technologie hier ist der billige Elektrozaun:
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12:06 - 12:08ziemlich neu, an eine Autobatterie angeschlossen,
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12:08 - 12:12sogar ich könnte damit eine Koppel von 10 Ar in 15 Minuten absperren.
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12:12 - 12:16Kühe grasen einen Tag lang. Sie bewegen sich weiter. Okay?
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12:16 - 12:18Sie grasen alles ab, ganz intensiv.
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12:18 - 12:20Er wartet drei Tage,
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12:20 - 12:23und dann holten wir sein sogenanntes "Eimobil" raus.
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12:23 - 12:26Das Eimobil ist eine ziemlich wackelige Angelegenheit -
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12:26 - 12:29es sieht aus wie ein Prärieschoner aus Latten gemacht -
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12:29 - 12:31und beherbergt 350 Hühner.
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12:31 - 12:37Er zieht das Eimobil also drei Tage später auf die Koppel
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12:37 - 12:41und klappt die Laufplanke runter. 350 Hennen quellen aus dem Eimobil,
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12:41 - 12:43gackernd und mit dem üblichen Hühnerlärm -
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12:43 - 12:47und sie halten schnurstracks auf die Kuhfladen zu.
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12:48 - 12:50Und was sie tun ist sehr interessant -
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12:50 - 12:52sie wühlen sich durch die Kuhfladen,
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12:52 - 12:56auf der Suche nach den Maden, Insekteneiern und Fliegenlarven.
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12:56 - 12:58Und er hat drei Tage gewartet, weil er genau weiß,
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12:58 - 13:03dass die Larven am vierten oder fünften Tag schlüpfen
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13:03 - 13:05und er dann ein riesiges Fliegenproblem am Hals hätte.
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13:05 - 13:11Aber er wartet drei Tage, damit sie so groß und saftig werden, wie es geht,
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13:11 - 13:14weil sie das liebste Protein der Hühner sind.
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13:14 - 13:16Also vollziehen die Hühner ihren kleinen Breakdance,
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13:16 - 13:20und sie wühlen den Dung umher um die Larven zu erwischen,
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13:20 - 13:23und während sie das tun, verteilen sie den Dung.
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13:23 - 13:27Eine ziemlich sinnvolle Zweitdienstleistung am Ökosystem.
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13:27 - 13:30Und drittens, während sie auf der Koppel sind,
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13:30 - 13:33entleeren sie natürlich ihre Därme wie verrückt,
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13:33 - 13:39und ihr sehr stickstoffhaltiger Kot düngt das Feld.
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13:39 - 13:41Sie bewegen sich dann zum nächsten weiter,
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13:41 - 13:49und innerhalb von nur weniger Wochen kriegt das Gras einen riesigen Wachstumsschub.
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13:49 - 13:51Und innerhalb von vier Wochen kann er das wiederholen.
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13:51 - 13:54Er kann wieder die Kühe grasen lassen, oder das Gras schneiden,
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13:54 - 13:59eine andere Art, z.B. Lämmer, einführen, oder Heu für den Winter machen.
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13:59 - 14:03Ich hätte gern, dass Sie sich genau ansehen, was dort passiert ist.
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14:03 - 14:04Es ist ein sehr produktives System.
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14:04 - 14:06Und was ich Ihnen sagen muss: Auf 0,4 km² erzielt er
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14:06 - 14:1140.000 Pfund Rindfleisch, 30.000 Pfund Schwein, 25.000 Dutzend Eier,
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14:11 - 14:1420.000 Hühnchen, 1.000 Truthähne, 1.000 Kaninchen -
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14:14 - 14:16eine riesige Menge an Nahrung.
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14:16 - 14:18Und dann hört man, "Kann Bio-Essen die Welt ernähren?"
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14:18 - 14:23Ja, Sie sehen doch, wie viel Nahrung man auf 0,4 km² erzielen kann
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14:23 - 14:26mit dieser Art von – ich sag's nochmal – er gibt jeder Art, was sie will,
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14:26 - 14:30lässt sie erkennen, was sie brauchen, was sie besonders macht.
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14:30 - 14:32Er zieht das in Betracht.
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14:32 - 14:35Doch nun schauen Sie sich die Sache aus dem Blickpunkt des Grases an.
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14:35 - 14:37Was passiert bei diesem Vorgang mit dem Gras?
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14:37 - 14:43Wenn ein Wiederkäuer grast, wird das Gras von dieser Höhe auf diese gekürzt,
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14:43 - 14:45und es passiert sofort etwas interessantes.
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14:45 - 14:49Gärtner unter Ihnen werden das Wurzel-Spross-Verhältnis kennen.
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14:49 - 14:53Pflanzen müssen die Wurzelmasse und die Blättermasse
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14:53 - 14:56mehr oder weniger ausgeglichen halten, um glücklich zu sein.
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14:56 - 15:00Wenn sie also eine Menge Blättermasse verlieren, bauen sie Wurzeln ab,
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15:00 - 15:03die werden quasi abgeätzt und sterben ab.
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15:03 - 15:06Und die Arten im Boden machen sich ans Werk,
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15:06 - 15:10kauen diese Wurzeln gut durch, zersetzen sie -
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15:10 - 15:16die Regenwürmer, Pilze, Bakterien - und das Resultat ist neuer Boden.
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15:16 - 15:19So wird Boden geschaffen.
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15:19 - 15:20Er kommt von ganz unten.
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15:20 - 15:22So wurden die Prärien erschaffen,
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15:22 - 15:24die Beziehung zwischen Bison und Gräsern.
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15:25 - 15:28Und als ich das verstand, erkannte ich eins -
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15:28 - 15:32und wenn man Joel Salatin fragt, was er ist, sagt er, er ist kein Hühnerhalter,
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15:32 - 15:37kein Schäfer, kein Rinderhalter, er ist ein Grasfarmer.
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15:37 - 15:41Denn Gras ist die Schüsselspezies in solch einem System -
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15:41 - 15:50Ich erkannte also, dass dies unserer armseligen Vorstellung von Natur komplett widerspricht,
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15:50 - 15:56nämlich: damit wir bekommen was wir wollen, müssen wir die Natur schwächen.
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15:56 - 15:58Mehr für uns, weniger für die Natur.
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15:58 - 16:03Hier kommt all dieses Essen von einem Hof und am Ende der Saison
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16:03 - 16:09gibt es sogar mehr Boden, mehr Fruchtbarkeit und mehr biologische Vielfalt.
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16:10 - 16:13Es ist eine unglaublich hoffnungsvolle Herangehensweise.
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16:13 - 16:15Es gibt heute viele Farmer mit diesem Ansatz.
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16:15 - 16:18Dies ist weit jenseits biologischer Landwirtschaft,
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16:18 - 16:21die nämlich mehr oder weniger noch kartesisch ist.
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16:21 - 16:27Und dies bedeutet: Wenn wir andere Arten und den Boden mit einkalkulieren
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16:27 - 16:34dann wird allein mit dieser perspektivischen Herangehensweise
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16:34 - 16:38- denn mehr Technologie als die Elektrozäune gibt es nicht,
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16:38 - 16:43und die sind so billig, dass man sie in kürzester Zeit in ganz Afrika errichten könnte -
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16:43 - 16:47dass wir die Nahrung, die wir brauchen, von der Erde nehmen,
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16:47 - 16:51und die Erde dabei noch heilen.
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16:52 - 16:54Das ist ein Weg, die Welt wiederzubeleben,
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16:54 - 16:56und das ist so aufregend an dieser Herangehensweise.
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16:56 - 17:00Wenn wir beginnen, Darwins Erkenntnisse tief in unseren Knochen zu spüren,
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17:00 - 17:05dann sind die Dinge, die wir mit nurmehr diesen Ansätzen tun können,
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17:05 - 17:07etwas, worauf uns hoffen lässt.
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17:07 - 17:08Vielen Dank.
- Title:
- Michael Pollan erzählt aus der Pflanzenperspektive
- Speaker:
- Michael Pollan
- Description:
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Was wäre, wenn das menschliche Bewusstsein nicht die Krone der Schöpfung wäre? Was wäre, wenn wir alle nur Spielfiguren in den Weltbeherrschungsplänen des Mais sind? Der Autor Michael Pollan bittet uns, die Welt aus Sicht der Pflanzen zu sehen.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 17:08