34C3 Vorspannmusik
Herald-Engel: In Zeiten des Krieges ist
Kommunikation ein wichtiges Gut und diese
aufrechtzuerhalten ist auch mit dann die
bürgerliche Pflicht. Und wie das dann so
passiert oder passiert ist in der
Vergangenheit, jetzt konkret im
Jugoslawienkrieg in den 90ern, darüber
werden euch unsere nächsten Vortragenden
ausführlich berichten. Bitte ein schön
runder Applaus für Wam, Rena und Padeluun.
Applaus
Wam: Ja, ich muss erstmal deutlich machen,
dass ich nicht Deutscher bin.
Ich tue mein Bestes, um meine Rudi-
Carrell-Akzent zu behalten. Publikum lacht
Dann wird's alles
ein bisschen weniger ernsthaft.
Dazu bin ich auch ein
bisschen erschrocken,
wenn ich heute Mittag in diese Raum kam,
weil ich hatte irgendwie so vorgestellt
so einen Klassenraum mit 20 Leuten,
womit ich so ein bisschen
über früher reden kann,
und sehe hier in einmal so'n
Riesenraum.
Ja, ich bin Wam, Niederländer,
gerade mal 61 geworden.
Hoffentlich sieht man das nicht soviel?!
Padeluun: Nein! Nein! Nein! Nein. –
W: … und irgendwie Mitte Siebzigerjahren
war ich so wie viele von meine Jahrgang
oder von meiner Zeit so ein richtiger
Anti-Computer-Freak. Computers waren das,
was die Welt regiert und was alles
kontrolliert und so, und ich war völlig
dagegen. Und meine Onkel, Niederländer,
war Verteidigungsminister und fand, dass
ich im Militär in Kriegsdienst müsste.
Ich hatte da völlig
andere Gedanken darüber,
und hab' ihm dann gesagt,
das tue ich nicht.
Und er konnte nicht anders reagieren,
dann mir zwei Jahren im Knast abzustellen.
Und in die zwei Jahren habe
ich ganz viel über Computers gelesen und
mir dann einmal gedacht: Hey, das ist ein
interessantes Topic.
Und ich hab' meine Doktorstudium
in Soziologie dann auch geschrieben in 79
über das Thema: Stell dich vor,
Computers werden klein.
Publikum lacht und applaudiert
Geschrieben auf einem VAX,
so ein großes Supercomputer
von der Universität von Amsterdam,
die ein kleine Atomzentrale nötig hatte,
um überhaupt irgendwie was
auf den Bildschirm zu kriegen.
Um lange Geschichte kurz zu machen,
wir hatten diese Art von Geräten
– meine Prof und ich –
diese Art von Geräten irgendwo
erwartet in 2070, 2080, um die Dreh.
Jetzt muss man sich mal vorstellen,
es gab ein Zeit, da gab es die nicht.
Es gab kein Handys.
Es gab auch keine Laptops
in die 80er Jahren.
Und in die 80er Jahren war ich aktiv
in ein Organisation,
die heißt European Youth Forest Action
oder auch,
Europäische Jugend Waldaktion,
ein von die erste Umweltnetzwerke,
die in Ost- und Westeuropa
gleichzeitig aktiv war.
Und wir haben ziemlich schnell bemerkt,
es ist ziemlich schwer,
miteinander zu kommunizieren mit Telefon,
weil wenn man nach Russland angerufen hat
oder nach Prag oder Dings, dann ––,
das dauerte Stunden.
Wir hatten auf unsere Büro in Niederlande
eine spezielle Person,
die die ganze Nacht nichts anderes
getan hat, dann Russland anrufen
in die Hoffnung, dass wir mal durchkamen.
P: Mit'm Bleistift als Telefonierhilfe,
damit man sich die
Fingernägel nicht kaputtwählte.
W: Eine Repeat-Taste gab es auch nicht.
Man war eigentlich oder so… oder so …
P: Sprechen wir das Wort aus:
W-Ä-H-L-S-C-H-E-I-B-E.
W: Ja.
P: Kennt Ihr noch Wählscheiben?
W: Die gab's. Die gab's.
Irgendwie habe ich in die Studium gelernt
so was von Datenkommunikation.
Man konnte von eine
Computer über die andere Computer
miteinander kommunizieren, wenn man die
richtige Name von die Computer wusste
und die Gebrauche und richtige Kommandos
und diese verdammte Editor mit x-i save
und alle die Sachen auswendig lernte,
dann konnte man irgendwie
mit Computers kommunizieren.
Aber es gab da in die Mitte 80er Jahren
eine Erfindung, die heißt die Faxmaschine.
Kennt ihr das noch, Faxmaschine?
unverständlich
P: Ja, das'n Gerät, das behauptet,
kein Computer zu sein und nicht
mit anderen Computern
zu kommunizieren.
P: Deswegen haben die Leute
weniger Angst davor gehabt.
W: Kurz für die Leute,
die alles technisch haben wollen:
Es ist ein Scanner, ein Printer
und ein Modem miteinander verbunden.
So, man scannt ein Papier
und kommt dann die andere Seite
aus die Printer raus.
Und damit konnte man kommunizieren.
Und das konnte man ziemlich
schnell Menschen deutlich machen,
wie das funktionierte und irgendwie
habe ich ein großes japanisches Betrieb
in Niederlande so weit gekriegt,
dass er mir 26 Telefaxmaschinen
geschickt hat.
Der hat nicht gefragt,
ob ich Geld dafür hatte.
Ich meine, ich hab’ sie einfach bestellt
und gedacht, wir werden sehen,
was passiert, wenn die kommen.
Publikum lacht
Das Schlimmste, was passieren kann, ist,
dass die mir in Knast stecken
und zwei Jahren Knasterfahrung
hatt' ich schon
und ich hab’ mein Doktor da gemacht,
so gedacht… pfff... Publikum lacht
Ist übrigens ein von die beste Platze,
wo man studieren kann, im Knast.
Publikum lacht
Man wird absolut nicht abgelenkt.
Rena: Viel Zeit.
Applaus
W: Sicher, wenn man weiß,
warum man im Knast ist.
He! Nicht, äh ––
P: Ja, also, vielleicht müssen
wir jetzt aber
für die Leute, die promovieren, sagen:
Eigentlich gilt das nicht,
sondern es gehört dazu,
wenn man promoviert, auch
den Rest des Lebens geregelt zu kriegen.
Das ist das Eigentliche,
was man dabei lernen muss.
So, weil sonst kann man
mit dem Rest des Lebens auch nix anfangen,
wenn man immer Knast braucht,
um was erledigt zu kriegen.
Gruß an alle Prokrastinierer.
W: Ich hab's klasse organisiert
irgendwie. Ein vegetarisches Restaurant
aus Utrecht hat jeden Tag uns Essen
gebracht.
Mein Onkel ein bisschen dachte,
das ist nicht gut,
wenn meine Neffe da verhungert,
und ich verweigert hab',
um das Fleisch von dem Militär zu essen.
Jedenfalls, ich habe diese Firma
so weit gekriegt,
dass er in meinem Büro 25
Telefaxe abliefert. Und wir haben dann so
schnell wie möglich versucht, all diese
Telefaxe in Osteuropa zu kriegen.
Das war noch vor 89.
Und wir haben dann das Gefühl
gehabt, solange die in Osteuropa seien,
kommen die nicht wieder zurück.
Publikum lacht
Und Abholen können sie auch vergessen.
Publikum lacht
Und das ging eigentlich. In einem Jahr
haben wir es geschafft,
um 26 Telefaxmaschines in Osteuropa
hinzustellen zwischen 87 und 88.
Und Lustige ist, dass die in der Tat alle
auf solche Plätze gekommen sein,
die später in 89 nochmal
wichtige Rolle gespielt haben
in lokale Revolution.
Und paar von diese Faxmaschines waren
in Beograd und in Zagreb gelandet.
Bei ein Gruppe, die heißt, äh, ... damals…
ähm… Zeleni … äh…ähm,
Grüner Kreis.
Komm’ kurz nicht auf die
kroatische Namen…
Ähm...
Zeleni Krug!
Und da fing Anfang 80er/90er Jahren,
fing da an Spannung zu kommen.
Es war nicht so ganz alle
dieselbe Meinung mehr,
dass Jugoslawien gut war, und da waren...
...ich sag mal, Krieg war in die Luft.
Und ein von die Sachen, die ich irgendwie
mal unterwegs gelernt war,
war Non-Conflict-, äh, of– Non-Violent
Conflict Resolution,
Gewaltfreie Konfliktlösung.
Und die hatten in Zagreb
und Beograd gedacht:
Ah, das ist praktisch,
wir holen ihn mal hierhin
und so bin ich Anfang 90er Jahren
in Zagreb gelandet, eigentlich nur für
drei Monaten. Das war das Idee. Ich sollte
drei Monaten lang die Polizei und Leuten
in Krankenhäuser lernen, dass man
miteinander kommunizieren muss, statt dass
man einander die Gehirne einschlagt.
zögerlicher Applaus
– und da saß ich dann irgendwie in einem
Krankenhaus in Osijek, und die erste
Granate kommt von oben rein und du denkst:
Wam, irgendwie hat’s nicht geklappt mit
das Lernen. Ich will nicht sagen, ist mein
Schuld, dass die Krieg ausgebrochen ist,
aber ich hab’ nicht mein Bestes getan, um
ihn zu stoppen. Irgendwie war das schon
da, vor dass ich irgendwie begriffen hab’,
was los war. Und das erste, was die
Idioten tun in Jugoslawien – oder Idioten?
– die verschiedenen Regierungen, die da
aktiv waren – das erste, was die tun, ist
die Telefonleitungen kappen. Man konnte
von Zagreb nicht mehr nach Beograd
anrufen. Von Sarajevo konnte man mit Mühe
nach Zagreb anrufen, aber nicht mehr nach
Beograd. Und so waren all die Länder
eigentlich voneinander isoliert. Und das
Lustige war, es gab in die Zeit schon ein
Netzwerk, das heißt ARPANET. Und das war
von die Universitäte. Und da waren alle
Universitäten auf die ganze Welt so mehr
oder weniger angeschlossen. Und das
Arpanet, das hatten die auch verbrochen.
Man konnte eigentlich nur mit Umwegen –
das ist das Vorteil von dieser Art Netz.
Man kann Dinge brechen, aber die Berichten
finden doch ihr Weg. Das war nämlich das
ganze Idee: Wenn die Hälfte von dieses
System von den Atombomben vernichtet wird,
dann werden die Berichten trotzdem vom
Versender nach Empfänger kommen. So, das
funktionierte. Aber die meisten Leute, die
aktiv waren in Friedensbewegung, in
Frauenbewegung, in humanitäre
Organisationen und so, die hatten noch nie
von Computers gehört. Nein, das war
einfach nicht ein Ding, wo man Anfang 90er
Jahren als normaler Aktivist sich mit
beschäftigt hat. Es hat sogar bei die
Grünen nochmal ein richtiger Eklat
gegeben, wenn eine von die Grünen so ein
Ding mitgenommen hat in
Fraktionssitzungen. Man hatte noch immer
das Gefühl, es ist etwas, wo man mit
aufpassen muss. Sie kontrollieren uns. Und
ziemlich schnell in Zagreb hatten wir
rausgefunden, es gibt ein Weg, wie wir
kommunizieren können mit Beograd. Wir
schicken ein Fax nach England und in
England saß das Hauptbüro von APC. Das war
Association for Progressive Communication,
so ungefähr das erste alternative
Netzwerk, was weltweit entstanden war. Und
die waren bereit, diese Fax mit ihre
Maschine nach Beograd zu schicken und vice
versa. So, wenn man schnell war, dann
kostet das ein paar Stunde und wenn man
Glück hat, kriegte man in einem Tag
Antwort, was in die Zeit richtig schnell
war. Die andere Weg war nämlich, die Bus
zu nehmen von Zagreb nach Budapest, und
dann von Budapest die Bus zu nehmen nach
Beograd und da warst du ein Tag unterwegs.
Und es gab noch ein anderes System. Es gab
die X.25-Netzwerke, die man erreichen
konnte, wenn man es wusste, wie man es
macht. Und ich kam in Jugoslawien an mit
den 300-bps-Modem. Weiß jemand, was 300
bps ist? Zuruf unverständlich Ungefähr,
ja.
P: Tatsächlich war es ein 300-Baud-Modem
sogar.
W: Was?! Man kann schneller lesen denn
senden…, aber damit konnte man auf die
X.25-Netzwerken kommen, und man konnte
dann auch Berichte verschicken.
P: Langsam. Ganz – Man konnte mitlesen,
wenn die Daten reinkamen. Das war cool.
W: Ja, man konnte sie auch sehen. Jeden
Bit konnte man sehen, wie er rausgegangen
ist.
P: Ach, das wurde gleich als ASCII
umgesetzt.
W: Man konnte mithören. Ich weiß nicht.
Gibt es Menschen, die die Geräusche noch
kennen?
Versuche im Raum das Geräusch
nachzuahmen
Ich hab's mal geschafft, das Ding auf
9.600 ein-to-whistlen. Mit mein Geräusch
konnte ich tatsächlich mit
Telefaxmaschines an die andere Seite
kommunizieren. Ich meine, wenn man 25
Telefaxmaschines auf 26 verschiedene
Telefonsystemen in Osteuropa installiert
hat, dann lernt man ein bisschen, wie das
funktioniert.
P: Angeblich geht ja Sex bei Hackern so:
Sie pfeifen sich gegenseitig Töne ins Ohr,
bis sie connecten.
W: Ungefähr. lacht Tun wir auch. Tun wir
auch. Und wir haben dann irgendwann
nachgedacht, es funktioniert nicht. Wir
kommen nicht in Kontakt mit unsere
Freundinnen in Beograd. Und da gab es auf
diese Computernetzwerke, da gab es
Newsgroups. Da konnte man sich Abo drauf
nehmen. Und eine von diesen Newsgroup war
social.cultural.yugoslavia. Und die
social.cultural.yugoslavia war alle Leute
von die ganze Welt hatten da Zugang
darauf. Hauptsächlich waren es Leute, die
irgendwie mal ein Vorvater gehabt haben,
die in Jugoslawien geboren waren. Und da
habe ich etwas miterlebt, was ich bis
dahin von das Netz – es heißt damals noch
kein Internet – nicht kannte, nämlich
Krieg, komplette, ausgewachsene Krieg auf
das Netz. Wenn die eine das eine
geschrieben hat, dann hat die andere
geschrieben: Das stimmt nicht. Und wenn
man jetzt über Fake News oder solche Dinge
hat, so Fake wie die News war, das schafft
sogar Trump nicht mehr.
Publikum lacht
Das war echt… so, es war ziemlich
deutlich, irgendwie, wenn man Kroaten und
Serben sicher, wenn die ins Ausland sein,
wenn die irgendwie, … wenn wir versuchen
zu kommunizieren mit denen, dann brauchen
wir ein schnellerer Weg, um zu
kommunizieren, weil nicht jeden hat eine
Modem mit 300 bps dabei, und nicht jeden
wusste, wie ein X.25-Netzwerk
funktionierte oder kennten diese Codes
auswendig. Und ein Amerikaner, Eric
Bachmann, die in Bielefeld –– Bielefeld
existiert. Publikum lacht Nur so
nebenbei. Das habe ich damals gelernt. Es
existiert. Man wusste damals auch noch
nicht, dass es nicht existierte.
Publikum lacht
Jedenfalls der war in Minden auf
dem Friedenszentrum, und die hat gehört,
es gibt Netzwerke, die direkt an die
Telefon verbunden seien und wo man sich
gegenseitig anrufen kann und dann Daten
austauschen. Und dieses Netzwerk, das
heißt in Deutschland Zerberus-System. Man
hat auch Fido, man hat verschiedene
Systeme, aber Zerberus war echt richtig
ein ausgedachtes und funktionierendes
System. Und das Schöne von Zerberus war,
es gab vor die Gebrauche auch ein
Programm, womit er zu Hause das System
anrufen konnte und seine Daten abholen und
dann auf seine Homecomputer das dann
beantworten. Das war ein echt …
R: Eric war bei uns in der Nähe von
Bielefeld und war im Umweltzentrum tätig
auch. Und Eric fand dann raus, dass es
sowas wie Mailboxen und
Mailboxkommunikation gab, und hat uns dann
angefangen, ein Loch in den Bauch zu
fragen. Denn Padeluun und ich mit dem
FoeBuD e.V. damals noch haben eine Mailbox
betrieben namens BIONIC. Und Eric wollte
alles wissen, alles, alles, alles. Und
Eric hat sich darum gekümmert, Rechner
aufzutreiben. Eric hat sich darum
gekümmert, Leute dafür zu gewinnen und das
Geld aufzutreiben. Denn Ihr müsst Euch
vorstellen, dass Telefonate ins Ausland
damals unglaublich teuer waren. Damals
waren auch noch––, gab es einen großen
Unterschied zwischen Ortsgesprächen und
Gesprächen halt im ganzen Land. Es gab
einen Acht-Minuten-Takt, und es war
wirklich verdammt teuer.
P: Und Ausland natürlich einen Takt
schneller. Der Acht-Minuten-Takt war im
Ortsnetz.
R: Ja. Und im Ausland war es..., zum
Ausland zu telefonieren war wirklich
schweineteuer. Und der Umweg, die
Umwegmöglichkeit, die wir gefunden hatten,
war dann eben, statt Fax nach London und
wieder zurück von Belgrad nach Zagreb oder
so zu schicken, war dann eben das
automatisch zu machen mit einer Mailbox,
aber eben auch über einen Umweg, weil die
direkten Telefonate waren ja nicht
möglich. Und so wurde Bielefeld, stand in
Bielefeld dann der zentrale Server für das
ZaMir Transnational Network, was dann
eingerichtet wurde. Und wir telefonierten
aus Bielefeld halt nach Zagreb, nach
Belgrad, nach Ljubljana, nach Sarajevo,
nach Tuzla, –
P: Pristina.
R: .. und in den Kosovo…
P: Mostar.
R: Nein. Mostar kam später.
P: Kam später, ja…
W: Aber wo ich war, war das alles noch
Zukunftsmusik, (R: Ja.) weil wenn ich die
erste Mal Eric in Zagreb getroffen hat,
hat er gesagt, es gibt in Deutschland ein
Gruppe, die heißt BIONIC und die haben ein
System, und das wird vielleicht
funktionieren.
P: Eric hat erst später gemerkt, dass
FoeBuD die BIONIC betreibt, aber… nur mal,
um den Namen, den alten, ausgesprochen zu
haben.
W: Was?
R: Aber weil der so schwer zu merken ist,
haben wir uns auch umbenannt in
Digitalcourage.
P: Ja, also BIONIC war die Mailbox, Kat.
FoeBuD war die Organisation, die jetzt
Digitalcourage heißt.
W: Okay, das haben wir dann auch alle
wieder auf die Reihe. Und Eric kommt in
Zagreb an und erzählte mir, dass es gibt
diesen Leuten in äh… in äh ... ähm ...
P: Bielefeld.
W: Bielefeld.
Publikum lacht
W: Ich kenne Bielefeld eigentlich nur
wegen die Blitzer, die da steht auf die
A2…
Publikum lacht
P: (dazwischen) Von irgendwas müssen wir
leben..
W: Ich fahr’ kein Auto, aber diejenige, wo
ich mitfahr’, hat da immer Problem –– und
er erzählt mir das, und wir hatten
mittlerweile in Zagreb eine Organisation
gegründet, die heißt die Anti-Ratna-
Kampagne, die Anti-Kriegs-Kampagne. Das
war ein Zusammenschluss von verschiedenen
Frauenorganisationen und
Umweltorganisationen und ein Ausländer:
ich. Mittlerweile konnte ich auch das
Lokalsprachen ein bisschen verstehen. Und
wir hatten es auch geschafft, um einige
Computers gespendet zu kriegen. Und die
Leuten im Westen oder in Nordeuropa, die
haben gedacht, Wam, komm’, wir schicken
dem was gutes. Wir schicken dem Apples.
Das war die größte Fehler, die die machen
konnte, weil wenn du mal ein Apple gesehen
hat, die kriegt man nicht offen. Man muss
ein echter speziale Schraubendreher dafür
haben, um das verdammte Ding offen zu
kriegen. So, ein Problem mit dem Apple in
Sarajevo bedeutet Ding wegschmeißen. Es
hat einfach keinen Platz gehabt, um die zu
reparieren. Man konnte auch kein Modems
drauf anschließen. Kurzum, ein völlig
nutzloses Ding. Aber ich hatte noch ein
alte AT mitgenommen. Weißt, was ein AT
ist, häh?! – ein 386er. Okay.
P: Hatte der eine Festplatte?
W: Die hatte bis dahin große Festplatte,
die ich damals gekauft hat. Ja, 40
Megabyte.
P: Megabyte. Er hat Megabyte gesagt.
W: Meine erste Festplatte war 20 Megabyte
und die Typ hat gesagt, Du brauchst nie im
Leben eine neue zu kaufen.
Publikum lacht
Das war 1982, aber wir sind jetzt fast
zehn Jahren weiter… und das Zerberus-
Netzwerk funktionierte auf meine AT. Das
ging. Es war eh alles DOS, weißt?!
Wahrscheinlich funktioniert er nicht auf
Windows oder auf irgendein… es war alles
DOS. Und das wurde die erste Node vom
unseres Netzwerk und das Idee war
natürlich schnell: Wie nennen wir so ein
Ding? Wie nennen wir so Netzwerk? Und man
hatte damals die maximale Buchstaben, die
man geben konnte, waren acht Buchstaben.
Größere Buchstaben passten nicht. Da
konnte man die File nicht mehr benennen.
Und ziemlich schnell war das natürlich „za
mir“, bedeutend „für Frieden“. Das war
ganz deutlich. ZaMir wird es, und wir
mussten einfach die verschiedenen
Netzwerke die verschiedene Hubs, die wir
aufbauen, die Namen von die Stadt geben.
So, meine wurde dann ZaMir-ZG. ZaMir
Zagreb. Und die stand dann neben meinem
Bett mit diesen 300-bps-Modem dran, die
ich da offiziell anschließen darfte, was
in Deutschland verboten war. Und in
Deutschland musste man so ein ...
R: Wir habens trotzdem gemacht.
man so ein, so *piept und zeigt die Geste
für das Auflegen eines Telefonhörers auf
einen Akustikkoppler* — und damit fing es
an. Wir konnten Berichte austauschen. Und
Eric ist dann nach Beograd gegangen, hat
da bei dem Friedenszentrum in Beograd auch
jemand gefunden, die gesagt hat: Ja, ich
kann ihn bedienen und wir haben auch ein
Telefonlinie. Das war übrigens die größere
Problem, Telefonlinie zu kriegen, weil...
ich weiß nicht, gibt es hier Leuten, in
die DDR geboren sein?
Raunen im Publikum
Naja, also, Telefonsystemen in
Jugoslawien war noch schlimmer. lacht
Das heißt, durchschnittlich hatte jeden
zwei Telefon nur drei Kabels. Wenn du zwei
Nummers auf drei Kabels, wenn die eine am
Telefonieren war, konnten die anderen
nicht telefonieren. Und man wusste nicht,
welche das andere Nummer war. Und man
wusste nicht, wo die wohnte. Und wenn wir
ein Modem drangehängt haben, war die
Telefon natürlich immer besetzt. lacht
Das bedeutete, wenn die uns ärgern
wollten, hatten die einfach die Horn da
abgenommen, und wir konnten zwei Tage lang
nichts mehr tun, weil wir konnten
auch nicht rausfinden, wo diese andere
Person wohnte, so dass…
R: Eine neue Telefonleitung
einzurichten, kostete nicht hundert Mark,
wie es bei uns in Westdeutschland war,
sondern es kostete über tausend.
W: Ja, und Zeit.
P: Es dauerte zwei Jahre, bis es …
W: … und Zeit. Es war eigentlich
hauptsächlich Zeit. Und so haben wir in
Zagreb eigentlich hauptsächlich Häuser
gemietet von wegen Telefonlinie. lacht
Wenn wir Haus versucht zu finden, dann war
die erste Fragen: Gibt es Telefon? Nein.
Mieten wir es nicht. Das war ganz wichtig.
So hatten wir auch in bestimmte Moment
sogar drei Telefonlinien zusammen. Das war
alles später. Das erste, womit
konfrontiert wurde,... Ich hab’ gesagt, es
gab diese Gruppe, diese News-Gruppe, die
heißen social.cultural.yugoslavia, und ich
hab’ mal ein Jahr in Beograd gewohnt, in
1980, und da kannte ich noch viele
Menschen. Und die erzählten mir über das
Internet, hier Arpanet, dass die orthodoxe
Kirche in Zagreb gesprengt war. Da war
unser Büro ungefähr 50 Meter von die
orthodoxe Kirche, und ich konnte jeden Tag
diese Kirche sehen. Und da war nichts
gesprengt. So schwer es ist, um zu
beweisen, dass Bielefeld existiert,
Publikum lacht ist es zu beweisen über
das Internet, dass ein Kirche, wovon die
andere Seite davon ausgeht, dass er
gesprengt ist, zu beweisen, dass er nicht
gesprengt ist.
P: Und man muss wissen, Wikipedia war auch
noch nicht so weit, dass man da hätte
nachgucken können, was jetzt wirklich wahr
ist.
W: Man konnte noch keine Bilder
verschicken, weißt?!
P: Die haben nicht richtig ordentlich
gelacht. Die haben das nicht verstanden.
W: Was? Wie wir das gemacht haben…
P: Na, eigentlich habe ich erwartet, wenn
ich sage, dass ... in
Wikipedia nachgucken, dass was wahr ist,
dass alle hier in brüllendes Gelächter
ausbrechen. Also, es… Entschuldigung. ––
äh, meine Witze sind nicht gut oder ihr…
die Vorbildung fehlt. Also, ich nehme an,
meine Witze sind nicht gut. lacht
W: … und das meist Idioten, das waren
Menschen, die ich kannte und die glaubte
nicht, dass die Kirche noch stand. Und
diese Kirche spielte auch ein Art cruciale
Rolle in das Ganze, weil es war die Kirche
von die Serbe in Zagreb. Und wenn die
Serben in Beograd sagen: Guck mal, die
Kroaten haben unsere Kirche gesprengt,
dann gab das da natürlich eine ganze Menge
Leuten, die böse wurden. Guck mal, die
verdammte Kroaten sind alle Faschisten und
sprengen unsere Kirche. Ich bin ein Woche
lang beschäftigt gewesen mit Fotos zu
machen, zu entwickeln. Elektrische
Telefon, Digitaltelefonie, Digitalkameras
gab es auch nicht. So man musste erst ein
Foto nehmen und die dann entwickeln
lassen.
P: Das Fälschen war schwieriger von Fotos.
Das brauchte… Da musste man noch was
können, um es richtig gut hinzukriegen.
W: So hatten wir jemand organisiert, die
mit einem Autobus nach Beograd, von
Beograd nach Budapest gefahren ist,
Zeitung unter die Arm und bei uns in
Zagreb angekommen ist, und mit diese Typ
habe ich ein Foto vor diese Kirche
gemacht. Und diese Foto haben wir zurück
nach Beograd geschickt. Elektronisch ging
nicht. Es musste alles richtig analog. Und
das war die erste Moment, dass man merkte,
wie unheimlich wichtig es ist, um in
solchen Situationen gegen
Mißinformationen, gegen Fake-Informationen
etwas zu tun. Weil aus diese Fake-
Informationen holte die Leuten die Grund,
um Krieg zu führen. Ja? Wenn ihr unsere
Kirche kaputtmacht, dann machen wir eure
Kirche kaputt. Auch ein dumme Reaktion,
aber die Mensch ist nur einmal ein dummes
Tier manchmal.
P: Kirche um Kirche, Zahn um Zahn.
W: Was?
P: Kirche um Kirche, Zahn um Zahn.
W: Ja, aber das war das einzigste, was
unterschiedlich war. Die Sprache war
dieselbe. Weißt, man konnte nur am Glaube
vielleicht sehen, ob die verschiedene
Nationalitäten hatten.
P: Actually... Die Sprache war schon
dieselbe. Trotzdem wurden in serbischen
Kinos kroatische Filme untertitelt.
W: Ja, und anders rum.
R: Ja, nach dem Krieg.
W: Und andersrum.
P: Und andersrum.
R: Das war der Brüller, dass Leute ins
Kino gegangen sind, um zu sehen, wie ihre
eigene Sprache untertitelt wird mit
derselben Sprache. Nur dass statt
„Schrippen“ dann „Brötchen“ da steht oder
„Semmeln“. Bei solchen Sachen
unterscheidet es sich halt zwischen
Serbisch und Kroatisch.
W: Bloß, dass Tuđman, das war die Chef in
Kroatien, dass die ein komplett neue
kroatische Sprache entwickelt hat. Weil
irgendwie musste die doch angeben, dass
wir ein eigene Volk sind und ein eigene
Sprache haben. So, normalerweise würde man
in Jugoslawien sagen „Telefon“. Das
verstand jeden. In Kroatisch heißt es
„brži glas“. Das bedeutet dasselbe. Das
bedeutet „Schnellsprecher“.
R: Fernsprechtischapparat.
W: Ja.
P: Mit Gebührenanzeige.
W: Hund. Hund war auch so ein schönes
Wort. Hund ist ein Tier mit vier Beine,
die das Haus verteidigt. „Hund“ in
Kroatisch heißt „pas“. Die kroatische Name
war ein halbe Stunde. Publikum lacht
Diese Situation. Und eigentlich – hab'
schon an Anfang gesagt – ich sollte nur
drei Monaten gehen, aber ich hab’ – ja,
ein Mensch ist ein Mensch, ich hab' mir
ein bisschen verliebt im Land. Und eine
bestimmte Person, die hat mir irgendwie
mal nach einem Monat gesagt – (P redet
dazwischen)
W: Was?
P: Du hast zu jemand so lange ins Ohr
gepfiffen, bis der Carrier connected hat.
W: Ja, ja, wir haben eigentlich direkt die
erste Abend schon connected. Das war…
P: (dazwischen) Connect auf den ersten
Versuch. Das ist nicht schlecht, ja.
W: Wir haben noch nicht mal gepfiffen.
lacht Wir haben noch nicht mal
gepfiffen. Publikum lacht Ich war auch
die neue Kid on the block, Ausländer,
Computer dabei, wusste, was für ein Ding
ist.
P: (singt) fremder schöner Mann.
W: Richtig alles, was man so nötig hat in
die Zeit, um aufzufallen. Ich war auch die
einzige Ausländer, die da war, auf diesen
Moment, außerhalb von der UN, die da mit
weiße Autos rumgefahren hat, aber die
hatten keinen Kontakt mit die lokale
Bevölkerung. Und sie sagt gegen mir auf
einen bestimmten Moment: Weißt du, wenn es
echt Krieg wird und da wird hier
geschossen, du kannst immer nach Hause
gehen. Und da habe ich irgendwie die
magische Worte gesprochen, dass ich so
lange in Jugoslawien bleib’, bis die Krieg
zu Ende war. Das hatte ich in 1990 nicht
sagen müssen. Das hat dann fünf Jahren
gedauert die erste Mal und noch mal drei
Jahren im Kosovo. Aber ich habe meine
Versprechen gehalten. Ich bin tatsächlich
die ganze Zeit da gewesen. Und ein Grund,
dass ich jetzt in Deutschland wohnt, war,
dass ich ganz müde war nach fünf Jahren
und hier ausgeruht hab' und eigentlich
hängen geblieben bin. Und so war ich in
Jugoslawien, und es war deutlich, ich war
diejenige, die ZaMir-Netzwerk gründet,
weil viel Leuten gab es nicht in Zagreb,
die es konnt’. In Sarajevo auch nicht. In
Beograd auch nicht. Und Eric konnte auch
nicht überall gleichzeitig sein, und ich
hatte ein richtig schlechtes Gefühl, weil
ich hatte Kinder. Ein Mädel und zwei Söhne
und irgendwie war Papa weg. Papa war ganz
lang weg. Und dann habe ich gedacht, ich
fang’ an, dem jeden Tag zu schreiben, was
ich tue. Wenn die mal alt und weise
geworden sein, dann können die das immer
nachlesen, was Papa da gemacht hat. Und
das wurde dann jeden Tag die Zagreb Diary.
Das war im Grund genommen nur gemeint, um
meine Kinder zu erzählen, was passierte.
Aber nach drei Tagen passierte etwas, wo
ich über geschrieben hat, was so viel
Einfluss auf die Welt damals gegeben hat,
dass meine Tagesbücher nicht mehr in meine
Privatfamilie geblieben sein. Es gab da
ein kleine Grenzplatz zwischen Bosnien und
Serbien und Kroatien. Da so das Dreieck.
Und wir hatten in Zagreb ein Faxlinie mit
diese Platz, warum, weiß kein Mensch. Aber
die Menschen, die in diese Stadt wohnte,
schrieben uns, dass Serben diese Stadt
überfallen waren. Das waren die,... das
waren die... wie heißen die? ... die White
Eagles, das waren Tschetniks. Die sind von
Tür nach Tür gegangen, und irgendwie ist
die erste Fax angekommen, da waren die
noch fünf Häuser weiter und jeden Fax, die
danach kamen, waren die Leuten immer naher
dran. Und die Menschen wurde unterwegs,
wurde alle Leuten, die die aus die Häuser
geholt haben, wurden auf die Straße
erschossen. Und jemand schreibt das. Wir
kriegen das. Und ich setze das via
GreenNet aufs Internet, auf diese
social.cultural.yugoslavia. Und die erste
Reaktion kam aus Amerika und von jemand,
die sagte: Wam, Du übertreibst, es war
nicht auf CNN. Raunen im Publikum Habe
ich ab diesem Moment begriffen, wenn ein
Krieg nicht auf CNN ist, ist es kein
Krieg. Dann kann passieren, was passiert,
aber man glaubt es nicht. Drei Tage später
hat CNN mein Bericht gelesen und hat dann
gesagt, es stimmt. Und ab diesem Moment
war mein Tagesbuch, in einmal wurde
durchgereicht. Immer mehr Menschen hatten
das Ding. Ich völlig – ich weiß es nicht,
ich wusste es nicht. Es hat mir einfach
fast ein Jahr lang gedauert, vor dass ich
begriffen hat, dass mein Tagesbuch
unheimlich große Kreise geschlagen hat.
P: Wobei, vielleicht muss man einmal dazu
sagen... Du hast gerade versehentlich das
Wort „war es im Internet“ gesagt. Nee, das
war nicht im Internet. Das war in
Mailboxen. Das war vielleicht gerade mal
im Usenet, wo es sich ein bisschen
verbreitet hat. Aber es war ja gerade das
Spannende dabei, dass das zum ersten Mal
etwas war, wo die Weltbevölkerung
mitbekommen hat, es gibt eine Möglichkeit
zu kommunizieren per Textkommunikation und
nicht nur über Telefon und teure Leitung,
sondern da können Leute was schreiben und
versenden. Sie können es verbreiten. Für
uns war tatsächlich das ZaMir-Netz ein
Glücksfall, weil sich Medien endlich mal
für unsere Systeme interessiert haben,
weil wir hatten längst Netze aufgebaut,
die Leute benutzen konnten. Also, ich sag'
mal, in Deutschland waren vielleicht eine
Million Menschen in Zerberus, CL und
ähnlichen Netzen aktiv. Es hat sich kein
Medium dafür interessiert tatsächlich.
Aber jetzt gab es einmal dieses großartige
Ding einer Vernetzung, die der Eric
Bachmann halt in Saraje.., in Ex-
Jugoslawien aufgebaut hat mit Wam
zusammen. Also, allein schon mal diese
ganze UNO-Embargos zu unterlaufen, die
Computer zum Teil in UN-
Transportflugzeugen mitzuschmuggeln. Ich
glaube, Wam war Angestellter der UN
nominell. Du hast einen Dollar im Jahr
verdient.
R: (dazwischen) Das war Eric.
P: Bitte?
R: Eric.
P: Ach, Eric war das, ja.
W: (dazwischen) Ich bin diejenige, die den
offiziellen Vertrag mit der UNO hatte...
P: Du warst das auch. Aber ihr habt da zum
Teil Computer da reingeschmuggelt, um auf
einer Low Tech einfach zu arbeiten. Also,
es wurde schon gesagt, auf einem 286er.
Das kann man vielleicht vergleichen mit
Rechenkapazität von zweimal C64. Ja, damit
hat man gearbeitet, und damit hat man mit
einer Telefonleitung, die nicht
gemultiplext war, sondern da ging genau
ein Datenstrom drüber von jemand von A
nach B, ja?! Damit hat man kommuniziert.
Dann wurde es verbreitet. Dann waren in
manchen Mailboxen, zum Beispiel in
unserer, Journalisten drin, die das wieder
empfangen haben als so genannter Point.
Also, als jemand, der die Daten einmal
abholt, dann gelesen hat, davon in andere
Redaktionen ging, gedruckt wurde. Das war
halt tatsächlich im Grunde, bevor das
Internet da war. Wir sprechen hier von 92,
93, 94. Also, wo es so langsam schon
anfing, war überhaupt mal ein Gespür in
der Öffentlichkeit da: Hey, mit diesen
Netzen kann man was machen. Das sind nicht
nur technische Idioten, die da irgendwie
rumspielen und nackte Mädels verticken und
Raubkopien verbreiten, was Mailboxen nicht
waren. In unserer war ausschließlich Text
drin, ja, wo es... nein, keine
pornographischen Geschichten, sondern:
politische Sachen. Politische Gruppen
waren vernetzt und eben über APC,
GreenNet. Sämtliche Antifa-Gruppen haben
darüber gearbeitet. Da wurde richtig
ordentliche Arbeit gemacht. Das war ein
spannendes Netz, bevor das Internet das
übrigens alles kaputt gemacht hat, das
übrigens auch noch dabei. Aber das ist
eine andere Geschichte, die dann an einem
anderen Ort erzählt werden wird. Und das
war das spannende, und dein Tagebuch war
der Inhalt, den die Leute sich angucken
konnten, weil es war spannend geschrieben.
Du warst zwar da nur in Zagreb, hast da in
den Flüchtlingslagern, bist mit dem VW-Bus
rum, wo die Leute, die ihre Familien
suchten, dann den Computer benutzen
konnten und sich da zusammengeführt haben.
Das war eine ganz geniale Arbeit, die da
geschehen ist. Aber dieses Tagebuch, das
darüber zu beschreiben, diese Erlebnisse.
Der hat Menschen nicht nur gezeigt, ah,
das ist ein Krieg und das ist furchtbar,
aber in dem Krieg wird auch gelebt und
auch gelacht. Es gibt fantastische,
lustige Geschichten aus Sarajevo während
des Beschusses. Allein dieser Wettbewerb:
Schaffe ich es über die Straße zu kommen,
ohne etwas abzukriegen – das haben die
wirklich gespielt dort, ja?! Allein, das
mitzukriegen, das mitzuerleben – das hat
den Menschen auch in der ganzen Welt
gezeigt, was eigentlich diese neuen
Datennetze sein könnten. Und das war noch
mal ein ganz anderer Aspekt, der mit dem
Krieg, und dass wirklich Leute in
Jugoslawien –– Du warst da auf Reisen. Du
hast Leute kennengelernt, die, nachdem die
erfahren haben, dass du von der BIONIC-
Mailbox kamst, mit Tränen in den Augen dir
gedankt haben, weil du ihre Familien
wieder zusammengebracht hast. Also, als
Figur dann quasi....
Das ist die eine Geschichte, aber die
andere Geschichte auch: Es hat der Welt
geholfen, es hat Google geholfen,
Microsoft geholfen, all das, gegen das
wir heute kämpfen, weil wir nämlich unsere
eigenen Strukturen und eigenen Netze nicht
mehr in der Hand haben, weil wir heute –
Moment –, weil wir heute, weil wir
vergessen haben, wie wichtig es ist,
eigene Strukturen zu haben, mit 286ern zu
arbeiten, mit Modems, mit maximal
Telefonleitung, mit Überlegungen, wie man
über gespendete Satelliten auch eine
Connection herstellen kann. Wir haben
diese Strukturen (R: dezentral zu
arbeiten) aufgegeben. Wir
arbeiten nicht mehr dezentral. Wir sind
von einem großen roten Schalter abhängig,
der irgendwo bei ICANN gedrückt werden
kann, und dann können wir nicht mehr
kommunizieren. So. Das ist nämlich auch
noch eine Geschichte, die da reingehört.
Applaus
W: Ihr hört, sie waren beide ziemlich
damit beschäftigt. Wusste ich aber nicht.
Ich kannten die auch nur übers Internet.
Ich habe sie eigentlich vor 20 Jahren zum
ersten Mal gesehen
P: Ich hab' dich beim Vortrag, als du da
in Belzig (W: (dazwischen) ... in
Berlin...) warst, hast du ein Vortrag
irgendwo gemacht. Da hab' ich dich zum
ersten Mal gesehen, lange nach
Jugoslawien.
W: Haben wir schon fünf Jahren
zusammengearbeitet. Und in einmal auf
meine Tagebuch habe ich unheimlich viel
E-Mail gekriegt von Adressen, die ich
absolut nicht kannte. Eine Adresse ist mir
gleich aufgefallen. Die heißt
"whitehouse.gov". Lachen im Publikum Und
die Typ, die da schrieb, die heißte
"a.gore". Und ich hab' mir auf diesem
Moment absolut nicht bewusst gehabt, dass
das die Vizepräsident von Amerika war. Und
die fragt: Du sitzt da in Kroatien und
macht dein ganze Ding, brauchst du was?
Na, hatte ich auch verschiedene Male Leute
gehabt, die gefragt haben: Brauchst du
was? Und dann hatte ich auch alle kleine
Dinge, so, Diskettes... aber bei
a.gore@whitehouse.gov hatte ich doch das
Gefühl, jetzt kann es echt interessant
werden.
P: Weltfrieden!
vereinzeltes Lachen im Publikum
W: Wenn ich begriffen hab, dass... man kam
mit Leuten in Kontakt, die man
normalerweise wahrscheinlich absolut nie
kennengelernt hat. Und ich hab' dann auch,
ich hab' dann unheimlich gut begriffen,
ich kann hier alles schreiben, was ich
will. Ich kann echt alles schreiben, was
ich will. Viel kaputt machen kann man in
einem anderen Krieg sowieso nicht. Ich
meine, es ist schon alles kaputt, weißt?!
Wenn man in Sarajevo damals herumgelaufen
hat, die Hälfte von die Gebäude war
kaputt, so viel kaputt machen konnten wir
nicht mehr. Und ich hab' dann zum Beispiel
solche Dinge geschrieben: Stell Dich vor,
es gibt in diese Welt ganz Chemiewerken
und die produzieren jeden Tag einen
unglaublichen Scheiß, und die haben
irgendwie ein Konflikt mit ihre Gewissen.
In Sarajevo haben wir ungefähr 40.000
Leuten, die brauchen jeden Tag ein
Dialyse. Es gibt kein Dialyse-Flüssigkeit
mehr. 700.000 Leute sind eingekesselt.
40.000 davon müssen jeden Tag Dialyse
haben und wir haben nichts mehr. Ich kann
mir vorstellen, dass um Deine Gewissen
wieder ein bisschen ins Reine zu kriegen,
ein paar von die Betrieben mal einen
Vorrat von diese Dialyse-Flüssigkeiten
schicken. Und gleichzeitig habe ich
gedacht, Wam, es gibt ganz viele
hauptsächlich amerikanische
Hubschrauberpiloten, die in Vietnam auch
Dinge gemacht haben, wovon sie noch immer
nicht schlafen können. Hier gibt es eine
Möglichkeit, um nach Bosnien zu kommen,
nach Kroatien zu kommen und gute Sachen zu
fliegen. Und wir brauchen nur noch einen
Hubschrauber. 20 Minuten noch. Wir
brauchen nur noch einen Hubschrauber. Und
solche Dinge denkst du, das wird mir nie,
nie! Naja. Nächste Tag auf Fort Plesmo,
das ist die Luftbasis neben Zagreb, drei
große Pharmaindustrien, die Medikamenten
geschickt haben, nicht nur Dialyse-
Flüssigkeit. Wir hatten ungefähr 36
Hubschrauberpiloten innerhalb von drei
Tagen und zwei Hubschrauber.
Applaus
In so einem Moment denkst du, es
funktioniert, man kann die Dinge tun. Und
so habe ich geschrieben von: Weißt, das
sind unglaublich viele Leute hier im
Flüchtlingslager. Ganz viele Kinder. Die
sitzen hier Monate lang in
Flüchtlingslagern und niemand, die was für
den tut. Die UN gibt dem Essen, ein Zelt
und medizinische Versorgung, aber die
sitze Monaten da und haben nichts zu tun.
Und ich war bei UNICEF vorbeigegangen, hat
gefragt: Darf ich mit Kinder im
Flüchtlingslager spielen? Die haben mir
angerufen: Natürlich darfst Du mit Kinder
im Flüchtlingslager spielen. Darf ich
meine Freunde einladen, um mit Kindern im
Flüchtlingslager zu Spielen? – Oh,
natürlich, die kommen nie.
verhaltenes Lachen im Publikum
Ja, gerade auf diesem Moment steht an die
Grenze von Slowenia ein Zug in die Sonne,
zwei Tagen lang unterwegs nach Deutschland
mit 600 Flüchtlinge drin, die die Zug nie
verlassen mussten, äh, konnten und wieder
zurückgeschickt wurde. 8000 Leute sind
gekommen. 8000 Leuten waren bereit, ihre
eigene Flug zu bezahlen, da hinzukommen,
zu bezahlen vor das Essen im
Flüchtlingslager und mindestens drei
Wochen lang in ein Flüchtlingslager zu
wohnen, um mit Kindern zu spielen. Jetzt
20 Jahre später wissen wir, dass das auch
irgendwie was ganz gutes war, was wir da
gemacht haben, dass wir Kinder in ein
Situation in Kontakt gebracht haben mit
Kultur von die ganze Welt, dass wir ganz,
ganz bewusst gesagt haben, wir wollen
kein Leuten von ein Land. Wir wollen
gemixte Gruppen in die Flüchtlingscamps.
Und meine Tagesbuch und ZaMir-Netzwerk war
immer das wichtigste Teil. Wir waren die
erste Leuten in die Welt, die
Flüchtlingslager hatten mit
Internetanschluss.
verhaltener Applaus
Kannst du dir das vorstellen?
P: Moment.
W: Und in diesem Fall sage ich echt
Internetanschluss, weil es war
tatsächlich indirekt auf diesen Moment
fing nämlich CERN an. Und CERN suchte
irgendwie etwas, was jeden Tag kam...
P: Wam, wir haben uns ja im Vorfeld nicht
so richtig doll abgesprochen, und ich fänd
es ganz gut, wenn wir dann doch jetzt die
Viertelstunde, die letzte, für Fragen aus
dem Publikum dalassen würden. Vor allen
Dingen hab' ich eine Frage ans Publikum,
nämlich, einmal ein Handzeichen, wer
eigentlich aus den ex-, ehemaligen
jugoslawischen Ländern kommt. Das sind
immerhin ein paar. Haben welche davon
auch tatsächlich mal das ZaMir-Netz
genutzt oder seid ihr alle zu jung für,
ne?! – Sehe ich keine Hand mehr. Okay,
prima. Ja, dann würde ich dann doch
unseren Herald bitten, das Mikro, die
Mikro-Organisation zu nehmen und dann die
Fragen, bitte so.
H: So, ich denke, ich sprech' für alle
hier, wenn ich Wam recht herzlich für
seinen durchaus sehr bewegenden
Zeitzeugenbericht danke. Wir haben hier
Applaus
Wir haben hier im Saal
vier Mikrofone, zwei hier im
Mittelgang, zwei links und rechts. Da
könnt Ihr euch hinstellen. Bitte haltet
euch mit Danksagungen zurück. Stellt eine
kurze prägnante Frage, damit wir ein paar
Leute durchbringen. Zuallererst: Gibt es
eine Frage von unserem Signal Angel? –
Keine Frage aus dem Internet. Dann bitte
Mikrofon 1.
M1: Ist es auf? – Ja. Wam, wir haben
heute auch wieder Flüchtlingsunterkünfte
in Deutschland. Es gibt Leute, die sich
engagieren dort mit Freifunk auch einen
Netzzugang zu legen. Hast du aus deiner
Erfahrung mit dem, wo du früher ähnlich
gearbeitet hast, einen, sozusagen, einen
Ratschlag, einen Hinweis, was sind
wichtige Dinge, was kann man machen, außer
dafür zu sorgen, dass der Router läuft?
W: lacht Internet und Handys sind das
wichtigste Teil, das ein Flüchtling hat.
Es ist seine Hausnummer. Es ist sein
Haus. Es ist, wie man ihn und sie
erreichen kann. Das erste, was wir in
meinem Stadt, wo ich jetzt wohne – ich
wohne in Bad Belzig. Das liegt irgendwie
zwischen hier und Berlin... das erste,
was wir da in 1996 installiert haben ins
Flüchtlingsheim, war ein
Internetanschluss. Und ich bin... Es ist
für Menschen, die Kommunikation ist ein
Lebensding. Wir haben in Belzig jetzt fast
zehn Jahren gekämpft für, dass die
Gemeinde bereit war, um Freifunk zu machen
innerhalb von die Stadt. Wir haben es
mittlerweile. Seit 20 Jahren bieten wir
allen Flüchtlingen es an. Kommunikation
ist so wichtig, dass Leuten in Kontakt
bleiben mit ihre Heimatländern. Das Schöne
von Internet war und von, von .... ein
ganz kleine Anekdote ... die Typ, ne?!
... nur fünf Minuten... (P: lacht Nein,
nein, nein.) – Stell dich vor, stell dich
vor: Pristina. Pristina liegt in Kosovo.
In Pristina sind die meisten Menschen
seien Moslem. Das bedeutet, die Männer
darfen raus, und die Frauen müssen zu
Hause bleiben. Und die Männer, die sind
jeden Abend ausgegangen in die Coffeeshop,
und die hatten zwei Frauen, die nennten
wir die electronic witches. Und die sind
rausgegangen mit den kleiner Laptop und
haben die Frauen zu Hause gelernt, wie man
es auf das Internet kam. Das waren
Frauen, die wussten noch nicht mal, dass
da Computers existierte. Die hatten noch
nie ein Tippmaschine gehabt und haben
ihr tippen und schreiben auf
Computers, und zwar mit leuten in
Amerika, in Australien. So, was wir
erreicht haben, war Frauen in Pristina,
die mit die ganze Welt kommunizierte, mit
Frauen überall. Und Männer in Pristina in
Coffeeshops, die über die Welt geredet
haben....
Lachen und Applaus
... und gedacht... Empowering! Empowering
ist das wichtigste Wort in diese ganzen
Sachen. Gibt die Leuten die Möglichkeit,
etwas zu tun. Computer sind keine
Techniken. Die Technik ist nur praktisch,
wenn es auch eingesetzt wird. Wir können
die schönste Handys haben, wenn wir die
nicht gebrauchen vor Dinge, die irgendwie
Sinn haben, dann ist es reine
Umweltverschmutzung.
P: Außerdem müssen wir...
R: Dann erzähl' ich gerade auch noch eine
Anekdote.
Applaus
Ich hab nämlich Workshops für Frauen aus
allen Landesteilen dort gegeben und habe
Frauen kennengelernt, die in der freien
bosnischen Armee gekämpft haben und die
das Zentrum für vergewaltigte Frauen in
Zenica aufgebaut haben. Die haben aus
Schrottcomputern, die sie gespendet
bekommen haben, haben sie welche
funktionierende zusammengebaut. Wirklich
bewundernswert. Und auch in Zagreb gab es
Frauen, die bei dem System engagiert waren.
Denn das wurde dann Thema im Parlament in
Kroatien, und dort wurde gesagt: Das sind
alles serbische Kommunisten, die diese
Mailbox betreiben, serbische Kommunisten,
und Ihr unterschätzt sie, denn das sind
Frauen (Lachen), die sind gefährlich.
Applaus
W: Du musst dir dich mal vorstellen, wenn
du abends auf Fernsehen guckt und da
sitzen einmal deine eigene Porträt und
die Porträt von deine Freundin und von
einer anderen Freundin und da wird gesagt
und da steht: Ein guter Kroate weißt, was
er mit diese Leute machen musst.
P: Ja, da sind wir ja in Deutschland auch
nahe dran. Vielleicht ein Hinweis noch
für die Leute, die jetzt hier reingekommen
sind, weil sie dachten, noch mehr zur
Technik zu hören. Brauchten wir gar nicht
machen, weil LaForge hat einen Vortrag
gehalten am ersten Tag zu der
Mailboxtechnik, verschiedenen, die es
damals gab. Ich habe vorhin in den
Vortrag reingeschaut. Der zeigt mit
Protokollen und allem wirklich sehr, sehr
gut, wie das eigentlich technisch
abgelaufen ist, und insofern, glaube ich,
braucht man das hier nicht machen, sondern
es geht dann einfach doch um die Sachen,
wie es genutzt wurde. Ich könnte auch
noch eine Anekdote beisteuern, weil
Mailboxen war natürlich auch in
Deutschland ein ganz interessantes Thema.
Und auch der Verfassungsschutz hat
Mailboxen aufgebaut. Also, einmal das
Spinnennetz und einmal das Thule-Netz.
Das Spinnennetz war das linksradikale
Netzwerk. Das Thule-Netz war das
rechtsradikale Netzwerk. Und im Thule-
Netz war dann eine Bombenbauanleitung
gefunden worden, also, im öffentlichen
Bereich. Im geheimen Bereich konnte
natürlich niemand rein. Im geheimen
Bereich war auch nichts in den Mailboxen,
aber in dem öffentlichen Bereich war eine
kleine Bombenbauanleitung. Diese
Bombenbauanleitung wurde nun allerdings
von jemandem geschrieben, der bei uns
Systembetreuer war. Bei uns. BIONIC.
Bielefeld. Ich will jetzt nicht dazu
sagen, dass der heute große Kongresse mit
Hackern organisiert...
R: Er war damals noch minderjährig und in
der Schule, interessierte sich für Chemie.
P: ... ja, und er hat es einfach, weil
wir hatten so ein Brett, wo man sich über
Pyrotechnik austauschte, halt geschrieben,
damit die Leute, die die ganze... also,
ihr alle habt ja hoffentlich mal mit
Sprengstoff experimentiert als anständige
Menschen. Ich habe es zumindest gemacht,
und es waren klägliche Ergebnisse, die ich
dabei rausholte, und da hätte ich
natürlich auch gerne schon Informationen
gehabt, aber die jungen Leute machten das
halt auch: Chemical Hacking. Sie haben
extra sich getroffen für ein schönes
Camp. Ah, da steht einer – ich mache es
kurz. Aber diese Bombenbauanleitungen
führte auch dazu durch irgendwelche
komischen Umstände, dass bei uns eine
Hausdurchsuchung stattfand.
R: Ja, er hatte als Betreffzeile "Der
kleine Terrorist" gewählt.
P: Also war bei uns eine
Hausdurchsuchung. Pünktlich 14 Uhr stand
die Polizei an der Tür. Öffnungszeiten an
der Tür sind klasse, weil dann kommen sie
nicht um sechs. Und dann hatten die den
Auftrag von der Staatsanwaltschaft alles
abzuräumen, alle Computer mitzunehmen. Das
wäre jetzt nicht besonders toll gewesen.
Dann meinte ich eben: Schauen Sie mal
hier, ich habe so einen Presseausweis. Da
hätten sie sehr schlechte Presse, wenn
sie das jetzt mitnehmen. Meinte der
Polizist, der Einsatzleiter: Schlechte
Presse interessiert mich nicht. – Stimmt,
sagte ich, ist gut, weil dann wären Sie
auch ein schlechter Polizist, aber über
unser Mailboxsystem werden auch
Hilfsgütertransporte organisiert. Und
wenn Sie morgen Nachrichten gucken, und
Sie kriegen mit, in Sarajevo sind
Menschen gestorben, weil
Hilfsgütertransporte nicht angekommen
sind, dann haben Sie auch ein schlechtes
Gewissen. Und dann wurde er nachdenklich
und ging ans Telefon und hat anderthalb
Stunden mit der Staatsanwaltschaft
gefightet, dass er nichts mitnehmen wird.
Applaus Also, uns hat dieses System
auch tatsächlich geschützt. So, gerade
noch eine Anschlussanekdote –
entschuldige bitte, dass ich die jetzt
noch bringe, aber die muss ich einfach
bringen. Zwei Monate später klingelt das
Telefon, Rena ist am Apparat: Müller,
schönen guten Tag, Staatsschutz
Bielefeld, ich habe mal eine Frage – mein
Sohn muss ein Praktikum machen. Kann er
das bei Ihnen machen?
Lachen und Applaus – P: Moment, es geht
weiter, es geht weiter!
R: Ich sagte ihm, Sie wissen schon, dass
Ihre Kollegen vor einem Monat bei uns
waren für eine Hausdurchsuchung?
P: Ja, sagt der Herr Müller.
R: (gleichzeitig) Ja, sagt er, und die
haben so begeistert davon erzählt.
Lachen
P: Okay.
H: Okay, dann haben wir noch eine Frage an
Mikrofon Nummer 1.
M 1: Mich interessiert, wie hoch war die
Frequenz im ZaMir-Netz an Nachrichten,
und was war so, also neben deinen Diaries,
sonst noch dort darauf zu lesen. Also
über Katzenvideos, haben wir ja schon
gelernt, gab es damals noch nicht.
W: Ich kann es eigentlich ganz technisch
muss ich sagen, wir hatten ungefähr 1200
Gebrauche in Sarajevo, ungefähr 700 in
Kroatien, ungefähr 600 in Serbien,
ungefähr 500 in Kosovo und 200 so
ungefähr in Slowenien. Das war die
Gebrauche innerhalb vom Land. Das war
übrigens Durchschnitt höhere Gebraucherate
als in Deutschland zum die Zeit. Mehr
Leuten in Kroatien haben damals Computer
benutzt für Datenkommunikation dann in
Deutschland.
P: Das bezweifle ich jetzt mal, aber ist
okay, ne?!
W: Na, jedenfalls es war ungefähr 20 bis
30 Megabyte pro Tag, was wir verteilt
haben. Unheimlich viel Post, und manchmal
habe ich dann unten im Keller gesessen
nach die Computer und ich hab' jedem Bit,
die nach Sarajevo gegangen ist, gesehen,
weil irgendwie lief es eine Zeit lang
unser System immer wieder fest, und wir
konnten nicht herausfinden, was es war.
Und irgendwie in Amerika saß auf einem
Uni, konnte man Spiele bestellen, und die
wurden dann in Blocks über das Netz nach
jemand geschickt, die es bestellt hat, in
E-Mail-Blocks. Und jemand in Sarajevo hat
Doom bestellt. (Lachen im Publikum)
Mitten im Krieg! (Lachen im Publikum)
Ob da draußen nicht genug los war, ja?!
(Lachen) Ich habe das später auch mal
gesehen in Sarajevo: jemand auf ein
Computer Doom spielend und auf das Bild
war dasselbe Gebäude, was an die Überseite
stand. (Lachen) Solche Dinge passierte.
Wir konnten nur Berichten schicken. Es
war nur Text. Es war rein nur Text, und
noch immer bin ich eigentlich rein nur
Text.
H: Gibt es noch weitere Fragen? Ich sehe
jetzt niemanden mehr am Mikrofon stehen.
Aus dem Internet was? Signal Angel? –
Schüttelt mit dem Kopf. Dann hätten wir
noch etwa drei Minuten für eine
Abschlusspointe.
P: Oh.
R: Oh ja, Sarajevo. Die Mailbox fiel
regelmäßig gegen Mittag aus. Eine Frau,
die am System gearbeitet hat, ist dem
Problem dann nachgegangen und ist dem
Kabel gefolgt und fand dann heraus, dass
im Keller ein anderer Bewohner, der
Hausmeister, um die Zeit dann immer einen
Herd eingesteckt hat, um sein Essen warm
zu machen. Und dann war halt einfach der
Strom weg, und dann war klar, Eric
Bachmann hat dann bei seinem nächsten
Besuch in Sarajevo eine Mehrfachsteckdose
mitgebracht.
W: Naja, und ein Solarpanel, was später
von ein paar Granaten auseinandergenommen
wurde. Unseren Mailbox stand in die
Postbüro von Sarajevo. Und um damit zu
enden, auf diese Postbüro stand in großen
Buchstaben: „Ovo je Velika Srbija“. Das
bedeutet: „Hier ist Großserbien.“ Jemand
anderes hat darunter geschrieben: „Idiota,
ovo je pošta.“ – „Idiot, das ist hier die
Post.“
Lachen und Applaus
P: Vielleicht... vielleicht, damit wir
auch noch was lernen für spätere Kriege,
die da kommen mögen. Wir hatten dann
irgendwann mal einen Anruf von jemandem,
der irgendwie geheimdienstlich
Militärfunker war oder so, pensioniert
war, so hat er sich uns vorgestellt und
gab uns einen guten Tipp. Er sagte
nämlich, was ihr da macht, in
Exjugoslawien ist extrem gefährlich. Das
kann im Krieg unter Kriegsrecht als
Spionage gewertet werden. Das heißt,
Leute, also Soldaten, könnten reinkommen,
euch rausholen und direkt erschießen. Da
braucht es überhaupt kein Verfahren mehr
dafür. Deshalb ist folgender Tipp: Macht
es nicht heimlich, sondern macht es
offen. Schreibt in großen Lettern an euer
Haus, was ihr dort tut, hängt Zettel aus,
was ihr tut, zeigt, was ihr tut und macht
genau das, weil das schützt euch und noch
etwas: Kommuniziert niemals
verschlüsselt, weil das kann ist die
Gefährdung für Spionagevorwürfe noch sehr
viel höher. Übrigens der Grund, warum wir
in die Definition von OpenPGP ein
Feature.. (R: bei ZConnect)
... oder bei ZConnect haben wir es
eingebaut, ein Feature eingebaut: Bitte
nicht verschlüsselt antworten.
Sacken lassen. Mitnehmen.
R: Für Kriegsgebiet.
P: Genau, ist auch manchmal...
W: Ist ganz, ganz wichtig!
P: Ja, also nicht immer denken: Ah, da
ist Krieg, ich muss dem was verschlüsselt
schicken, sondern im Gegenteil. Also immer
mal ein bisschen weiter denken. Überhaupt
sich mit militärischer Aufklärung zu
beschäftigen so, ist sowieso spannend.
R: Und bis dahin sollten wir uns damit
beschäftigen, (P: Ja.) dass wir keinen
Krieg bekommen (P: Ja.) und verschlüsselt
kommunizieren.
Applaus
H: Nochmals vielen, vielen Dank, Wam, Rena
und Padeluun!
P: Ja.
Applaus
34C3 Abspannmusik
Untertitel erstellt von c3subtitles.de
im Jahr 2020. Mach mit und hilf uns!