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34C3 Vorspannmusik
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Herald-Engel: In Zeiten des Krieges ist
Kommunikation ein wichtiges Gut und diese
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aufrechtzuerhalten ist auch mit dann die
bürgerliche Pflicht. Und wie das dann so
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passiert oder passiert ist in der
Vergangenheit, jetzt konkret im
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Jugoslawienkrieg in den 90ern, darüber
werden euch unsere nächsten Vortragenden
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ausführlich berichten. Bitte ein schön
runder Applaus für Wam, Rena und Padeluun.
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Applaus
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Wam: Ja, ich muss erstmal deutlich machen,
dass ich nicht Deutscher bin.
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Ich tue mein Bestes, um meine Rudi-
Carrell-Akzent zu behalten. Publikum lacht
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Dann wird's alles
ein bisschen weniger ernsthaft.
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Dazu bin ich auch ein
bisschen erschrocken,
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wenn ich heute Mittag in diese Raum kam,
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weil ich hatte irgendwie so vorgestellt
so einen Klassenraum mit 20 Leuten,
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womit ich so ein bisschen
über früher reden kann,
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und sehe hier in einmal so'n
Riesenraum.
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Ja, ich bin Wam, Niederländer,
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gerade mal 61 geworden.
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Hoffentlich sieht man das nicht soviel?!
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Padeluun: Nein! Nein! Nein! Nein. –
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W: … und irgendwie Mitte Siebzigerjahren
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war ich so wie viele von meine Jahrgang
oder von meiner Zeit so ein richtiger
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Anti-Computer-Freak. Computers waren das,
was die Welt regiert und was alles
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kontrolliert und so, und ich war völlig
dagegen. Und meine Onkel, Niederländer,
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war Verteidigungsminister und fand, dass
ich im Militär in Kriegsdienst müsste.
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Ich hatte da völlig
andere Gedanken darüber,
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und hab' ihm dann gesagt,
das tue ich nicht.
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Und er konnte nicht anders reagieren,
dann mir zwei Jahren im Knast abzustellen.
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Und in die zwei Jahren habe
ich ganz viel über Computers gelesen und
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mir dann einmal gedacht: Hey, das ist ein
interessantes Topic.
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Und ich hab' meine Doktorstudium
in Soziologie dann auch geschrieben in 79
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über das Thema: Stell dich vor,
Computers werden klein.
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Publikum lacht und applaudiert
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Geschrieben auf einem VAX,
so ein großes Supercomputer
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von der Universität von Amsterdam,
die ein kleine Atomzentrale nötig hatte,
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um überhaupt irgendwie was
auf den Bildschirm zu kriegen.
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Um lange Geschichte kurz zu machen,
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wir hatten diese Art von Geräten
– meine Prof und ich –
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diese Art von Geräten irgendwo
erwartet in 2070, 2080, um die Dreh.
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Jetzt muss man sich mal vorstellen,
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es gab ein Zeit, da gab es die nicht.
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Es gab kein Handys.
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Es gab auch keine Laptops
in die 80er Jahren.
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Und in die 80er Jahren war ich aktiv
in ein Organisation,
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die heißt European Youth Forest Action
oder auch,
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Europäische Jugend Waldaktion,
ein von die erste Umweltnetzwerke,
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die in Ost- und Westeuropa
gleichzeitig aktiv war.
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Und wir haben ziemlich schnell bemerkt,
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es ist ziemlich schwer,
miteinander zu kommunizieren mit Telefon,
-
weil wenn man nach Russland angerufen hat
oder nach Prag oder Dings, dann ––,
-
das dauerte Stunden.
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Wir hatten auf unsere Büro in Niederlande
eine spezielle Person,
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die die ganze Nacht nichts anderes
getan hat, dann Russland anrufen
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in die Hoffnung, dass wir mal durchkamen.
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P: Mit'm Bleistift als Telefonierhilfe,
-
damit man sich die
Fingernägel nicht kaputtwählte.
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W: Eine Repeat-Taste gab es auch nicht.
Man war eigentlich oder so… oder so …
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P: Sprechen wir das Wort aus:
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W-Ä-H-L-S-C-H-E-I-B-E.
W: Ja.
-
P: Kennt Ihr noch Wählscheiben?
-
W: Die gab's. Die gab's.
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Irgendwie habe ich in die Studium gelernt
so was von Datenkommunikation.
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Man konnte von eine
Computer über die andere Computer
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miteinander kommunizieren, wenn man die
richtige Name von die Computer wusste
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und die Gebrauche und richtige Kommandos
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und diese verdammte Editor mit x-i save
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und alle die Sachen auswendig lernte,
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dann konnte man irgendwie
mit Computers kommunizieren.
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Aber es gab da in die Mitte 80er Jahren
eine Erfindung, die heißt die Faxmaschine.
-
Kennt ihr das noch, Faxmaschine?
unverständlich
-
P: Ja, das'n Gerät, das behauptet,
kein Computer zu sein und nicht
-
mit anderen Computern
zu kommunizieren.
-
P: Deswegen haben die Leute
weniger Angst davor gehabt.
-
W: Kurz für die Leute,
-
die alles technisch haben wollen:
-
Es ist ein Scanner, ein Printer
und ein Modem miteinander verbunden.
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So, man scannt ein Papier
-
und kommt dann die andere Seite
aus die Printer raus.
-
Und damit konnte man kommunizieren.
Und das konnte man ziemlich
-
schnell Menschen deutlich machen,
wie das funktionierte und irgendwie
-
habe ich ein großes japanisches Betrieb
in Niederlande so weit gekriegt,
-
dass er mir 26 Telefaxmaschinen
geschickt hat.
-
Der hat nicht gefragt,
ob ich Geld dafür hatte.
-
Ich meine, ich hab’ sie einfach bestellt
und gedacht, wir werden sehen,
-
was passiert, wenn die kommen.
Publikum lacht
-
Das Schlimmste, was passieren kann, ist,
dass die mir in Knast stecken
-
und zwei Jahren Knasterfahrung
hatt' ich schon
-
und ich hab’ mein Doktor da gemacht,
so gedacht… pfff... Publikum lacht
-
Ist übrigens ein von die beste Platze,
-
wo man studieren kann, im Knast.
Publikum lacht
-
Man wird absolut nicht abgelenkt.
-
Rena: Viel Zeit.
-
Applaus
-
W: Sicher, wenn man weiß,
warum man im Knast ist.
-
He! Nicht, äh ––
-
P: Ja, also, vielleicht müssen
wir jetzt aber
-
für die Leute, die promovieren, sagen:
-
Eigentlich gilt das nicht,
sondern es gehört dazu,
-
wenn man promoviert, auch
den Rest des Lebens geregelt zu kriegen.
-
Das ist das Eigentliche,
was man dabei lernen muss.
-
So, weil sonst kann man
-
mit dem Rest des Lebens auch nix anfangen,
-
wenn man immer Knast braucht,
um was erledigt zu kriegen.
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Gruß an alle Prokrastinierer.
-
W: Ich hab's klasse organisiert
irgendwie. Ein vegetarisches Restaurant
-
aus Utrecht hat jeden Tag uns Essen
gebracht.
-
Mein Onkel ein bisschen dachte,
das ist nicht gut,
-
wenn meine Neffe da verhungert,
und ich verweigert hab',
-
um das Fleisch von dem Militär zu essen.
-
Jedenfalls, ich habe diese Firma
so weit gekriegt,
-
dass er in meinem Büro 25
Telefaxe abliefert. Und wir haben dann so
-
schnell wie möglich versucht, all diese
Telefaxe in Osteuropa zu kriegen.
-
Das war noch vor 89.
-
Und wir haben dann das Gefühl
gehabt, solange die in Osteuropa seien,
-
kommen die nicht wieder zurück.
Publikum lacht
-
Und Abholen können sie auch vergessen.
Publikum lacht
-
Und das ging eigentlich. In einem Jahr
haben wir es geschafft,
-
um 26 Telefaxmaschines in Osteuropa
hinzustellen zwischen 87 und 88.
-
Und Lustige ist, dass die in der Tat alle
-
auf solche Plätze gekommen sein,
die später in 89 nochmal
-
wichtige Rolle gespielt haben
in lokale Revolution.
-
Und paar von diese Faxmaschines waren
in Beograd und in Zagreb gelandet.
-
Bei ein Gruppe, die heißt, äh, ... damals…
ähm… Zeleni … äh…ähm,
-
Grüner Kreis.
-
Komm’ kurz nicht auf die
kroatische Namen…
-
Ähm...
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Zeleni Krug!
-
Und da fing Anfang 80er/90er Jahren,
fing da an Spannung zu kommen.
-
Es war nicht so ganz alle
dieselbe Meinung mehr,
-
dass Jugoslawien gut war, und da waren...
-
...ich sag mal, Krieg war in die Luft.
-
Und ein von die Sachen, die ich irgendwie
mal unterwegs gelernt war,
-
war Non-Conflict-, äh, of– Non-Violent
Conflict Resolution,
-
Gewaltfreie Konfliktlösung.
-
Und die hatten in Zagreb
und Beograd gedacht:
-
Ah, das ist praktisch,
wir holen ihn mal hierhin
-
und so bin ich Anfang 90er Jahren
in Zagreb gelandet, eigentlich nur für
-
drei Monaten. Das war das Idee. Ich sollte
drei Monaten lang die Polizei und Leuten
-
in Krankenhäuser lernen, dass man
miteinander kommunizieren muss, statt dass
-
man einander die Gehirne einschlagt.
-
zögerlicher Applaus
-
– und da saß ich dann irgendwie in einem
Krankenhaus in Osijek, und die erste
-
Granate kommt von oben rein und du denkst:
Wam, irgendwie hat’s nicht geklappt mit
-
das Lernen. Ich will nicht sagen, ist mein
Schuld, dass die Krieg ausgebrochen ist,
-
aber ich hab’ nicht mein Bestes getan, um
ihn zu stoppen. Irgendwie war das schon
-
da, vor dass ich irgendwie begriffen hab’,
was los war. Und das erste, was die
-
Idioten tun in Jugoslawien – oder Idioten?
– die verschiedenen Regierungen, die da
-
aktiv waren – das erste, was die tun, ist
die Telefonleitungen kappen. Man konnte
-
von Zagreb nicht mehr nach Beograd
anrufen. Von Sarajevo konnte man mit Mühe
-
nach Zagreb anrufen, aber nicht mehr nach
Beograd. Und so waren all die Länder
-
eigentlich voneinander isoliert. Und das
Lustige war, es gab in die Zeit schon ein
-
Netzwerk, das heißt ARPANET. Und das war
von die Universitäte. Und da waren alle
-
Universitäten auf die ganze Welt so mehr
oder weniger angeschlossen. Und das
-
Arpanet, das hatten die auch verbrochen.
Man konnte eigentlich nur mit Umwegen –
-
das ist das Vorteil von dieser Art Netz.
Man kann Dinge brechen, aber die Berichten
-
finden doch ihr Weg. Das war nämlich das
ganze Idee: Wenn die Hälfte von dieses
-
System von den Atombomben vernichtet wird,
dann werden die Berichten trotzdem vom
-
Versender nach Empfänger kommen. So, das
funktionierte. Aber die meisten Leute, die
-
aktiv waren in Friedensbewegung, in
Frauenbewegung, in humanitäre
-
Organisationen und so, die hatten noch nie
von Computers gehört. Nein, das war
-
einfach nicht ein Ding, wo man Anfang 90er
Jahren als normaler Aktivist sich mit
-
beschäftigt hat. Es hat sogar bei die
Grünen nochmal ein richtiger Eklat
-
gegeben, wenn eine von die Grünen so ein
Ding mitgenommen hat in
-
Fraktionssitzungen. Man hatte noch immer
das Gefühl, es ist etwas, wo man mit
-
aufpassen muss. Sie kontrollieren uns. Und
ziemlich schnell in Zagreb hatten wir
-
rausgefunden, es gibt ein Weg, wie wir
kommunizieren können mit Beograd. Wir
-
schicken ein Fax nach England und in
England saß das Hauptbüro von APC. Das war
-
Association for Progressive Communication,
so ungefähr das erste alternative
-
Netzwerk, was weltweit entstanden war. Und
die waren bereit, diese Fax mit ihre
-
Maschine nach Beograd zu schicken und vice
versa. So, wenn man schnell war, dann
-
kostet das ein paar Stunde und wenn man
Glück hat, kriegte man in einem Tag
-
Antwort, was in die Zeit richtig schnell
war. Die andere Weg war nämlich, die Bus
-
zu nehmen von Zagreb nach Budapest, und
dann von Budapest die Bus zu nehmen nach
-
Beograd und da warst du ein Tag unterwegs.
Und es gab noch ein anderes System. Es gab
-
die X.25-Netzwerke, die man erreichen
konnte, wenn man es wusste, wie man es
-
macht. Und ich kam in Jugoslawien an mit
den 300-bps-Modem. Weiß jemand, was 300
-
bps ist? Zuruf unverständlich Ungefähr,
ja.
-
P: Tatsächlich war es ein 300-Baud-Modem
sogar.
-
W: Was?! Man kann schneller lesen denn
senden…, aber damit konnte man auf die
-
X.25-Netzwerken kommen, und man konnte
dann auch Berichte verschicken.
-
P: Langsam. Ganz – Man konnte mitlesen,
wenn die Daten reinkamen. Das war cool.
-
W: Ja, man konnte sie auch sehen. Jeden
Bit konnte man sehen, wie er rausgegangen
-
ist.
P: Ach, das wurde gleich als ASCII
-
umgesetzt.
W: Man konnte mithören. Ich weiß nicht.
-
Gibt es Menschen, die die Geräusche noch
kennen?
-
Versuche im Raum das Geräusch
nachzuahmen
-
Ich hab's mal geschafft, das Ding auf
9.600 ein-to-whistlen. Mit mein Geräusch
-
konnte ich tatsächlich mit
Telefaxmaschines an die andere Seite
-
kommunizieren. Ich meine, wenn man 25
Telefaxmaschines auf 26 verschiedene
-
Telefonsystemen in Osteuropa installiert
hat, dann lernt man ein bisschen, wie das
-
funktioniert.
P: Angeblich geht ja Sex bei Hackern so:
-
Sie pfeifen sich gegenseitig Töne ins Ohr,
bis sie connecten.
-
W: Ungefähr. lacht Tun wir auch. Tun wir
auch. Und wir haben dann irgendwann
-
nachgedacht, es funktioniert nicht. Wir
kommen nicht in Kontakt mit unsere
-
Freundinnen in Beograd. Und da gab es auf
diese Computernetzwerke, da gab es
-
Newsgroups. Da konnte man sich Abo drauf
nehmen. Und eine von diesen Newsgroup war
-
social.cultural.yugoslavia. Und die
social.cultural.yugoslavia war alle Leute
-
von die ganze Welt hatten da Zugang
darauf. Hauptsächlich waren es Leute, die
-
irgendwie mal ein Vorvater gehabt haben,
die in Jugoslawien geboren waren. Und da
-
habe ich etwas miterlebt, was ich bis
dahin von das Netz – es heißt damals noch
-
kein Internet – nicht kannte, nämlich
Krieg, komplette, ausgewachsene Krieg auf
-
das Netz. Wenn die eine das eine
geschrieben hat, dann hat die andere
-
geschrieben: Das stimmt nicht. Und wenn
man jetzt über Fake News oder solche Dinge
-
hat, so Fake wie die News war, das schafft
sogar Trump nicht mehr.
-
Publikum lacht
Das war echt… so, es war ziemlich
-
deutlich, irgendwie, wenn man Kroaten und
Serben sicher, wenn die ins Ausland sein,
-
wenn die irgendwie, … wenn wir versuchen
zu kommunizieren mit denen, dann brauchen
-
wir ein schnellerer Weg, um zu
kommunizieren, weil nicht jeden hat eine
-
Modem mit 300 bps dabei, und nicht jeden
wusste, wie ein X.25-Netzwerk
-
funktionierte oder kennten diese Codes
auswendig. Und ein Amerikaner, Eric
-
Bachmann, die in Bielefeld –– Bielefeld
existiert. Publikum lacht Nur so
-
nebenbei. Das habe ich damals gelernt. Es
existiert. Man wusste damals auch noch
-
nicht, dass es nicht existierte.
Publikum lacht
-
Jedenfalls der war in Minden auf
dem Friedenszentrum, und die hat gehört,
-
es gibt Netzwerke, die direkt an die
Telefon verbunden seien und wo man sich
-
gegenseitig anrufen kann und dann Daten
austauschen. Und dieses Netzwerk, das
-
heißt in Deutschland Zerberus-System. Man
hat auch Fido, man hat verschiedene
-
Systeme, aber Zerberus war echt richtig
ein ausgedachtes und funktionierendes
-
System. Und das Schöne von Zerberus war,
es gab vor die Gebrauche auch ein
-
Programm, womit er zu Hause das System
anrufen konnte und seine Daten abholen und
-
dann auf seine Homecomputer das dann
beantworten. Das war ein echt …
-
R: Eric war bei uns in der Nähe von
Bielefeld und war im Umweltzentrum tätig
-
auch. Und Eric fand dann raus, dass es
sowas wie Mailboxen und
-
Mailboxkommunikation gab, und hat uns dann
angefangen, ein Loch in den Bauch zu
-
fragen. Denn Padeluun und ich mit dem
FoeBuD e.V. damals noch haben eine Mailbox
-
betrieben namens BIONIC. Und Eric wollte
alles wissen, alles, alles, alles. Und
-
Eric hat sich darum gekümmert, Rechner
aufzutreiben. Eric hat sich darum
-
gekümmert, Leute dafür zu gewinnen und das
Geld aufzutreiben. Denn Ihr müsst Euch
-
vorstellen, dass Telefonate ins Ausland
damals unglaublich teuer waren. Damals
-
waren auch noch––, gab es einen großen
Unterschied zwischen Ortsgesprächen und
-
Gesprächen halt im ganzen Land. Es gab
einen Acht-Minuten-Takt, und es war
-
wirklich verdammt teuer.
P: Und Ausland natürlich einen Takt
-
schneller. Der Acht-Minuten-Takt war im
Ortsnetz.
-
R: Ja. Und im Ausland war es..., zum
Ausland zu telefonieren war wirklich
-
schweineteuer. Und der Umweg, die
Umwegmöglichkeit, die wir gefunden hatten,
-
war dann eben, statt Fax nach London und
wieder zurück von Belgrad nach Zagreb oder
-
so zu schicken, war dann eben das
automatisch zu machen mit einer Mailbox,
-
aber eben auch über einen Umweg, weil die
direkten Telefonate waren ja nicht
-
möglich. Und so wurde Bielefeld, stand in
Bielefeld dann der zentrale Server für das
-
ZaMir Transnational Network, was dann
eingerichtet wurde. Und wir telefonierten
-
aus Bielefeld halt nach Zagreb, nach
Belgrad, nach Ljubljana, nach Sarajevo,
-
nach Tuzla, –
P: Pristina.
-
R: .. und in den Kosovo…
P: Mostar.
-
R: Nein. Mostar kam später.
P: Kam später, ja…
-
W: Aber wo ich war, war das alles noch
Zukunftsmusik, (R: Ja.) weil wenn ich die
-
erste Mal Eric in Zagreb getroffen hat,
hat er gesagt, es gibt in Deutschland ein
-
Gruppe, die heißt BIONIC und die haben ein
System, und das wird vielleicht
-
funktionieren.
P: Eric hat erst später gemerkt, dass
-
FoeBuD die BIONIC betreibt, aber… nur mal,
um den Namen, den alten, ausgesprochen zu
-
haben.
W: Was?
-
R: Aber weil der so schwer zu merken ist,
haben wir uns auch umbenannt in
-
Digitalcourage.
P: Ja, also BIONIC war die Mailbox, Kat.
-
FoeBuD war die Organisation, die jetzt
Digitalcourage heißt.
-
W: Okay, das haben wir dann auch alle
wieder auf die Reihe. Und Eric kommt in
-
Zagreb an und erzählte mir, dass es gibt
diesen Leuten in äh… in äh ... ähm ...
-
P: Bielefeld.
W: Bielefeld.
-
Publikum lacht
W: Ich kenne Bielefeld eigentlich nur
-
wegen die Blitzer, die da steht auf die
A2…
-
Publikum lacht
P: (dazwischen) Von irgendwas müssen wir
-
leben..
W: Ich fahr’ kein Auto, aber diejenige, wo
-
ich mitfahr’, hat da immer Problem –– und
er erzählt mir das, und wir hatten
-
mittlerweile in Zagreb eine Organisation
gegründet, die heißt die Anti-Ratna-
-
Kampagne, die Anti-Kriegs-Kampagne. Das
war ein Zusammenschluss von verschiedenen
-
Frauenorganisationen und
Umweltorganisationen und ein Ausländer:
-
ich. Mittlerweile konnte ich auch das
Lokalsprachen ein bisschen verstehen. Und
-
wir hatten es auch geschafft, um einige
Computers gespendet zu kriegen. Und die
-
Leuten im Westen oder in Nordeuropa, die
haben gedacht, Wam, komm’, wir schicken
-
dem was gutes. Wir schicken dem Apples.
Das war die größte Fehler, die die machen
-
konnte, weil wenn du mal ein Apple gesehen
hat, die kriegt man nicht offen. Man muss
-
ein echter speziale Schraubendreher dafür
haben, um das verdammte Ding offen zu
-
kriegen. So, ein Problem mit dem Apple in
Sarajevo bedeutet Ding wegschmeißen. Es
-
hat einfach keinen Platz gehabt, um die zu
reparieren. Man konnte auch kein Modems
-
drauf anschließen. Kurzum, ein völlig
nutzloses Ding. Aber ich hatte noch ein
-
alte AT mitgenommen. Weißt, was ein AT
ist, häh?! – ein 386er. Okay.
-
P: Hatte der eine Festplatte?
W: Die hatte bis dahin große Festplatte,
-
die ich damals gekauft hat. Ja, 40
Megabyte.
-
P: Megabyte. Er hat Megabyte gesagt.
W: Meine erste Festplatte war 20 Megabyte
-
und die Typ hat gesagt, Du brauchst nie im
Leben eine neue zu kaufen.
-
Publikum lacht
Das war 1982, aber wir sind jetzt fast
-
zehn Jahren weiter… und das Zerberus-
Netzwerk funktionierte auf meine AT. Das
-
ging. Es war eh alles DOS, weißt?!
Wahrscheinlich funktioniert er nicht auf
-
Windows oder auf irgendein… es war alles
DOS. Und das wurde die erste Node vom
-
unseres Netzwerk und das Idee war
natürlich schnell: Wie nennen wir so ein
-
Ding? Wie nennen wir so Netzwerk? Und man
hatte damals die maximale Buchstaben, die
-
man geben konnte, waren acht Buchstaben.
Größere Buchstaben passten nicht. Da
-
konnte man die File nicht mehr benennen.
Und ziemlich schnell war das natürlich „za
-
mir“, bedeutend „für Frieden“. Das war
ganz deutlich. ZaMir wird es, und wir
-
mussten einfach die verschiedenen
Netzwerke die verschiedene Hubs, die wir
-
aufbauen, die Namen von die Stadt geben.
So, meine wurde dann ZaMir-ZG. ZaMir
-
Zagreb. Und die stand dann neben meinem
Bett mit diesen 300-bps-Modem dran, die
-
ich da offiziell anschließen darfte, was
in Deutschland verboten war. Und in
-
Deutschland musste man so ein ...
R: Wir habens trotzdem gemacht.
-
man so ein, so *piept und zeigt die Geste
für das Auflegen eines Telefonhörers auf
-
einen Akustikkoppler* — und damit fing es
an. Wir konnten Berichte austauschen. Und
-
Eric ist dann nach Beograd gegangen, hat
da bei dem Friedenszentrum in Beograd auch
-
jemand gefunden, die gesagt hat: Ja, ich
kann ihn bedienen und wir haben auch ein
-
Telefonlinie. Das war übrigens die größere
Problem, Telefonlinie zu kriegen, weil...
-
ich weiß nicht, gibt es hier Leuten, in
die DDR geboren sein?
-
Raunen im Publikum
-
Naja, also, Telefonsystemen in
Jugoslawien war noch schlimmer. lacht
-
Das heißt, durchschnittlich hatte jeden
zwei Telefon nur drei Kabels. Wenn du zwei
-
Nummers auf drei Kabels, wenn die eine am
Telefonieren war, konnten die anderen
-
nicht telefonieren. Und man wusste nicht,
welche das andere Nummer war. Und man
-
wusste nicht, wo die wohnte. Und wenn wir
ein Modem drangehängt haben, war die
-
Telefon natürlich immer besetzt. lacht
Das bedeutete, wenn die uns ärgern
-
wollten, hatten die einfach die Horn da
abgenommen, und wir konnten zwei Tage lang
-
nichts mehr tun, weil wir konnten
auch nicht rausfinden, wo diese andere
-
Person wohnte, so dass…
R: Eine neue Telefonleitung
-
einzurichten, kostete nicht hundert Mark,
wie es bei uns in Westdeutschland war,
-
sondern es kostete über tausend.
W: Ja, und Zeit.
-
P: Es dauerte zwei Jahre, bis es …
W: … und Zeit. Es war eigentlich
-
hauptsächlich Zeit. Und so haben wir in
Zagreb eigentlich hauptsächlich Häuser
-
gemietet von wegen Telefonlinie. lacht
Wenn wir Haus versucht zu finden, dann war
-
die erste Fragen: Gibt es Telefon? Nein.
Mieten wir es nicht. Das war ganz wichtig.
-
So hatten wir auch in bestimmte Moment
sogar drei Telefonlinien zusammen. Das war
-
alles später. Das erste, womit
konfrontiert wurde,... Ich hab’ gesagt, es
-
gab diese Gruppe, diese News-Gruppe, die
heißen social.cultural.yugoslavia, und ich
-
hab’ mal ein Jahr in Beograd gewohnt, in
1980, und da kannte ich noch viele
-
Menschen. Und die erzählten mir über das
Internet, hier Arpanet, dass die orthodoxe
-
Kirche in Zagreb gesprengt war. Da war
unser Büro ungefähr 50 Meter von die
-
orthodoxe Kirche, und ich konnte jeden Tag
diese Kirche sehen. Und da war nichts
-
gesprengt. So schwer es ist, um zu
beweisen, dass Bielefeld existiert,
-
Publikum lacht ist es zu beweisen über
das Internet, dass ein Kirche, wovon die
-
andere Seite davon ausgeht, dass er
gesprengt ist, zu beweisen, dass er nicht
-
gesprengt ist.
P: Und man muss wissen, Wikipedia war auch
-
noch nicht so weit, dass man da hätte
nachgucken können, was jetzt wirklich wahr
-
ist.
W: Man konnte noch keine Bilder
-
verschicken, weißt?!
P: Die haben nicht richtig ordentlich
-
gelacht. Die haben das nicht verstanden.
W: Was? Wie wir das gemacht haben…
-
P: Na, eigentlich habe ich erwartet, wenn
ich sage, dass ... in
-
Wikipedia nachgucken, dass was wahr ist,
-
dass alle hier in brüllendes Gelächter
ausbrechen. Also, es… Entschuldigung. ––
-
äh, meine Witze sind nicht gut oder ihr…
die Vorbildung fehlt. Also, ich nehme an,
-
meine Witze sind nicht gut. lacht
W: … und das meist Idioten, das waren
-
Menschen, die ich kannte und die glaubte
nicht, dass die Kirche noch stand. Und
-
diese Kirche spielte auch ein Art cruciale
Rolle in das Ganze, weil es war die Kirche
-
von die Serbe in Zagreb. Und wenn die
Serben in Beograd sagen: Guck mal, die
-
Kroaten haben unsere Kirche gesprengt,
dann gab das da natürlich eine ganze Menge
-
Leuten, die böse wurden. Guck mal, die
verdammte Kroaten sind alle Faschisten und
-
sprengen unsere Kirche. Ich bin ein Woche
lang beschäftigt gewesen mit Fotos zu
-
machen, zu entwickeln. Elektrische
Telefon, Digitaltelefonie, Digitalkameras
-
gab es auch nicht. So man musste erst ein
Foto nehmen und die dann entwickeln
-
lassen.
P: Das Fälschen war schwieriger von Fotos.
-
Das brauchte… Da musste man noch was
können, um es richtig gut hinzukriegen.
-
W: So hatten wir jemand organisiert, die
mit einem Autobus nach Beograd, von
-
Beograd nach Budapest gefahren ist,
Zeitung unter die Arm und bei uns in
-
Zagreb angekommen ist, und mit diese Typ
habe ich ein Foto vor diese Kirche
-
gemacht. Und diese Foto haben wir zurück
nach Beograd geschickt. Elektronisch ging
-
nicht. Es musste alles richtig analog. Und
das war die erste Moment, dass man merkte,
-
wie unheimlich wichtig es ist, um in
solchen Situationen gegen
-
Mißinformationen, gegen Fake-Informationen
etwas zu tun. Weil aus diese Fake-
-
Informationen holte die Leuten die Grund,
um Krieg zu führen. Ja? Wenn ihr unsere
-
Kirche kaputtmacht, dann machen wir eure
Kirche kaputt. Auch ein dumme Reaktion,
-
aber die Mensch ist nur einmal ein dummes
Tier manchmal.
-
P: Kirche um Kirche, Zahn um Zahn.
W: Was?
-
P: Kirche um Kirche, Zahn um Zahn.
W: Ja, aber das war das einzigste, was
-
unterschiedlich war. Die Sprache war
dieselbe. Weißt, man konnte nur am Glaube
-
vielleicht sehen, ob die verschiedene
Nationalitäten hatten.
-
P: Actually... Die Sprache war schon
dieselbe. Trotzdem wurden in serbischen
-
Kinos kroatische Filme untertitelt.
W: Ja, und anders rum.
-
R: Ja, nach dem Krieg.
W: Und andersrum.
-
P: Und andersrum.
R: Das war der Brüller, dass Leute ins
-
Kino gegangen sind, um zu sehen, wie ihre
eigene Sprache untertitelt wird mit
-
derselben Sprache. Nur dass statt
„Schrippen“ dann „Brötchen“ da steht oder
-
„Semmeln“. Bei solchen Sachen
unterscheidet es sich halt zwischen
-
Serbisch und Kroatisch.
W: Bloß, dass Tuđman, das war die Chef in
-
Kroatien, dass die ein komplett neue
kroatische Sprache entwickelt hat. Weil
-
irgendwie musste die doch angeben, dass
wir ein eigene Volk sind und ein eigene
-
Sprache haben. So, normalerweise würde man
in Jugoslawien sagen „Telefon“. Das
-
verstand jeden. In Kroatisch heißt es
„brži glas“. Das bedeutet dasselbe. Das
-
bedeutet „Schnellsprecher“.
-
R: Fernsprechtischapparat.
W: Ja.
-
P: Mit Gebührenanzeige.
W: Hund. Hund war auch so ein schönes
-
Wort. Hund ist ein Tier mit vier Beine,
die das Haus verteidigt. „Hund“ in
-
Kroatisch heißt „pas“. Die kroatische Name
war ein halbe Stunde. Publikum lacht
-
Diese Situation. Und eigentlich – hab'
schon an Anfang gesagt – ich sollte nur
-
drei Monaten gehen, aber ich hab’ – ja,
ein Mensch ist ein Mensch, ich hab' mir
-
ein bisschen verliebt im Land. Und eine
bestimmte Person, die hat mir irgendwie
-
mal nach einem Monat gesagt – (P redet
dazwischen)
-
W: Was?
P: Du hast zu jemand so lange ins Ohr
-
gepfiffen, bis der Carrier connected hat.
W: Ja, ja, wir haben eigentlich direkt die
-
erste Abend schon connected. Das war…
P: (dazwischen) Connect auf den ersten
-
Versuch. Das ist nicht schlecht, ja.
W: Wir haben noch nicht mal gepfiffen.
-
lacht Wir haben noch nicht mal
gepfiffen. Publikum lacht Ich war auch
-
die neue Kid on the block, Ausländer,
Computer dabei, wusste, was für ein Ding
-
ist.
P: (singt) fremder schöner Mann.
-
W: Richtig alles, was man so nötig hat in
die Zeit, um aufzufallen. Ich war auch die
-
einzige Ausländer, die da war, auf diesen
Moment, außerhalb von der UN, die da mit
-
weiße Autos rumgefahren hat, aber die
hatten keinen Kontakt mit die lokale
-
Bevölkerung. Und sie sagt gegen mir auf
einen bestimmten Moment: Weißt du, wenn es
-
echt Krieg wird und da wird hier
geschossen, du kannst immer nach Hause
-
gehen. Und da habe ich irgendwie die
magische Worte gesprochen, dass ich so
-
lange in Jugoslawien bleib’, bis die Krieg
zu Ende war. Das hatte ich in 1990 nicht
-
sagen müssen. Das hat dann fünf Jahren
gedauert die erste Mal und noch mal drei
-
Jahren im Kosovo. Aber ich habe meine
Versprechen gehalten. Ich bin tatsächlich
-
die ganze Zeit da gewesen. Und ein Grund,
dass ich jetzt in Deutschland wohnt, war,
-
dass ich ganz müde war nach fünf Jahren
und hier ausgeruht hab' und eigentlich
-
hängen geblieben bin. Und so war ich in
Jugoslawien, und es war deutlich, ich war
-
diejenige, die ZaMir-Netzwerk gründet,
weil viel Leuten gab es nicht in Zagreb,
-
die es konnt’. In Sarajevo auch nicht. In
Beograd auch nicht. Und Eric konnte auch
-
nicht überall gleichzeitig sein, und ich
hatte ein richtig schlechtes Gefühl, weil
-
ich hatte Kinder. Ein Mädel und zwei Söhne
und irgendwie war Papa weg. Papa war ganz
-
lang weg. Und dann habe ich gedacht, ich
fang’ an, dem jeden Tag zu schreiben, was
-
ich tue. Wenn die mal alt und weise
geworden sein, dann können die das immer
-
nachlesen, was Papa da gemacht hat. Und
das wurde dann jeden Tag die Zagreb Diary.
-
Das war im Grund genommen nur gemeint, um
meine Kinder zu erzählen, was passierte.
-
Aber nach drei Tagen passierte etwas, wo
ich über geschrieben hat, was so viel
-
Einfluss auf die Welt damals gegeben hat,
dass meine Tagesbücher nicht mehr in meine
-
Privatfamilie geblieben sein. Es gab da
ein kleine Grenzplatz zwischen Bosnien und
-
Serbien und Kroatien. Da so das Dreieck.
Und wir hatten in Zagreb ein Faxlinie mit
-
diese Platz, warum, weiß kein Mensch. Aber
die Menschen, die in diese Stadt wohnte,
-
schrieben uns, dass Serben diese Stadt
überfallen waren. Das waren die,... das
-
waren die... wie heißen die? ... die White
Eagles, das waren Tschetniks. Die sind von
-
Tür nach Tür gegangen, und irgendwie ist
die erste Fax angekommen, da waren die
-
noch fünf Häuser weiter und jeden Fax, die
danach kamen, waren die Leuten immer naher
-
dran. Und die Menschen wurde unterwegs,
wurde alle Leuten, die die aus die Häuser
-
geholt haben, wurden auf die Straße
erschossen. Und jemand schreibt das. Wir
-
kriegen das. Und ich setze das via
GreenNet aufs Internet, auf diese
-
social.cultural.yugoslavia. Und die erste
Reaktion kam aus Amerika und von jemand,
-
die sagte: Wam, Du übertreibst, es war
nicht auf CNN. Raunen im Publikum Habe
-
ich ab diesem Moment begriffen, wenn ein
Krieg nicht auf CNN ist, ist es kein
-
Krieg. Dann kann passieren, was passiert,
aber man glaubt es nicht. Drei Tage später
-
hat CNN mein Bericht gelesen und hat dann
gesagt, es stimmt. Und ab diesem Moment
-
war mein Tagesbuch, in einmal wurde
durchgereicht. Immer mehr Menschen hatten
-
das Ding. Ich völlig – ich weiß es nicht,
ich wusste es nicht. Es hat mir einfach
-
fast ein Jahr lang gedauert, vor dass ich
begriffen hat, dass mein Tagesbuch
-
unheimlich große Kreise geschlagen hat.
P: Wobei, vielleicht muss man einmal dazu
-
sagen... Du hast gerade versehentlich das
Wort „war es im Internet“ gesagt. Nee, das
-
war nicht im Internet. Das war in
Mailboxen. Das war vielleicht gerade mal
-
im Usenet, wo es sich ein bisschen
verbreitet hat. Aber es war ja gerade das
-
Spannende dabei, dass das zum ersten Mal
etwas war, wo die Weltbevölkerung
-
mitbekommen hat, es gibt eine Möglichkeit
zu kommunizieren per Textkommunikation und
-
nicht nur über Telefon und teure Leitung,
sondern da können Leute was schreiben und
-
versenden. Sie können es verbreiten. Für
uns war tatsächlich das ZaMir-Netz ein
-
Glücksfall, weil sich Medien endlich mal
für unsere Systeme interessiert haben,
-
weil wir hatten längst Netze aufgebaut,
die Leute benutzen konnten. Also, ich sag'
-
mal, in Deutschland waren vielleicht eine
Million Menschen in Zerberus, CL und
-
ähnlichen Netzen aktiv. Es hat sich kein
Medium dafür interessiert tatsächlich.
-
Aber jetzt gab es einmal dieses großartige
Ding einer Vernetzung, die der Eric
-
Bachmann halt in Saraje.., in Ex-
Jugoslawien aufgebaut hat mit Wam
-
zusammen. Also, allein schon mal diese
ganze UNO-Embargos zu unterlaufen, die
-
Computer zum Teil in UN-
Transportflugzeugen mitzuschmuggeln. Ich
-
glaube, Wam war Angestellter der UN
nominell. Du hast einen Dollar im Jahr
-
verdient.
R: (dazwischen) Das war Eric.
-
P: Bitte?
R: Eric.
-
P: Ach, Eric war das, ja.
W: (dazwischen) Ich bin diejenige, die den
-
offiziellen Vertrag mit der UNO hatte...
P: Du warst das auch. Aber ihr habt da zum
-
Teil Computer da reingeschmuggelt, um auf
einer Low Tech einfach zu arbeiten. Also,
-
es wurde schon gesagt, auf einem 286er.
Das kann man vielleicht vergleichen mit
-
Rechenkapazität von zweimal C64. Ja, damit
hat man gearbeitet, und damit hat man mit
-
einer Telefonleitung, die nicht
gemultiplext war, sondern da ging genau
-
ein Datenstrom drüber von jemand von A
nach B, ja?! Damit hat man kommuniziert.
-
Dann wurde es verbreitet. Dann waren in
manchen Mailboxen, zum Beispiel in
-
unserer, Journalisten drin, die das wieder
empfangen haben als so genannter Point.
-
Also, als jemand, der die Daten einmal
abholt, dann gelesen hat, davon in andere
-
Redaktionen ging, gedruckt wurde. Das war
halt tatsächlich im Grunde, bevor das
-
Internet da war. Wir sprechen hier von 92,
93, 94. Also, wo es so langsam schon
-
anfing, war überhaupt mal ein Gespür in
der Öffentlichkeit da: Hey, mit diesen
-
Netzen kann man was machen. Das sind nicht
nur technische Idioten, die da irgendwie
-
rumspielen und nackte Mädels verticken und
Raubkopien verbreiten, was Mailboxen nicht
-
waren. In unserer war ausschließlich Text
drin, ja, wo es... nein, keine
-
pornographischen Geschichten, sondern:
politische Sachen. Politische Gruppen
-
waren vernetzt und eben über APC,
GreenNet. Sämtliche Antifa-Gruppen haben
-
darüber gearbeitet. Da wurde richtig
ordentliche Arbeit gemacht. Das war ein
-
spannendes Netz, bevor das Internet das
übrigens alles kaputt gemacht hat, das
-
übrigens auch noch dabei. Aber das ist
eine andere Geschichte, die dann an einem
-
anderen Ort erzählt werden wird. Und das
war das spannende, und dein Tagebuch war
-
der Inhalt, den die Leute sich angucken
konnten, weil es war spannend geschrieben.
-
Du warst zwar da nur in Zagreb, hast da in
den Flüchtlingslagern, bist mit dem VW-Bus
-
rum, wo die Leute, die ihre Familien
suchten, dann den Computer benutzen
-
konnten und sich da zusammengeführt haben.
Das war eine ganz geniale Arbeit, die da
-
geschehen ist. Aber dieses Tagebuch, das
darüber zu beschreiben, diese Erlebnisse.
-
Der hat Menschen nicht nur gezeigt, ah,
das ist ein Krieg und das ist furchtbar,
-
aber in dem Krieg wird auch gelebt und
auch gelacht. Es gibt fantastische,
-
lustige Geschichten aus Sarajevo während
des Beschusses. Allein dieser Wettbewerb:
-
Schaffe ich es über die Straße zu kommen,
ohne etwas abzukriegen – das haben die
-
wirklich gespielt dort, ja?! Allein, das
mitzukriegen, das mitzuerleben – das hat
-
den Menschen auch in der ganzen Welt
gezeigt, was eigentlich diese neuen
-
Datennetze sein könnten. Und das war noch
mal ein ganz anderer Aspekt, der mit dem
-
Krieg, und dass wirklich Leute in
Jugoslawien –– Du warst da auf Reisen. Du
-
hast Leute kennengelernt, die, nachdem die
erfahren haben, dass du von der BIONIC-
-
Mailbox kamst, mit Tränen in den Augen dir
gedankt haben, weil du ihre Familien
-
wieder zusammengebracht hast. Also, als
Figur dann quasi....
-
Das ist die eine Geschichte, aber die
andere Geschichte auch: Es hat der Welt
-
geholfen, es hat Google geholfen,
Microsoft geholfen, all das, gegen das
-
wir heute kämpfen, weil wir nämlich unsere
eigenen Strukturen und eigenen Netze nicht
-
mehr in der Hand haben, weil wir heute –
Moment –, weil wir heute, weil wir
-
vergessen haben, wie wichtig es ist,
eigene Strukturen zu haben, mit 286ern zu
-
arbeiten, mit Modems, mit maximal
Telefonleitung, mit Überlegungen, wie man
-
über gespendete Satelliten auch eine
Connection herstellen kann. Wir haben
-
diese Strukturen (R: dezentral zu
arbeiten) aufgegeben. Wir
-
arbeiten nicht mehr dezentral. Wir sind
von einem großen roten Schalter abhängig,
-
der irgendwo bei ICANN gedrückt werden
kann, und dann können wir nicht mehr
-
kommunizieren. So. Das ist nämlich auch
noch eine Geschichte, die da reingehört.
-
Applaus
W: Ihr hört, sie waren beide ziemlich
-
damit beschäftigt. Wusste ich aber nicht.
Ich kannten die auch nur übers Internet.
-
Ich habe sie eigentlich vor 20 Jahren zum
ersten Mal gesehen
-
P: Ich hab' dich beim Vortrag, als du da
in Belzig (W: (dazwischen) ... in
-
Berlin...) warst, hast du ein Vortrag
irgendwo gemacht. Da hab' ich dich zum
-
ersten Mal gesehen, lange nach
Jugoslawien.
-
W: Haben wir schon fünf Jahren
zusammengearbeitet. Und in einmal auf
-
meine Tagebuch habe ich unheimlich viel
E-Mail gekriegt von Adressen, die ich
-
absolut nicht kannte. Eine Adresse ist mir
gleich aufgefallen. Die heißt
-
"whitehouse.gov". Lachen im Publikum Und
die Typ, die da schrieb, die heißte
-
"a.gore". Und ich hab' mir auf diesem
Moment absolut nicht bewusst gehabt, dass
-
das die Vizepräsident von Amerika war. Und
die fragt: Du sitzt da in Kroatien und
-
macht dein ganze Ding, brauchst du was?
Na, hatte ich auch verschiedene Male Leute
-
gehabt, die gefragt haben: Brauchst du
was? Und dann hatte ich auch alle kleine
-
Dinge, so, Diskettes... aber bei
a.gore@whitehouse.gov hatte ich doch das
-
Gefühl, jetzt kann es echt interessant
werden.
-
P: Weltfrieden!
vereinzeltes Lachen im Publikum
-
W: Wenn ich begriffen hab, dass... man kam
mit Leuten in Kontakt, die man
-
normalerweise wahrscheinlich absolut nie
kennengelernt hat. Und ich hab' dann auch,
-
ich hab' dann unheimlich gut begriffen,
ich kann hier alles schreiben, was ich
-
will. Ich kann echt alles schreiben, was
ich will. Viel kaputt machen kann man in
-
einem anderen Krieg sowieso nicht. Ich
meine, es ist schon alles kaputt, weißt?!
-
Wenn man in Sarajevo damals herumgelaufen
hat, die Hälfte von die Gebäude war
-
kaputt, so viel kaputt machen konnten wir
nicht mehr. Und ich hab' dann zum Beispiel
-
solche Dinge geschrieben: Stell Dich vor,
es gibt in diese Welt ganz Chemiewerken
-
und die produzieren jeden Tag einen
unglaublichen Scheiß, und die haben
-
irgendwie ein Konflikt mit ihre Gewissen.
In Sarajevo haben wir ungefähr 40.000
-
Leuten, die brauchen jeden Tag ein
Dialyse. Es gibt kein Dialyse-Flüssigkeit
-
mehr. 700.000 Leute sind eingekesselt.
40.000 davon müssen jeden Tag Dialyse
-
haben und wir haben nichts mehr. Ich kann
mir vorstellen, dass um Deine Gewissen
-
wieder ein bisschen ins Reine zu kriegen,
ein paar von die Betrieben mal einen
-
Vorrat von diese Dialyse-Flüssigkeiten
schicken. Und gleichzeitig habe ich
-
gedacht, Wam, es gibt ganz viele
hauptsächlich amerikanische
-
Hubschrauberpiloten, die in Vietnam auch
Dinge gemacht haben, wovon sie noch immer
-
nicht schlafen können. Hier gibt es eine
Möglichkeit, um nach Bosnien zu kommen,
-
nach Kroatien zu kommen und gute Sachen zu
fliegen. Und wir brauchen nur noch einen
-
Hubschrauber. 20 Minuten noch. Wir
brauchen nur noch einen Hubschrauber. Und
-
solche Dinge denkst du, das wird mir nie,
nie! Naja. Nächste Tag auf Fort Plesmo,
-
das ist die Luftbasis neben Zagreb, drei
große Pharmaindustrien, die Medikamenten
-
geschickt haben, nicht nur Dialyse-
Flüssigkeit. Wir hatten ungefähr 36
-
Hubschrauberpiloten innerhalb von drei
Tagen und zwei Hubschrauber.
-
Applaus
In so einem Moment denkst du, es
-
funktioniert, man kann die Dinge tun. Und
so habe ich geschrieben von: Weißt, das
-
sind unglaublich viele Leute hier im
Flüchtlingslager. Ganz viele Kinder. Die
-
sitzen hier Monate lang in
Flüchtlingslagern und niemand, die was für
-
den tut. Die UN gibt dem Essen, ein Zelt
und medizinische Versorgung, aber die
-
sitze Monaten da und haben nichts zu tun.
Und ich war bei UNICEF vorbeigegangen, hat
-
gefragt: Darf ich mit Kinder im
Flüchtlingslager spielen? Die haben mir
-
angerufen: Natürlich darfst Du mit Kinder
im Flüchtlingslager spielen. Darf ich
-
meine Freunde einladen, um mit Kindern im
Flüchtlingslager zu Spielen? – Oh,
-
natürlich, die kommen nie.
verhaltenes Lachen im Publikum
-
Ja, gerade auf diesem Moment steht an die
Grenze von Slowenia ein Zug in die Sonne,
-
zwei Tagen lang unterwegs nach Deutschland
mit 600 Flüchtlinge drin, die die Zug nie
-
verlassen mussten, äh, konnten und wieder
zurückgeschickt wurde. 8000 Leute sind
-
gekommen. 8000 Leuten waren bereit, ihre
eigene Flug zu bezahlen, da hinzukommen,
-
zu bezahlen vor das Essen im
Flüchtlingslager und mindestens drei
-
Wochen lang in ein Flüchtlingslager zu
wohnen, um mit Kindern zu spielen. Jetzt
-
20 Jahre später wissen wir, dass das auch
irgendwie was ganz gutes war, was wir da
-
gemacht haben, dass wir Kinder in ein
Situation in Kontakt gebracht haben mit
-
Kultur von die ganze Welt, dass wir ganz,
ganz bewusst gesagt haben, wir wollen
-
kein Leuten von ein Land. Wir wollen
gemixte Gruppen in die Flüchtlingscamps.
-
Und meine Tagesbuch und ZaMir-Netzwerk war
immer das wichtigste Teil. Wir waren die
-
erste Leuten in die Welt, die
Flüchtlingslager hatten mit
-
Internetanschluss.
verhaltener Applaus
-
Kannst du dir das vorstellen?
P: Moment.
-
W: Und in diesem Fall sage ich echt
Internetanschluss, weil es war
-
tatsächlich indirekt auf diesen Moment
fing nämlich CERN an. Und CERN suchte
-
irgendwie etwas, was jeden Tag kam...
P: Wam, wir haben uns ja im Vorfeld nicht
-
so richtig doll abgesprochen, und ich fänd
es ganz gut, wenn wir dann doch jetzt die
-
Viertelstunde, die letzte, für Fragen aus
dem Publikum dalassen würden. Vor allen
-
Dingen hab' ich eine Frage ans Publikum,
nämlich, einmal ein Handzeichen, wer
-
eigentlich aus den ex-, ehemaligen
jugoslawischen Ländern kommt. Das sind
-
immerhin ein paar. Haben welche davon
auch tatsächlich mal das ZaMir-Netz
-
genutzt oder seid ihr alle zu jung für,
ne?! – Sehe ich keine Hand mehr. Okay,
-
prima. Ja, dann würde ich dann doch
unseren Herald bitten, das Mikro, die
-
Mikro-Organisation zu nehmen und dann die
Fragen, bitte so.
-
H: So, ich denke, ich sprech' für alle
hier, wenn ich Wam recht herzlich für
-
seinen durchaus sehr bewegenden
Zeitzeugenbericht danke. Wir haben hier
-
Applaus
-
Wir haben hier im Saal
-
vier Mikrofone, zwei hier im
Mittelgang, zwei links und rechts. Da
-
könnt Ihr euch hinstellen. Bitte haltet
euch mit Danksagungen zurück. Stellt eine
-
kurze prägnante Frage, damit wir ein paar
Leute durchbringen. Zuallererst: Gibt es
-
eine Frage von unserem Signal Angel? –
Keine Frage aus dem Internet. Dann bitte
-
Mikrofon 1.
M1: Ist es auf? – Ja. Wam, wir haben
-
heute auch wieder Flüchtlingsunterkünfte
in Deutschland. Es gibt Leute, die sich
-
engagieren dort mit Freifunk auch einen
Netzzugang zu legen. Hast du aus deiner
-
Erfahrung mit dem, wo du früher ähnlich
gearbeitet hast, einen, sozusagen, einen
-
Ratschlag, einen Hinweis, was sind
wichtige Dinge, was kann man machen, außer
-
dafür zu sorgen, dass der Router läuft?
W: lacht Internet und Handys sind das
-
wichtigste Teil, das ein Flüchtling hat.
Es ist seine Hausnummer. Es ist sein
-
Haus. Es ist, wie man ihn und sie
erreichen kann. Das erste, was wir in
-
meinem Stadt, wo ich jetzt wohne – ich
wohne in Bad Belzig. Das liegt irgendwie
-
zwischen hier und Berlin... das erste,
was wir da in 1996 installiert haben ins
-
Flüchtlingsheim, war ein
Internetanschluss. Und ich bin... Es ist
-
für Menschen, die Kommunikation ist ein
Lebensding. Wir haben in Belzig jetzt fast
-
zehn Jahren gekämpft für, dass die
Gemeinde bereit war, um Freifunk zu machen
-
innerhalb von die Stadt. Wir haben es
mittlerweile. Seit 20 Jahren bieten wir
-
allen Flüchtlingen es an. Kommunikation
ist so wichtig, dass Leuten in Kontakt
-
bleiben mit ihre Heimatländern. Das Schöne
von Internet war und von, von .... ein
-
ganz kleine Anekdote ... die Typ, ne?!
... nur fünf Minuten... (P: lacht Nein,
-
nein, nein.) – Stell dich vor, stell dich
vor: Pristina. Pristina liegt in Kosovo.
-
In Pristina sind die meisten Menschen
seien Moslem. Das bedeutet, die Männer
-
darfen raus, und die Frauen müssen zu
Hause bleiben. Und die Männer, die sind
-
jeden Abend ausgegangen in die Coffeeshop,
und die hatten zwei Frauen, die nennten
-
wir die electronic witches. Und die sind
rausgegangen mit den kleiner Laptop und
-
haben die Frauen zu Hause gelernt, wie man
es auf das Internet kam. Das waren
-
Frauen, die wussten noch nicht mal, dass
da Computers existierte. Die hatten noch
-
nie ein Tippmaschine gehabt und haben
ihr tippen und schreiben auf
-
Computers, und zwar mit leuten in
Amerika, in Australien. So, was wir
-
erreicht haben, war Frauen in Pristina,
die mit die ganze Welt kommunizierte, mit
-
Frauen überall. Und Männer in Pristina in
Coffeeshops, die über die Welt geredet
-
haben....
Lachen und Applaus
-
... und gedacht... Empowering! Empowering
ist das wichtigste Wort in diese ganzen
-
Sachen. Gibt die Leuten die Möglichkeit,
etwas zu tun. Computer sind keine
-
Techniken. Die Technik ist nur praktisch,
wenn es auch eingesetzt wird. Wir können
-
die schönste Handys haben, wenn wir die
nicht gebrauchen vor Dinge, die irgendwie
-
Sinn haben, dann ist es reine
Umweltverschmutzung.
-
P: Außerdem müssen wir...
R: Dann erzähl' ich gerade auch noch eine
-
Anekdote.
Applaus
-
Ich hab nämlich Workshops für Frauen aus
allen Landesteilen dort gegeben und habe
-
Frauen kennengelernt, die in der freien
bosnischen Armee gekämpft haben und die
-
das Zentrum für vergewaltigte Frauen in
Zenica aufgebaut haben. Die haben aus
-
Schrottcomputern, die sie gespendet
bekommen haben, haben sie welche
-
funktionierende zusammengebaut. Wirklich
bewundernswert. Und auch in Zagreb gab es
-
Frauen, die bei dem System engagiert waren.
Denn das wurde dann Thema im Parlament in
-
Kroatien, und dort wurde gesagt: Das sind
alles serbische Kommunisten, die diese
-
Mailbox betreiben, serbische Kommunisten,
und Ihr unterschätzt sie, denn das sind
-
Frauen (Lachen), die sind gefährlich.
Applaus
-
W: Du musst dir dich mal vorstellen, wenn
du abends auf Fernsehen guckt und da
-
sitzen einmal deine eigene Porträt und
die Porträt von deine Freundin und von
-
einer anderen Freundin und da wird gesagt
und da steht: Ein guter Kroate weißt, was
-
er mit diese Leute machen musst.
P: Ja, da sind wir ja in Deutschland auch
-
nahe dran. Vielleicht ein Hinweis noch
für die Leute, die jetzt hier reingekommen
-
sind, weil sie dachten, noch mehr zur
Technik zu hören. Brauchten wir gar nicht
-
machen, weil LaForge hat einen Vortrag
gehalten am ersten Tag zu der
-
Mailboxtechnik, verschiedenen, die es
damals gab. Ich habe vorhin in den
-
Vortrag reingeschaut. Der zeigt mit
Protokollen und allem wirklich sehr, sehr
-
gut, wie das eigentlich technisch
abgelaufen ist, und insofern, glaube ich,
-
braucht man das hier nicht machen, sondern
es geht dann einfach doch um die Sachen,
-
wie es genutzt wurde. Ich könnte auch
noch eine Anekdote beisteuern, weil
-
Mailboxen war natürlich auch in
Deutschland ein ganz interessantes Thema.
-
Und auch der Verfassungsschutz hat
Mailboxen aufgebaut. Also, einmal das
-
Spinnennetz und einmal das Thule-Netz.
Das Spinnennetz war das linksradikale
-
Netzwerk. Das Thule-Netz war das
rechtsradikale Netzwerk. Und im Thule-
-
Netz war dann eine Bombenbauanleitung
gefunden worden, also, im öffentlichen
-
Bereich. Im geheimen Bereich konnte
natürlich niemand rein. Im geheimen
-
Bereich war auch nichts in den Mailboxen,
aber in dem öffentlichen Bereich war eine
-
kleine Bombenbauanleitung. Diese
Bombenbauanleitung wurde nun allerdings
-
von jemandem geschrieben, der bei uns
Systembetreuer war. Bei uns. BIONIC.
-
Bielefeld. Ich will jetzt nicht dazu
sagen, dass der heute große Kongresse mit
-
Hackern organisiert...
R: Er war damals noch minderjährig und in
-
der Schule, interessierte sich für Chemie.
P: ... ja, und er hat es einfach, weil
-
wir hatten so ein Brett, wo man sich über
Pyrotechnik austauschte, halt geschrieben,
-
damit die Leute, die die ganze... also,
ihr alle habt ja hoffentlich mal mit
-
Sprengstoff experimentiert als anständige
Menschen. Ich habe es zumindest gemacht,
-
und es waren klägliche Ergebnisse, die ich
dabei rausholte, und da hätte ich
-
natürlich auch gerne schon Informationen
gehabt, aber die jungen Leute machten das
-
halt auch: Chemical Hacking. Sie haben
extra sich getroffen für ein schönes
-
Camp. Ah, da steht einer – ich mache es
kurz. Aber diese Bombenbauanleitungen
-
führte auch dazu durch irgendwelche
komischen Umstände, dass bei uns eine
-
Hausdurchsuchung stattfand.
R: Ja, er hatte als Betreffzeile "Der
-
kleine Terrorist" gewählt.
P: Also war bei uns eine
-
Hausdurchsuchung. Pünktlich 14 Uhr stand
die Polizei an der Tür. Öffnungszeiten an
-
der Tür sind klasse, weil dann kommen sie
nicht um sechs. Und dann hatten die den
-
Auftrag von der Staatsanwaltschaft alles
abzuräumen, alle Computer mitzunehmen. Das
-
wäre jetzt nicht besonders toll gewesen.
Dann meinte ich eben: Schauen Sie mal
-
hier, ich habe so einen Presseausweis. Da
hätten sie sehr schlechte Presse, wenn
-
sie das jetzt mitnehmen. Meinte der
Polizist, der Einsatzleiter: Schlechte
-
Presse interessiert mich nicht. – Stimmt,
sagte ich, ist gut, weil dann wären Sie
-
auch ein schlechter Polizist, aber über
unser Mailboxsystem werden auch
-
Hilfsgütertransporte organisiert. Und
wenn Sie morgen Nachrichten gucken, und
-
Sie kriegen mit, in Sarajevo sind
Menschen gestorben, weil
-
Hilfsgütertransporte nicht angekommen
sind, dann haben Sie auch ein schlechtes
-
Gewissen. Und dann wurde er nachdenklich
und ging ans Telefon und hat anderthalb
-
Stunden mit der Staatsanwaltschaft
gefightet, dass er nichts mitnehmen wird.
-
Applaus Also, uns hat dieses System
auch tatsächlich geschützt. So, gerade
-
noch eine Anschlussanekdote –
entschuldige bitte, dass ich die jetzt
-
noch bringe, aber die muss ich einfach
bringen. Zwei Monate später klingelt das
-
Telefon, Rena ist am Apparat: Müller,
schönen guten Tag, Staatsschutz
-
Bielefeld, ich habe mal eine Frage – mein
Sohn muss ein Praktikum machen. Kann er
-
das bei Ihnen machen?
Lachen und Applaus – P: Moment, es geht
-
weiter, es geht weiter!
R: Ich sagte ihm, Sie wissen schon, dass
-
Ihre Kollegen vor einem Monat bei uns
waren für eine Hausdurchsuchung?
-
P: Ja, sagt der Herr Müller.
R: (gleichzeitig) Ja, sagt er, und die
-
haben so begeistert davon erzählt.
Lachen
-
P: Okay.
H: Okay, dann haben wir noch eine Frage an
-
Mikrofon Nummer 1.
M 1: Mich interessiert, wie hoch war die
-
Frequenz im ZaMir-Netz an Nachrichten,
und was war so, also neben deinen Diaries,
-
sonst noch dort darauf zu lesen. Also
über Katzenvideos, haben wir ja schon
-
gelernt, gab es damals noch nicht.
W: Ich kann es eigentlich ganz technisch
-
muss ich sagen, wir hatten ungefähr 1200
Gebrauche in Sarajevo, ungefähr 700 in
-
Kroatien, ungefähr 600 in Serbien,
ungefähr 500 in Kosovo und 200 so
-
ungefähr in Slowenien. Das war die
Gebrauche innerhalb vom Land. Das war
-
übrigens Durchschnitt höhere Gebraucherate
als in Deutschland zum die Zeit. Mehr
-
Leuten in Kroatien haben damals Computer
benutzt für Datenkommunikation dann in
-
Deutschland.
P: Das bezweifle ich jetzt mal, aber ist
-
okay, ne?!
W: Na, jedenfalls es war ungefähr 20 bis
-
30 Megabyte pro Tag, was wir verteilt
haben. Unheimlich viel Post, und manchmal
-
habe ich dann unten im Keller gesessen
nach die Computer und ich hab' jedem Bit,
-
die nach Sarajevo gegangen ist, gesehen,
weil irgendwie lief es eine Zeit lang
-
unser System immer wieder fest, und wir
konnten nicht herausfinden, was es war.
-
Und irgendwie in Amerika saß auf einem
Uni, konnte man Spiele bestellen, und die
-
wurden dann in Blocks über das Netz nach
jemand geschickt, die es bestellt hat, in
-
E-Mail-Blocks. Und jemand in Sarajevo hat
Doom bestellt. (Lachen im Publikum)
-
Mitten im Krieg! (Lachen im Publikum)
Ob da draußen nicht genug los war, ja?!
-
(Lachen) Ich habe das später auch mal
gesehen in Sarajevo: jemand auf ein
-
Computer Doom spielend und auf das Bild
war dasselbe Gebäude, was an die Überseite
-
stand. (Lachen) Solche Dinge passierte.
Wir konnten nur Berichten schicken. Es
-
war nur Text. Es war rein nur Text, und
noch immer bin ich eigentlich rein nur
-
Text.
H: Gibt es noch weitere Fragen? Ich sehe
-
jetzt niemanden mehr am Mikrofon stehen.
Aus dem Internet was? Signal Angel? –
-
Schüttelt mit dem Kopf. Dann hätten wir
noch etwa drei Minuten für eine
-
Abschlusspointe.
P: Oh.
-
R: Oh ja, Sarajevo. Die Mailbox fiel
regelmäßig gegen Mittag aus. Eine Frau,
-
die am System gearbeitet hat, ist dem
Problem dann nachgegangen und ist dem
-
Kabel gefolgt und fand dann heraus, dass
im Keller ein anderer Bewohner, der
-
Hausmeister, um die Zeit dann immer einen
Herd eingesteckt hat, um sein Essen warm
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zu machen. Und dann war halt einfach der
Strom weg, und dann war klar, Eric
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Bachmann hat dann bei seinem nächsten
Besuch in Sarajevo eine Mehrfachsteckdose
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mitgebracht.
W: Naja, und ein Solarpanel, was später
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von ein paar Granaten auseinandergenommen
wurde. Unseren Mailbox stand in die
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Postbüro von Sarajevo. Und um damit zu
enden, auf diese Postbüro stand in großen
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Buchstaben: „Ovo je Velika Srbija“. Das
bedeutet: „Hier ist Großserbien.“ Jemand
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anderes hat darunter geschrieben: „Idiota,
ovo je pošta.“ – „Idiot, das ist hier die
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Post.“
Lachen und Applaus
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P: Vielleicht... vielleicht, damit wir
auch noch was lernen für spätere Kriege,
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die da kommen mögen. Wir hatten dann
irgendwann mal einen Anruf von jemandem,
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der irgendwie geheimdienstlich
Militärfunker war oder so, pensioniert
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war, so hat er sich uns vorgestellt und
gab uns einen guten Tipp. Er sagte
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nämlich, was ihr da macht, in
Exjugoslawien ist extrem gefährlich. Das
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kann im Krieg unter Kriegsrecht als
Spionage gewertet werden. Das heißt,
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Leute, also Soldaten, könnten reinkommen,
euch rausholen und direkt erschießen. Da
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braucht es überhaupt kein Verfahren mehr
dafür. Deshalb ist folgender Tipp: Macht
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es nicht heimlich, sondern macht es
offen. Schreibt in großen Lettern an euer
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Haus, was ihr dort tut, hängt Zettel aus,
was ihr tut, zeigt, was ihr tut und macht
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genau das, weil das schützt euch und noch
etwas: Kommuniziert niemals
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verschlüsselt, weil das kann ist die
Gefährdung für Spionagevorwürfe noch sehr
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viel höher. Übrigens der Grund, warum wir
in die Definition von OpenPGP ein
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Feature.. (R: bei ZConnect)
... oder bei ZConnect haben wir es
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eingebaut, ein Feature eingebaut: Bitte
nicht verschlüsselt antworten.
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Sacken lassen. Mitnehmen.
R: Für Kriegsgebiet.
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P: Genau, ist auch manchmal...
W: Ist ganz, ganz wichtig!
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P: Ja, also nicht immer denken: Ah, da
ist Krieg, ich muss dem was verschlüsselt
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schicken, sondern im Gegenteil. Also immer
mal ein bisschen weiter denken. Überhaupt
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sich mit militärischer Aufklärung zu
beschäftigen so, ist sowieso spannend.
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R: Und bis dahin sollten wir uns damit
beschäftigen, (P: Ja.) dass wir keinen
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Krieg bekommen (P: Ja.) und verschlüsselt
kommunizieren.
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Applaus
H: Nochmals vielen, vielen Dank, Wam, Rena
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und Padeluun!
P: Ja.
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Applaus
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34C3 Abspannmusik
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Untertitel erstellt von c3subtitles.de
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