WEBVTT 00:00:20.490 --> 00:00:21.490 36c3 Vorspannmusik 00:00:21.490 --> 00:00:23.540 Herald: Alles muss digitalisiert werden, alles muss effizienter und schneller 00:00:23.540 --> 00:00:29.590 werden. Aber ist es am Ende dann auch noch gerecht und rechtens und gut? Und ist es 00:00:29.590 --> 00:00:32.860 wirklich das, was wir am Ende haben wollten? Oder haben wir dann einfach nur 00:00:32.860 --> 00:00:37.260 noch eine Maschine, die über uns entscheidet? Darüber werden unsere 00:00:37.260 --> 00:00:41.780 nächsten zwei Vortragenden berichten. Anna Biselli ist Informatikerin und 00:00:41.780 --> 00:00:47.059 Journalistin und Lea Beckmann ist bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte 00:00:47.059 --> 00:00:49.750 Juristinnen und beschäftigt sich mit dem Thema. Also ich kann mir kein besseres 00:00:49.750 --> 00:00:53.880 Team vorstellen als Anna und Lea für dieses Topic. Eine dicke runde Applaus 00:00:53.880 --> 00:00:57.010 bitte. 00:00:57.010 --> 00:01:00.460 Applaus 00:01:00.460 --> 00:01:08.460 Lea Beckmann: Hallo, ich freue mich, dass ihr so zahlreich gekommen seid. In der 00:01:08.460 --> 00:01:10.600 Vorstellungsrunde möchte ich jetzt vielleicht einmal kurz doch noch, das war 00:01:10.600 --> 00:01:13.610 jetzt nicht geplant ist, Anna, aber dich vorstellen. Anna Biselli ist 00:01:13.610 --> 00:01:17.600 Informatikerin und Journalistin und recherchiert seit einigen Jahren zur 00:01:17.600 --> 00:01:21.100 Digitalisierung in der Migrationskontrolle. Und wenn wir über das 00:01:21.100 --> 00:01:25.490 Thema in Deutschland etwas wissen, wenn wir vor allem auch mehr wissen als in 00:01:25.490 --> 00:01:29.591 anderen Ländern, dann ist das sicherlich in maßgeblicher Weise auch dir zu 00:01:29.591 --> 00:01:33.869 verdanken. Die Frage ist also ein bisschen, was ich eigentlich hier auf der 00:01:33.869 --> 00:01:37.409 Bühne mache. Das will ich vielleicht kurz erklären. Ich arbeite bei der Gesellschaft 00:01:37.409 --> 00:01:44.650 für Freiheitsrechte und wir sind eine Berliner NGO. Wir setzen uns ein für den 00:01:44.650 --> 00:01:48.039 Schutz von Menschenrechten. Und zwar machen wir das durch strategische 00:01:48.039 --> 00:01:52.859 Prozessführung in aller Regel durch Gerichtsverfahren. Und zwar wollen wir 00:01:52.859 --> 00:01:57.659 dort, also wir sehen, dass in bestimmten Themenbereichen einfach nicht geklagt 00:01:57.659 --> 00:02:01.899 wird, rechtswidrige Behörden, Praktiken oder auch verfassungswidrige Gesetze nicht 00:02:01.899 --> 00:02:06.090 angegriffen werden und deswegen sich Rechtsschutz Lücken in der Praxis stellen. 00:02:06.090 --> 00:02:10.530 Und wir wollen helfen, das zu mit schließen und also in diesen 00:02:10.530 --> 00:02:14.230 Themenbereichen genauer rein zu schauen. Und bei der Digitalisierung in der 00:02:14.230 --> 00:02:16.900 Migrationskontrolle kommen quasi zwei Themenbereiche zusammen, in denen das der 00:02:16.900 --> 00:02:22.319 Fall ist, nämlich der Migrationsbereich, also insbesondere Asylsuchende, die 00:02:22.319 --> 00:02:27.130 einfach faktisch Schwierigkeiten im Zugang zu Recht haben, die in Deutschland neu 00:02:27.130 --> 00:02:30.940 ankommen, die Sprache nicht sprechen, traumatisierende Erfahrung möglicherweise 00:02:30.940 --> 00:02:34.920 in der Vergangenheit haben mit ganz anderen Problemen im Alltag zu kämpfen 00:02:34.920 --> 00:02:40.420 haben, also mit großen Rechtsschutzlücken. Und andererseits geht es um 00:02:40.420 --> 00:02:43.770 Digitalisierungsthemen, und da ist für viele Menschen einfach auch schon 00:02:43.770 --> 00:02:49.640 technisch nicht zu verstehen, worum es geht. Und die Eingriffe in informationelle 00:02:49.640 --> 00:02:54.690 Selbstbestimmung sind nicht so spürbar. Deswegen ist es also ein Thema, in dem es 00:02:54.690 --> 00:03:00.140 wichtig ist, dass auch mehr gerichtliche Kontrolle herbeigeführt wird. Deswegen 00:03:00.140 --> 00:03:07.140 haben Anna und ich quasie zu diesem Thema zusammengefunden, weil Anna seit Jahren zu 00:03:07.140 --> 00:03:13.320 diesem Thema recherchiert und wir eben aus juristischer Sicht prüfen wollen bei einem 00:03:13.320 --> 00:03:17.740 besonderen Thema, wie wir vorgehen, können und dazu werden wir gleich noch genauer 00:03:17.740 --> 00:03:24.870 kommen. Vielleicht so viel zur Einleitung. Anna Biselli: Genau. Und bevor wir mit dem 00:03:24.870 --> 00:03:29.260 anfangen, was Behörden machen, wollen wir eigentlich mal gucken, wie wirkt sich denn 00:03:29.260 --> 00:03:33.390 Digitalisierung auf Flucht überhaupt aus? Weil an sich ist der Zugang zu digitalen 00:03:33.390 --> 00:03:38.050 Technologien erst einmal ein ziemlich wichtiges Werkzeug auch für gerade 00:03:38.050 --> 00:03:42.900 Flüchtende und Geflüchtete. Weil es wird eben benutzt, um zum Beispiel 00:03:42.900 --> 00:03:47.180 Übersetzungshilfe zu leisten wie auf diesem Bild bei einer Aktion in Linz. Es 00:03:47.180 --> 00:03:51.760 wird auch benutzt, um Menschen Informationen darüber zu geben, wie es 00:03:51.760 --> 00:03:55.580 gerade vielleicht auf dem Mittelmeer aussieht und wo sie sich wenden können, 00:03:55.580 --> 00:03:59.460 wenn sie Probleme bekommen. Und Menschen benutzen eben Smartphones und Facebook- 00:03:59.460 --> 00:04:04.151 Gruppen, um sich auszutauschen, zum Beispiel zu möglichen Fluchtrouten, zu 00:04:04.151 --> 00:04:08.600 Gesetzen in den Ländern, in denen sie sich gerade befinden oder in die sie wollen, 00:04:08.600 --> 00:04:11.850 als Kommunikationsmittel nach Hause, gerade auch wenn die Menschen in dem Land 00:04:11.850 --> 00:04:16.250 angekommen sind, aber auch eben als quasi letztes Bewahren von Erinnerungen, die man 00:04:16.250 --> 00:04:21.660 noch hat, von Fotos, von allen möglichen Sachen. Und eine Menge geflüchtete und 00:04:21.660 --> 00:04:25.250 flüchtende Menschen haben eben Smartphones dabei. Das heißt, eine Befragung der FU 00:04:25.250 --> 00:04:30.561 Berlin von 2016, die haben in Berlin rumgefragt, in Aufnahmelagern, haben 00:04:30.561 --> 00:04:34.630 ergeben, dass zum Beispiel 78 Prozent der Menschen, die aus Syrien nach Berlin 00:04:34.630 --> 00:04:39.600 gekommen sind, während ihrer Flucht ein Smartphone dabei hatten und genutzt haben 00:04:39.600 --> 00:04:43.430 und 88 Prozent nach ihrer Flucht ein Smartphone hatten und das auch genutzt 00:04:43.430 --> 00:04:50.080 haben, um primär eben Dinge zu tun, die ihnen den Alltag möglich machen und sie 00:04:50.080 --> 00:04:55.650 dazu recherchieren. So, das ist eben die eine Seite. Das heißt, wir haben irgendwie 00:04:55.650 --> 00:05:00.129 eine Technologie, die Menschen hilft, anzukommen, die Menschen hilft, sich 00:05:00.129 --> 00:05:04.280 zurechtzufinden. Aber das produziert eben jede Menge Daten. Und wir kennen den 00:05:04.280 --> 00:05:08.490 Spruch vielleicht: Wo ein Trog ist, da sammeln sich die Schweine. Der kommt aus 00:05:08.490 --> 00:05:12.090 einem relativ passenden Kontext. War nämlich während der 00:05:12.090 --> 00:05:15.360 Vorratsdatenspeicherungs-Verhandlung 2009. Da, wo die ganzen Daten anfallen und 00:05:15.360 --> 00:05:18.680 produziert werden, da interessieren sich plötzlich auch Behörden für diese Daten. 00:05:18.680 --> 00:05:23.150 Heißt, man kann aus diesem Smartphone Daten vor allem gucken, na ja, was ist 00:05:23.150 --> 00:05:27.960 denn während der Flucht passiert? Wie sind so die Fluchtbewegungen der Person? Mit 00:05:27.960 --> 00:05:31.300 wem kommuniziert die Person? Was ist das für eine Person? Wie verhält sie sich? Und 00:05:31.300 --> 00:05:36.080 da geht es sowohl um das Individuum. Das heißt die einzelne Person und ihr 00:05:36.080 --> 00:05:40.020 Verhalten, aber auch um quasi Flucht als Allgemeines. Das heißt, alles, was auf 00:05:40.020 --> 00:05:44.409 Social Media passiert, unabhängig von der einen Person, ist für Behörden 00:05:44.409 --> 00:05:51.300 interessant. Und wir finden, Deutschland ist ein ganz gutes Beispiel dafür, was 00:05:51.300 --> 00:05:55.870 passiert, wenn gerade Behörden, die für Migration zuständig sind, solche 00:05:55.870 --> 00:05:59.030 Möglichkeiten entdecken und dann immer wieder weiter digitalisieren, 00:05:59.030 --> 00:06:02.469 digitalisieren, digitalisieren. Und deshalb wollen wir zur Einleitung erst 00:06:02.469 --> 00:06:07.430 einmal ein kleines Video zeigen, das das BAMF zu sich selbst gemacht hat. Zu ihren 00:06:07.430 --> 00:06:10.979 Digitalisierungsbemühungen, weil das, glaube ich, ziemlich gut zeigt, mit was 00:06:10.979 --> 00:06:14.070 für einem Digitalisierungsenthusiasmus, wie es zu tun haben. 00:06:14.070 --> 00:06:18.289 Video des BAMF: Vorspannmusik 00:06:18.289 --> 00:06:24.629 Das ist alles dabei. weitere Vorspannmusik 00:06:24.629 --> 00:06:31.610 René Böcker: Herzlich willkommen im IT- Labor des BAMF! 00:06:31.610 --> 00:06:36.639 weitere Vorspannmusik Rene: Das hier ist der Ort, an dem wir 00:06:36.639 --> 00:06:41.389 unsere Digitalisierungsagenda 2020 umsetzen. Mit dieser haben wir uns nicht 00:06:41.389 --> 00:06:45.090 nur aus technischer Sicht eine ganze Menge Herausforderungen gestellt, sondern auch 00:06:45.090 --> 00:06:49.230 aus organisatorischer Sicht. Hier findet agile Software-Entwicklung statt. Folgen 00:06:49.230 --> 00:06:50.419 Sie mir. Musik 00:06:50.419 --> 00:06:55.349 Rene: Hier sind Sie im wichtigsten Raum des IT-Labors. Hier arbeiten unsere 00:06:55.349 --> 00:06:56.349 Entwickler. Lachen aus dem Publikum des 36c3 00:06:56.349 --> 00:06:59.900 Rene: Es gibt hier die entsprechenden Arbeitsplätze. Dort gibt es das Product 00:06:59.900 --> 00:07:02.990 Backlog entsprechend der agilen Softwareentwicklungs-Methode Scrum. 00:07:02.990 --> 00:07:05.199 Lachen aus dem Publikum des 36c3 Rene: Und hier sehen Sie bereits ein 00:07:05.199 --> 00:07:07.749 erstes Resultat des Datenbankschema. Musik 00:07:07.749 --> 00:07:13.050 Rene: Hier befinden wir uns in unserem multimedialen Präsentationsraum. Neben 00:07:13.050 --> 00:07:17.650 einigen Entwicklungsergebnissen werden hier die herausragenden Kernprojekte 00:07:17.650 --> 00:07:21.169 unserer Digitalisierungsagenda vorgestellt. Ein ganz wesentlicher 00:07:21.169 --> 00:07:24.740 Erfolgsfaktor beim agilen Projektmanagement nach Scrum-Methode ist 00:07:24.740 --> 00:07:29.069 es nicht nur, dass das Entwicklungsteam eng zusammenarbeitet, seine Ergebnisse 00:07:29.069 --> 00:07:33.309 direkt der Fachseite präsentieren kann, sondern auch, dass es einen Ort gibt zur 00:07:33.309 --> 00:07:38.539 kreativen Lösungsfindung und manchmal auch zur Konfliktlösung. Das IT-Labor mit 00:07:38.539 --> 00:07:42.380 seinen drei Räumlichkeiten ist ein wesentlicher Beitrag dazu, dass wir unsere 00:07:42.380 --> 00:07:48.669 Digitalisierungsagenda 2020 Kickgeräusch mit anschließendem Auftreffgeräusch des Balls im Tor 00:07:48.669 --> 00:07:51.349 Rene: zum Erfolg führen. Abspannmusik 00:07:51.349 --> 00:07:59.059 Applaus und teilweise Lachen aus dem Publikum des 36c3 Anna: So, also wir sehen, die Motivation 00:07:59.059 --> 00:08:03.099 ist definitiv da. Aber die nächsten Themen werden nicht mehr ganz so witzig, weil wir 00:08:03.099 --> 00:08:05.689 gehen jetzt so ein bisschen in die Inhalte, die wir untersucht haben. Und 00:08:05.689 --> 00:08:10.439 zwar fangen wir an mit nicht nochmal dem Video, sondern der Handydatenauswertung. 00:08:10.439 --> 00:08:15.910 Lea: Das Thema, was wir uns eben zusammen genauer angeschaut haben, sind die 00:08:15.910 --> 00:08:19.559 Handydatenauswertungen, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das BAMF, 00:08:19.559 --> 00:08:26.370 vornimmt. Und zwar ist das im Kontext zu verstehen, dass 2015 eben mehr auch 00:08:26.370 --> 00:08:31.409 Geflüchtete nach Deutschland kamen und in der Folge etliche Gesetzesänderungen im 00:08:31.409 --> 00:08:36.950 Asylbereich, Asylrecht erschwert haben und insbesondere eben auch Gesetze, die 00:08:36.950 --> 00:08:42.640 Ausreisepflicht verschärft haben. 2017 wurde das Gesetz zur besseren Durchsetzung 00:08:42.640 --> 00:08:46.390 der Ausreisepflicht verabschiedet. In dem Zusammenhang wurde auch eine 00:08:46.390 --> 00:08:51.400 Rechtsgrundlage eingeführt, die es dem BAMF ermöglicht, Handydaten Geflüchteter 00:08:51.400 --> 00:08:57.829 auszulesen, und zwar über folgenden Passus. Und zwar sind Asylsuchende 00:08:57.829 --> 00:09:04.000 verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, und da wurde 00:09:04.000 --> 00:09:08.329 2017 einfach die Nummer 6 eingeführt. Und das heißt dann, das bedeutet, wenn man 00:09:08.329 --> 00:09:14.350 keinen Pass oder Passersatz vorlegen kann, dann kann das BAMF die Datenträger 00:09:14.350 --> 00:09:19.040 auslesen. In der Praxis sind das Handys, größtenteils Smartphones und zum Teil auch 00:09:19.040 --> 00:09:26.070 einfache Feature Phones. Es kommen tatsächlich eben auch viele Geflüchtete in 00:09:26.070 --> 00:09:29.520 Deutschland ohne Pass an. Das ist über die Hälfte der Geflüchteten in den vergangenen 00:09:29.520 --> 00:09:33.050 Jahren. Das hat damit zu tun, das kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Aber 00:09:33.050 --> 00:09:37.089 es hat zum Teil damit zu tun, dass es in manchen Ländern nicht so üblich ist, 00:09:37.089 --> 00:09:41.170 überhaupt einen Pass zu haben. Manche Pässe werden auch nicht anerkannt. Also 00:09:41.170 --> 00:09:46.000 das gibt Einschätzungen des Innenministeriums gemeinsam mit dem BAMF, 00:09:46.000 --> 00:09:51.030 das hat auch mit der politischen Situation in den Ländern zu tun, dass Pässe nicht 00:09:51.030 --> 00:09:54.870 anerkannt werden. Zum Beispiel betrifft das Somalia, wo fast ausnahmslos Pässe 00:09:54.870 --> 00:09:59.589 nicht anerkannt werden oder auch viele Pässe, die aus Nigeria stammen. Das BAMF 00:09:59.589 --> 00:10:05.220 liegt diese Rechtsgrundlage zudem weit aus. Jeder, der im Moment, indem er beim 00:10:05.220 --> 00:10:09.769 BAMF vorsteht, keinen Pass hat, der in dem Moment auf seine Echtheit überprüft werden 00:10:09.769 --> 00:10:14.420 kann, bei dem glaubt es, eben die Datenträger auslesen zu können. Es kann 00:10:14.420 --> 00:10:18.360 also sein, dass der Pass aktuell bei einer anderen Behörde liegt, in einer anderen 00:10:18.360 --> 00:10:26.860 Angelegenheit. Es kann auch sein, dass ... da fehlen mir gerade die anderen 00:10:26.860 --> 00:10:29.060 Beispiele. Aber jedenfalls gibt es unterschiedliche Gründe, warum eine 00:10:29.060 --> 00:10:32.170 Person, die eigentlich einen Pass hat, also der Pass wird nicht anerkannt. Kann 00:10:32.170 --> 00:10:36.440 ich vor Ort direkt computergestützt überprüft werden, dann kann das Handy 00:10:36.440 --> 00:10:44.060 ausgelesen werden. Wir haben das Thema auch bei der Gesellschaft für 00:10:44.060 --> 00:10:46.459 Freiheitsrechte eigentlich seit den Ursprüngen verfolgt. Denn bereits im 00:10:46.459 --> 00:10:50.560 Gesetzgebungsverfahren war die Verfassungswidrigkeit dieser rechtlichen 00:10:50.560 --> 00:10:53.839 Grundlage ganz scharf kritisiert worden von der damaligen 00:10:53.839 --> 00:10:57.690 Bundesdatenschutzbeauftragten, vom Deutschen Anwaltverein, von diversen 00:10:57.690 --> 00:11:00.400 anderen Organisationen. Es lag eigentlich klar auf dem Tisch. Das Gesetz ist dann 00:11:00.400 --> 00:11:05.170 trotzdem verabschiedet worden, ist unserer Ansicht nach verfassungswidrig. Aber wir 00:11:05.170 --> 00:11:11.240 kommen hier an die bereits beschriebenen Rechtsschutzlücken. Denn ein 00:11:11.240 --> 00:11:15.069 verfassungswidriges Gesetz anzugehen heißt, man muss es im Normalfall durch die 00:11:15.069 --> 00:11:17.720 gerichtliche Kontrolle, durch die Instanzen bringen, dann zum 00:11:17.720 --> 00:11:22.329 Bundesverfassungsgericht und kann dann etliche Jahre warten in der Hoffnung, dass 00:11:22.329 --> 00:11:25.870 das Bundesverfassungsgericht dann die rechtliche Grundlage für nichtig erklärt. 00:11:25.870 --> 00:11:30.060 Es ist für die individuell betroffenen Personen also in ihrer Biografie eine 00:11:30.060 --> 00:11:36.250 Hilfe, die viel zu spät kommt. Deswegen haben wir eben beschlossen, dass es 00:11:36.250 --> 00:11:40.990 strategischer Prozessführung bedarf und dass wir diese Rechtsgrundlage vor Gericht 00:11:40.990 --> 00:11:45.990 bringen wollen. Und dafür haben wir uns gemeinsam der Aufgabe gewidmet, einmal den 00:11:45.990 --> 00:11:49.540 Sachverhalt sehr, sehr klar aufzuzäumen, um eben diese Rechtswidrigkeit und vor 00:11:49.540 --> 00:11:53.850 allem auch die Unverhältnismäßigkeit der Grundrechtseingriffe darlegen zu können. 00:11:53.850 --> 00:12:04.380 Applaus Also einmal kurz zudem, wie das eigentlich 00:12:04.380 --> 00:12:08.920 passiert, wenn man also beim BAMF vorstellig wird. Im Normalfall ist das 00:12:08.920 --> 00:12:13.339 direkt bei der Registrierung. Also wenn man ganz am Anfang im Asylverfahren keinen 00:12:13.339 --> 00:12:19.300 Pass vorlegen kann, dann wird ein Rohdatensatz vom Handy ausgelesen, kopiert 00:12:19.300 --> 00:12:23.949 durch eine speziell dafür eingeworbene Software, analysiert nach bestimmten 00:12:23.949 --> 00:12:28.110 Indikatoren, die eben vermeintlich Auskunft geben sollen über Herkunft und 00:12:28.110 --> 00:12:33.860 Identität. Denn nur darum geht es hier. Und dann wird also ein Ergebnisprotokoll, 00:12:33.860 --> 00:12:39.839 ein Digitales, kreiert, das dann in einem digitalen Datentresors abgespeichert wird. 00:12:39.839 --> 00:12:49.009 Und im nächsten Schritt dann aus diesen Datentresor nur abgerufen werden kann nach 00:12:49.009 --> 00:12:53.490 vorheriger Freigabe durch einen Juristen oder eine Juristin innerhalb des BAMF. Die 00:12:53.490 --> 00:12:58.040 Indikatoren, die dabei untersucht werden, sind die folgenden: Einmal Ländervorwahlen 00:12:58.040 --> 00:13:03.430 in Kontaktdaten, in einem und ausgehenden Anrufen und in Nachrichten, dann 00:13:03.430 --> 00:13:10.129 Länderendungen aufgerufener Webseiten, die im Internetbrowser aufgerufen worden sind, 00:13:10.129 --> 00:13:17.519 Lokalisationdaten in Apps und Fotos, die Sprache in Nachrichten, und zwar im 00:13:17.519 --> 00:13:22.519 Arabischen, sogar der Dialekt, und Benutzernamen und E-Mail-Adressen, die 00:13:22.519 --> 00:13:26.740 genutzt werden, um sich in Apps damit an zumelden. Zum Beispiel der Name, den man 00:13:26.740 --> 00:13:30.529 verwendet, um sich bei Facebook anzumelden, oder auch in einer Dating-App. 00:13:30.529 --> 00:13:37.180 Das Ergebnisprotokoll, wird zunächst abgespeichert und kann nur nach interner 00:13:37.180 --> 00:13:41.520 Freigabe verwendet werden, was die entscheidende Person im BAMF dann sieht, 00:13:41.520 --> 00:13:46.440 sieht also so aus. Das sind so Tortendiagramme und Länderkarten, die 00:13:46.440 --> 00:13:50.089 eingezeichnet werden, die also darstellen, in welchem Prozentsatz die eingehenden 00:13:50.089 --> 00:13:54.769 Nachrichten zum Beispiel in welcher Sprache oder mit welchen Vorwahlen gewesen 00:13:54.769 --> 00:14:01.480 sind. Aus rechtlicher Hinsicht muss man dazu vielleicht einleitend direkt sagen, 00:14:01.480 --> 00:14:06.980 das migrationspolitische Ziel das hier verfolgt wird, reicht eigentlich nicht 00:14:06.980 --> 00:14:11.380 aus, um in informationstechnische Systeme, also hier in Handys, einzugreifen. Und 00:14:11.380 --> 00:14:18.110 zwar das Bundesverfassungsgericht 2008 das sogenannte Comuter-Grundrecht erkannt, 00:14:18.110 --> 00:14:22.850 dass die Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme heißt das. 00:14:22.850 --> 00:14:28.880 Und dabei hat es anerkannt, dass auf informationstechnischen Systemen, also 00:14:28.880 --> 00:14:32.670 Handys und Computern eine Vielzahl von Daten zusammentrifft, die ganz 00:14:32.670 --> 00:14:36.339 unterschiedliche Lebensbereiche betreffen und das deswegen besonders gefährlich ist 00:14:36.339 --> 00:14:39.699 und einen besonderen grundrechtlichen Schutz bedarf, und dass also ein 00:14:39.699 --> 00:14:44.019 staatlicher Zugriff nur unter sehr hohen Voraussetzungen zulässig ist. Und zwar 00:14:44.019 --> 00:14:48.870 sagt es zu gewichtigen Verfassungshüter. Da sind zum Beispiel Leib oder Leben. Da 00:14:48.870 --> 00:14:52.379 kann man sich vorstellen, dass bei konkreten Anhaltspunkten da schwere 00:14:52.379 --> 00:14:57.540 Straftaten bevorstehen, also ein Zugriff gerechtfertigt ist. Aber zu so rein 00:14:57.540 --> 00:15:01.910 abstrakten migrationspolitischen Zielen, nämlich Asylmissbrauch verhindern und 00:15:01.910 --> 00:15:07.680 Abschiebungen erleichtern, ist das an sich nicht zulässig. Denn die dahinterstehende 00:15:07.680 --> 00:15:11.410 Logik bei der Einführung war ja, dass man glaubt, also es gibt viele Menschen, die 00:15:11.410 --> 00:15:15.589 in Deutschland ankommen, die einen Pass nicht vorlegen können und die werden 00:15:15.589 --> 00:15:19.779 vermutlich ein anderes Land angeben als das, aus dem sie kommen. Jedenfalls in 00:15:19.779 --> 00:15:26.129 Teilen, um so fälschlicherweise Asyl zu bekommen. Oder aber man weiß, dass sie 00:15:26.129 --> 00:15:29.149 kein Asyl haben, und will sie abschieben, kann sie aber nicht abschieben, wenn sie 00:15:29.149 --> 00:15:33.290 eben einen Pass nicht vorlegen. Das Interessante ist, dass diese Handy- 00:15:33.290 --> 00:15:37.961 Datenauswertung des BAMF eigentlich das Gegenteil belegt, also Geflüchteten in 00:15:37.961 --> 00:15:41.980 Deutschland ein sehr gutes Zeugnis ausstellen. Dazu kommen wir gleich noch. 00:15:41.980 --> 00:15:48.399 Also im Grunde genommen ist bereits der Eingriff in Handys zu diesem Ziel 00:15:48.399 --> 00:15:52.339 unzulässig, meiner Meinung nach. Wenn man aber das Ziel einmal grundsätzlich 00:15:52.339 --> 00:15:56.500 anerkennt, dann kommt man zur Verhältnismäßigkeit-Prüfung. Dann würde 00:15:56.500 --> 00:15:59.620 man sagen, dann muss es zu dem erstrebten Ziel verhältnismäßig sein, was hier 00:15:59.620 --> 00:16:02.749 eigentlich an Eingriffen passiert. Und diese Verhältnismäßigkeitsprüfung ist 00:16:02.749 --> 00:16:08.730 eigentlich nichts anderes als eine Tradition von Fragestellungen, die sich 00:16:08.730 --> 00:16:12.441 Juristen stellen, um möglichst alle Aspekte zu bedenken, die irgendwie sagen, 00:16:12.441 --> 00:16:17.310 wie gut oder sinnvoll oder wie verdammt schwachsinnig was ist wie jetzt hier im 00:16:17.310 --> 00:16:21.380 Folgenden eigentlich. Das erste Argument, dass man rechtlich sagen muss, es handelt 00:16:21.380 --> 00:16:24.980 sich um eine anlasslose und flächendeckende Maßnahme. Hier wird nicht 00:16:24.980 --> 00:16:29.339 anhand konkreter Verdachtsmomente bei der individuellen Person entschieden, sondern 00:16:29.339 --> 00:16:32.660 ohne konkrete Anhaltspunkte und flächendeckend bei allen Personen, die 00:16:32.660 --> 00:16:37.410 sich ohne Pass oder Passersatz melden, eingegangen. Das ist, sagt das 00:16:37.410 --> 00:16:40.589 Bundesverfassungsgericht, besonders gefährlich, weil wir dann in die Gefahr 00:16:40.589 --> 00:16:43.430 laufen, dass wir eben große Bevölkerungsteile ausleuchten. Und 00:16:43.430 --> 00:16:48.220 deswegen ist das nur unter hohen Voraussetzungen möglich. Dann der nächste 00:16:48.220 --> 00:16:53.509 Punkt ist, und das werde ich jetzt auf zwei Beispiele beschränken, ist, dass die 00:16:53.509 --> 00:16:57.949 Indikatoren, die hier ausgewertet sind, auch einfach ziemlich unsinnig sind. Also 00:16:57.949 --> 00:17:01.240 wenn man sich überlegt, es geht um die Frage: Woher kommt jemand, also 00:17:01.240 --> 00:17:06.610 Nationalität und Identität? Da kann man sich plausiblerweise die genannten 00:17:06.610 --> 00:17:10.011 Indikatoren mal durchdenken und fragen: Kann man damit eigentlich beweisen, wo 00:17:10.011 --> 00:17:14.540 jemand herkommt? Und jetzt mal ein Beispiel, Ländervorwahlen. Bei einer 00:17:14.540 --> 00:17:18.020 Person, die möglicherweise vor Jahren geflohen ist, aus einem Land, in dem Krieg 00:17:18.020 --> 00:17:22.910 herrscht, die jetzt in Deutschland ankommt. Mit wem steht die Person also im 00:17:22.910 --> 00:17:28.809 Kontakt in der Lebenszeit ihres Handys? Welche Ländervorwahlen werden dabei sein? 00:17:28.809 --> 00:17:33.200 Vermutlich Ländervorwahlen des Gastlandes. Vermutlich werden Vorwahlen von den Orten, 00:17:33.200 --> 00:17:36.230 an denen sich Angehörige und Familien inzwischen aufhalten. Und das wird 00:17:36.230 --> 00:17:39.470 vermutlich nicht unbedingt das Herkunftsland sein. Das heißt, es ist 00:17:39.470 --> 00:17:48.730 einfach vom Aussagewert des Indikators schlecht, um das überhaupt darzulegen. Ein 00:17:48.730 --> 00:17:51.590 weiteres Beispiel - weil es eben auch besonders interessant ist - ist die 00:17:51.590 --> 00:17:58.919 Aussagekraft, die das BAMF meint, sagen zu können über die verwendete Sprache in den 00:17:58.919 --> 00:18:04.710 Nachrichten. Und zwar gibt es eben vor, dass es bestimmen kann, welche Sprache 00:18:04.710 --> 00:18:08.789 verwendet wird und im Arabischen sogar welcher Dialekt verwendet wird. Und ganz 00:18:08.789 --> 00:18:12.520 unabhängig davon, dass das sowieso sehr schwer ist, Sprache zu erkennen, haben wir 00:18:12.520 --> 00:18:15.970 es hier mit der Besonderheit zu tun, dass wir schriftliche Sprache in 00:18:15.970 --> 00:18:20.240 Textnachrichten haben. Und wenn man sich das aus dem Arabischen überlegt, dann 00:18:20.240 --> 00:18:22.650 bedeutet das, dass arabische Schriftzeichen in diesen Textnachrichten 00:18:22.650 --> 00:18:28.570 übersetzt werden, mit lateinischen Buchstaben geschrieben werden. Und es gibt 00:18:28.570 --> 00:18:33.059 Laute im Arabischen, die so im Englischen oder auch im Französischen nicht 00:18:33.059 --> 00:18:37.940 auftauchen und die man unterschiedlich phonetisch schreibt. Da gibt es also eine 00:18:37.940 --> 00:18:42.190 sehr große Vielfalt an Schreibweisen, die zum Teil damit zu tun hat, ob die Länder, 00:18:42.190 --> 00:18:46.740 in denen es verwendet wird, eher englische oder französische Kolonialzeiten erlebt 00:18:46.740 --> 00:18:50.850 haben, also sich eher an einer englischen oder französischen Phonetik orientieren, 00:18:50.850 --> 00:18:55.120 aber auch einfach individuelle Unterschiede haben. Nur mal ein Beispiel 00:18:55.120 --> 00:19:00.590 für das Wort Befreiung. Das wären jetzt Möglichkeiten, das als lateinische 00:19:00.590 --> 00:19:04.180 Schriftzeichen in einer Nachricht darzustellen. Ich denke, das macht so ein 00:19:04.180 --> 00:19:08.020 bisschen klar, wie schwierig das eigentlich ist, plausibel darzulegen, 00:19:08.020 --> 00:19:12.549 welcher Dialekt verwendet wird. Hinzu kommt, dass Dialekte nicht an 00:19:12.549 --> 00:19:17.000 Ländergrenzen enden, dass also zum Beispiel der gleiche arabische Dialekt 00:19:17.000 --> 00:19:25.950 gesprochen wird in Israel, Palästina, Jordanien, Libanon und in Syrien. 00:19:25.950 --> 00:19:33.010 Anna: Ich glaube, wir hatten auch ein paar ganz gute Beispiele von 00:19:33.010 --> 00:19:37.049 Auswertungsprotokollen, die wir gesehen haben und die wir einsehen konnten. Da 00:19:37.049 --> 00:19:41.309 waren eben auch Sprachauswahlen, die waren total abstrus. Das heißt, da stand dann 00:19:41.309 --> 00:19:44.820 zum Beispiel eine Person hat primär Nachrichten auf Neugriechisch empfangen, 00:19:44.820 --> 00:19:49.010 aber dann Nachrichten auf Finnisch und Esperanto geschrieben. So das heißt, da 00:19:49.010 --> 00:19:51.820 steht halt auch irgendwie ziemlicher Bullshit drin. Das heißt, das ist nicht 00:19:51.820 --> 00:19:55.470 eine These von uns, dass das irgendwie nicht so einfach ist und alles schiefgehen 00:19:55.470 --> 00:19:58.300 kann. Das zeigt eben auch, dass es in der Praxis eben schwierig ist. Zumindest das 00:19:58.300 --> 00:20:03.419 Kommunikationsverhalten dieser Person müsste schon sehr, sehr ausgefallen sein. 00:20:03.419 --> 00:20:06.860 Zeigt dann noch ein anderes Problem, nämlich zumindest meine persönliche These, 00:20:06.860 --> 00:20:11.080 warum diese Personen offenbar primär auf Neugriechisch irgendwelche Nachrichten 00:20:11.080 --> 00:20:14.380 bekommen hat, ist, dass es zum Beispiel diese Providernachrichten sind. Das heißt, 00:20:14.380 --> 00:20:17.640 die Person ist durch Griechenland geflohen und dann kommt dann der Provider und sagt 00:20:17.640 --> 00:20:21.809 hier Roaming und "Hallo, willkommen in unserem Roaming". Das heißt, wir haben 00:20:21.809 --> 00:20:26.400 einfach eine ganze Anzahl von Faktoren, die es eben schwierig machen, überhaupt 00:20:26.400 --> 00:20:30.590 einzuschätzen, wie verlässlich das ist. Und spätestens der Entscheider oder die 00:20:30.590 --> 00:20:35.220 Entscheiderin müsste das dann einschätzen können, um das eben richtig in einer Asyl- 00:20:35.220 --> 00:20:38.750 Entscheidung mit einbeziehen zu können. Und dann dachte ich mir, weil ich 00:20:38.750 --> 00:20:41.960 regelmäßig bei dem BAMF Anfragen stelle, ich frag mal, wie das denn so mit der 00:20:41.960 --> 00:20:45.851 Fehlerquote bei dieser Sprachnachrichten Auswertung aussieht. Das ist nicht die 00:20:45.851 --> 00:20:48.399 einzige Frage, die ich gestellt habe, aber auf jeden Fall hat mir dann das BAMF 00:20:48.399 --> 00:20:52.870 gesagt, na ja, das können sie mir leider nicht sagen, weil das irgendwie so 00:20:52.870 --> 00:20:55.309 speziell, das würde dann den Einsatz der Technik erschweren. Und ich finde das 00:20:55.309 --> 00:20:59.909 einfach ein erstaunliches Maß an Intransparenz und Dreistigkeit zu sagen, 00:20:59.909 --> 00:21:03.470 dass selbst eine Fehlerquote von einem System, das Auswirkungen auf eine Asyl- 00:21:03.470 --> 00:21:06.820 Entscheidungen von Menschen hat, dass die Fehlerquote geheim gehalten werden muss 00:21:06.820 --> 00:21:10.490 und dass man die nicht rausgeben kann. Ich habe in der gleichen Anfrage eben auch 00:21:10.490 --> 00:21:14.049 gefragt: Leute, was verwendet ihr denn für Verfahren, um das überhaupt zu bestimmen? 00:21:14.049 --> 00:21:17.690 Was ist denn eure Datenbasis? Welche Messenger könnt ihr denn überhaupt 00:21:17.690 --> 00:21:21.740 erkennen? Und wie tut ihr das eigentlich? Und nichts davon wird gesagt, weil alles 00:21:21.740 --> 00:21:25.350 ist so geheim, dass es dann irgendwie die Gefährdung dieses ganzen Systems nach sich 00:21:25.350 --> 00:21:28.850 ziehen würde. Und ich finde, das ist ein riesiges Problem, weil wir wissen eben 00:21:28.850 --> 00:21:32.450 auch, dass diese Software nicht alle Messenger mit einbeziehen kann. Das heißt, 00:21:32.450 --> 00:21:37.710 es kann ja sein, dass eine Person primär SMS von dem Provider bekommt, selber aber 00:21:37.710 --> 00:21:41.830 über Messenger kommuniziert, die von dem System nicht ausgewertet werden können. 00:21:41.830 --> 00:21:46.100 Allein dadurch, dass die Person so ein Kommunikationsverhalten hat, fällt sie 00:21:46.100 --> 00:21:49.190 dann komplett aus diesem System raus. Und selbst wenn das System die Sprache 00:21:49.190 --> 00:21:51.750 erkennen könnte, werden dann falsche Ergebnisse bei rauskommen. Und das ist 00:21:51.750 --> 00:21:55.299 eben nicht bekannt. Und ich bin mir fast sicher, dass die meisten der Mitarbeiter, 00:21:55.299 --> 00:21:58.710 die diese Zettel dann vorliegen haben, eben auch nicht wissen werden, welche 00:21:58.710 --> 00:22:01.529 Messenger das Ding genau erkennen können wird und das ist ein ziemliches Problem. 00:22:01.529 --> 00:22:06.100 Zufälligerweise gab es dann dieses Jahr so eine Datenethik-Kommission, die die 00:22:06.100 --> 00:22:10.659 Bundesregierung eingesetzt hat, um mal arbeiten zu lassen, was denn passieren 00:22:10.659 --> 00:22:13.730 muss, wenn der Staat algorithmische Systeme und sogenannte künstliche 00:22:13.730 --> 00:22:16.659 Intelligenz einsetzt. Und diese Datenethik-Kommission hat dann eben 00:22:16.659 --> 00:22:20.530 gesagt: Okay, staatliche Stellen müssen ganz besonders transparent sein und die 00:22:20.530 --> 00:22:23.909 Entscheidungen müssen transparent und begründbar bleiben. Und dazu sollen eben, 00:22:23.909 --> 00:22:27.650 auch wenn es möglich ist, die Datenkategorien der Ein- und Ausgabedaten 00:22:27.650 --> 00:22:30.610 irgendwie rausgegeben werden. Da sollen die Berechnungsformel herausgegeben werden 00:22:30.610 --> 00:22:34.220 und eben die Entscheidungen daraufhin eingeschätzt werden. Und all das passiert 00:22:34.220 --> 00:22:38.539 hier nicht, obwohl es um wirklich krasse Eingriffe geht, und obwohl es um wirklich 00:22:38.539 --> 00:22:42.649 krasse Folgen eben für das Leben von Menschen und für das Schicksal von 00:22:42.649 --> 00:22:46.179 Menschen hat. Und das ist eben nicht das Einzige, was beim BAMF so läuft. Das 00:22:46.179 --> 00:22:49.210 bezieht sich auch auf viele andere Systeme. Eines der Systeme, über das ich 00:22:49.210 --> 00:22:53.410 letztes Jahr ein bisschen mehr geredet habe, war die Dialektanalyse, die zusammen 00:22:53.410 --> 00:23:00.120 mit anderen IT-Tools eingeführt wurde 2017, wo es darum geht, dass eine Person 00:23:00.120 --> 00:23:04.799 in einen Hörer spricht, 2 Minuten lang, und dann wird eine Sprachaufnahme gemacht 00:23:04.799 --> 00:23:08.100 und dann fällt ein Zettel raus, und auf dem Zettel steht dann drauf, aus welchem 00:23:08.100 --> 00:23:12.390 Land die Person vermutlich kommt. Das ist in Deutschland ziemlich einzigartig. Die 00:23:12.390 --> 00:23:15.340 meisten anderen Länder, in denen sogenannte Sprachanalysen zur 00:23:15.340 --> 00:23:19.530 Herkunftsbestimmung gemacht werden, machen das immer noch händisch, sei es durch 00:23:19.530 --> 00:23:24.679 Behörden, interne Sprachexperten, sei es durch externe Gutachter oder private 00:23:24.679 --> 00:23:30.850 Unternehmen. Aber das BAMF tut eben auch das immer mehr automatisiert. Und da 00:23:30.850 --> 00:23:34.410 wissen wir zumindest: Okay, es gibt eine Fehlerquote von 15 Prozent. Wir wissen 00:23:34.410 --> 00:23:38.460 aber auch, dass die Fehlerquote je nach Sprache unterschiedlich ist. Das heißt, 00:23:38.460 --> 00:23:42.150 sie haben herausgelassen in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage, dass die 00:23:42.150 --> 00:23:47.160 Erkennung für levantinischen Arabisch, also der Dialekt, der unter anderem in 00:23:47.160 --> 00:23:52.610 Syrien gesprochen wird, besser ist als für andere Dialekte im Arabischen. Und allein 00:23:52.610 --> 00:23:55.360 das zeigt schon, dass es ein riesiges Problem ist. Das liegt unter anderem 00:23:55.360 --> 00:23:58.039 daran, dass die Datenbasis ungleich verteilt ist. Das heißt, sie haben 00:23:58.039 --> 00:24:01.640 wesentlich mehr Sprachproben, mit denen sie ihr System trainiert haben für 00:24:01.640 --> 00:24:05.890 levantinisches Arabisch. Aber sie sagen eben nicht, wie viele das sind. Sie sagen 00:24:05.890 --> 00:24:09.640 dann: Okay, das ist eine Antwort, die geheim. Die wird dann irgendwie als 00:24:09.640 --> 00:24:13.899 Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch rausgegeben und die erfährt dann niemand, 00:24:13.899 --> 00:24:17.840 außer vielleicht den Leuten, die genauer nachfragen und versuchen, das 00:24:17.840 --> 00:24:23.080 herauszufinden. Und dann könnte man sich fragen, okay, wenn man so Systeme 00:24:23.080 --> 00:24:25.799 einsetzt, die relativ einzigartig sind, dann müsste man ja irgendwie mal dafür 00:24:25.799 --> 00:24:31.140 sorgen, dass jemand da drauf guckt und einschätzt, unabhängig, am besten noch, ob 00:24:31.140 --> 00:24:34.360 das alles so funktioniert und sinnvoll ist. Und da wurde schon im Dezember 2017 00:24:34.360 --> 00:24:40.049 aus dem Bundestag mal gefragt: Wollte das nicht mal irgendwie mit Wissenschaftlern 00:24:40.049 --> 00:24:44.390 und Wissenschaftlerinnen begleiten? Und dann wurde gesagt: Okay, Planung für das 00:24:44.390 --> 00:24:49.390 Jahr 2018. Wir schreiben aktuell das Jahr 2019. Ich habe dann nochmal nachgefragt, 00:24:49.390 --> 00:24:52.770 weil ich mache das öfter mal. Und dann hat dann das BAMF gesagt: Das findet aktuell 00:24:52.770 --> 00:24:55.570 noch nicht statt, das ist aber künftig geplant. Und das ist ein Zeitraum von, 00:24:55.570 --> 00:24:58.461 sage ich mal, zwei Jahren. Und in den zwei Jahren hat es Tausende von Menschen 00:24:58.461 --> 00:25:02.190 betroffen, und ich finde es einfach krass, wie man derartig mauern kann als Behörde, 00:25:02.190 --> 00:25:05.320 wenn man irgendwie eine relativ große Verantwortung trägt, sowieso schon die 00:25:05.320 --> 00:25:10.470 ganze Zeit schlechte Presse bekommt, weil man eben auch relativ viel Mist baut und 00:25:10.470 --> 00:25:14.830 dann immer noch weiter jegliche, sage ich mal, Einsicht und jegliche Aufarbeitung 00:25:14.830 --> 00:25:17.870 dessen, was man eigentlich tut, verweigert. Das Gleiche ist irgendwie 00:25:17.870 --> 00:25:20.600 passiert mit Datenschutzfolgeabschätzungen. Ich wollte 00:25:20.600 --> 00:25:27.440 wissen, eine Datenschutzfolgeabschätzung, das muss gemacht werden bei Systemen, die 00:25:27.440 --> 00:25:31.850 Daten verarbeiten, die zu einem großen Maß sensibel sind oder große Mengen an Daten 00:25:31.850 --> 00:25:34.970 verarbeiten oder automatisiert Entscheidungen aus diesen Daten ableiten. 00:25:34.970 --> 00:25:39.000 Und nun wollte ich wissen: Was ist denn die Datenschutzfolgeabschätzung zu zum 00:25:39.000 --> 00:25:42.429 Beispiel dieser Handyauswertung? Oder auch zu anderen Systemen, die ihr benutzt? Und 00:25:42.429 --> 00:25:45.840 da wurde dann gesagt: Okay, die können wir nicht rausgeben. Das hat dann irgendwie 00:25:45.840 --> 00:25:49.210 fast ein Jahr lang gedauert, bis ich eine Absage darauf bekommen habe, weil dadurch 00:25:49.210 --> 00:25:52.070 könnten ja mögliche Sicherheitslücken identifiziert werden. Und dann ist wieder 00:25:52.070 --> 00:25:55.549 die Sicherheit der Bundesrepublik in Gefahr. Das heißt, wir stehen hier vor 00:25:55.549 --> 00:25:58.711 einer riesigen Mauer aus Schweigen und bekommen, wenn dann überhaupt, nur 00:25:58.711 --> 00:26:03.950 tröpfchenweise Informationen. Und das ist eben ein rechtsstaatliches Problem neben 00:26:03.950 --> 00:26:09.850 anderen. Lea: Ja, genau, das ist nicht nur bizarr, 00:26:09.850 --> 00:26:14.080 das ist eben auch ein rechtsstaatliches Problem. Wenn das BAMF sagt, das wäre ein 00:26:14.080 --> 00:26:18.060 Sicherheitsrisiko, diese Fehlerquotienten offenzulegen, würde ich entgegnen: Es ist 00:26:18.060 --> 00:26:22.190 ein Sicherheitsrisiko, dass wir das nicht wissen und dass wir das nicht einschätzen 00:26:22.190 --> 00:26:28.919 können. Das betrifft einmal die fehlende Aussagekraft der untersuchten Indikatoren. 00:26:28.919 --> 00:26:35.289 Und es betrifft eben darüber hinaus auch die Frage, wie fehleranfällig die Systeme 00:26:35.289 --> 00:26:44.779 funktionieren. Hinzu kommt also, dass es technische Probleme gibt. In einem Viertel 00:26:44.779 --> 00:26:49.399 der Fälle können Geräte bereits nicht ausgelesen werden. Oder mal vorweg 00:26:49.399 --> 00:26:53.799 angefangen: Es kommt hinzu, dass unter den Geflüchteten in Deutschland, die ohne Pass 00:26:53.799 --> 00:26:58.800 angefragt werden, etwa eine Hälfte gar keine Datenträger haben oder das zumindest 00:26:58.800 --> 00:27:02.010 angeben, was relativ verständlich ist. Aber das heißt, es ist relativ leicht, 00:27:02.010 --> 00:27:05.510 sich dieser Maßnahme zu entziehen. Es ist uns nicht bekannt, dass das BAMF das 00:27:05.510 --> 00:27:09.309 soweit verfolgt. Bei der Hälfte der Fälle kommt das BAMF nicht weiter, weil die 00:27:09.309 --> 00:27:15.539 Personen also keinen Datenträger haben. Dann ist an einem Viertel der Fälle 00:27:15.539 --> 00:27:19.799 scheitert die Auslesung bereits technisch. Es kommt überhaupt gar nicht zu einem 00:27:19.799 --> 00:27:23.510 Ergebnisbericht. Das hat vermutlich damit zu tun, dass es sich um besonders alte 00:27:23.510 --> 00:27:27.380 oder um besonders neue Geräte handelt. Anna: Oder das Kabel nicht da ist. Also 00:27:27.380 --> 00:27:28.480 proprietäre Anschlüsse sind auch ein Problem. 00:27:28.480 --> 00:27:29.480 Lachen aus dem Pubilkum Anna: Das haben Sie gesagt, wirklich, 00:27:29.480 --> 00:27:31.279 also, denke ich mir nicht aus. Lachen von Anna und Lea 00:27:31.279 --> 00:27:37.370 Lea: Das ist also ein Viertel der Fälle. Dann in den Fällen, in denen es wenigstens 00:27:37.370 --> 00:27:42.490 zu einer Auswertung kommt, sind die überwiegend unbrauchbar. Das sind mal die 00:27:42.490 --> 00:27:48.789 Zahlen für 2018, also 64 Prozent der ausgelesenen Geräte, wo es zum 00:27:48.789 --> 00:27:53.029 Ergebnisprotokoll kam, waren unbrauchbar. Unbrauchbar heißt, da kam also irgendwas 00:27:53.029 --> 00:27:58.799 raus, wie das, was Anna eben beschrieben hatte mit Finnisch, Japanisch, Chinesisch. 00:27:58.799 --> 00:28:03.980 Das ist dann unbrauchbar. Das sind also die Fälle, in denen BAMF-Mitarbeitende das 00:28:03.980 --> 00:28:09.440 so erkannt haben, als unbrauchbar. Das waren jetzt im ersten Quartal 2019 55 00:28:09.440 --> 00:28:15.289 Prozent, ein bisschen weniger. Aber dafür haben wir dann in der Folge also das 00:28:15.289 --> 00:28:19.450 versprochene gute Zeugnis für die Geflüchteten. In den verbleibenden Prozent 00:28:19.450 --> 00:28:24.059 sind dann 34 Prozent, bestätigen die Angaben. Und nur in 2 Prozent kam es 2018 00:28:24.059 --> 00:28:27.960 überhaupt zu einem Widerspruch. Das heißt, nur da war überhaupt ein Indiz dafür 00:28:27.960 --> 00:28:30.549 gegeben, dass die gemachten Angaben möglicherweise nicht richtig waren. Das 00:28:30.549 --> 00:28:35.130 sagt überhaupt nichts darüber aus, ob das dann auch so war. Aber im ersten Quartal 00:28:35.130 --> 00:28:41.340 2019 waren es 44 Prozent, die bestätigt haben, die Angaben, also noch mehr. Und 00:28:41.340 --> 00:28:47.600 nur ein Prozent, in dem Widerspruch stand. Interessant ist auch, dass auch die BAMF- 00:28:47.600 --> 00:28:52.649 Mitarbeiter zum Teil nicht davon auszugehen zu scheinen, dass sie das 00:28:52.649 --> 00:28:59.420 brauchen. In 2018 sind 11400 Geräte ausgelesen worden im Verlauf des Jahres. 00:28:59.420 --> 00:29:04.779 Und nur in 5400 Fällen hat dann der Entscheider, die Entscheiderin überhaupt 00:29:04.779 --> 00:29:07.880 einen Antrag auf Freigabe gestellt. Die ganzen Restlichen wurden nicht mal mehr 00:29:07.880 --> 00:29:12.100 angefragt. Das heißt, da ist einfach mal das Handy ausgelesen worden, ohne dass man 00:29:12.100 --> 00:29:16.760 nachher irgendwie das Gefühl hatte, dass es irgendwie im Asylverfahren auch wichtig 00:29:16.760 --> 00:29:25.289 war. Dem gegenüber stehen Kosten, und zwar hat das bereits in der Anschaffung 2017 00:29:25.289 --> 00:29:32.679 6,9 Millionen gekostet für die Anschaffung von Hard- und Software und kostet seither 00:29:32.679 --> 00:29:39.680 jährlich 2,1 Millionen auch an Support Kosten. Das sind jetzt vielleicht für ein 00:29:39.680 --> 00:29:42.610 behördliches Digitalisierungsprojekt nicht die Riesensummen. Aber wenn man sich 00:29:42.610 --> 00:29:45.770 überlegt, worum es hier eigentlich geht, dann finde ich ja schon ziemlich große 00:29:45.770 --> 00:29:49.399 Summen. Denn worum es hier geht, ist, dass die Vermutung besteht, dass unter den 00:29:49.399 --> 00:29:52.850 Leuten, die hier Asyl suchen, in Deutschland ein paar sind, die nicht 00:29:52.850 --> 00:29:55.490 kommen, weil sie vor Krieg fliehen, sondern weil sie vor Armut fliehen. Das 00:29:55.490 --> 00:30:00.360 ist nämlich dann Asylmissbrauch, und die könnte man natürlich irgendwie kostenmäßig 00:30:00.360 --> 00:30:05.679 einkalkulieren. Oder man verwaltet seine Kosten lieber für so ein 00:30:05.679 --> 00:30:12.490 Digitalisierungsprojekt, das zu unsinnigen Aussagen kommt. Hinzu kommt, dass 00:30:12.490 --> 00:30:17.190 Rechtsschutz faktisch ziemlich ausgehebelt ist, weil man kann nicht im Vorhinein was 00:30:17.190 --> 00:30:21.269 dagegen machen. Als geflüchtete Person, die kommt, kann man nicht vorher 00:30:21.269 --> 00:30:26.169 Rechtsschutz suchen, sitzt dann in der Situation einem BAMF-Mitarbeiter 00:30:26.169 --> 00:30:30.590 gegenüber, und man kann dann widersprechen und sagen: Ich gebe mein Handy nicht raus. 00:30:30.590 --> 00:30:34.429 Aber das kann echt krasse Folgen haben, weil man dann seine Mitwirkungspflicht 00:30:34.429 --> 00:30:38.919 verletzt. Im schlimmsten Fall kann das dazu führen, dass der Asylantrag als 00:30:38.919 --> 00:30:44.700 zurückgenommen angesehen wird. Jedenfalls kann eben es zu Misstrauen führen. 00:30:44.700 --> 00:30:50.190 Natürlich macht man das nicht. Und nachträglicher Rechtsschutz, das habe ich 00:30:50.190 --> 00:30:53.720 eben schon dargestellt, ist schwer, weil es die gesetzliche Grundlage es erst mal 00:30:53.720 --> 00:30:56.419 hergibt. Da kann man sich auf einen langen, teuren und schwierigen Prozess 00:30:56.419 --> 00:31:01.169 einstellen. Es gibt praktisch keinen Rechtsschutz. Was wären dann die 00:31:01.169 --> 00:31:04.600 Alternativen? Ich glaube, Alternative ist eigentlich gar nicht das richtige Wort, 00:31:04.600 --> 00:31:08.960 wenn ich ehrlich bin. Denn de facto können diese Ergebnisse nur Indizwirkung erzeugen 00:31:08.960 --> 00:31:13.179 und man muss ohnehin bei den altvertrauten Methoden bleiben, wenn es darum geht, 00:31:13.179 --> 00:31:18.389 Herkunft und Identität herzustellen und das sind spezifische Nachfragen in der 00:31:18.389 --> 00:31:21.340 Anhörung. Wenn eine Person angibt, aus einer bestimmten Region, aus einer 00:31:21.340 --> 00:31:25.059 bestimmten Stadt zu kommen, muss man Regionalwissen abfragen und genau 00:31:25.059 --> 00:31:29.639 nachfragen: Wie heißt denn die Kirche, die dein Onkel besucht? Und wenn du vom 00:31:29.639 --> 00:31:35.580 Flughafen dich in die Stadt rein bewegst, was für Gebäude sind da auf der Strecke? 00:31:35.580 --> 00:31:39.259 So macht man das bisher, und das ist eine verlässliche Methode. Und das ist eine 00:31:39.259 --> 00:31:42.309 viel verlässlichere Methode als das, was das BAMF mit den Handyauswertungen macht. 00:31:42.309 --> 00:31:46.890 Es ist nach wie vor die Methode, auf die es ankommt, weil diese Handyauswertungen 00:31:46.890 --> 00:31:52.470 keine Beweiskraft haben, sondern allenfalls eine Indizwirkung. 00:31:52.470 --> 00:31:56.720 Zwischenfazit also: Massiver Grundrechtseingriff, zu geringe 00:31:56.720 --> 00:32:01.500 Eingriffsvoraussetzungen, nämlich quasi keine, außer dass man keinen Pass hat. Es 00:32:01.500 --> 00:32:08.010 ist extrem fehleranfällig, wenig aussagekräftig. Rechtsschutz gibt es faktisch nicht, und 00:32:08.010 --> 00:32:13.270 zudem ist das mit hohen Kosten verbunden. Anna: Okay, so, jetzt könnte man sagen: 00:32:13.270 --> 00:32:17.029 Wir haben ja nicht so viele gute Worte dafür übrig. Ist Deutschland alleine so 00:32:17.029 --> 00:32:21.419 doof? Aber nee, Datenträger von geflüchteten und ankommende Menschen 00:32:21.419 --> 00:32:26.399 werden auch in anderen Ländern Europas ausgelesen, und zwar teilweise schon 00:32:26.399 --> 00:32:29.769 länger als in Deutschland und teilweise auch von anderen Behörden. In vielen 00:32:29.769 --> 00:32:33.259 Ländern ist es tatsächlich, also in den rot markierten Ländern, in denen es 00:32:33.259 --> 00:32:36.120 zumindest gesetzliche Befugnisse dafür gibt. Es ist tatsächlich die Polizei, die 00:32:36.120 --> 00:32:41.200 dafür zuständig ist, den Menschen die Datenträger abzunehmen und auszulesen, die 00:32:41.200 --> 00:32:45.730 die dann teilweise an die Migrationsbehörde weiterleiten. Und es 00:32:45.730 --> 00:32:50.200 gibt aber auch jede Menge Länder, in denen diese Möglichkeit rechtlich eingeführt 00:32:50.200 --> 00:32:52.840 ist, aber wohl nicht so wirklich viel darüber bekannt ist, was da eigentlich 00:32:52.840 --> 00:32:57.139 passiert. Wir haben selber gemerkt, dass es extrem schwer ist, an Informationen zu 00:32:57.139 --> 00:33:03.030 kommen, weil das Thema kaum Aufmerksamkeit erfährt. Ich habe z.B. mit geflüchteten 00:33:03.030 --> 00:33:05.870 Organisationen in den Niederlanden geredet, wo dann gesagt wurde: Ja, das 00:33:05.870 --> 00:33:10.899 wird gemacht und ja, das passiert häufig. Aber Genaueres dazu wissen wir auch nicht. 00:33:10.899 --> 00:33:14.750 Wir wissen, dass es zum Beispiel in Belgien und Österreich die gesetzliche 00:33:14.750 --> 00:33:19.259 Möglichkeit dafür gibt, die relativ frisch eingeführt wurde, die Maßnahme aber noch 00:33:19.259 --> 00:33:23.059 nicht ausgeführt werden. Das heißt, in Österreich liegt es unter anderem an 00:33:23.059 --> 00:33:25.500 Datenschutzbedenken und Beschaffungsproblemen. Das heißt, da 00:33:25.500 --> 00:33:29.279 scheint man sich nochmal Gedanken darüber zu machen, ob das überhaupt so in Ordnung 00:33:29.279 --> 00:33:32.399 ist. In Großbritannien ist es sicherlich ein bisschen ein Sonderfall, weil 00:33:32.399 --> 00:33:35.450 Großbritannien gerade bei der Auswertung von Handydaten in Europa ganz, ganz weit 00:33:35.450 --> 00:33:39.779 vorne mit dabei ist. Vielleicht haben einige schon so ein bisschen gehört, dass 00:33:39.779 --> 00:33:44.820 z.B. auch die Handys von Opfern von Gewaltverbrechen oder von sexualisierter 00:33:44.820 --> 00:33:48.180 Gewalt ausgelesen werden, um dann eben Informationen zu bekommen. Das heißt, da 00:33:48.180 --> 00:33:51.850 ist die Schwelle generell sehr, sehr niedrig, ein Handy auszulesen und 00:33:51.850 --> 00:33:55.720 abzunehmen. Aber über die konkrete Praxis dessen, wie das bei Geflüchteten passiert, 00:33:55.720 --> 00:33:59.769 weiß man eben nicht viel. Was aber auffällt, wenn man sich das so ein 00:33:59.769 --> 00:34:02.290 bisschen anschaut und wenn man sich die ganzen Gesetze mal anschaut, die in den 00:34:02.290 --> 00:34:07.440 einzelnen Ländern so da sind, ist, dass gerade die Bestimmungen oder Anhaltspunkte 00:34:07.440 --> 00:34:10.990 auf Herkunft und Identität überall ein Thema sind, das aber teilweise noch 00:34:10.990 --> 00:34:18.540 weitergeht, und zwar in Dänemark z.B., wo das schon seit 2015 oder 2016, glaube ich, 00:34:18.540 --> 00:34:23.370 gemacht wird, wo dann dann aber eben 2017 Gesetze erweitert wurden. Das heißt, es 00:34:23.370 --> 00:34:27.400 geht dann nicht mehr darum, Identität- und Herkunftshinweise zu bekommen, sondern da 00:34:27.400 --> 00:34:31.329 steht jetzt einfach im Gesetz: Na ja, wir können das für alles machen, was für das 00:34:31.329 --> 00:34:36.190 Asylverfahren von Bedeutung sein könnte. Und das ist natürlich eine relativ breite 00:34:36.190 --> 00:34:42.619 Definition. Das heißt, im Endeffekt hat einer der Beamten in Dänemark auch einer 00:34:42.619 --> 00:34:45.669 Zeitung gesagt zum Beispiel: Na ja, wenn wir da so einen Zufallsfund finden, dann 00:34:45.669 --> 00:34:51.221 werden wir natürlich nicht liegen lassen. In Belgien geht die Dimension rechtlich 00:34:51.221 --> 00:34:54.101 auch noch ein bisschen weiter. Da wird es aber auch noch nicht durchgeführt. Und es 00:34:54.101 --> 00:34:56.960 gibt gerade auch eine Beschwerde beim belgischen Verfassungsgericht dagegen. 00:34:56.960 --> 00:35:02.300 Aber da dürften quasi alle digitalen Dinge einer Person durchsucht werden. Das heißt 00:35:02.300 --> 00:35:05.369 auch, dass die Person im Zweifelsfall gefragt werden kann: Was ist denn das 00:35:05.369 --> 00:35:11.151 Passwort zu deinem Mail-Account? Das heißt, da geht es weiter. Da geht es, sag 00:35:11.151 --> 00:35:14.410 ich mal, über einen physischen Datenträger hinaus, wobei es eh ein bisschen schwierig 00:35:14.410 --> 00:35:18.310 ist, von nur einem physischen Datenträger zu reden, wenn sich da eh Zugangsdaten für 00:35:18.310 --> 00:35:24.780 alle möglichen Dinge drauf befinden. Und gerade diese Social Media Analyse, wie sie 00:35:24.780 --> 00:35:29.300 in Belgien vorgesehen ist und in Norwegen und Dänemark schon gemacht wird, ist eine 00:35:29.300 --> 00:35:36.010 relativ krasse Sache, weil eben dadurch sowohl durch die, sage ich mal, Open 00:35:36.010 --> 00:35:39.800 Source Intelligence nehme ich auf irgendwelchen Facebook Profilen von 00:35:39.800 --> 00:35:43.300 Menschen, die ich vor mir habe, irgendwie surfe, als auch dadurch, dass ich mir die 00:35:43.300 --> 00:35:46.550 Passwörter von den Leuten hole und mir das angucke, irgendwie jede Menge 00:35:46.550 --> 00:35:51.140 Informationen bekomme über die Person. Und das an einem Zeitpunkt, wo ich noch gar 00:35:51.140 --> 00:35:54.470 keinen Verdacht habe, dass die Person mir überhaupt etwas Falsches erzählt haben 00:35:54.470 --> 00:35:59.020 könnte. Das heißt, im Endeffekt stelle ich diese Person mit einem krassen Straftäter 00:35:59.020 --> 00:36:03.230 gleich. Und das Einzige, was diese Person getan hat, ist, aus ihrem Zuhause zu 00:36:03.230 --> 00:36:07.890 flüchten und vielleicht keinen Pass dabei zu haben. Und vielleicht kann man sich das 00:36:07.890 --> 00:36:10.980 so ein bisschen überlegen, in Deutschland gabs ja vor ein paar Jahren relativ großen 00:36:10.980 --> 00:36:15.630 Aufschrei, als die Jobcenter die Facebook- Profile oder die eBay-Kleinanzeigen- 00:36:15.630 --> 00:36:20.190 Profile von eben Klientinnen am Jobcenter durchsucht haben. Und da gab einen 00:36:20.190 --> 00:36:23.850 riesengroßen medialen Aufschrei. Aber der riesengroße mediale Aufschrei, wenn sowas 00:36:23.850 --> 00:36:29.609 gemacht wird bei Geflüchteten, der fehlt so ein bisschen. Wir haben einen solchen 00:36:29.609 --> 00:36:34.160 Fall tatsächlich auch in Deutschland gefunden, wo bei einer Person durch die 00:36:34.160 --> 00:36:38.810 Handyauswertung ein Facebook-Profil-Name gefunden wurde. Das heißt, da stehen dann 00:36:38.810 --> 00:36:42.880 noch so Identitätsinformationen, und dann wurde anhand dieses Facebook-Profil weiter 00:36:42.880 --> 00:36:47.481 geschaut. Das heißt, der/die Entscheider/in hat dann eben geguckt: Was 00:36:47.481 --> 00:36:50.670 finde ich auf diesem Facebook-Profil? Und hat dann auch in dem Bericht geschrieben: 00:36:50.670 --> 00:36:55.670 Naja, ich sehe, die Person hat den Fussballclub von XY gelikt und hat den 00:36:55.670 --> 00:36:59.921 lokalen Laden da irgendwie gut gefunden. Und deshalb beziehe ich das in ihre 00:36:59.921 --> 00:37:05.319 Asylentscheidung mit ein. Soweit wir wissen, ist das keine gängige Praxis. 00:37:05.319 --> 00:37:08.240 Falls ihr andere Informationen habt, sind wir daran bestimmt interessiert. Aber das 00:37:08.240 --> 00:37:10.720 zeigt eben, wie schnell es weitergehen kann. Das heißt, es geht dann nicht mehr 00:37:10.720 --> 00:37:14.410 nur darum: in dieser Handydatenauswertung sind dann eben eh nur statistische 00:37:14.410 --> 00:37:19.000 Informationen drin, sondern da geht es eben darum, dass irgendwie das auch weiter 00:37:19.000 --> 00:37:22.540 genutzt werden kann. Und Social Media Monitoring ist eben noch auf einer 00:37:22.540 --> 00:37:28.470 kollektiven Ebene interessant, nämlich um Migrationsbewegungen zu erfassen. Und da 00:37:28.470 --> 00:37:32.880 gibt es diverse, vor allem europäische Behörden, die daran Interesse haben. Das 00:37:32.880 --> 00:37:38.280 wären so drei davon: die erste, die damit angefangen hat, ist EASO, die EU- 00:37:38.280 --> 00:37:41.910 Unterstützungs-Agentur für Asyl. Mein Kollege Alexander Fanta hat dazu ein 00:37:41.910 --> 00:37:47.829 bisschen recherchiert. Und zwar haben die seit Januar 2017 Social Media Auswertungen 00:37:47.829 --> 00:37:52.630 gemacht und haben sich Facebook-Gruppen angeguckt oder auch andere, sag ich mal, 00:37:52.630 --> 00:37:56.950 Kanäle, auf denen Menschen Informationen z.B. zu Fluchtrouten teilen oder in denen 00:37:56.950 --> 00:38:01.710 Menschen sich über Flucht austauschen, und haben dann wöchentlich einen Monitoring 00:38:01.710 --> 00:38:07.200 Report an Asylbehörden in den EU- Mitgliedstaaten geschickt, ans UNHCR, auch 00:38:07.200 --> 00:38:12.560 an Europol, und haben das nach Stichworten durchsucht. Das Ganze basierte auf einem 00:38:12.560 --> 00:38:17.990 Bericht von dem UN-Flüchtlingskommissariat aus 2017, wo untersucht wurde, wie gerade 00:38:17.990 --> 00:38:25.180 so Angebote von, sag ich mal, Dokumentenfälschern und von Schmugglern, 00:38:25.180 --> 00:38:28.920 die Leuten irgendwie für viel Geld irgendwie eine bessere Welt versprechen, 00:38:28.920 --> 00:38:32.790 so auf Social Media funktionieren. Und dann hat EASO eben angefangen, das selber 00:38:32.790 --> 00:38:40.579 zu übernehmen und da eben Lagebilder zu erstellen. Und dann fragt man sich: Was 00:38:40.579 --> 00:38:44.030 passiert dann mit diesen Lagebildern? Die gehen dann in die Behörden in den 00:38:44.030 --> 00:38:49.800 Mitgliedsstaaten. Und dann hat der Kollege von mir mal nachgefragt: Naja, warum denn 00:38:49.800 --> 00:38:54.500 eigentlich? Und dann wurde als einer der großen Erfolge genannt, dass man den 00:38:54.500 --> 00:38:58.060 sogenannten Konvoi der Hoffnung relativ früh entdeckt hat. Das war im März und 00:38:58.060 --> 00:39:01.369 April. Da gab es Gerüchte in sozialen Medien, dass die Grenze zwischen 00:39:01.369 --> 00:39:04.730 Griechenland und Mazedonien offen sein soll. Und viele Menschen haben sich eben 00:39:04.730 --> 00:39:10.040 auf den Weg gemacht und dann hat man das früh entdeckt und mit Polizeigewalt und 00:39:10.040 --> 00:39:15.840 Tränengas die Leute wieder zurückgedrängt. Das ist dann einer der Erfolge. So, der 00:39:15.840 --> 00:39:18.440 Europäische Datenschutzbeauftragte hat sich das Ding mal angeschaut und 00:39:18.440 --> 00:39:21.230 nachgefragt: Was macht ihr da eigentlich und auf welcher Rechtsgrundlage tut ihr 00:39:21.230 --> 00:39:25.470 das? Und eine Datenschutzfolgeabschätzung, die das BAMF uns zum Beispiel nicht geben 00:39:25.470 --> 00:39:28.800 will, hatten sie erstmal gar nicht. Das heißt es gab dann später eine. Und da 00:39:28.800 --> 00:39:31.330 stand dann unter anderem drin: Naja, wir haben da gar keine personenbezogenen 00:39:31.330 --> 00:39:34.450 Informationen drin. Da hat der Europäische Datenschutzbeauftragte gesagt: Na gut, 00:39:34.450 --> 00:39:37.329 aber warum steht denn da eine Telefonnummer von jemandem? Das ist alles 00:39:37.329 --> 00:39:43.600 ein bisschen inplausibel und eure allgemeine Aufgabe, da Informationen zu 00:39:43.600 --> 00:39:48.700 sammeln, wenn es eben gerade zu einem sogenannten Massezustrom kommt, lässt sich 00:39:48.700 --> 00:39:51.790 auch nicht damit vereinbaren, dass ihr das einfach jede Woche seit Jahren macht. Und 00:39:51.790 --> 00:39:54.660 ihr sagt auch nicht, wie er das tut und generell seid ihr ziemlich intransparent 00:39:54.660 --> 00:39:59.740 und hat dann vor Kurzem erfreulicherweise gesagt: Ihr hört jetzt mal damit auf. Das 00:39:59.740 --> 00:40:05.420 heißt, es zeigt auch ... Applaus 00:40:05.420 --> 00:40:12.720 Anna: ... wie wichtig es ist, dass Menschen, seien es jetzt Behörden, seien 00:40:12.720 --> 00:40:16.369 es Aktivistinnen seien es Journalisten, sich diese Praktiken mal anschauen, weil 00:40:16.369 --> 00:40:19.250 das Ding lief einfach zwei Jahre lang, ohne dass jemand irgendwas gemerkt hat, 00:40:19.250 --> 00:40:22.380 mehr oder weniger, und dadurch, dass sich das eben jemand mal angeschaut hat und 00:40:22.380 --> 00:40:24.500 gesagt hat: Okay, ihr spinnt ja, ihr habt ja überhaupt keine Rechtsgrundlage dafür 00:40:24.500 --> 00:40:28.359 und was macht ihr hier eigentlich? Hört mal damit auf! Wurde das eben erst 00:40:28.359 --> 00:40:31.900 entdeckt. Eine andere Behörde, die an Social Media Informationen interessiert 00:40:31.900 --> 00:40:37.730 ist, ist Europol. Von Europol kennt man vielleicht so diese ganzen Take-Down- 00:40:37.730 --> 00:40:44.430 Aktionen, wo sie Posts in sozialen Medien von terroristischen oder sogenannten 00:40:44.430 --> 00:40:47.220 terroristischen Inhalten oder mutmaßlich terroristischen Inhalten runternehmen. Das 00:40:47.220 --> 00:40:51.520 Ganze machen sie auch mit sogenannten schmuggelrelevanten Inhalten. Das heißt, 00:40:51.520 --> 00:40:59.960 2018 hat Europol 800 Posts oder 800 Informationen gemeldet bekommen und die 00:40:59.960 --> 00:41:03.110 dann an die sogenannte Internet Referral Unit weitergeleitet, die dann bei den 00:41:03.110 --> 00:41:06.400 Providern oder bei den Betreibern angefragt haben könnte die mal bitte 00:41:06.400 --> 00:41:10.500 runterzunehmen. Und das ist dann auch in 99 Prozent der angefragten Fälle passiert. 00:41:10.500 --> 00:41:13.990 Jetzt fragt man sich halt, was verstehen die unter schmuggelrelevante Inhalte? Sind 00:41:13.990 --> 00:41:18.050 das wirklich nur Posts, die dann zum Beispiel sagen: Zahl mir jetzt irgendwie 00:41:18.050 --> 00:41:22.230 15 000 Euro und dafür kriegst du von mir einen Pass und ein schönes Leben. Oder 00:41:22.230 --> 00:41:25.410 sind das eben auch Seenotrettungsorganisationen, die 00:41:25.410 --> 00:41:28.730 illegalisiert werden? Und das wissen wir eben nicht, weil wir nicht wissen, was 00:41:28.730 --> 00:41:33.020 genau da passiert. Aber ich würde sagen, wir haben - also ich habe zumindest eine 00:41:33.020 --> 00:41:37.540 Vermutung. Und damit kommen wir auch zur dritten Behörde auf EU-Ebene. Die 00:41:37.540 --> 00:41:43.260 interessiert nämlich Frontex. Frontex wollte im September fast eine halbe 00:41:43.260 --> 00:41:48.020 Millionen dafür rausgeben, dass Ihnen jemand so ein Monitoring-Ding mal baut. 00:41:48.020 --> 00:41:51.371 Wahrscheinlich so ähnlich wie EASO. Das Ganze ist dann aber ein bisschen schief 00:41:51.371 --> 00:41:54.490 gelaufen. Das lief ungefähr zeitgleich mit der Prüfung von dem 00:41:54.490 --> 00:41:57.750 Datenschutzbeauftragten und Privacy International und andere haben darüber so 00:41:57.750 --> 00:42:00.540 ein bisschen berichtet und mal nachgefragt, gesagt: So, Leute, hier 00:42:00.540 --> 00:42:04.869 Frontex. What the fuck? Was macht ihr da eigentlich und warum? Und dann hat Frontex 00:42:04.869 --> 00:42:11.809 die Ausschreibung wieder zurückgezogen. Dafür macht Frontex andere Sachen, nämlich 00:42:11.809 --> 00:42:16.410 mit Drohnen und sogenannter künstlicher Intelligenz und mit Drohnenschwärmen die 00:42:16.410 --> 00:42:21.570 Grenzen überwachen. Das seit einer relativ langen Zeit. Das erproben sie und 00:42:21.570 --> 00:42:26.900 versuchen da eben auch zu gucken: Na was ist da an der Grenze? Ist das jetzt ein 00:42:26.900 --> 00:42:29.550 Auto, ist das jetzt gerade ein Schiff? Sind da Personen drauf und im Zweifelsfall 00:42:29.550 --> 00:42:32.380 eben auch, wie verhalten diese Menschen sich auch. Das heißt, man geht vielleicht 00:42:32.380 --> 00:42:35.910 irgendwo lang. Dann kommt so ein kleiner Schwarm von Drohnen, guckt eine Weile an, 00:42:35.910 --> 00:42:39.190 analysiert das, schickt dann etwas an eine Einsatzzentrale, die ganz weit weg ist. 00:42:39.190 --> 00:42:41.651 Mensch guckt auf den Bildschirm, und im besten Fall hauen die Drohnen dann wieder 00:42:41.651 --> 00:42:45.950 ab. Oder eben auch nicht. Heißt, da haben wir eine relativ große Bandbreite an 00:42:45.950 --> 00:42:48.730 Digitalisierung, die wir noch bringen können. Ich will aber gerade gar nicht 00:42:48.730 --> 00:42:52.040 mehr so viel darüber reden, weil a) haben wir keine Zeit mehr und b) gibt's da 00:42:52.040 --> 00:42:57.820 morgen einen extra Vortrag, wo es ganz viel um eben diese europäischen 00:42:57.820 --> 00:43:02.680 Überwachungsprogramme gehen wird. Genau, ich überspringe tatsächlich noch ein paar 00:43:02.680 --> 00:43:06.740 mehr europäische Sachen, weil die Zeit rennt. Wir fragen uns nämlich jetzt ganz 00:43:06.740 --> 00:43:10.970 kurz: Wer profitiert denn davon? Das heißt, wir sagen: Okay, also unsere These 00:43:10.970 --> 00:43:16.010 ist ja, das ist eine ziemlich Dreistigkeit gegenüber Geflüchteten. Und es klappt auch 00:43:16.010 --> 00:43:20.180 nicht so richtig. Wer hat denn ein Interesse daran, dass das weitergeht, 00:43:20.180 --> 00:43:23.040 außer irgendwelchen Sicherheitspolitiker, die eben immer wieder sagen: Ja, wir 00:43:23.040 --> 00:43:25.849 brauchen Sicherheit, und dafür brauchen wir das, egal, was es kostet, sind nämlich 00:43:25.849 --> 00:43:30.430 die Firmen. Das ist eine große Menge an IT-Firmen. Das ist auch eine große Menge 00:43:30.430 --> 00:43:35.440 an Unternehmensberatungen. Das sind so Firmen wie Cellebrite, die vom BAMF auch 00:43:35.440 --> 00:43:39.780 getestet wurden, aber nicht produktiv eingesetzt werden gerade, die eben sowohl 00:43:39.780 --> 00:43:42.510 in Deutschland als auch auf EU-Ebene immer wieder auftauchen, wenn man sich mit 00:43:42.510 --> 00:43:46.800 solchen Dingen beschäftigt. Und zum Schluss wollen wir nochmal kurz zwei 00:43:46.800 --> 00:43:55.730 weitere Digitalisierungsprojekte des BAMF, das auf dem Weg zur digitalen Behörde ist, 00:43:55.730 --> 00:44:00.150 vorstellen. Haben wir noch Zeit, dieses Video zu zeigen? Können wir das? Wie lang 00:44:00.150 --> 00:44:02.500 dauert das? Nee, ich glaube nicht. Lea: Ja, eher nicht. 00:44:02.500 --> 00:44:04.559 Anna und Lea: Wollt ihr noch ein Video sehen? 00:44:04.559 --> 00:44:06.470 Bestätigende Ja-Rufe aus dem Publikum Anna: Gut. 00:44:06.470 --> 00:44:10.380 Sprecherin im Video: Also heute ist der große Tag. Nach langer Bauzeit und ein 00:44:10.380 --> 00:44:16.740 wenig Planungszeit haben wir das CIC heute eröffnet. Das steht für Creative 00:44:16.740 --> 00:44:20.441 Information Technology Center. Und das soll dazu dienen, hier unsere 00:44:20.441 --> 00:44:26.680 allerneuesten IT-Ideen, IT-Projekte und Zukunftsprojekte darzustellen. Im 00:44:26.680 --> 00:44:31.210 Augenblick ist es unser Cloud-Projekt. Deswegen ist auch das ganze Design so ein 00:44:31.210 --> 00:44:36.390 bisschen an der Cloud ausgerichtet. Also viele wellenförmige Design-Punkte finden 00:44:36.390 --> 00:44:43.119 sich hier weiter. Die Lampen sind so ein bisschen cloudmäßig angeordnet soll es 00:44:43.119 --> 00:44:46.559 sein, und das ist eigentlich eines unserer größten Zukunftsprojekte, die wir gerade 00:44:46.559 --> 00:44:51.849 laufen haben. Also heute... Anna: Reicht, okay? lacht 00:44:51.849 --> 00:44:58.770 Lachen und darauffolgender Applaus aus Publikum Anna: Wir sprachen mit einer 00:44:58.770 --> 00:45:01.300 Abteilungsleiterin für Informationstechnik, die wahrscheinlich 00:45:01.300 --> 00:45:05.780 ein bisschen überrascht wurde von diesem Interview. Wir wollen gar nicht so viel 00:45:05.780 --> 00:45:09.740 über Cloud reden, sondern wir wollen kurz über KI reden, weil alle über KI reden und 00:45:09.740 --> 00:45:13.390 das ist irgendwie cool, das BAMF setzt auch ganz viel KI ein. Und zwar setzt das 00:45:13.390 --> 00:45:18.940 BAMF irgendwie KI zum Postsortieren ein. Da gibt es so ein schönes Zitat auf dem 00:45:18.940 --> 00:45:23.200 Digital Gipfel von dem IT-Chef Markus Richter, der meinte: "Wir bekommen jeden 00:45:23.200 --> 00:45:26.440 Tag 6000 Dokumente, und da ist auch mal so ein Anwaltsschreiben dabei. Das ist 00:45:26.440 --> 00:45:29.391 ironisch formuliert, und da muss man dann eben mit der KI erkennen, ob das eine 00:45:29.391 --> 00:45:34.059 Unterlassungsklage ist oder eben nicht oder nur freundlich. Na ja, aber nicht 00:45:34.059 --> 00:45:39.680 ganz so lustig ist tatsächlich, KI wird auch in einem Pilotprojekt eingesetzt, um 00:45:39.680 --> 00:45:43.530 zu gucken, ob es Auffälligkeiten in Anhörungsprotokollen gibt. Das heißt, über 00:45:43.530 --> 00:45:48.660 dieses Projekt war relativ wenig bekannt bis mal die KI-Enquete-Kommission im 00:45:48.660 --> 00:45:52.550 Bundestag nachgefragt hat, was das BAMF so an KI-Zeug macht. Und da geht es darum, 00:45:52.550 --> 00:45:55.390 dass das BAMF laut Aussage des Innenministeriums seinen gesetzlichen 00:45:55.390 --> 00:45:59.260 Meldepflichten an die Sicherheitsbehörden leichter nachkommen kann. Da würde es dann 00:45:59.260 --> 00:46:03.270 darum gehen, dass eben relevante Stellen in Anhörungen, Protokollen markiert werden 00:46:03.270 --> 00:46:07.690 und dann gesagt wird: Okay, vielleicht ist die Person ein Sicherheitsrisiko. 00:46:07.690 --> 00:46:14.220 Vielleicht hatte die Person, Kontakt zu Personen, die sicherheitsrelevant sind, 00:46:14.220 --> 00:46:18.441 interessante Informationen für Behörden abgeben könnten. Dass das BAMF jede Menge 00:46:18.441 --> 00:46:23.090 Informationen an Behörden weitergibt, ist bekannt. Das heißt, 2015 waren es noch 500 00:46:23.090 --> 00:46:25.329 Fälle, wo zum Beispiel an den Verfassungsschutz Menschen gemeldet 00:46:25.329 --> 00:46:28.940 wurden. Zwei Jahre später waren es schon über 10000 Fälle. Das heißt, das dürfte 00:46:28.940 --> 00:46:33.030 sich dadurch noch ein bisschen weiter erhöhen. Das BAMF hat aber auch erkannt, 00:46:33.030 --> 00:46:38.130 dass es ein Problem ist, wenn sie KI- Assistenzsysteme einsetzen. Aber Sie 00:46:38.130 --> 00:46:42.280 versuchen, die Mitarbeitenden die Entscheidungshoheit besitzen werden, was 00:46:42.280 --> 00:46:46.570 sicherlich von der Arbeitsbelastung und eben der Professionalität der Mitarbeiter 00:46:46.570 --> 00:46:51.150 abhängen wird. Ein anderes Projekt, das ich gerne mehr reden würde, wenn wir mehr 00:46:51.150 --> 00:46:55.680 Zeit hätten, ist das Blockchain-Projekt. Vielleicht können wir das einfach ganz 00:46:55.680 --> 00:46:59.080 kurz zusammenfassen. Das BAMF wollte was mit Blockchain machen, macht ja gerade so 00:46:59.080 --> 00:47:04.329 eine Konzeptphase in Dresden im Ankerzentrum. Und diese Konzeptphase soll 00:47:04.329 --> 00:47:09.530 Anfang 2020 abgeschlossen sein, das heißt die Konzeptionierung, um dann in einen 00:47:09.530 --> 00:47:13.390 Piloten zu gehen. Und die Motivation hat eine der BAMF-Mitarbeiterinnen auf einer 00:47:13.390 --> 00:47:17.520 Präsentation im November 2018 gesagt, ist: "Wir kennen das aus der Presse, irgendwo 00:47:17.520 --> 00:47:20.900 ist ein Fax liegengeblieben und dann sitzt jemand fälschlicherweise im Flugzeug." 00:47:20.900 --> 00:47:27.640 Nicht mein Zitat. Das heißt, man will versuchen, irgendwie diese ganzen 00:47:27.640 --> 00:47:30.601 Kommunikationsvorgänge zwischen den Behörden ein bisschen zu verbessern. Das 00:47:30.601 --> 00:47:33.330 heißt, dass die Ausländerbehörde dann auch weiß, was die Person für einen Status hat 00:47:33.330 --> 00:47:36.700 und so weiter und so fort. Jetzt kennen wir vielleicht so ein bisschen Blockchain. 00:47:36.700 --> 00:47:39.780 Blockchain hat so eine Eigenschaft, die ist besonders ungeeignet für sowas macht, 00:47:39.780 --> 00:47:42.170 nämlich Blockchain ist eigentlich dafür da, dass man die Daten nicht mehr so 00:47:42.170 --> 00:47:45.329 wirklich löschen kann und auch nicht manipulieren kann. Aber eigentlich müssen 00:47:45.329 --> 00:47:48.720 ja die Daten gelöscht werden, zumindest irgendwie zehn Jahre nach Abschluss des 00:47:48.720 --> 00:47:51.540 Asylverfahrens. Das heißt, das BAMF hat sich irgendwie ein rechtliches Gutachten 00:47:51.540 --> 00:47:54.970 machen lassen, und es gibt mittlerweile zwei White Paper dazu. Und man kann 00:47:54.970 --> 00:47:57.920 vielleicht zusammenfassen, dass so ziemlich alles aus einer Blockchain raus 00:47:57.920 --> 00:48:01.340 kastriert wurde, was man da so rein packen kann. Die Empfehlung war dann, es sollen 00:48:01.340 --> 00:48:04.130 keine personenbezogenen Daten auf der Blockchain gespeichert werden und 00:48:04.130 --> 00:48:07.520 letztlich ist es dann einfach nur noch so eine Zustandsbeschreibung mit einer 00:48:07.520 --> 00:48:11.180 Kennnummer. Und alle Daten, die dazugehören, stehen dann in irgendwelchen 00:48:11.180 --> 00:48:17.440 herkömmlichen Datenbanken. Könnte man sich fragen warum. Aber es gab einen Preis 00:48:17.440 --> 00:48:20.470 dafür. Lachen aus dem Publikum 00:48:20.470 --> 00:48:26.369 Anna: Auch gut. So, genau, wir dürfen nie vergessen Geflüchtete sind eh schon ganz 00:48:26.369 --> 00:48:29.500 krass, auch ohne diese ganzen neuen, fancy Sachen und ohne KI und ohne Blockchain und 00:48:29.500 --> 00:48:32.170 ohne diesen ganzen anderen Kram, von Datenspeicherung ganz, ganz, ganz extrem 00:48:32.170 --> 00:48:38.750 betroffen und sehr viel mehr als Menschen, die einen deutschen Pass haben. Und für 00:48:38.750 --> 00:48:41.140 die das glaube ich ziemlich krass wäre, wenn man mal versucht, sich vorzustellen, 00:48:41.140 --> 00:48:44.120 was es für einen selber bedeuten würde. Das Ausländer-Zentralregister, das 00:48:44.120 --> 00:48:48.079 sogenannte, ist eine Datensammlungen mit 26 Millionen personenbezogenen 00:48:48.079 --> 00:48:52.559 Datensätzen. Und das betrifft eben nur nicht-deutsch Pass-Menschen. Und das 00:48:52.559 --> 00:48:56.049 Ausländer-Zentralregister, sagt das Bundesverwaltungsamt, hat 14 000 00:48:56.049 --> 00:49:00.930 Partnerbehörden und 100 000 Nutzerinnen und wird immer weiter ausgeweitet. Das 00:49:00.930 --> 00:49:04.030 heißt, man kann da jetzt biometrische Daten reinwerfen. Da sollen jetzt bald 00:49:04.030 --> 00:49:07.760 auch Fingerabdrücke von Menschen mit 6 Jahren und nicht nur erst ab 14 rein. Es 00:49:07.760 --> 00:49:10.970 gibt immer mehr zugriffsberechtigte Stellen. Da kann der 00:49:10.970 --> 00:49:13.610 Bundesnachrichtendienst genauso drauf zugreifen wie irgendwelche Jobcenter. Die 00:49:13.610 --> 00:49:17.150 Abrufe werden automatisiert. Und jetzt gibts auch noch die schöne Idee, man kann 00:49:17.150 --> 00:49:21.930 ja irgendwie den Zugriff auf die Daten mit einer Kennziffer gestalten. Man hat 00:49:21.930 --> 00:49:24.980 eigentlich mal gemerkt in Deutschland, dass das eine beschissene Idee ist, aber 00:49:24.980 --> 00:49:29.310 die Erinnerung hat nicht lange gehalten. So, das heißt unser Fazit zu dieser ganzen 00:49:29.310 --> 00:49:33.270 Geschichte ist, das Anliegen bei diesen Digitalisierungsvorhaben ist meistens, 00:49:33.270 --> 00:49:36.540 dass alles besser und schneller geht in den Asylverfahren und auch sicherer. Und 00:49:36.540 --> 00:49:41.280 es gibt weniger Fehler. Wir stehen vor dem Problem dieses Übereifers, das heißt, wir 00:49:41.280 --> 00:49:44.290 versuchen, alles Mögliche zu digitalisieren, und die Digitalisierung 00:49:44.290 --> 00:49:48.430 wird zu einem Zweck an sich. Ich glaube, diese Videos zeigen so ein bisschen, 00:49:48.430 --> 00:49:51.540 worauf man da hinaus will. Das ist aber erstmal nur ein Problem von Sinnlosigkeit 00:49:51.540 --> 00:49:55.160 und vielleicht ein bisschen Geld, das man rausgeschmissen hat. Das zweite Problem 00:49:55.160 --> 00:49:58.480 daran ist viel, viel krasser, nämlich dass Dinge entmenschlicht werden, dass wir hier 00:49:58.480 --> 00:50:01.450 massive und unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe haben und die einfach 00:50:01.450 --> 00:50:06.319 in Kauf nehmen und überhaupt nicht mehr darüber nachdenken, was das für eine 00:50:06.319 --> 00:50:08.231 Bedeutung hat. Das heißt, wenn ich jetzt sagen würde: Okay, ich nehme jetzt einfach 00:50:08.231 --> 00:50:11.390 mal allen irgendwie die Handys ab und guck da mal drauf, nur weil man könnte ja dann 00:50:11.390 --> 00:50:14.040 irgendwie noch etwas rausfinden. Aber vielleicht brauche ich das gar nicht, wäre 00:50:14.040 --> 00:50:16.950 das eigentlich eine ziemlich krasse Nummer. Genauso würden wir uns darüber 00:50:16.950 --> 00:50:20.000 aufregen, dass irgendwie die Schufa mit irgendwelchen komischen Algorithmen 00:50:20.000 --> 00:50:23.491 irgendwelche Entscheidungen darüber trifft, ob man einen Handyvertrag bekommt 00:50:23.491 --> 00:50:29.470 oder nicht. Wenn das Gleiche für Menschen gilt, deren Asylantrag davon abhält, ist 00:50:29.470 --> 00:50:33.710 nochmal eine ganz andere Nummer. Und ein anderes Problem ist auch noch, Geflüchtete 00:50:33.710 --> 00:50:37.599 werden mit Straftätern gleichgesetzt, implizit. Das heißt, wir wenden Maßnahmen 00:50:37.599 --> 00:50:41.810 an, die sonst wirklich nur passieren, wenn es eben um Verbrechen geht bei Menschen, 00:50:41.810 --> 00:50:46.700 denen nichts vorgeworfen wird erstmal, bei denen kein Anfangsverdacht ist. Und 00:50:46.700 --> 00:50:51.090 zuletzt, wenn die Technologie erstmal da ist, wird sie zum einen auch anderweitig 00:50:51.090 --> 00:50:54.530 genutzt und zum anderen auch ausgeweitet. Das heißt, haben wir in den anderen 00:50:54.530 --> 00:50:58.010 Ländern gesehen, dass plötzlich die Einsatzzwecke ausgeweitet werden, dass man 00:50:58.010 --> 00:51:00.650 das dann nicht nur für Identität und Herkunft benutzt, sondern auch, um eben 00:51:00.650 --> 00:51:05.170 mal zu gucken, ob jemand vielleicht ein Sicherheitsrisiko sein könnte oder welchen 00:51:05.170 --> 00:51:08.290 Fluchtweg jemand genommen hat, man ihn nicht vielleicht dann doch 00:51:08.290 --> 00:51:11.520 nach Dublin und abschieben könnte und eben auch auf andere Bevölkerungsgruppen. 00:51:11.520 --> 00:51:16.010 Lea: Wir haben irgendwie den Fall, dass Geflüchtete sich als Versuchskaninchen 00:51:16.010 --> 00:51:19.390 einfach eignen, um hier Überwachungstechnologien auszutesten, 00:51:19.390 --> 00:51:20.910 und dann mal schauen, was wir noch damit machen. 00:51:20.910 --> 00:51:24.320 Anna: Genau. So, aber jetzt sind wir wirklich mal fertig. 00:51:24.320 --> 00:51:28.240 Wir haben noch fünf Minuten. Und ihr könnt uns jederzeit 00:51:28.240 --> 00:51:31.930 gerne kontaktieren. Danke schön. Applaus aus dem Publikum 00:51:31.930 --> 00:51:37.230 Herald: Vielen lieben Dank, Anna und Lea, für diesen augenöffnenden Vortrag! Wir 00:51:37.230 --> 00:51:41.440 haben noch ganz, ganz kurz Zeit für einige wenige Fragen. Wir haben hier sechs 00:51:41.440 --> 00:51:46.349 Saalmikrofone verteilt. Haben wir Fragen von unserem Signal Angel aus dem Internet? 00:51:46.349 --> 00:51:53.210 Den Signal Angel bitte. Signal Angel: Genau, die erste Frage ist 00:51:53.210 --> 00:51:57.310 auf Hotspots bezogen, und zwar ist da die Frage: Gibt es Hotspots in Unterkünften 00:51:57.310 --> 00:52:01.660 oder Apps, die von den Behörden angeboten werden und dementsprechend daran 00:52:01.660 --> 00:52:05.680 angeschlossen, gibt es irgendwas, was die geflüchteten Menschen beachten sollten, um 00:52:05.680 --> 00:52:07.660 dem Ganzen vielleicht aus dem Weg zu gehen? 00:52:07.660 --> 00:52:12.257 Anna: Die Frage kommt aus dem Internet, nee? 00:52:12.740 --> 00:52:15.690 Lea: Das kenne ich so ein bisschen aus den USA. Da gab es glaube ich dieses Thema in 00:52:15.690 --> 00:52:19.040 New York. Ich weiß nicht, ob ich sowas in Deutschland gibt. 00:52:19.040 --> 00:52:24.060 Anna: Ich wüsste es irgendwie auch nicht. Ich weiß nur, dass es irgendwie teilweise 00:52:24.060 --> 00:52:27.500 Informationen über Schlüsselkarten in Unterkünften an Behörden weitergeleitet 00:52:27.500 --> 00:52:31.760 werden, um zu gucken, ob die Person sich da aufhält, wo sie sich aufhalten soll. 00:52:31.760 --> 00:52:34.080 Aber von Hotspots weiß ich tatsächlich nichts. 00:52:34.080 --> 00:52:42.859 Herald: Mikrofon Nummer 4, bitte! Frage an Mikrofon 4: Inwieweit ist dieses 00:52:42.859 --> 00:52:49.720 ganze Verfahren entsprechend durch die DSGVO zum Beispiel abgebildet? Es gibt ja 00:52:49.720 --> 00:52:56.410 so verschiedene Pflichten, die auch die Behörden in ihrer Dokumentation haben. 00:52:56.410 --> 00:53:01.200 Also welche Daten entsprechend dann von den Geflüchteten Gespeichert werden, das 00:53:01.200 --> 00:53:05.580 müssen die ja eigentlich auch alles mit angeben. Und wie verhält sich das dann 00:53:05.580 --> 00:53:12.660 auch beispielsweise im Rahmen, dann mit dem Rückgriff auf andere Unternehmen, die 00:53:12.660 --> 00:53:18.609 dann auf irgendwelche Dinge in der Cloud Dinge tun? Das muss ja dann eigentlich 00:53:18.609 --> 00:53:23.940 auch alles aufgezeichnet werden. Anna: Okay, ich habe ja eben gesagt, wir 00:53:23.940 --> 00:53:26.380 haben versucht, so eine Datenschutzfolgeabschätzung mal zu 00:53:26.380 --> 00:53:30.140 bekommen. Das ist ja genau das, was mit der Datenschutzgrundverordnung eingeführt 00:53:30.140 --> 00:53:35.410 wurde, diese Pflicht zu sagen, was wir da verarbeitet und wie schätze ich eben ein, 00:53:35.410 --> 00:53:39.540 ob dieser Eingriff gerechtfertigt und rechtmäßig ist. Und da wir das nicht 00:53:39.540 --> 00:53:43.920 bekommen und das, wenn dann klagen müssen, weil sie uns das nicht geben, wissen wir 00:53:43.920 --> 00:53:47.360 dazu gerade einfach nicht viel. Lea: Hinzu kommt, also vieles dessen, was 00:53:47.360 --> 00:53:50.880 ich jetzt gesagt habe, auf verfassungsrechtlicher Ebene findet sich 00:53:50.880 --> 00:53:55.690 auch wieder auf DSGVO-Ebene. Also, auch da gibt es eine Art 00:53:55.690 --> 00:53:58.960 Verhältnismäßigkeitsprüfung. Und eigentlich gilt insofern also ähnliches. 00:53:58.960 --> 00:54:04.660 Meiner Meinung nach würde das auch gegen die DSGVO verstoßen. Und die DSGVO ist 00:54:04.660 --> 00:54:08.680 auch anwendbar. Die ist nicht anwendbar, wenn zur Gefahrenabwehr oder 00:54:08.680 --> 00:54:13.630 Strafverfolgung nämlich tätig wird. Das ist ja hier vielleicht so ein Fall, wo das 00:54:13.630 --> 00:54:17.130 zukünftig noch anders sein könnte, aber in diesem Fall vom Gesetzgeber ist sie 00:54:17.130 --> 00:54:22.230 jedenfalls ganz klar eigentlich anwendbar. Herald: Wir haben noch ganz knapp Zeit für 00:54:22.230 --> 00:54:24.660 eine Frage von unserem Signal Angel aus dem Internet. 00:54:24.660 --> 00:54:28.330 Signal Angel: Genau, da ist die Frage, wie weit oder ob wir beschreiben können, wie 00:54:28.330 --> 00:54:31.850 weit diese Mitwirkungspflicht der geflüchteten Menschen reichen. Also, ob 00:54:31.850 --> 00:54:36.560 das immer dazu ist, Handys offen zu legen, zu entsperren, ähnliches oder mehr? 00:54:36.560 --> 00:54:40.260 Anna: Kannst du den letzten Teil der Frage nochmal wiederholen? Den 00:54:40.260 --> 00:54:41.760 habe ich nicht verstanden. Signal Angel: Die Frage ist, ob ihr 00:54:41.760 --> 00:54:45.329 beschreiben könnt, wie weit die Mitwirkungspflichten der geflüchteten 00:54:45.329 --> 00:54:49.010 Menschen reichen, was da alles dazugehört. Lea: Also die müssen also auch zum 00:54:49.010 --> 00:54:52.570 Beispiel relevante Dokumente offenlegen, wenn es um die Frage geht, die Herkunft zu 00:54:52.570 --> 00:54:55.819 klären, also ob es irgendwelche Geburtsurkunden oder ähnliches gibt. 00:54:55.819 --> 00:54:59.780 Anna: Man muss eben schauen, im Zweifelsfall Papiere zu beschaffen, wenn 00:54:59.780 --> 00:55:04.000 es dir zumutbar ist. Das heißt, im Endeffekt musst du an deinem Asylverfahren 00:55:04.000 --> 00:55:07.540 mitwirken und die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen, und 00:55:07.540 --> 00:55:10.270 die werden dann eben aufgelistet und dokumentiert, um was 00:55:10.270 --> 00:55:15.520 es sich da genau handelt. Herald: So, wir sind jetzt leider mit der 00:55:15.520 --> 00:55:19.630 Zeit zu Ende. Vielen, vielen lieben Dank an Lea Beckmann und Anna Biselli. 00:55:19.630 --> 00:55:22.250 Applaus 00:55:22.250 --> 00:55:25.915 36c3 Abspannmusik 00:55:25.915 --> 00:55:51.000 Untertitel erstellt von c3subtitles.de im Jahr 20??. Mach mit und hilf uns!