-
36c3 Vorspannmusik
-
Herald: Alles muss digitalisiert werden,
alles muss effizienter und schneller
-
werden. Aber ist es am Ende dann auch noch
gerecht und rechtens und gut? Und ist es
-
wirklich das, was wir am Ende haben
wollten? Oder haben wir dann einfach nur
-
noch eine Maschine, die über uns
entscheidet? Darüber werden unsere
-
nächsten zwei Vortragenden berichten. Anna
Biselli ist Informatikerin und
-
Journalistin und Lea Beckmann ist bei der
Gesellschaft für Freiheitsrechte
-
Juristinnen und beschäftigt sich mit dem
Thema. Also ich kann mir kein besseres
-
Team vorstellen als Anna und Lea für
dieses Topic. Eine dicke runde Applaus
-
bitte.
-
Applaus
-
Lea Beckmann: Hallo, ich freue mich, dass
ihr so zahlreich gekommen seid. In der
-
Vorstellungsrunde möchte ich jetzt
vielleicht einmal kurz doch noch, das war
-
jetzt nicht geplant ist, Anna, aber dich
vorstellen. Anna Biselli ist
-
Informatikerin und Journalistin und
recherchiert seit einigen Jahren zur
-
Digitalisierung in der
Migrationskontrolle. Und wenn wir über das
-
Thema in Deutschland etwas wissen, wenn
wir vor allem auch mehr wissen als in
-
anderen Ländern, dann ist das sicherlich
in maßgeblicher Weise auch dir zu
-
verdanken. Die Frage ist also ein
bisschen, was ich eigentlich hier auf der
-
Bühne mache. Das will ich vielleicht kurz
erklären. Ich arbeite bei der Gesellschaft
-
für Freiheitsrechte und wir sind eine
Berliner NGO. Wir setzen uns ein für den
-
Schutz von Menschenrechten. Und zwar
machen wir das durch strategische
-
Prozessführung in aller Regel durch
Gerichtsverfahren. Und zwar wollen wir
-
dort, also wir sehen, dass in bestimmten
Themenbereichen einfach nicht geklagt
-
wird, rechtswidrige Behörden, Praktiken
oder auch verfassungswidrige Gesetze nicht
-
angegriffen werden und deswegen sich
Rechtsschutz Lücken in der Praxis stellen.
-
Und wir wollen helfen, das zu mit
schließen und also in diesen
-
Themenbereichen genauer rein zu schauen.
Und bei der Digitalisierung in der
-
Migrationskontrolle kommen quasi zwei
Themenbereiche zusammen, in denen das der
-
Fall ist, nämlich der Migrationsbereich,
also insbesondere Asylsuchende, die
-
einfach faktisch Schwierigkeiten im Zugang
zu Recht haben, die in Deutschland neu
-
ankommen, die Sprache nicht sprechen,
traumatisierende Erfahrung möglicherweise
-
in der Vergangenheit haben mit ganz
anderen Problemen im Alltag zu kämpfen
-
haben, also mit großen Rechtsschutzlücken.
Und andererseits geht es um
-
Digitalisierungsthemen, und da ist für
viele Menschen einfach auch schon
-
technisch nicht zu verstehen, worum es
geht. Und die Eingriffe in informationelle
-
Selbstbestimmung sind nicht so spürbar.
Deswegen ist es also ein Thema, in dem es
-
wichtig ist, dass auch mehr gerichtliche
Kontrolle herbeigeführt wird. Deswegen
-
haben Anna und ich quasie zu diesem Thema
zusammengefunden, weil Anna seit Jahren zu
-
diesem Thema recherchiert und wir eben aus
juristischer Sicht prüfen wollen bei einem
-
besonderen Thema, wie wir vorgehen, können
und dazu werden wir gleich noch genauer
-
kommen. Vielleicht so viel zur Einleitung.
Anna Biselli: Genau. Und bevor wir mit dem
-
anfangen, was Behörden machen, wollen wir
eigentlich mal gucken, wie wirkt sich denn
-
Digitalisierung auf Flucht überhaupt aus?
Weil an sich ist der Zugang zu digitalen
-
Technologien erst einmal ein ziemlich
wichtiges Werkzeug auch für gerade
-
Flüchtende und Geflüchtete. Weil es wird
eben benutzt, um zum Beispiel
-
Übersetzungshilfe zu leisten wie auf
diesem Bild bei einer Aktion in Linz. Es
-
wird auch benutzt, um Menschen
Informationen darüber zu geben, wie es
-
gerade vielleicht auf dem Mittelmeer
aussieht und wo sie sich wenden können,
-
wenn sie Probleme bekommen. Und Menschen
benutzen eben Smartphones und Facebook-
-
Gruppen, um sich auszutauschen, zum
Beispiel zu möglichen Fluchtrouten, zu
-
Gesetzen in den Ländern, in denen sie sich
gerade befinden oder in die sie wollen,
-
als Kommunikationsmittel nach Hause,
gerade auch wenn die Menschen in dem Land
-
angekommen sind, aber auch eben als quasi
letztes Bewahren von Erinnerungen, die man
-
noch hat, von Fotos, von allen möglichen
Sachen. Und eine Menge geflüchtete und
-
flüchtende Menschen haben eben Smartphones
dabei. Das heißt, eine Befragung der FU
-
Berlin von 2016, die haben in Berlin
rumgefragt, in Aufnahmelagern, haben
-
ergeben, dass zum Beispiel 78 Prozent der
Menschen, die aus Syrien nach Berlin
-
gekommen sind, während ihrer Flucht ein
Smartphone dabei hatten und genutzt haben
-
und 88 Prozent nach ihrer Flucht ein
Smartphone hatten und das auch genutzt
-
haben, um primär eben Dinge zu tun, die
ihnen den Alltag möglich machen und sie
-
dazu recherchieren. So, das ist eben die
eine Seite. Das heißt, wir haben irgendwie
-
eine Technologie, die Menschen hilft,
anzukommen, die Menschen hilft, sich
-
zurechtzufinden. Aber das produziert eben
jede Menge Daten. Und wir kennen den
-
Spruch vielleicht: Wo ein Trog ist, da
sammeln sich die Schweine. Der kommt aus
-
einem relativ passenden Kontext. War
nämlich während der
-
Vorratsdatenspeicherungs-Verhandlung 2009.
Da, wo die ganzen Daten anfallen und
-
produziert werden, da interessieren sich
plötzlich auch Behörden für diese Daten.
-
Heißt, man kann aus diesem Smartphone
Daten vor allem gucken, na ja, was ist
-
denn während der Flucht passiert? Wie sind
so die Fluchtbewegungen der Person? Mit
-
wem kommuniziert die Person? Was ist das
für eine Person? Wie verhält sie sich? Und
-
da geht es sowohl um das Individuum. Das
heißt die einzelne Person und ihr
-
Verhalten, aber auch um quasi Flucht als
Allgemeines. Das heißt, alles, was auf
-
Social Media passiert, unabhängig von der
einen Person, ist für Behörden
-
interessant. Und wir finden, Deutschland
ist ein ganz gutes Beispiel dafür, was
-
passiert, wenn gerade Behörden, die für
Migration zuständig sind, solche
-
Möglichkeiten entdecken und dann immer
wieder weiter digitalisieren,
-
digitalisieren, digitalisieren. Und
deshalb wollen wir zur Einleitung erst
-
einmal ein kleines Video zeigen, das das
BAMF zu sich selbst gemacht hat. Zu ihren
-
Digitalisierungsbemühungen, weil das,
glaube ich, ziemlich gut zeigt, mit was
-
für einem Digitalisierungsenthusiasmus,
wie es zu tun haben.
-
Video des BAMF:
Vorspannmusik
-
Das ist alles dabei.
weitere Vorspannmusik
-
René Böcker: Herzlich willkommen im IT-
Labor des BAMF!
-
weitere Vorspannmusik
Rene: Das hier ist der Ort, an dem wir
-
unsere Digitalisierungsagenda 2020
umsetzen. Mit dieser haben wir uns nicht
-
nur aus technischer Sicht eine ganze Menge
Herausforderungen gestellt, sondern auch
-
aus organisatorischer Sicht. Hier findet
agile Software-Entwicklung statt. Folgen
-
Sie mir.
Musik
-
Rene: Hier sind Sie im wichtigsten Raum
des IT-Labors. Hier arbeiten unsere
-
Entwickler.
Lachen aus dem Publikum des 36c3
-
Rene: Es gibt hier die entsprechenden
Arbeitsplätze. Dort gibt es das Product
-
Backlog entsprechend der agilen
Softwareentwicklungs-Methode Scrum.
-
Lachen aus dem Publikum des 36c3
Rene: Und hier sehen Sie bereits ein
-
erstes Resultat des Datenbankschema.
Musik
-
Rene: Hier befinden wir uns in unserem
multimedialen Präsentationsraum. Neben
-
einigen Entwicklungsergebnissen werden
hier die herausragenden Kernprojekte
-
unserer Digitalisierungsagenda
vorgestellt. Ein ganz wesentlicher
-
Erfolgsfaktor beim agilen
Projektmanagement nach Scrum-Methode ist
-
es nicht nur, dass das Entwicklungsteam
eng zusammenarbeitet, seine Ergebnisse
-
direkt der Fachseite präsentieren kann,
sondern auch, dass es einen Ort gibt zur
-
kreativen Lösungsfindung und manchmal auch
zur Konfliktlösung. Das IT-Labor mit
-
seinen drei Räumlichkeiten ist ein
wesentlicher Beitrag dazu, dass wir unsere
-
Digitalisierungsagenda 2020
Kickgeräusch mit anschließendem Auftreffgeräusch des Balls im Tor
-
Rene: zum Erfolg führen.
Abspannmusik
-
Applaus und teilweise Lachen aus dem Publikum des 36c3
Anna: So, also wir sehen, die Motivation
-
ist definitiv da. Aber die nächsten Themen
werden nicht mehr ganz so witzig, weil wir
-
gehen jetzt so ein bisschen in die
Inhalte, die wir untersucht haben. Und
-
zwar fangen wir an mit nicht nochmal dem
Video, sondern der Handydatenauswertung.
-
Lea: Das Thema, was wir uns eben zusammen
genauer angeschaut haben, sind die
-
Handydatenauswertungen, die das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge, das BAMF,
-
vornimmt. Und zwar ist das im Kontext zu
verstehen, dass 2015 eben mehr auch
-
Geflüchtete nach Deutschland kamen und in
der Folge etliche Gesetzesänderungen im
-
Asylbereich, Asylrecht erschwert haben und
insbesondere eben auch Gesetze, die
-
Ausreisepflicht verschärft haben. 2017
wurde das Gesetz zur besseren Durchsetzung
-
der Ausreisepflicht verabschiedet. In dem
Zusammenhang wurde auch eine
-
Rechtsgrundlage eingeführt, die es dem
BAMF ermöglicht, Handydaten Geflüchteter
-
auszulesen, und zwar über folgenden
Passus. Und zwar sind Asylsuchende
-
verpflichtet, bei der Aufklärung des
Sachverhalts mitzuwirken, und da wurde
-
2017 einfach die Nummer 6 eingeführt. Und
das heißt dann, das bedeutet, wenn man
-
keinen Pass oder Passersatz vorlegen kann,
dann kann das BAMF die Datenträger
-
auslesen. In der Praxis sind das Handys,
größtenteils Smartphones und zum Teil auch
-
einfache Feature Phones. Es kommen
tatsächlich eben auch viele Geflüchtete in
-
Deutschland ohne Pass an. Das ist über die
Hälfte der Geflüchteten in den vergangenen
-
Jahren. Das hat damit zu tun, das kann
ganz unterschiedliche Gründe haben. Aber
-
es hat zum Teil damit zu tun, dass es in
manchen Ländern nicht so üblich ist,
-
überhaupt einen Pass zu haben. Manche
Pässe werden auch nicht anerkannt. Also
-
das gibt Einschätzungen des
Innenministeriums gemeinsam mit dem BAMF,
-
das hat auch mit der politischen Situation
in den Ländern zu tun, dass Pässe nicht
-
anerkannt werden. Zum Beispiel betrifft
das Somalia, wo fast ausnahmslos Pässe
-
nicht anerkannt werden oder auch viele
Pässe, die aus Nigeria stammen. Das BAMF
-
liegt diese Rechtsgrundlage zudem weit
aus. Jeder, der im Moment, indem er beim
-
BAMF vorsteht, keinen Pass hat, der in dem
Moment auf seine Echtheit überprüft werden
-
kann, bei dem glaubt es, eben die
Datenträger auslesen zu können. Es kann
-
also sein, dass der Pass aktuell bei einer
anderen Behörde liegt, in einer anderen
-
Angelegenheit. Es kann auch sein, dass ...
da fehlen mir gerade die anderen
-
Beispiele. Aber jedenfalls gibt es
unterschiedliche Gründe, warum eine
-
Person, die eigentlich einen Pass hat,
also der Pass wird nicht anerkannt. Kann
-
ich vor Ort direkt computergestützt
überprüft werden, dann kann das Handy
-
ausgelesen werden. Wir haben das Thema
auch bei der Gesellschaft für
-
Freiheitsrechte eigentlich seit den
Ursprüngen verfolgt. Denn bereits im
-
Gesetzgebungsverfahren war die
Verfassungswidrigkeit dieser rechtlichen
-
Grundlage ganz scharf kritisiert worden
von der damaligen
-
Bundesdatenschutzbeauftragten, vom
Deutschen Anwaltverein, von diversen
-
anderen Organisationen. Es lag eigentlich
klar auf dem Tisch. Das Gesetz ist dann
-
trotzdem verabschiedet worden, ist unserer
Ansicht nach verfassungswidrig. Aber wir
-
kommen hier an die bereits beschriebenen
Rechtsschutzlücken. Denn ein
-
verfassungswidriges Gesetz anzugehen
heißt, man muss es im Normalfall durch die
-
gerichtliche Kontrolle, durch die
Instanzen bringen, dann zum
-
Bundesverfassungsgericht und kann dann
etliche Jahre warten in der Hoffnung, dass
-
das Bundesverfassungsgericht dann die
rechtliche Grundlage für nichtig erklärt.
-
Es ist für die individuell betroffenen
Personen also in ihrer Biografie eine
-
Hilfe, die viel zu spät kommt. Deswegen
haben wir eben beschlossen, dass es
-
strategischer Prozessführung bedarf und
dass wir diese Rechtsgrundlage vor Gericht
-
bringen wollen. Und dafür haben wir uns
gemeinsam der Aufgabe gewidmet, einmal den
-
Sachverhalt sehr, sehr klar aufzuzäumen,
um eben diese Rechtswidrigkeit und vor
-
allem auch die Unverhältnismäßigkeit der
Grundrechtseingriffe darlegen zu können.
-
Applaus
Also einmal kurz zudem, wie das eigentlich
-
passiert, wenn man also beim BAMF
vorstellig wird. Im Normalfall ist das
-
direkt bei der Registrierung. Also wenn
man ganz am Anfang im Asylverfahren keinen
-
Pass vorlegen kann, dann wird ein
Rohdatensatz vom Handy ausgelesen, kopiert
-
durch eine speziell dafür eingeworbene
Software, analysiert nach bestimmten
-
Indikatoren, die eben vermeintlich
Auskunft geben sollen über Herkunft und
-
Identität. Denn nur darum geht es hier.
Und dann wird also ein Ergebnisprotokoll,
-
ein Digitales, kreiert, das dann in einem
digitalen Datentresors abgespeichert wird.
-
Und im nächsten Schritt dann aus diesen
Datentresor nur abgerufen werden kann nach
-
vorheriger Freigabe durch einen Juristen
oder eine Juristin innerhalb des BAMF. Die
-
Indikatoren, die dabei untersucht werden,
sind die folgenden: Einmal Ländervorwahlen
-
in Kontaktdaten, in einem und ausgehenden
Anrufen und in Nachrichten, dann
-
Länderendungen aufgerufener Webseiten, die
im Internetbrowser aufgerufen worden sind,
-
Lokalisationdaten in Apps und Fotos, die
Sprache in Nachrichten, und zwar im
-
Arabischen, sogar der Dialekt, und
Benutzernamen und E-Mail-Adressen, die
-
genutzt werden, um sich in Apps damit an
zumelden. Zum Beispiel der Name, den man
-
verwendet, um sich bei Facebook
anzumelden, oder auch in einer Dating-App.
-
Das Ergebnisprotokoll, wird zunächst
abgespeichert und kann nur nach interner
-
Freigabe verwendet werden, was die
entscheidende Person im BAMF dann sieht,
-
sieht also so aus. Das sind so
Tortendiagramme und Länderkarten, die
-
eingezeichnet werden, die also darstellen,
in welchem Prozentsatz die eingehenden
-
Nachrichten zum Beispiel in welcher
Sprache oder mit welchen Vorwahlen gewesen
-
sind. Aus rechtlicher Hinsicht muss man
dazu vielleicht einleitend direkt sagen,
-
das migrationspolitische Ziel das hier
verfolgt wird, reicht eigentlich nicht
-
aus, um in informationstechnische Systeme,
also hier in Handys, einzugreifen. Und
-
zwar das Bundesverfassungsgericht 2008 das
sogenannte Comuter-Grundrecht erkannt,
-
dass die Integrität und Vertraulichkeit
informationstechnischer Systeme heißt das.
-
Und dabei hat es anerkannt, dass auf
informationstechnischen Systemen, also
-
Handys und Computern eine Vielzahl von
Daten zusammentrifft, die ganz
-
unterschiedliche Lebensbereiche betreffen
und das deswegen besonders gefährlich ist
-
und einen besonderen grundrechtlichen
Schutz bedarf, und dass also ein
-
staatlicher Zugriff nur unter sehr hohen
Voraussetzungen zulässig ist. Und zwar
-
sagt es zu gewichtigen Verfassungshüter.
Da sind zum Beispiel Leib oder Leben. Da
-
kann man sich vorstellen, dass bei
konkreten Anhaltspunkten da schwere
-
Straftaten bevorstehen, also ein Zugriff
gerechtfertigt ist. Aber zu so rein
-
abstrakten migrationspolitischen Zielen,
nämlich Asylmissbrauch verhindern und
-
Abschiebungen erleichtern, ist das an sich
nicht zulässig. Denn die dahinterstehende
-
Logik bei der Einführung war ja, dass man
glaubt, also es gibt viele Menschen, die
-
in Deutschland ankommen, die einen Pass
nicht vorlegen können und die werden
-
vermutlich ein anderes Land angeben als
das, aus dem sie kommen. Jedenfalls in
-
Teilen, um so fälschlicherweise Asyl zu
bekommen. Oder aber man weiß, dass sie
-
kein Asyl haben, und will sie abschieben,
kann sie aber nicht abschieben, wenn sie
-
eben einen Pass nicht vorlegen. Das
Interessante ist, dass diese Handy-
-
Datenauswertung des BAMF eigentlich das
Gegenteil belegt, also Geflüchteten in
-
Deutschland ein sehr gutes Zeugnis
ausstellen. Dazu kommen wir gleich noch.
-
Also im Grunde genommen ist bereits der
Eingriff in Handys zu diesem Ziel
-
unzulässig, meiner Meinung nach. Wenn man
aber das Ziel einmal grundsätzlich
-
anerkennt, dann kommt man zur
Verhältnismäßigkeit-Prüfung. Dann würde
-
man sagen, dann muss es zu dem erstrebten
Ziel verhältnismäßig sein, was hier
-
eigentlich an Eingriffen passiert. Und
diese Verhältnismäßigkeitsprüfung ist
-
eigentlich nichts anderes als eine
Tradition von Fragestellungen, die sich
-
Juristen stellen, um möglichst alle
Aspekte zu bedenken, die irgendwie sagen,
-
wie gut oder sinnvoll oder wie verdammt
schwachsinnig was ist wie jetzt hier im
-
Folgenden eigentlich. Das erste Argument,
dass man rechtlich sagen muss, es handelt
-
sich um eine anlasslose und
flächendeckende Maßnahme. Hier wird nicht
-
anhand konkreter Verdachtsmomente bei der
individuellen Person entschieden, sondern
-
ohne konkrete Anhaltspunkte und
flächendeckend bei allen Personen, die
-
sich ohne Pass oder Passersatz melden,
eingegangen. Das ist, sagt das
-
Bundesverfassungsgericht, besonders
gefährlich, weil wir dann in die Gefahr
-
laufen, dass wir eben große
Bevölkerungsteile ausleuchten. Und
-
deswegen ist das nur unter hohen
Voraussetzungen möglich. Dann der nächste
-
Punkt ist, und das werde ich jetzt auf
zwei Beispiele beschränken, ist, dass die
-
Indikatoren, die hier ausgewertet sind,
auch einfach ziemlich unsinnig sind. Also
-
wenn man sich überlegt, es geht um die
Frage: Woher kommt jemand, also
-
Nationalität und Identität? Da kann man
sich plausiblerweise die genannten
-
Indikatoren mal durchdenken und fragen:
Kann man damit eigentlich beweisen, wo
-
jemand herkommt? Und jetzt mal ein
Beispiel, Ländervorwahlen. Bei einer
-
Person, die möglicherweise vor Jahren
geflohen ist, aus einem Land, in dem Krieg
-
herrscht, die jetzt in Deutschland
ankommt. Mit wem steht die Person also im
-
Kontakt in der Lebenszeit ihres Handys?
Welche Ländervorwahlen werden dabei sein?
-
Vermutlich Ländervorwahlen des Gastlandes.
Vermutlich werden Vorwahlen von den Orten,
-
an denen sich Angehörige und Familien
inzwischen aufhalten. Und das wird
-
vermutlich nicht unbedingt das
Herkunftsland sein. Das heißt, es ist
-
einfach vom Aussagewert des Indikators
schlecht, um das überhaupt darzulegen. Ein
-
weiteres Beispiel - weil es eben auch
besonders interessant ist - ist die
-
Aussagekraft, die das BAMF meint, sagen zu
können über die verwendete Sprache in den
-
Nachrichten. Und zwar gibt es eben vor,
dass es bestimmen kann, welche Sprache
-
verwendet wird und im Arabischen sogar
welcher Dialekt verwendet wird. Und ganz
-
unabhängig davon, dass das sowieso sehr
schwer ist, Sprache zu erkennen, haben wir
-
es hier mit der Besonderheit zu tun, dass
wir schriftliche Sprache in
-
Textnachrichten haben. Und wenn man sich
das aus dem Arabischen überlegt, dann
-
bedeutet das, dass arabische
Schriftzeichen in diesen Textnachrichten
-
übersetzt werden, mit lateinischen
Buchstaben geschrieben werden. Und es gibt
-
Laute im Arabischen, die so im Englischen
oder auch im Französischen nicht
-
auftauchen und die man unterschiedlich
phonetisch schreibt. Da gibt es also eine
-
sehr große Vielfalt an Schreibweisen, die
zum Teil damit zu tun hat, ob die Länder,
-
in denen es verwendet wird, eher englische
oder französische Kolonialzeiten erlebt
-
haben, also sich eher an einer englischen
oder französischen Phonetik orientieren,
-
aber auch einfach individuelle
Unterschiede haben. Nur mal ein Beispiel
-
für das Wort Befreiung. Das wären jetzt
Möglichkeiten, das als lateinische
-
Schriftzeichen in einer Nachricht
darzustellen. Ich denke, das macht so ein
-
bisschen klar, wie schwierig das
eigentlich ist, plausibel darzulegen,
-
welcher Dialekt verwendet wird. Hinzu
kommt, dass Dialekte nicht an
-
Ländergrenzen enden, dass also zum
Beispiel der gleiche arabische Dialekt
-
gesprochen wird in Israel, Palästina,
Jordanien, Libanon und in Syrien.
-
Anna: Ich glaube, wir hatten auch ein paar
ganz gute Beispiele von
-
Auswertungsprotokollen, die wir gesehen
haben und die wir einsehen konnten. Da
-
waren eben auch Sprachauswahlen, die waren
total abstrus. Das heißt, da stand dann
-
zum Beispiel eine Person hat primär
Nachrichten auf Neugriechisch empfangen,
-
aber dann Nachrichten auf Finnisch und
Esperanto geschrieben. So das heißt, da
-
steht halt auch irgendwie ziemlicher
Bullshit drin. Das heißt, das ist nicht
-
eine These von uns, dass das irgendwie
nicht so einfach ist und alles schiefgehen
-
kann. Das zeigt eben auch, dass es in der
Praxis eben schwierig ist. Zumindest das
-
Kommunikationsverhalten dieser Person
müsste schon sehr, sehr ausgefallen sein.
-
Zeigt dann noch ein anderes Problem,
nämlich zumindest meine persönliche These,
-
warum diese Personen offenbar primär auf
Neugriechisch irgendwelche Nachrichten
-
bekommen hat, ist, dass es zum Beispiel
diese Providernachrichten sind. Das heißt,
-
die Person ist durch Griechenland geflohen
und dann kommt dann der Provider und sagt
-
hier Roaming und "Hallo, willkommen in
unserem Roaming". Das heißt, wir haben
-
einfach eine ganze Anzahl von Faktoren,
die es eben schwierig machen, überhaupt
-
einzuschätzen, wie verlässlich das ist.
Und spätestens der Entscheider oder die
-
Entscheiderin müsste das dann einschätzen
können, um das eben richtig in einer Asyl-
-
Entscheidung mit einbeziehen zu können.
Und dann dachte ich mir, weil ich
-
regelmäßig bei dem BAMF Anfragen stelle,
ich frag mal, wie das denn so mit der
-
Fehlerquote bei dieser Sprachnachrichten
Auswertung aussieht. Das ist nicht die
-
einzige Frage, die ich gestellt habe, aber
auf jeden Fall hat mir dann das BAMF
-
gesagt, na ja, das können sie mir leider
nicht sagen, weil das irgendwie so
-
speziell, das würde dann den Einsatz der
Technik erschweren. Und ich finde das
-
einfach ein erstaunliches Maß an
Intransparenz und Dreistigkeit zu sagen,
-
dass selbst eine Fehlerquote von einem
System, das Auswirkungen auf eine Asyl-
-
Entscheidungen von Menschen hat, dass die
Fehlerquote geheim gehalten werden muss
-
und dass man die nicht rausgeben kann. Ich
habe in der gleichen Anfrage eben auch
-
gefragt: Leute, was verwendet ihr denn für
Verfahren, um das überhaupt zu bestimmen?
-
Was ist denn eure Datenbasis? Welche
Messenger könnt ihr denn überhaupt
-
erkennen? Und wie tut ihr das eigentlich?
Und nichts davon wird gesagt, weil alles
-
ist so geheim, dass es dann irgendwie die
Gefährdung dieses ganzen Systems nach sich
-
ziehen würde. Und ich finde, das ist ein
riesiges Problem, weil wir wissen eben
-
auch, dass diese Software nicht alle
Messenger mit einbeziehen kann. Das heißt,
-
es kann ja sein, dass eine Person primär
SMS von dem Provider bekommt, selber aber
-
über Messenger kommuniziert, die von dem
System nicht ausgewertet werden können.
-
Allein dadurch, dass die Person so ein
Kommunikationsverhalten hat, fällt sie
-
dann komplett aus diesem System raus. Und
selbst wenn das System die Sprache
-
erkennen könnte, werden dann falsche
Ergebnisse bei rauskommen. Und das ist
-
eben nicht bekannt. Und ich bin mir fast
sicher, dass die meisten der Mitarbeiter,
-
die diese Zettel dann vorliegen haben,
eben auch nicht wissen werden, welche
-
Messenger das Ding genau erkennen können
wird und das ist ein ziemliches Problem.
-
Zufälligerweise gab es dann dieses Jahr so
eine Datenethik-Kommission, die die
-
Bundesregierung eingesetzt hat, um mal
arbeiten zu lassen, was denn passieren
-
muss, wenn der Staat algorithmische
Systeme und sogenannte künstliche
-
Intelligenz einsetzt. Und diese
Datenethik-Kommission hat dann eben
-
gesagt: Okay, staatliche Stellen müssen
ganz besonders transparent sein und die
-
Entscheidungen müssen transparent und
begründbar bleiben. Und dazu sollen eben,
-
auch wenn es möglich ist, die
Datenkategorien der Ein- und Ausgabedaten
-
irgendwie rausgegeben werden. Da sollen
die Berechnungsformel herausgegeben werden
-
und eben die Entscheidungen daraufhin
eingeschätzt werden. Und all das passiert
-
hier nicht, obwohl es um wirklich krasse
Eingriffe geht, und obwohl es um wirklich
-
krasse Folgen eben für das Leben von
Menschen und für das Schicksal von
-
Menschen hat. Und das ist eben nicht das
Einzige, was beim BAMF so läuft. Das
-
bezieht sich auch auf viele andere
Systeme. Eines der Systeme, über das ich
-
letztes Jahr ein bisschen mehr geredet
habe, war die Dialektanalyse, die zusammen
-
mit anderen IT-Tools eingeführt wurde
2017, wo es darum geht, dass eine Person
-
in einen Hörer spricht, 2 Minuten lang,
und dann wird eine Sprachaufnahme gemacht
-
und dann fällt ein Zettel raus, und auf
dem Zettel steht dann drauf, aus welchem
-
Land die Person vermutlich kommt. Das ist
in Deutschland ziemlich einzigartig. Die
-
meisten anderen Länder, in denen
sogenannte Sprachanalysen zur
-
Herkunftsbestimmung gemacht werden, machen
das immer noch händisch, sei es durch
-
Behörden, interne Sprachexperten, sei es
durch externe Gutachter oder private
-
Unternehmen. Aber das BAMF tut eben auch
das immer mehr automatisiert. Und da
-
wissen wir zumindest: Okay, es gibt eine
Fehlerquote von 15 Prozent. Wir wissen
-
aber auch, dass die Fehlerquote je nach
Sprache unterschiedlich ist. Das heißt,
-
sie haben herausgelassen in einer Antwort
auf eine Kleine Anfrage, dass die
-
Erkennung für levantinischen Arabisch,
also der Dialekt, der unter anderem in
-
Syrien gesprochen wird, besser ist als für
andere Dialekte im Arabischen. Und allein
-
das zeigt schon, dass es ein riesiges
Problem ist. Das liegt unter anderem
-
daran, dass die Datenbasis ungleich
verteilt ist. Das heißt, sie haben
-
wesentlich mehr Sprachproben, mit denen
sie ihr System trainiert haben für
-
levantinisches Arabisch. Aber sie sagen
eben nicht, wie viele das sind. Sie sagen
-
dann: Okay, das ist eine Antwort, die
geheim. Die wird dann irgendwie als
-
Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch
rausgegeben und die erfährt dann niemand,
-
außer vielleicht den Leuten, die genauer
nachfragen und versuchen, das
-
herauszufinden. Und dann könnte man sich
fragen, okay, wenn man so Systeme
-
einsetzt, die relativ einzigartig sind,
dann müsste man ja irgendwie mal dafür
-
sorgen, dass jemand da drauf guckt und
einschätzt, unabhängig, am besten noch, ob
-
das alles so funktioniert und sinnvoll
ist. Und da wurde schon im Dezember 2017
-
aus dem Bundestag mal gefragt: Wollte das
nicht mal irgendwie mit Wissenschaftlern
-
und Wissenschaftlerinnen begleiten? Und
dann wurde gesagt: Okay, Planung für das
-
Jahr 2018. Wir schreiben aktuell das Jahr
2019. Ich habe dann nochmal nachgefragt,
-
weil ich mache das öfter mal. Und dann hat
dann das BAMF gesagt: Das findet aktuell
-
noch nicht statt, das ist aber künftig
geplant. Und das ist ein Zeitraum von,
-
sage ich mal, zwei Jahren. Und in den zwei
Jahren hat es Tausende von Menschen
-
betroffen, und ich finde es einfach krass,
wie man derartig mauern kann als Behörde,
-
wenn man irgendwie eine relativ große
Verantwortung trägt, sowieso schon die
-
ganze Zeit schlechte Presse bekommt, weil
man eben auch relativ viel Mist baut und
-
dann immer noch weiter jegliche, sage ich
mal, Einsicht und jegliche Aufarbeitung
-
dessen, was man eigentlich tut,
verweigert. Das Gleiche ist irgendwie
-
passiert mit
Datenschutzfolgeabschätzungen. Ich wollte
-
wissen, eine Datenschutzfolgeabschätzung,
das muss gemacht werden bei Systemen, die
-
Daten verarbeiten, die zu einem großen Maß
sensibel sind oder große Mengen an Daten
-
verarbeiten oder automatisiert
Entscheidungen aus diesen Daten ableiten.
-
Und nun wollte ich wissen: Was ist denn
die Datenschutzfolgeabschätzung zu zum
-
Beispiel dieser Handyauswertung? Oder auch
zu anderen Systemen, die ihr benutzt? Und
-
da wurde dann gesagt: Okay, die können wir
nicht rausgeben. Das hat dann irgendwie
-
fast ein Jahr lang gedauert, bis ich eine
Absage darauf bekommen habe, weil dadurch
-
könnten ja mögliche Sicherheitslücken
identifiziert werden. Und dann ist wieder
-
die Sicherheit der Bundesrepublik in
Gefahr. Das heißt, wir stehen hier vor
-
einer riesigen Mauer aus Schweigen und
bekommen, wenn dann überhaupt, nur
-
tröpfchenweise Informationen. Und das ist
eben ein rechtsstaatliches Problem neben
-
anderen.
Lea: Ja, genau, das ist nicht nur bizarr,
-
das ist eben auch ein rechtsstaatliches
Problem. Wenn das BAMF sagt, das wäre ein
-
Sicherheitsrisiko, diese Fehlerquotienten
offenzulegen, würde ich entgegnen: Es ist
-
ein Sicherheitsrisiko, dass wir das nicht
wissen und dass wir das nicht einschätzen
-
können. Das betrifft einmal die fehlende
Aussagekraft der untersuchten Indikatoren.
-
Und es betrifft eben darüber hinaus auch
die Frage, wie fehleranfällig die Systeme
-
funktionieren. Hinzu kommt also, dass es
technische Probleme gibt. In einem Viertel
-
der Fälle können Geräte bereits nicht
ausgelesen werden. Oder mal vorweg
-
angefangen: Es kommt hinzu, dass unter den
Geflüchteten in Deutschland, die ohne Pass
-
angefragt werden, etwa eine Hälfte gar
keine Datenträger haben oder das zumindest
-
angeben, was relativ verständlich ist.
Aber das heißt, es ist relativ leicht,
-
sich dieser Maßnahme zu entziehen. Es ist
uns nicht bekannt, dass das BAMF das
-
soweit verfolgt. Bei der Hälfte der Fälle
kommt das BAMF nicht weiter, weil die
-
Personen also keinen Datenträger haben.
Dann ist an einem Viertel der Fälle
-
scheitert die Auslesung bereits technisch.
Es kommt überhaupt gar nicht zu einem
-
Ergebnisbericht. Das hat vermutlich damit
zu tun, dass es sich um besonders alte
-
oder um besonders neue Geräte handelt.
Anna: Oder das Kabel nicht da ist. Also
-
proprietäre Anschlüsse sind auch ein
Problem.
-
Lachen aus dem Pubilkum
Anna: Das haben Sie gesagt, wirklich,
-
also, denke ich mir nicht aus.
Lachen von Anna und Lea
-
Lea: Das ist also ein Viertel der Fälle.
Dann in den Fällen, in denen es wenigstens
-
zu einer Auswertung kommt, sind die
überwiegend unbrauchbar. Das sind mal die
-
Zahlen für 2018, also 64 Prozent der
ausgelesenen Geräte, wo es zum
-
Ergebnisprotokoll kam, waren unbrauchbar.
Unbrauchbar heißt, da kam also irgendwas
-
raus, wie das, was Anna eben beschrieben
hatte mit Finnisch, Japanisch, Chinesisch.
-
Das ist dann unbrauchbar. Das sind also
die Fälle, in denen BAMF-Mitarbeitende das
-
so erkannt haben, als unbrauchbar. Das
waren jetzt im ersten Quartal 2019 55
-
Prozent, ein bisschen weniger. Aber dafür
haben wir dann in der Folge also das
-
versprochene gute Zeugnis für die
Geflüchteten. In den verbleibenden Prozent
-
sind dann 34 Prozent, bestätigen die
Angaben. Und nur in 2 Prozent kam es 2018
-
überhaupt zu einem Widerspruch. Das heißt,
nur da war überhaupt ein Indiz dafür
-
gegeben, dass die gemachten Angaben
möglicherweise nicht richtig waren. Das
-
sagt überhaupt nichts darüber aus, ob das
dann auch so war. Aber im ersten Quartal
-
2019 waren es 44 Prozent, die bestätigt
haben, die Angaben, also noch mehr. Und
-
nur ein Prozent, in dem Widerspruch stand.
Interessant ist auch, dass auch die BAMF-
-
Mitarbeiter zum Teil nicht davon
auszugehen zu scheinen, dass sie das
-
brauchen. In 2018 sind 11400 Geräte
ausgelesen worden im Verlauf des Jahres.
-
Und nur in 5400 Fällen hat dann der
Entscheider, die Entscheiderin überhaupt
-
einen Antrag auf Freigabe gestellt. Die
ganzen Restlichen wurden nicht mal mehr
-
angefragt. Das heißt, da ist einfach mal
das Handy ausgelesen worden, ohne dass man
-
nachher irgendwie das Gefühl hatte, dass
es irgendwie im Asylverfahren auch wichtig
-
war. Dem gegenüber stehen Kosten, und zwar
hat das bereits in der Anschaffung 2017
-
6,9 Millionen gekostet für die Anschaffung
von Hard- und Software und kostet seither
-
jährlich 2,1 Millionen auch an Support
Kosten. Das sind jetzt vielleicht für ein
-
behördliches Digitalisierungsprojekt nicht
die Riesensummen. Aber wenn man sich
-
überlegt, worum es hier eigentlich geht,
dann finde ich ja schon ziemlich große
-
Summen. Denn worum es hier geht, ist, dass
die Vermutung besteht, dass unter den
-
Leuten, die hier Asyl suchen, in
Deutschland ein paar sind, die nicht
-
kommen, weil sie vor Krieg fliehen,
sondern weil sie vor Armut fliehen. Das
-
ist nämlich dann Asylmissbrauch, und die
könnte man natürlich irgendwie kostenmäßig
-
einkalkulieren. Oder man verwaltet seine
Kosten lieber für so ein
-
Digitalisierungsprojekt, das zu unsinnigen
Aussagen kommt. Hinzu kommt, dass
-
Rechtsschutz faktisch ziemlich ausgehebelt
ist, weil man kann nicht im Vorhinein was
-
dagegen machen. Als geflüchtete Person,
die kommt, kann man nicht vorher
-
Rechtsschutz suchen, sitzt dann in der
Situation einem BAMF-Mitarbeiter
-
gegenüber, und man kann dann widersprechen
und sagen: Ich gebe mein Handy nicht raus.
-
Aber das kann echt krasse Folgen haben,
weil man dann seine Mitwirkungspflicht
-
verletzt. Im schlimmsten Fall kann das
dazu führen, dass der Asylantrag als
-
zurückgenommen angesehen wird. Jedenfalls
kann eben es zu Misstrauen führen.
-
Natürlich macht man das nicht. Und
nachträglicher Rechtsschutz, das habe ich
-
eben schon dargestellt, ist schwer, weil
es die gesetzliche Grundlage es erst mal
-
hergibt. Da kann man sich auf einen
langen, teuren und schwierigen Prozess
-
einstellen. Es gibt praktisch keinen
Rechtsschutz. Was wären dann die
-
Alternativen? Ich glaube, Alternative ist
eigentlich gar nicht das richtige Wort,
-
wenn ich ehrlich bin. Denn de facto können
diese Ergebnisse nur Indizwirkung erzeugen
-
und man muss ohnehin bei den altvertrauten
Methoden bleiben, wenn es darum geht,
-
Herkunft und Identität herzustellen und
das sind spezifische Nachfragen in der
-
Anhörung. Wenn eine Person angibt, aus
einer bestimmten Region, aus einer
-
bestimmten Stadt zu kommen, muss man
Regionalwissen abfragen und genau
-
nachfragen: Wie heißt denn die Kirche, die
dein Onkel besucht? Und wenn du vom
-
Flughafen dich in die Stadt rein bewegst,
was für Gebäude sind da auf der Strecke?
-
So macht man das bisher, und das ist eine
verlässliche Methode. Und das ist eine
-
viel verlässlichere Methode als das, was
das BAMF mit den Handyauswertungen macht.
-
Es ist nach wie vor die Methode, auf die
es ankommt, weil diese Handyauswertungen
-
keine Beweiskraft haben, sondern
allenfalls eine Indizwirkung.
-
Zwischenfazit also: Massiver
Grundrechtseingriff, zu geringe
-
Eingriffsvoraussetzungen, nämlich quasi
keine, außer dass man keinen Pass hat. Es
-
ist extrem fehleranfällig, wenig aussagekräftig.
Rechtsschutz gibt es faktisch nicht, und
-
zudem ist das mit hohen Kosten verbunden.
Anna: Okay, so, jetzt könnte man sagen:
-
Wir haben ja nicht so viele gute Worte
dafür übrig. Ist Deutschland alleine so
-
doof? Aber nee, Datenträger von
geflüchteten und ankommende Menschen
-
werden auch in anderen Ländern Europas
ausgelesen, und zwar teilweise schon
-
länger als in Deutschland und teilweise
auch von anderen Behörden. In vielen
-
Ländern ist es tatsächlich, also in den
rot markierten Ländern, in denen es
-
zumindest gesetzliche Befugnisse dafür
gibt. Es ist tatsächlich die Polizei, die
-
dafür zuständig ist, den Menschen die
Datenträger abzunehmen und auszulesen, die
-
die dann teilweise an die
Migrationsbehörde weiterleiten. Und es
-
gibt aber auch jede Menge Länder, in denen
diese Möglichkeit rechtlich eingeführt
-
ist, aber wohl nicht so wirklich viel
darüber bekannt ist, was da eigentlich
-
passiert. Wir haben selber gemerkt, dass
es extrem schwer ist, an Informationen zu
-
kommen, weil das Thema kaum Aufmerksamkeit
erfährt. Ich habe z.B. mit geflüchteten
-
Organisationen in den Niederlanden
geredet, wo dann gesagt wurde: Ja, das
-
wird gemacht und ja, das passiert häufig.
Aber Genaueres dazu wissen wir auch nicht.
-
Wir wissen, dass es zum Beispiel in
Belgien und Österreich die gesetzliche
-
Möglichkeit dafür gibt, die relativ frisch
eingeführt wurde, die Maßnahme aber noch
-
nicht ausgeführt werden. Das heißt, in
Österreich liegt es unter anderem an
-
Datenschutzbedenken und
Beschaffungsproblemen. Das heißt, da
-
scheint man sich nochmal Gedanken darüber
zu machen, ob das überhaupt so in Ordnung
-
ist. In Großbritannien ist es sicherlich
ein bisschen ein Sonderfall, weil
-
Großbritannien gerade bei der Auswertung
von Handydaten in Europa ganz, ganz weit
-
vorne mit dabei ist. Vielleicht haben
einige schon so ein bisschen gehört, dass
-
z.B. auch die Handys von Opfern von
Gewaltverbrechen oder von sexualisierter
-
Gewalt ausgelesen werden, um dann eben
Informationen zu bekommen. Das heißt, da
-
ist die Schwelle generell sehr, sehr
niedrig, ein Handy auszulesen und
-
abzunehmen. Aber über die konkrete Praxis
dessen, wie das bei Geflüchteten passiert,
-
weiß man eben nicht viel. Was aber
auffällt, wenn man sich das so ein
-
bisschen anschaut und wenn man sich die
ganzen Gesetze mal anschaut, die in den
-
einzelnen Ländern so da sind, ist, dass
gerade die Bestimmungen oder Anhaltspunkte
-
auf Herkunft und Identität überall ein
Thema sind, das aber teilweise noch
-
weitergeht, und zwar in Dänemark z.B., wo
das schon seit 2015 oder 2016, glaube ich,
-
gemacht wird, wo dann dann aber eben 2017
Gesetze erweitert wurden. Das heißt, es
-
geht dann nicht mehr darum, Identität- und
Herkunftshinweise zu bekommen, sondern da
-
steht jetzt einfach im Gesetz: Na ja, wir
können das für alles machen, was für das
-
Asylverfahren von Bedeutung sein könnte.
Und das ist natürlich eine relativ breite
-
Definition. Das heißt, im Endeffekt hat
einer der Beamten in Dänemark auch einer
-
Zeitung gesagt zum Beispiel: Na ja, wenn
wir da so einen Zufallsfund finden, dann
-
werden wir natürlich nicht liegen lassen.
In Belgien geht die Dimension rechtlich
-
auch noch ein bisschen weiter. Da wird es
aber auch noch nicht durchgeführt. Und es
-
gibt gerade auch eine Beschwerde beim
belgischen Verfassungsgericht dagegen.
-
Aber da dürften quasi alle digitalen Dinge
einer Person durchsucht werden. Das heißt
-
auch, dass die Person im Zweifelsfall
gefragt werden kann: Was ist denn das
-
Passwort zu deinem Mail-Account? Das
heißt, da geht es weiter. Da geht es, sag
-
ich mal, über einen physischen Datenträger
hinaus, wobei es eh ein bisschen schwierig
-
ist, von nur einem physischen Datenträger
zu reden, wenn sich da eh Zugangsdaten für
-
alle möglichen Dinge drauf befinden. Und
gerade diese Social Media Analyse, wie sie
-
in Belgien vorgesehen ist und in Norwegen
und Dänemark schon gemacht wird, ist eine
-
relativ krasse Sache, weil eben dadurch
sowohl durch die, sage ich mal, Open
-
Source Intelligence nehme ich auf
irgendwelchen Facebook Profilen von
-
Menschen, die ich vor mir habe, irgendwie
surfe, als auch dadurch, dass ich mir die
-
Passwörter von den Leuten hole und mir das
angucke, irgendwie jede Menge
-
Informationen bekomme über die Person. Und
das an einem Zeitpunkt, wo ich noch gar
-
keinen Verdacht habe, dass die Person mir
überhaupt etwas Falsches erzählt haben
-
könnte. Das heißt, im Endeffekt stelle ich
diese Person mit einem krassen Straftäter
-
gleich. Und das Einzige, was diese Person
getan hat, ist, aus ihrem Zuhause zu
-
flüchten und vielleicht keinen Pass dabei
zu haben. Und vielleicht kann man sich das
-
so ein bisschen überlegen, in Deutschland
gabs ja vor ein paar Jahren relativ großen
-
Aufschrei, als die Jobcenter die Facebook-
Profile oder die eBay-Kleinanzeigen-
-
Profile von eben Klientinnen am Jobcenter
durchsucht haben. Und da gab einen
-
riesengroßen medialen Aufschrei. Aber der
riesengroße mediale Aufschrei, wenn sowas
-
gemacht wird bei Geflüchteten, der fehlt
so ein bisschen. Wir haben einen solchen
-
Fall tatsächlich auch in Deutschland
gefunden, wo bei einer Person durch die
-
Handyauswertung ein Facebook-Profil-Name
gefunden wurde. Das heißt, da stehen dann
-
noch so Identitätsinformationen, und dann
wurde anhand dieses Facebook-Profil weiter
-
geschaut. Das heißt, der/die
Entscheider/in hat dann eben geguckt: Was
-
finde ich auf diesem Facebook-Profil? Und
hat dann auch in dem Bericht geschrieben:
-
Naja, ich sehe, die Person hat den
Fussballclub von XY gelikt und hat den
-
lokalen Laden da irgendwie gut gefunden.
Und deshalb beziehe ich das in ihre
-
Asylentscheidung mit ein. Soweit wir
wissen, ist das keine gängige Praxis.
-
Falls ihr andere Informationen habt, sind
wir daran bestimmt interessiert. Aber das
-
zeigt eben, wie schnell es weitergehen
kann. Das heißt, es geht dann nicht mehr
-
nur darum: in dieser Handydatenauswertung
sind dann eben eh nur statistische
-
Informationen drin, sondern da geht es
eben darum, dass irgendwie das auch weiter
-
genutzt werden kann. Und Social Media
Monitoring ist eben noch auf einer
-
kollektiven Ebene interessant, nämlich um
Migrationsbewegungen zu erfassen. Und da
-
gibt es diverse, vor allem europäische
Behörden, die daran Interesse haben. Das
-
wären so drei davon: die erste, die damit
angefangen hat, ist EASO, die EU-
-
Unterstützungs-Agentur für Asyl. Mein
Kollege Alexander Fanta hat dazu ein
-
bisschen recherchiert. Und zwar haben die
seit Januar 2017 Social Media Auswertungen
-
gemacht und haben sich Facebook-Gruppen
angeguckt oder auch andere, sag ich mal,
-
Kanäle, auf denen Menschen Informationen
z.B. zu Fluchtrouten teilen oder in denen
-
Menschen sich über Flucht austauschen, und
haben dann wöchentlich einen Monitoring
-
Report an Asylbehörden in den EU-
Mitgliedstaaten geschickt, ans UNHCR, auch
-
an Europol, und haben das nach Stichworten
durchsucht. Das Ganze basierte auf einem
-
Bericht von dem UN-Flüchtlingskommissariat
aus 2017, wo untersucht wurde, wie gerade
-
so Angebote von, sag ich mal,
Dokumentenfälschern und von Schmugglern,
-
die Leuten irgendwie für viel Geld
irgendwie eine bessere Welt versprechen,
-
so auf Social Media funktionieren. Und
dann hat EASO eben angefangen, das selber
-
zu übernehmen und da eben Lagebilder zu
erstellen. Und dann fragt man sich: Was
-
passiert dann mit diesen Lagebildern? Die
gehen dann in die Behörden in den
-
Mitgliedsstaaten. Und dann hat der Kollege
von mir mal nachgefragt: Naja, warum denn
-
eigentlich? Und dann wurde als einer der
großen Erfolge genannt, dass man den
-
sogenannten Konvoi der Hoffnung relativ
früh entdeckt hat. Das war im März und
-
April. Da gab es Gerüchte in sozialen
Medien, dass die Grenze zwischen
-
Griechenland und Mazedonien offen sein
soll. Und viele Menschen haben sich eben
-
auf den Weg gemacht und dann hat man das
früh entdeckt und mit Polizeigewalt und
-
Tränengas die Leute wieder zurückgedrängt.
Das ist dann einer der Erfolge. So, der
-
Europäische Datenschutzbeauftragte hat
sich das Ding mal angeschaut und
-
nachgefragt: Was macht ihr da eigentlich
und auf welcher Rechtsgrundlage tut ihr
-
das? Und eine Datenschutzfolgeabschätzung,
die das BAMF uns zum Beispiel nicht geben
-
will, hatten sie erstmal gar nicht. Das
heißt es gab dann später eine. Und da
-
stand dann unter anderem drin: Naja, wir
haben da gar keine personenbezogenen
-
Informationen drin. Da hat der Europäische
Datenschutzbeauftragte gesagt: Na gut,
-
aber warum steht denn da eine
Telefonnummer von jemandem? Das ist alles
-
ein bisschen inplausibel und eure
allgemeine Aufgabe, da Informationen zu
-
sammeln, wenn es eben gerade zu einem
sogenannten Massezustrom kommt, lässt sich
-
auch nicht damit vereinbaren, dass ihr das
einfach jede Woche seit Jahren macht. Und
-
ihr sagt auch nicht, wie er das tut und
generell seid ihr ziemlich intransparent
-
und hat dann vor Kurzem erfreulicherweise
gesagt: Ihr hört jetzt mal damit auf. Das
-
heißt, es zeigt auch ...
Applaus
-
Anna: ... wie wichtig es ist, dass
Menschen, seien es jetzt Behörden, seien
-
es Aktivistinnen seien es Journalisten,
sich diese Praktiken mal anschauen, weil
-
das Ding lief einfach zwei Jahre lang,
ohne dass jemand irgendwas gemerkt hat,
-
mehr oder weniger, und dadurch, dass sich
das eben jemand mal angeschaut hat und
-
gesagt hat: Okay, ihr spinnt ja, ihr habt
ja überhaupt keine Rechtsgrundlage dafür
-
und was macht ihr hier eigentlich? Hört
mal damit auf! Wurde das eben erst
-
entdeckt. Eine andere Behörde, die an
Social Media Informationen interessiert
-
ist, ist Europol. Von Europol kennt man
vielleicht so diese ganzen Take-Down-
-
Aktionen, wo sie Posts in sozialen Medien
von terroristischen oder sogenannten
-
terroristischen Inhalten oder mutmaßlich
terroristischen Inhalten runternehmen. Das
-
Ganze machen sie auch mit sogenannten
schmuggelrelevanten Inhalten. Das heißt,
-
2018 hat Europol 800 Posts oder 800
Informationen gemeldet bekommen und die
-
dann an die sogenannte Internet Referral
Unit weitergeleitet, die dann bei den
-
Providern oder bei den Betreibern
angefragt haben könnte die mal bitte
-
runterzunehmen. Und das ist dann auch in
99 Prozent der angefragten Fälle passiert.
-
Jetzt fragt man sich halt, was verstehen
die unter schmuggelrelevante Inhalte? Sind
-
das wirklich nur Posts, die dann zum
Beispiel sagen: Zahl mir jetzt irgendwie
-
15 000 Euro und dafür kriegst du von mir
einen Pass und ein schönes Leben. Oder
-
sind das eben auch
Seenotrettungsorganisationen, die
-
illegalisiert werden? Und das wissen wir
eben nicht, weil wir nicht wissen, was
-
genau da passiert. Aber ich würde sagen,
wir haben - also ich habe zumindest eine
-
Vermutung. Und damit kommen wir auch zur
dritten Behörde auf EU-Ebene. Die
-
interessiert nämlich Frontex. Frontex
wollte im September fast eine halbe
-
Millionen dafür rausgeben, dass Ihnen
jemand so ein Monitoring-Ding mal baut.
-
Wahrscheinlich so ähnlich wie EASO. Das
Ganze ist dann aber ein bisschen schief
-
gelaufen. Das lief ungefähr zeitgleich mit
der Prüfung von dem
-
Datenschutzbeauftragten und Privacy
International und andere haben darüber so
-
ein bisschen berichtet und mal
nachgefragt, gesagt: So, Leute, hier
-
Frontex. What the fuck? Was macht ihr da
eigentlich und warum? Und dann hat Frontex
-
die Ausschreibung wieder zurückgezogen.
Dafür macht Frontex andere Sachen, nämlich
-
mit Drohnen und sogenannter künstlicher
Intelligenz und mit Drohnenschwärmen die
-
Grenzen überwachen. Das seit einer relativ
langen Zeit. Das erproben sie und
-
versuchen da eben auch zu gucken: Na was
ist da an der Grenze? Ist das jetzt ein
-
Auto, ist das jetzt gerade ein Schiff?
Sind da Personen drauf und im Zweifelsfall
-
eben auch, wie verhalten diese Menschen
sich auch. Das heißt, man geht vielleicht
-
irgendwo lang. Dann kommt so ein kleiner
Schwarm von Drohnen, guckt eine Weile an,
-
analysiert das, schickt dann etwas an eine
Einsatzzentrale, die ganz weit weg ist.
-
Mensch guckt auf den Bildschirm, und im
besten Fall hauen die Drohnen dann wieder
-
ab. Oder eben auch nicht. Heißt, da haben
wir eine relativ große Bandbreite an
-
Digitalisierung, die wir noch bringen
können. Ich will aber gerade gar nicht
-
mehr so viel darüber reden, weil a) haben
wir keine Zeit mehr und b) gibt's da
-
morgen einen extra Vortrag, wo es ganz
viel um eben diese europäischen
-
Überwachungsprogramme gehen wird. Genau,
ich überspringe tatsächlich noch ein paar
-
mehr europäische Sachen, weil die Zeit
rennt. Wir fragen uns nämlich jetzt ganz
-
kurz: Wer profitiert denn davon? Das
heißt, wir sagen: Okay, also unsere These
-
ist ja, das ist eine ziemlich Dreistigkeit
gegenüber Geflüchteten. Und es klappt auch
-
nicht so richtig. Wer hat denn ein
Interesse daran, dass das weitergeht,
-
außer irgendwelchen Sicherheitspolitiker,
die eben immer wieder sagen: Ja, wir
-
brauchen Sicherheit, und dafür brauchen
wir das, egal, was es kostet, sind nämlich
-
die Firmen. Das ist eine große Menge an
IT-Firmen. Das ist auch eine große Menge
-
an Unternehmensberatungen. Das sind so
Firmen wie Cellebrite, die vom BAMF auch
-
getestet wurden, aber nicht produktiv
eingesetzt werden gerade, die eben sowohl
-
in Deutschland als auch auf EU-Ebene immer
wieder auftauchen, wenn man sich mit
-
solchen Dingen beschäftigt. Und zum
Schluss wollen wir nochmal kurz zwei
-
weitere Digitalisierungsprojekte des BAMF,
das auf dem Weg zur digitalen Behörde ist,
-
vorstellen. Haben wir noch Zeit, dieses
Video zu zeigen? Können wir das? Wie lang
-
dauert das? Nee, ich glaube nicht.
Lea: Ja, eher nicht.
-
Anna und Lea: Wollt ihr noch ein Video
sehen?
-
Bestätigende Ja-Rufe aus dem Publikum
Anna: Gut.
-
Sprecherin im Video: Also heute ist der
große Tag. Nach langer Bauzeit und ein
-
wenig Planungszeit haben wir das CIC heute
eröffnet. Das steht für Creative
-
Information Technology Center. Und das
soll dazu dienen, hier unsere
-
allerneuesten IT-Ideen, IT-Projekte und
Zukunftsprojekte darzustellen. Im
-
Augenblick ist es unser Cloud-Projekt.
Deswegen ist auch das ganze Design so ein
-
bisschen an der Cloud ausgerichtet. Also
viele wellenförmige Design-Punkte finden
-
sich hier weiter. Die Lampen sind so ein
bisschen cloudmäßig angeordnet soll es
-
sein, und das ist eigentlich eines unserer
größten Zukunftsprojekte, die wir gerade
-
laufen haben. Also heute...
Anna: Reicht, okay? lacht
-
Lachen und darauffolgender Applaus aus Publikum
Anna: Wir sprachen mit einer
-
Abteilungsleiterin für
Informationstechnik, die wahrscheinlich
-
ein bisschen überrascht wurde von diesem
Interview. Wir wollen gar nicht so viel
-
über Cloud reden, sondern wir wollen kurz
über KI reden, weil alle über KI reden und
-
das ist irgendwie cool, das BAMF setzt
auch ganz viel KI ein. Und zwar setzt das
-
BAMF irgendwie KI zum Postsortieren ein.
Da gibt es so ein schönes Zitat auf dem
-
Digital Gipfel von dem IT-Chef Markus
Richter, der meinte: "Wir bekommen jeden
-
Tag 6000 Dokumente, und da ist auch mal so
ein Anwaltsschreiben dabei. Das ist
-
ironisch formuliert, und da muss man dann
eben mit der KI erkennen, ob das eine
-
Unterlassungsklage ist oder eben nicht
oder nur freundlich. Na ja, aber nicht
-
ganz so lustig ist tatsächlich, KI wird
auch in einem Pilotprojekt eingesetzt, um
-
zu gucken, ob es Auffälligkeiten in
Anhörungsprotokollen gibt. Das heißt, über
-
dieses Projekt war relativ wenig bekannt
bis mal die KI-Enquete-Kommission im
-
Bundestag nachgefragt hat, was das BAMF so
an KI-Zeug macht. Und da geht es darum,
-
dass das BAMF laut Aussage des
Innenministeriums seinen gesetzlichen
-
Meldepflichten an die Sicherheitsbehörden
leichter nachkommen kann. Da würde es dann
-
darum gehen, dass eben relevante Stellen
in Anhörungen, Protokollen markiert werden
-
und dann gesagt wird: Okay, vielleicht ist
die Person ein Sicherheitsrisiko.
-
Vielleicht hatte die Person, Kontakt zu
Personen, die sicherheitsrelevant sind,
-
interessante Informationen für Behörden
abgeben könnten. Dass das BAMF jede Menge
-
Informationen an Behörden weitergibt, ist
bekannt. Das heißt, 2015 waren es noch 500
-
Fälle, wo zum Beispiel an den
Verfassungsschutz Menschen gemeldet
-
wurden. Zwei Jahre später waren es schon
über 10000 Fälle. Das heißt, das dürfte
-
sich dadurch noch ein bisschen weiter
erhöhen. Das BAMF hat aber auch erkannt,
-
dass es ein Problem ist, wenn sie KI-
Assistenzsysteme einsetzen. Aber Sie
-
versuchen, die Mitarbeitenden die
Entscheidungshoheit besitzen werden, was
-
sicherlich von der Arbeitsbelastung und
eben der Professionalität der Mitarbeiter
-
abhängen wird. Ein anderes Projekt, das
ich gerne mehr reden würde, wenn wir mehr
-
Zeit hätten, ist das Blockchain-Projekt.
Vielleicht können wir das einfach ganz
-
kurz zusammenfassen. Das BAMF wollte was
mit Blockchain machen, macht ja gerade so
-
eine Konzeptphase in Dresden im
Ankerzentrum. Und diese Konzeptphase soll
-
Anfang 2020 abgeschlossen sein, das heißt
die Konzeptionierung, um dann in einen
-
Piloten zu gehen. Und die Motivation hat
eine der BAMF-Mitarbeiterinnen auf einer
-
Präsentation im November 2018 gesagt, ist:
"Wir kennen das aus der Presse, irgendwo
-
ist ein Fax liegengeblieben und dann sitzt
jemand fälschlicherweise im Flugzeug."
-
Nicht mein Zitat. Das heißt, man will
versuchen, irgendwie diese ganzen
-
Kommunikationsvorgänge zwischen den
Behörden ein bisschen zu verbessern. Das
-
heißt, dass die Ausländerbehörde dann auch
weiß, was die Person für einen Status hat
-
und so weiter und so fort. Jetzt kennen
wir vielleicht so ein bisschen Blockchain.
-
Blockchain hat so eine Eigenschaft, die
ist besonders ungeeignet für sowas macht,
-
nämlich Blockchain ist eigentlich dafür
da, dass man die Daten nicht mehr so
-
wirklich löschen kann und auch nicht
manipulieren kann. Aber eigentlich müssen
-
ja die Daten gelöscht werden, zumindest
irgendwie zehn Jahre nach Abschluss des
-
Asylverfahrens. Das heißt, das BAMF hat
sich irgendwie ein rechtliches Gutachten
-
machen lassen, und es gibt mittlerweile
zwei White Paper dazu. Und man kann
-
vielleicht zusammenfassen, dass so
ziemlich alles aus einer Blockchain raus
-
kastriert wurde, was man da so rein packen
kann. Die Empfehlung war dann, es sollen
-
keine personenbezogenen Daten auf der
Blockchain gespeichert werden und
-
letztlich ist es dann einfach nur noch so
eine Zustandsbeschreibung mit einer
-
Kennnummer. Und alle Daten, die
dazugehören, stehen dann in irgendwelchen
-
herkömmlichen Datenbanken. Könnte man sich
fragen warum. Aber es gab einen Preis
-
dafür.
Lachen aus dem Publikum
-
Anna: Auch gut. So, genau, wir dürfen nie
vergessen Geflüchtete sind eh schon ganz
-
krass, auch ohne diese ganzen neuen, fancy
Sachen und ohne KI und ohne Blockchain und
-
ohne diesen ganzen anderen Kram, von
Datenspeicherung ganz, ganz, ganz extrem
-
betroffen und sehr viel mehr als Menschen,
die einen deutschen Pass haben. Und für
-
die das glaube ich ziemlich krass wäre,
wenn man mal versucht, sich vorzustellen,
-
was es für einen selber bedeuten würde.
Das Ausländer-Zentralregister, das
-
sogenannte, ist eine Datensammlungen mit
26 Millionen personenbezogenen
-
Datensätzen. Und das betrifft eben nur
nicht-deutsch Pass-Menschen. Und das
-
Ausländer-Zentralregister, sagt das
Bundesverwaltungsamt, hat 14 000
-
Partnerbehörden und 100 000 Nutzerinnen
und wird immer weiter ausgeweitet. Das
-
heißt, man kann da jetzt biometrische
Daten reinwerfen. Da sollen jetzt bald
-
auch Fingerabdrücke von Menschen mit 6
Jahren und nicht nur erst ab 14 rein. Es
-
gibt immer mehr zugriffsberechtigte
Stellen. Da kann der
-
Bundesnachrichtendienst genauso drauf
zugreifen wie irgendwelche Jobcenter. Die
-
Abrufe werden automatisiert. Und jetzt
gibts auch noch die schöne Idee, man kann
-
ja irgendwie den Zugriff auf die Daten mit
einer Kennziffer gestalten. Man hat
-
eigentlich mal gemerkt in Deutschland,
dass das eine beschissene Idee ist, aber
-
die Erinnerung hat nicht lange gehalten.
So, das heißt unser Fazit zu dieser ganzen
-
Geschichte ist, das Anliegen bei diesen
Digitalisierungsvorhaben ist meistens,
-
dass alles besser und schneller geht in
den Asylverfahren und auch sicherer. Und
-
es gibt weniger Fehler. Wir stehen vor dem
Problem dieses Übereifers, das heißt, wir
-
versuchen, alles Mögliche zu
digitalisieren, und die Digitalisierung
-
wird zu einem Zweck an sich. Ich glaube,
diese Videos zeigen so ein bisschen,
-
worauf man da hinaus will. Das ist aber
erstmal nur ein Problem von Sinnlosigkeit
-
und vielleicht ein bisschen Geld, das man
rausgeschmissen hat. Das zweite Problem
-
daran ist viel, viel krasser, nämlich dass
Dinge entmenschlicht werden, dass wir hier
-
massive und unverhältnismäßige
Grundrechtseingriffe haben und die einfach
-
in Kauf nehmen und überhaupt nicht mehr
darüber nachdenken, was das für eine
-
Bedeutung hat. Das heißt, wenn ich jetzt
sagen würde: Okay, ich nehme jetzt einfach
-
mal allen irgendwie die Handys ab und guck
da mal drauf, nur weil man könnte ja dann
-
irgendwie noch etwas rausfinden. Aber
vielleicht brauche ich das gar nicht, wäre
-
das eigentlich eine ziemlich krasse
Nummer. Genauso würden wir uns darüber
-
aufregen, dass irgendwie die Schufa mit
irgendwelchen komischen Algorithmen
-
irgendwelche Entscheidungen darüber
trifft, ob man einen Handyvertrag bekommt
-
oder nicht. Wenn das Gleiche für Menschen
gilt, deren Asylantrag davon abhält, ist
-
nochmal eine ganz andere Nummer. Und ein
anderes Problem ist auch noch, Geflüchtete
-
werden mit Straftätern gleichgesetzt,
implizit. Das heißt, wir wenden Maßnahmen
-
an, die sonst wirklich nur passieren, wenn
es eben um Verbrechen geht bei Menschen,
-
denen nichts vorgeworfen wird erstmal, bei
denen kein Anfangsverdacht ist. Und
-
zuletzt, wenn die Technologie erstmal da
ist, wird sie zum einen auch anderweitig
-
genutzt und zum anderen auch ausgeweitet.
Das heißt, haben wir in den anderen
-
Ländern gesehen, dass plötzlich die
Einsatzzwecke ausgeweitet werden, dass man
-
das dann nicht nur für Identität und
Herkunft benutzt, sondern auch, um eben
-
mal zu gucken, ob jemand vielleicht ein
Sicherheitsrisiko sein könnte oder welchen
-
Fluchtweg jemand genommen hat,
man ihn nicht vielleicht dann doch
-
nach Dublin und abschieben könnte und
eben auch auf andere Bevölkerungsgruppen.
-
Lea: Wir haben irgendwie den Fall, dass
Geflüchtete sich als Versuchskaninchen
-
einfach eignen, um hier
Überwachungstechnologien auszutesten,
-
und dann mal schauen, was
wir noch damit machen.
-
Anna: Genau. So, aber jetzt sind wir
wirklich mal fertig.
-
Wir haben noch fünf Minuten.
Und ihr könnt uns jederzeit
-
gerne kontaktieren. Danke schön.
Applaus aus dem Publikum
-
Herald: Vielen lieben Dank, Anna und Lea,
für diesen augenöffnenden Vortrag! Wir
-
haben noch ganz, ganz kurz Zeit für einige
wenige Fragen. Wir haben hier sechs
-
Saalmikrofone verteilt. Haben wir Fragen
von unserem Signal Angel aus dem Internet?
-
Den Signal Angel bitte.
Signal Angel: Genau, die erste Frage ist
-
auf Hotspots bezogen, und zwar ist da die
Frage: Gibt es Hotspots in Unterkünften
-
oder Apps, die von den Behörden angeboten
werden und dementsprechend daran
-
angeschlossen, gibt es irgendwas, was die
geflüchteten Menschen beachten sollten, um
-
dem Ganzen vielleicht aus dem Weg zu
gehen?
-
Anna: Die Frage kommt aus dem
Internet, nee?
-
Lea: Das kenne ich so ein bisschen aus den
USA. Da gab es glaube ich dieses Thema in
-
New York. Ich weiß nicht, ob ich sowas in
Deutschland gibt.
-
Anna: Ich wüsste es irgendwie auch nicht.
Ich weiß nur, dass es irgendwie teilweise
-
Informationen über Schlüsselkarten in
Unterkünften an Behörden weitergeleitet
-
werden, um zu gucken, ob die Person sich
da aufhält, wo sie sich aufhalten soll.
-
Aber von Hotspots weiß ich tatsächlich
nichts.
-
Herald: Mikrofon Nummer 4, bitte!
Frage an Mikrofon 4: Inwieweit ist dieses
-
ganze Verfahren entsprechend durch die
DSGVO zum Beispiel abgebildet? Es gibt ja
-
so verschiedene Pflichten, die auch die
Behörden in ihrer Dokumentation haben.
-
Also welche Daten entsprechend dann von
den Geflüchteten Gespeichert werden, das
-
müssen die ja eigentlich auch alles mit
angeben. Und wie verhält sich das dann
-
auch beispielsweise im Rahmen, dann mit
dem Rückgriff auf andere Unternehmen, die
-
dann auf irgendwelche Dinge in der Cloud
Dinge tun? Das muss ja dann eigentlich
-
auch alles aufgezeichnet werden.
Anna: Okay, ich habe ja eben gesagt, wir
-
haben versucht, so eine
Datenschutzfolgeabschätzung mal zu
-
bekommen. Das ist ja genau das, was mit
der Datenschutzgrundverordnung eingeführt
-
wurde, diese Pflicht zu sagen, was wir da
verarbeitet und wie schätze ich eben ein,
-
ob dieser Eingriff gerechtfertigt und
rechtmäßig ist. Und da wir das nicht
-
bekommen und das, wenn dann klagen müssen,
weil sie uns das nicht geben, wissen wir
-
dazu gerade einfach nicht viel.
Lea: Hinzu kommt, also vieles dessen, was
-
ich jetzt gesagt habe, auf
verfassungsrechtlicher Ebene findet sich
-
auch wieder auf DSGVO-Ebene. Also, auch da
gibt es eine Art
-
Verhältnismäßigkeitsprüfung. Und
eigentlich gilt insofern also ähnliches.
-
Meiner Meinung nach würde das auch gegen
die DSGVO verstoßen. Und die DSGVO ist
-
auch anwendbar. Die ist nicht anwendbar,
wenn zur Gefahrenabwehr oder
-
Strafverfolgung nämlich tätig wird. Das
ist ja hier vielleicht so ein Fall, wo das
-
zukünftig noch anders sein könnte, aber in
diesem Fall vom Gesetzgeber ist sie
-
jedenfalls ganz klar eigentlich anwendbar.
Herald: Wir haben noch ganz knapp Zeit für
-
eine Frage von unserem Signal Angel aus
dem Internet.
-
Signal Angel: Genau, da ist die Frage, wie
weit oder ob wir beschreiben können, wie
-
weit diese Mitwirkungspflicht der
geflüchteten Menschen reichen. Also, ob
-
das immer dazu ist, Handys offen zu legen,
zu entsperren, ähnliches oder mehr?
-
Anna: Kannst du den letzten Teil der Frage
nochmal wiederholen? Den
-
habe ich nicht verstanden.
Signal Angel: Die Frage ist, ob ihr
-
beschreiben könnt, wie weit die
Mitwirkungspflichten der geflüchteten
-
Menschen reichen, was da alles dazugehört.
Lea: Also die müssen also auch zum
-
Beispiel relevante Dokumente offenlegen,
wenn es um die Frage geht, die Herkunft zu
-
klären, also ob es irgendwelche
Geburtsurkunden oder ähnliches gibt.
-
Anna: Man muss eben schauen, im
Zweifelsfall Papiere zu beschaffen, wenn
-
es dir zumutbar ist. Das heißt, im
Endeffekt musst du an deinem Asylverfahren
-
mitwirken und die notwendigen
Informationen zur Verfügung stellen, und
-
die werden dann eben aufgelistet und
dokumentiert, um was
-
es sich da genau handelt.
Herald: So, wir sind jetzt leider mit der
-
Zeit zu Ende. Vielen, vielen lieben Dank
an Lea Beckmann und Anna Biselli.
-
Applaus
-
36c3 Abspannmusik
-
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 20??. Mach mit und hilf uns!