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35C3-Vorspannmusik
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Herald: Herzlich willkommen zu unserem
nächsten Talk: "Das ist mir nicht
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erinnerlich, der NSU-Komplex heute." Es
gab einiges an Auseinandersetzung um die
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Morde des Nationalsozialistischen
Untergrunds und auch den Prozess dazu.
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Aber es sind trotzdem ziemlich viele
Fragen nicht gestellt worden und es gibt
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vor allem auch ziemlich viele Leute, die
eigentlich die Antworten gar nicht hören
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wollen. Und darum geht es jetzt am
nächsten Talk. Caro Keller ist hier, das
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ist unsere Speakerin. Sie ist auch aktiv
bei NSU-Watch und sie beschäftigt sich in
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diesem Talk mit der Frage: Was jetzt?
Bitte einen sehr herzlichen Applaus für
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Caro und viel Spaß.
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Applaus
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Caro Keller: Ja vielen Dank. Hallo auch
von mir, ich bin wie gesagt Caro Keller
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von NSU-Watch. NSU-Watch ist ein
bundesweites antifaschistisches Bündnis,
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Uns gibt es so seit 2012 und zwar im
Nachgang des Bekanntwerden des
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Nationalsozialistischen Untergrunds. Wir
gucken uns gleich auch nochmal natürlich an, was das ist,
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so für unsere Erinnerung. 2011, als eben
bekannt wurde, dass es den NSU gab, haben
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sich bundesweit Antifaschisten,
Antifaschistinnen zusammengetan, haben in
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ihren Erinnerungen und in ihren Archiven
alles zusammengetragen, was man finden
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konnte zu dem Zeitpunkt über diese Neonazi-
Gruppierung, Neonazi-Terrorgruppierung. Und
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dieses Bündnis hat sich dann eben
verstetigt, als dann klar wurde: Es wird
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eben auch Untersuchungsausschüsse und ein
Prozess oder mehrere Prozesse zu dem Thema
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geben und es dann klar war: Es gibt keine
offiziellen Protokolle, beispielsweise in
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diesem großen Prozess, der 2012 noch in der
Zukunft lag. Und deswegen haben wir uns
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eben überlegt, eine Säule unserer Arbeit soll
sein, jeden Tag diesen Prozess in München
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zu begleiten und da Protokolle zu
erstellen. Und das ist eben das bundesweite
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antifaschistische Netzwerk, was es bis
heute gibt. Und inzwischen sind wir am
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anderen Ende des Prozesses angelangt. Das
heißt der NSU-Prozess in München, der ist
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in diesem Jahr im Juli zu Ende gegangen.
Aber schauen wir doch noch einmal schnell,
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was da 2011 bekannt wurde. Nämlich: Es hat
sich herausgestellt, dass eine vorher unter
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anderem Namen bekannte Mordserie, eine
rassistische Mordserie, durchgeführt von
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Neonazis war. Nämlich die Mordserie an
9 Menschen mit migrantischem
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Hintergrund und einer deutschen
Polizistin sowie 3
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Sprengstoffanschläge und 15
Banküberfälle. Vor 2011 wurde nicht in
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Richtung rechtes Motiv wirklich ermittelt, sondern
es wurde gegen die Betroffenen, gegen die
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Opfer, gegen die Familien, gegen die
Überlebenden ermittelt. Aber dazu später
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mehr. Das ist das, was auch in München vor
Gericht verhandelt wurde und das, was 2011
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bekannt wurde. Wir sprechen aber eben
nicht nur von NSU, sondern von NSU-Komplex.
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Und warum das so ist, das möchte ich in dem
Vortrag auch zeigen. Weil es nämlich nicht
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nur diese Mordserie war, nicht nur
Neonazis, die die durchgeführt hat, sondern weil
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eigentlich die gesamte Gesellschaft daran
ihren Anteil hatte, dass diese Mordserie
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funktionieren konnte und dass der NSU bis
2011 unentdeckt blieb. Am 11.07.2018 gab
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es nach über 5 Jahren die
Urteilsverkündung im ersten NSU-Prozess.
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Dieser Prozess, der sollte sich also genau dem
widmen, was wir in der vorherigen Grafik
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gesehen haben, also das heißt: Den 10
Morden, den Sprengstoffanschlägen und den
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Banküberfällen. Aber schon sehr schnell ist
am Anfang des Prozesses und auch schon
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davor bekannt geworden, dass der NSU-
Komplex eben, wie gesagt, schon sehr viel mehr
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umfasst. Und in diesem Prozess konnte das
auch gezeigt werden – und zwar vor allen
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Dingen durch die sehr engagierte Arbeit
der Nebenklage, das heißt, das sind die
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Angehörigen, das sind die Überlebenden und
ihre jeweiligen anwaltlichen Vertretungen,
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die dort in dem Prozess eben auch
Verfahrensbeteiligte waren, das heißt
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viele Rechte hatten. Sie konnten selber
Erklärungen abgeben. Sie konnten Fragen
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stellen und sie konnten Beweisanträge
stellen. Und das haben sie versucht, immer
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zu zeigen, dass es hier um mehr geht, dass
es um gesamtgesellschaftlichen Rassismus
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geht, das es um Polizeiermittlungen gehen
muss, die sich gegen die Familien
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gerichtet haben. Dass es um ein Neonazi-
Netzwerk gehen muss, das die Morde mitgetragen,
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unterstützt hat, ermöglicht hat und eben
nicht nur um diese 3. Das ist deswegen
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so schwierig gewesen, das in den Prozess
hineinzubringen, weil die Anklageschrift, in
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den Jahren 2012, 2013 verfasst, nur
beinhaltete: Der NSU ist ein isoliertes
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Trio, hat kein großes
Unterstützungsnetzwerk und der Staat hat
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überhaupt keinen Anteil an dieser
Mordserie. Und diesem Narrativ musste
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praktisch die ganzen Jahre
entgegengetreten werden. Und es ist auch
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von unterschiedlichen Seiten passiert. Wie
gesagt, zum einen von Nebenklage, aber auch
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von den vielen parlamentarischen
Untersuchungsausschüssen, die es gab und
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auch noch gibt, in denen der staatliche
Anteil am NSU-Komplex weiterhin
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aufgearbeitet wird und wo beispielsweise
in den Bundestags-Untersuchungsausschüssen
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auch sehr deutlich gesagt wurde – und auch
vom Thüringer Untersuchungsausschuss sehr
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deutlich gesagt wurde: Nein, der NSU, das ist
kein Trio, das ist ein Netzwerk. Und hier
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sehen wir eben, am Tag der
Urteilsverkündung einige der Angehörigen
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der Mordopfer und der Überlebenden und
einige Überlebende selbst, die am Tag der
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Urteilsverkündung auf die Straße gegangen
sind, und zwar auch deswegen weil, all das,
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was an Wissen über den NSU-Komplex in den
letzten Jahren aufgearbeitet wurde, an
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diesem Tag der Urteilsverkündung vom Tisch
gewischt wurde. Das heißt, es konnte viel
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gezeigt werden. Wir wissen vieles und auch
die Angehörigen und Überlebenden haben
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immer wieder die Kraft gefunden, im
Prozess zu erzählen: Was haben die Morde
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für sie bedeutet? Was haben die
Ermittlungen für sie bedeutet? Und am Ende
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stand ein Urteil, in dem das alles nicht
stattgefunden hat. Das war eigentlich so
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eine kurze Darstellung der Verbrechen, wie
wir hier noch, eigentlich das hat in der
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Urteilsverkündung stattgefunden. Mehr
nicht. Nicht die Worte der Angehörigen,
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nichts über die Ermittlungen, nicht zum
Verfassungsschutz, nicht zum Rassismus,
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sondern einfach nur eine kurze Darstellung
der Verbrechen, die dem überhaupt nicht
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gerecht wird, was dort in diesem Prozess
überhaupt verhandelt wurde und
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gleichzeitig bedeutet dieser Tag ein
Triumph für die dort angeklagten Neonazis, weil
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insbesondere diejenigen, die bis heute
aktiv in der Neonazi-Szene sind, nämlich
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André Eminger und Ralf Wohlleben. Einer
von ihnen konnte an dem Tag schon das
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Gericht freien Fußes verlassen. Nämlich
André Eminger und Ralf Wohlleben konnte
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eine Woche später in die Neonazi-Szene
zurückkehren. Dementsprechend haben auch
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die Neonazis, die an dem Tag im Gericht
anwesend waren, dieses Urteil mit Jubel
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begleitet. Das heißt, das letzte, was wir in
diesem Gerichtssaal gehört haben, war auch
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der Jubel der Neonazis. Und das heißt auch,
dass eben dieses Gericht in München nicht
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es für angemessen gesehen hat, rechten
Terror aufzuklären, aufzuarbeiten und dem
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Grenzen zu setzen. Weil das wäre natürlich
auch ein Teil dieses Urteils gewesen, zu
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sagen, dass diese Mordserie, muss auch hart
bestraft werden. Das ist eben an diesem
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Tag nicht passiert, aber das Schlimmste
ist eben, dass der Richter keine Worte gefunden
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hat zu den Angehörigen, zu den
Überlebenden, was in solchen
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Urteilsverkündungen eigentlich total üblich
ist. Das heißt, man kann eigentlich
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alles sagen in diesen Urteilsverkündungen.
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Und ganz häufig wird gesagt:
Was bedeuten eigentlich die Verbrechen?
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Das ist im NSU-Prozess nicht passiert. Und
trotzdem haben eben, wie man auf diesem
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Bild sieht, einige Angehörige und
Überlebende an dem Tag die Kraft gefunden,
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doch noch abends auf die Straße zu gehen
und eine antifaschistische Demonstration
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unter dem Motto "Kein Schlussstrich unter
den NSU-Komplex", sozusagen anzuführen. Dort
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voranzugehen und sich dieser Forderung, dass mit
dem Ende des NSU-Prozesses der NSU-Komplex
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nicht abgeschlossen werden kann, dass sie
sich dieser Forderung eben auch
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anschließen. Und das heißt, wir nehmen von
diesem Tag und aus diesem Prozess sehr
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viel mehr mit, als am Ende im Urteil
drinsteht. Der Prozess und alle
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Untersuchungsausschüsse waren natürlich
geprägt von diesem Satz, der auch der Titel
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für diesen Vortrag ist, nämlich: "Das ist mir
nicht erinnerlich." Das haben Menschen, die
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beim Verfassungsschutz arbeiten gesagt,
das haben Neonazis gesagt, das haben
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Vertreter, Vertreterinnen der Polizei
gesagt, dass sie sich nun wirklich nicht
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an die Ereignisse vor fünfzehn bis vor
einem Jahr erinnern können. Diese
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Erinnerungslücken waren sozusagen zeitlich
relativ unabhängig. Aber uns geht das eben
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anders. Als Prozessbeobachterin, als
Beobachterin der Untersuchungsausschüsse.
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Wir haben uns das natürlich gemerkt, wir
merken uns das, was die Angehörigen, die
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Überlebenden, in diesem Prozess gesagt
haben, was wir über den Verfassungsschutz
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erfahren, haben was wir über die Polizei
erfahren haben. Und, das Wichtigste: Was wir
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über die Gesellschaft erfahren haben. Und
das ist eben das, was wir mitnehmen und das
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ist auch der Kern dieses Vortrages: Was
ist unsere Analyse oder könnte eine
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Analyse des NSU-Komplexes sein, aus der
wir lernen können, die wir uns in
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Erinnerung behalten können, die wir
sozusagen mitnehmen, dass so etwas nicht
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noch einmal passiert? Das ist natürlich
ein Zielpunkt unserer Arbeit. Dass solche
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Morde nie wieder passieren können und wenn
sie passieren, dann nicht mehr unentdeckt
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bleiben und man deutlich machen kann, dass
es sich um rechten Terror handelt. Und das ist
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eben, wie gesagt, die Frage: Was wissen wir
über den NSU-Komplex? Und wie gesagt, wir
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sprechen von NSU-Komplex und nicht nur von
NSU, weil es sich eben um ein, bisschen
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stumpfe Erklärung, um ein komplexeres
Thema handelt, als nur Neonazis, die ihre
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Ideologie befolgen und Menschen aus
rassistischen Gründen ermorden. Und dafür
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habe ich mitgebracht, hier so eine Grafik
und die wird auch gleich mit so Zoom-
-
Effekten funktionieren, wenn wir da eben
durchgehen. Ich hoffe das klappt auch
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alles, die ist nicht so besonders schön,
aber das macht vielleicht nichts. Was das
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zeigen soll, schon mal vorweggenommen, ist,
dass rechter Terror und der NSU-Komplex,
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das ist ein gesellschaftliches Verhältnis,
ein gesellschaftliches Zusammenspiel. Ohne
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diese gesellschaftlichen Strukturen hätte
der NSU nicht funktioniert und wäre diese
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Mordserie vielleicht nie geschehen oder
hätte früher aufgedeckt werden können. Es
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hätten Morde verhindert werden können,
vieles ist da denkbar. Wenn nur der
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mittlere Teil, also der NSU gemordet hätte
und alle anderen gesellschaftlichen
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Akteure, Akteurinnen sich anders verhalten
hätten. So, und das gehen wir jetzt durch
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und das bedeutet auch, dass wir ein grobes
Bild davon, was wir über den NSU-Komplex
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wissen. Es sind viele Fragen offen, aber
vieles konnte eben über die letzten Jahre
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sehr wohl erfahren werden.
Wir haben also einmal in der Mitte
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die Neonazis des NSU und ihr
Netzwerk, das die Morde erdacht hat
-
und durchgeführt hat.
Und was wir über die
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letzten Jahre gelernt haben, was aber auch
schon vorher klar war, ist: Dieses Neonazi-
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Netzwerk und wie es funktioniert hat. Der
NSU hat sich das, was er gemacht hat – oder
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das was sie gemacht haben, nicht selber
ausgedacht, sondern das sind Konzepte des
-
rechten Terrors, die es spätestens seit
1945 gibt, die immer weiterentwickelt
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werden in der Neonazi-Szene und auch von
Altnazis miterdacht und mitgetragen
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wurden. Es ist also nichts Neues und
gleichzeitig ist rechter Terror auch etwas,
-
was nicht mit dem NSU begonnen hat, sondern
was eine Kontinuität hat seit 1945. Das
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ist auch etwas, was über die letzten Jahre
aufgearbeitet wurde – gerade im Hinblick
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auf diese Sätze, die 2011 überall
geschrieben standen. Was? Neonazis?
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Mordserie? Rechter Terror – so etwas gibt
es? Natürlich gibt es das und das gab es
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auch schon vor dem NSU und auch in
ähnlicher Form. Das sogenannte Kern-Trio
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des NSU also Mundlos, Böhnhardt und
Zschäpe haben sich also in ihrer
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Sozialisationphase, in den 1990er Jahren,
ein breites Netzwerk bundesweit aufgebaut.
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Wir können insbesondere diejenigen, die sie
kurz nach dem Untertauchen in ihren
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Wohnorten Chemnitz und Zwickau dort
unterstützt haben, auch namentlich
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benennen. Diejenigen, die ihnen bei den
Morden und Sprengstoffanschlägen in den
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jeweiligen Städten geholfen haben, die
können wir noch nicht namentlich benennen.
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Das ist eine große offene Frage, die uns
weiterhin beschäftigt und die wir auch
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hoffen, dass man die irgendwann lösen kann.
Wer sind die konkreten Neonazis für den
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NSU unterstützt haben, Tatorte gezeigt
haben, mitgemordet haben und so weiter und so
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fort. Das ist die Frage und das sind eben
die Neonazis, die hier zur Tat schreiten
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und sozusagen das was sie an rassistischen
Ideen haben nur konsequent umsetzen und
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Menschen aus rassistischen Gründen
ermorden. Und wie gesagt, wir haben zum
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einen gelernt, wie wurden sie
sozialisiert? Wie waren die organisiert
-
und was haben Sie sich dabei gedacht? All
das ist etwas, was wir, wo wir sagen
-
können das wissen wir so ziemlich genau.
Gerade weil das in den 1990er Jahren auch
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sehr stark dokumentiert wurde, von
Menschen die antifaschistisch recherchiert
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haben damals. Als der NSU dann eben
angefangen hat zu morden, Anschläge zu
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begehen. Da gab es natürlich auch
entsprechende polizeiliche Ermittlungen
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und diesen polizeilichen Ermittlungen,
denen wäre es natürlich auch möglich
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gewesen, mal in Richtung rechtes Motiv,
rassistisches Motiv zu schauen und da
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wären Sie dann eigentlich relativ schnell,
auf genau diese Neonazi-Szene getroffen.
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Denn natürlich gab es immer wieder auch
Spekulationen in den Behörden darüber
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rechter Terror gibt es das überhaupt,
eigentlich nicht war dann die Antwort.
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Aber wenn überhaupt, dann diese Struktur,
diese drei. Das heißt auch nach 1998,
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hatte die Polizei eigentlich nicht
vergessen dass die drei nicht mehr da
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sind, also seit 1998 im Untergrund leben.
Aber das hat die Polizei eben nicht getan,
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bei der Mordserie und im Vorhinein, nach
1998 als sie von Jena nach Chemnitz
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umgezogen waren. Man sagt auch
untergetaucht waren, hätten sie sie ja
-
auch festnehmen können und auch das ist
eben nicht geschehen. Diese polizeilichen
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Ermittlungen, sind auch in den letzten
Jahren sehr sehr detailliert angeguckt
-
worden, insbesondere in den
Untersuchungsausschüssen und gerade über
-
die ganz wichtigen Zeitpunkte, nehme ich
beispielsweise zum Untertauchen, 1998 da
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kam es erst zu einer Durchsuchung der
gemeinsamen Garagen und da war Uwe
-
Böhnhardt auch noch anwesend. Er hat dann
gefragt beispielsweise, ob er jetzt mal
-
wegfahren kann. Die Polizisten vor Ort
haben gesagt: "Ja"; dann ist er also
-
weggefahren hat sich die anderen
geschnappt und die sind nach Chemnitz
-
umgezogen. Das wissen wir alles sehr genau
und wirklich geradezu im Minutenablauf.
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Und davon getrennt dann eben die
polizeilichen Ermittlungen nach den Morden
-
und nach den Sprengstoffanschlägen, die
eigentlich alle sehr ähnlich verliefen.
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Nämlich: Man hat sich mit rassistisch
konnotierten Thesen mal auf die Suche nach
-
den möglichen Tätern gemacht und was meine
ich damit? Die Beamten/ Beamtinnen haben
-
also gesehen, dass dort Menschen mit einem
Migrationshintergrund angegriffen wurden
-
und/oder ermordet wurden und haben dann
sich gedacht: "Worum könnte sich's
-
handeln?" und hatten dann eben diese
rassistisch konnotierten Thesen von: Es
-
könnte sich um einen Mafia-Hintergrund
handeln, um sogenannte Familienfehden und
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so weiter und so fort. Also eine
Vorstellungswelt, die wahrscheinlich -
-
oder die wir deswegen rassistisch nennen,
weil es nicht die Gedankenwelt ist, die
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sich bei Polizisten/Polizistinnen auftut,
wenn es sich um weißdeutsche Opfer
-
gehandelt hätte. Deswegen sprechen wir
hier von Rassismus, und zwar von
-
institutionellen Rassismus, also
Rassismus, der die Behörde durchzieht,
-
aber auch von individuellem Rassismus. Das
heißt, wir konnten auch über die letzten
-
Jahre sehen, dass sich einzelne Beamte und
Beamtinnen einfach selber rassistisch
-
geäußert haben, rassistisch verhalten
haben. Und das wissen wir deswegen, weil
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zum einen die Akten eben in den
Untersuchungsausschüssen deutlich gezeigt
-
haben, wie die Verhöre gelaufen sind. Das
heißt, wenn eben Angehörige oder
-
Überlebende gesagt haben, "Wir glauben, es
handelt sich hier um einen rechten
-
Hintergrund", dann wurde das von den
Verhören, den Polizeibeamten/-beamtinnen
-
einfach vom Tisch gewischt und stattdessen
wurde dann nach eben diesen sogenannten
-
Mafiahintergründen gefragt und nicht in
Richtung rechtes Motiv und zugespitzt eben
-
dort, dass in Köln beispielsweise, äh, ne,
in Dortmund beispielsweise eine Zeugin
-
gesagt hat, sie hat die Mörder gesehen und
das waren entweder Nazis oder Junkies. Und
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im Protokoll stand am Ende eben nur das
Wort "Junkies". Also das heißt, es ist
-
immer vom Tisch gewischt worden und
stattdessen ist eben massiv gegen die
-
Familien vorgegangen worden. Also das
heißt, dass beispielsweise den Ehefrauen
-
der Ermordeten auch Fotos von
irgendwelchen fremden Frauen gezeigt
-
wurden und gesagt wurde, "Mit dieser
Person hat dein Mann eine zweite Familie
-
gegründet". Das waren alles Lügen und
sollten dafür dienen, dass eben die
-
Angehörigen aus der Reserve gelockt
werden. Und das zeigt sich ganz gut in
-
diesem Zitat. Das stammt aus einer
Fallanalyse der Polizei. Da stand drin:
-
"Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von
Menschen in unserem Kulturraum mit einem
-
hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten dass
der Täter hinsichtlich seines
-
Verhaltenssystems weit außerhalb des
hiesigen Normen- und Wertesystems verortet
-
ist." Also mit anderen Worten: Weiße Deutsche
Menschen töten sozusagen keine anderen
-
Menschen. Das ist vor dem geschichtlichen
Hintergrund in Deutschland natürlich etwas
-
mutig zu behaupten, aber das ist eben das,
was in der Fallanalyse aus dem Jahr 2006
-
vermerkt war und so waren eben auch die
Ermittlungen geleitet. Und die Polizei hat
-
da wirklich keinerlei Stein unumgedreht
gelassen, das muss man schon sagen. Also
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in Hamburg beispielsweise wurde ein
Wahrsager aus dem Iran dazugeholt, um mit
-
dem dort ermordeten Süleyman Taşköprü
Kontakt aufzunehmen. Es wurde in Nürnberg
-
ein Dönerstand von der Polizei betrieben
mit dem Gedanken "OK, wir zahlen jetzt
-
kein Schutzgeld und dann kommen die
vielleicht auch zu uns und so fassen wir
-
die jetzt" also wirklich solche
Ermittlungsansätze noch und nöcher. Und
-
immer, wenn gefragt wurde: "Könnte sich's
auch um einen rechten Hintergrund
-
handeln?", dann wurde gesagt "Ne, dafür
gibt's... äh, naja, haben wir geguckt aber
-
dafür gibt's keinen Beleg". Und da muss
man mal ganz klar sagen: Auch für diese
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rassistisch konnotierten Thesen gab es
keinerlei Beleg und sie haben das den
-
Opfern und Überlebenden dann einfach
angehangen. Also das heißt, wir haben
-
beispielsweise im Fall von der Ermordung
von Enver Simsek, da hat sich irgendjemand
-
aus dem Gefängnis gemeldet als Informant
und hat eben angegeben, ja er sei mit
-
Enver Simsek immer Richtung Holland
gefahren, um dort Drogen zu kaufen. Und
-
das war von dem Informanten einfach
erfunden, um Hafterleichterungen
-
Hafterleichterung zu bekommen, aber dem
wurde von der Polizei eben extrem viel
-
Gewicht beigemessen und allen Aussagen
dazu - "Es könnte sich hier um einen
-
rechten Hintergrund handeln" - eben gar
nicht. Das heißt, wie gesagt, kein Beleg
-
dafür und trotzdem bis 2011 einfach
relativ unveränderte Ermittlungsrichtung.
-
Und in dem Moment, wo mal daran gedacht
wurde, dass es sich um einen rechten
-
Hintergrund handeln könnte, nämlich im
Jahr 2006, da gab es dann Streit in der
-
bundesweiten Ermittlungsgruppe und es
wurde eben, ja, sich wieder auf diese Art
-
der Ermittlungen geeinigt sozusagen. Und
das heißt, damit haben die
-
Polizeibehörden, hat die Polizei, den NSU
eben auch mitgetragen, weil, sie hätten
-
natürlich mit den richtigen Ermittlungen
den NSU entsprechend stoppen können. Und
-
wir sprechen hier von rassistischen
Ermittlungen oder institutionellen
-
Rassismus oder auch deswegen, weil wir das
an einer Stelle eigentlich ganz gut sehen
-
können. Es gibt drei Mal einen Neuanfang
für die Polizei vor 2011, wo sie in eine
-
andere Richtung hätten ermitteln können,
nämlich: Es gab den Sprengstoffanschlag in
-
der Kölner Probsteigasse; es gab die
Mordserie und es gab den Anschlag in der
-
Kölner Keupstraße. Erst seit 2011 wissen
wir, dass diese Verbrechen
-
zusammengehören, dass die also dem NSU
zuzuordnen sind. Vor 2011 war das nicht
-
klar. Also konnte man eigentlich - hätte
man unabhängig voneinander dort ermitteln
-
können, aber nein. Bei allen drei Fällen
genau das Gleiche und wirklich bis hin zu
-
Einschleusung von verdeckten Ermittlern
Ermittlerinnen, die sich dann an die
-
Familien rangehangen haben, um deren
Vertrauen zu gewinnen, um etwas aus denen
-
herauszubekommen. Der nächste Ring
sozusagen ist die Berichterstattung der
-
Medien, die komplett in die gleiche
Richtung ging. Also das heißt, sie haben
-
zum Einen verlautbaren lassen, was die
Polizei ihnen gesagt hat und haben dann
-
aber im Grunde immer noch ihre eigenen
rassistischen Märchen dazugesponnen. Da
-
gibt es zum Beispiel aus dem Jahr 2011
einen Spiegel-Artikel mit der Überschrift
-
"Düstere Parallelwelt". Er ist aus dem
Sommer 2011, also so etwas wie sechs
-
Monate, bevor der NSU bekannt geworden
ist. Und der Artikel funktioniert also so:
-
Am Anfang steht so eine Überlegung: "Ja,
könnte es einen einzelnen Psychopathen
-
geben, der Menschen aus... oder der
türkische Menschen ermordet, weil er sie
-
so sehr hasst?" Das ist eine These. Aber
nein, das ist ja eigentlich nicht
-
plausibel und dann folgen 2-3 Seiten
eigentlich,ja, so ein rassistisches, so
-
eine rassistische Fantasiewelt, wo eben
die Rede ist von sogenannten
-
Parallelwelten, wo sie mit irgendwelchen
Informanten/Informantinnen sprechen, die
-
genau das bestätigen, dass es sich bei
dieser Mordserie eben um eine Mordserie
-
aus solchen Gründen, wie eben die Polizei
auch vermutet, das heißt beispielsweise
-
einen Mafiahintergrund gibt. Das ist
eigentlich gar nicht groß aufgearbeitet
-
worden, mit wem damals - es gilt ja nicht
nur für den SPIEGEL, das gilt für die
-
andere Medienberichterstattung auch: Wer
sind eigentlich die Leute, mit denen die
-
da gesprochen haben? Welche
Informanten/Informantinnen waren das,
-
denen einfach sozusagen geglaubt wurde,
weil sie genau die eigene Gedankenwelt
-
dort auch bestätigt haben. Das ist, wie
gesagt, kaum aufgearbeitet worden. Und
-
gleichzeitig gab es ja auch noch das Extra
obendrauf, nämlich, dass in der
-
Medienlandschaft damals das sogenannte
Wort von den sogenannten "Dönermorden"
-
erfunden wurde, um diese Mordserie zu
beschreiben. Was ein Wort ist, das
-
rassistisch ist, ohne dass es sich hier um
eine Mordserie mit rechtem Hintergrund
-
hätte handeln müssen. Das heißt, es ist
etwas, was auch schon vor 2011 als
-
rassistisch kritisiert hätte werden
können. Das ist aber eben nicht passiert
-
und gleichzeitig hatte eigentlich
sozusagen die Medien... oder gab es in
-
verschiedenen Zeitungen, auch im SPIEGEL,
auch Artikel über rechten Terror und wie
-
der eigentlich funktioniert. Und dort lag
dasselbe Wissen vor wie eben auch bei der
-
Polizei, nämlich: Wie funktioniert rechter
Terror und wer... wenn, dann wer? Nämlich
-
die drei. Es gibt beispielsweise wieder
SPIEGEL-Artikel aus dem Jahr 2003, wo
-
genau das drinsteht: So funktioniert
rechter Terror und wenn das jemand machen
-
kann, dann sind das Mundlos, Böhnhardt und
Zschäpe, die seit 1998 eben nicht mehr
-
aufzufinden sind sozusagen. Aber auch hier
wurden diese beiden... die Mordserie und
-
dieses Wissen um rechten Terror eben nicht
zusammengebracht. Und auch hier hätte es
-
natürlich einen Unterschied gemacht, wenn
anders... wenn die Berichterstattung
-
anders verlaufen wäre, wenn also
hinterfragt worden wäre, selbst
-
recherchiert worden wäre und in Richtung
rassistisches Motiv gedacht worden wäre.
-
Und das Gleiche gilt dann eben auch für
die Gesellschaft. "Gesellschaft" klingt
-
immer so ein bisschen abstrakt, aber was
ich eigentlich damit sagen möchte, ist:
-
Das Gleiche gilt für uns. Das heißt,
Gesellschaft und die Linke der
-
Gesellschaft, Antifaschist*innen und so
weiter. Die hinterfragen das nicht. Die
-
nehmen zwar die Mordserie vielleicht wahr,
nehmen die Berichterstattung wahr, aber
-
nehmen das offensichtlich weitestgehend
für bare Münze, was dort eben berichtet
-
wird. Und sie hören eben die Angehörigen
nicht, die immer öffentlicher werden, auf
-
einen möglichen rechten Hintergrund
hingewiesen haben. Das heißt, von Anfang
-
an sagen Angehörige und überlebende bei
der Polizei: "Was ist eigentlich mit
-
Neonazis?" Aber dabei bleibt es eben nicht
und so organisieren 2006 die Angehörigen
-
zwei Demonstrationen, und zwar in Kassel
und in Dortmund gehen sie auf die Straße
-
und fordern: "Kein zehntes Opfer; wir
wollen, dass auch in Richtung rechtes
-
Motiv bei dieser Mordserie ermittelt
wird". Und da sind mehrere tausend
-
Menschen auch mitgegangen in Kassel und in
Dortmund. Aber 2006 - was findet parallel
-
statt? Die Fußball-Weltmeisterschaft der
Männer und die ist in diesem Jahr in
-
Deutschland gewesen und wir erinnern uns
an den Spruch von damals. An diesen
-
Leitsatz: "Die Welt zu Gast bei Freunden".
Das war eben das Motto. Und für diese
-
Demonstration hieß das ganz konkret: In
Dortmund die Demonstration hat
-
gleichzeitig zu einem Fußballspiel
stattgefunden und musste verlegt werden,
-
ist dann durch leere Straßen gelaufen und
ist leider eben ungehört geblieben. Und
-
auch da kommt natürlich wieder dieser
Gedanke: Was wäre, wenn das gehört worden
-
wäre? Und ich glaube, das hätte ein
Unterschied ums Ganze bedeuten können,
-
wenn eine, Gesellschaft
Antifaschist*innen, Medien, wer auch immer
-
damit aufmerksamer umgegangen wären, man
also gemeinsam mit den Angehörigen hätte
-
fordern können: Was ist eigentlich, wenn
diese Mordserie einen rechten Hintergrund
-
hat? Aber eben auch das ist nicht
geschehen und so stellt eben dieses 2006
-
nicht nur... ja, also im Nachhinein ist
das ja dieser Bruch oder dieses
-
Neuaufflammen vom deutschen Nationalismus,
wo wieder ganz unverkrampft die
-
Deutschlandfahnen geschwenkt werden
konnten. Und gleichzeitig sind eben die
-
Angehörigen durch die Straßen gelaufen und
somit wird dieser schale Beigeschmack im
-
Rückblick auf diese WM einfach nur noch
stärker. Und gleichzeitig, auch das nicht
-
unerwähnt zu lassen, hat eigentlich auch
die Polizei umgedacht. Dieses Umdenken
-
oder kurzzeitige Umdenken - vielleicht hat
diese Mordserie ja einen rechten
-
Hintergrund - das geschah 2006, also
ungefähr gleichzeitig zu den
-
Demonstrationen. Aber auch da kommt wieder
die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer
-
ins Spiel. Denn man hat sich eben
entschieden, das nicht allzu öffentlich zu
-
kommunizieren in Zeiten der
Weltmeisterschaft, dass man eine rechte
-
Mordserie möglicherweise vorliegen hat,
aber die Täter/Täterinnen nicht dingfest
-
gemacht hat. Also das heißt nicht nur die
Intervention innerhalb der bundesweiten
-
Ermittlungsgruppe haben dann eine Rolle
gespielt, sondern eben auch das Denken an:
-
Was ist eigentlich mit dem schönen Bild
der Fußball-WM in Deutschland und der Welt
-
zu Gast bei Freunden. So, und dann
natürlich der Verfassungsschutz auch als
-
Teil der Gesellschaft, der sein eigenes
Spiel sozusagen gespielt hat. Kann man so
-
sagen. Und zwar hat der Verfassungsschutz
viele, viele V-Leute im Umfeld des NSU
-
geführt. Das heißt, das sind Neonazis, die
für Geld Informationen an die Landesämter
-
und ans Bundesamt für Verfassungsschutz
eben über die Neonazi-Szene gegeben haben.
-
Und wir wissen auch, dass diese V-Leute
eigentlich die wichtigsten Sachen über den
-
NSU auch gemeldet haben, nämlich, die
drei, die sind in Chemnitz, also der erste
-
Unterschlupf nach Jena und die besorgen
sich Waffen und begehen Überfälle. Das
-
sind also Informationen, die dann zeitnah,
das heißt, in den Jahren 98 bis 2000 bei
-
den Landesämtern, beim Bundesamt für
Verfassungsschutz auch vorlagen, die aber
-
eben nicht dazu geführt haben, dass die
drei gefasst wurden, dass die drei
-
gestoppt wurden. Und was wir eben nicht
wissen, ist, ob der Verfassungsschutz
-
tatsächlich auch von der Mordserie
währenddessen gewusst hat. Was wir aber
-
wissen, ist, dass der Verfassungsschutz
seit 2011 eben massiv die Aufklärung
-
behindert und Aufklärung auch verhindert
durch Vertuschung und Aktenschredderei.
-
Das heißt, sehr schnell nach Bekanntwerden
des NSU, nämlich der NSU wird sozusagen
-
bekannt ab dem 4.11.2011 und am 11.11.2011
kommt es zur ersten großen Schredderaktion
-
im Bundesamt für Verfassungsschutz, wo
eben die ersten Akten geschreddert werden
-
und das zieht sich eben über die Jahre so
durch. Immer wieder werden Akten
-
geschreddert, werden Akten
Geheimhaltungsstufen unterlegt, bis zu 120
-
Jahre ein Teil der Akten in Hessen. Also
das heißt, das ist allein dieses
-
Aktenhandling, was zur Vertuschung
beiträgt, aber eben auch die konkreten
-
Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen der Ämter für
Verfassungsschutz, beim Gericht, in den
-
Untersuchungsausschüssen können sich an
nichts erinnern. Wie gesagt, zum Teil
-
Zeiträume von wenigen Monaten, die dann
plötzlich verschwunden sind. Und wenn es
-
eben nicht der Geheimhaltung unterliegt,
haben sie es eben selbst dann nicht
-
gesagt. Das heißt, was hier die große
Frage ist: Was wusste der
-
Verfassungsschutz oder die ganzen Ämter
für Verfassungsschutz? Und warum haben sie
-
so gehandelt, wie sie gehandelt haben oder
- warum haben sie so nicht gehandelt, wie
-
sie eben nicht gehandelt haben? Also das
heißt, an Informationsweitergabe und so
-
weiter und so fort. Das ist aber eben
nicht der Hauptpunkt. Das ist ja häufig
-
dann das, was beim Nachdenken über den
NSU-Komplex übrig bleibt: Ja, der
-
Verfassungsschutz hat dort eben
undurchsichtig gehandelt und so weiter und
-
so fort und nur deswegen hat der NSU
morden können. Und wir glauben eben, dass
-
das nicht so ist, sondern, dass eben es
sich um ein gesamtgesellschaftliches
-
Verhältnis handelt. Und das heißt, diese
Schichten tragen den NSU... mitgetragen,
-
hätten ihnen also auf der anderen Seite
auch am Morden hindern können oder hätten
-
zumindest einen Unterschied machen können
und hätten damit auch - da fehlt sozusagen
-
der Pfeil - das Handeln des
Verfassungsschutzes unterbrechen können,
-
weil natürlich, wenn die Polizei in
Richtung rechts ermittelt hätte, die drei
-
sozusagen ermittelt hätte, dann hätte der
Verfassungsschutz ja so viele V-Leute, wie
-
er gehabt hätte um den NSU drumrum haben
können - es hätte trotzdem sozusagen dann
-
keinen Unterschied gemacht. Und das
Gleiche gilt eben auch für die anderen
-
Ebenen. Und das Perfide ist: Der NSU hat
das auch mitbekommen. Aus dem Untergrund
-
heraus haben Sie mitbekommen, wie mit der
Mordserie umgegangen wurde und dass eben
-
gegen die Angehörigen und die Überlebenden
ermittelt wurde. Dass die in den
-
Zeitungen, wie in den Zeitungen über die
Mordserie berichtet wurde und wie eben
-
über die Angehörigen und Überlebenden in
den Zeitungen und im Fernsehen eben
-
gesprochen wurde, nämlich auf rassistische
Art und Weise. Der NSU hat tatsächlich ein
-
Zeitungsarchiv angelegt über die eigene
Mordserie. Und deswegen wissen wir, dass
-
sie das eben mitbekommen haben. Und das
muss ihnen ja auch noch gleichzeitig
-
sozusagen noch mehr Antrieb gegeben haben,
dass sie also gesehen haben: Nicht nur
-
haben sie diese Menschen ermordet, sondern
zusätzlich dazu geht jetzt auch noch die
-
Polizei gegen diese Familien vor und
drangsaliert die. Und die Medien und die
-
Gesellschaft hört das nicht. Und der NSU
hat auch die Demonstrationen 2006
-
mitbekommen. Und das ist eigentlich das
Perfideste in diesem Bekennervideo von
-
2011: Da taucht eben, tauchen diese
Demonstration, Bilder, Videobilder von den
-
Demonstrationen in Dortmund und Kassel,
die sind in diesen Bekennervideo zu sehen.
-
Also das hatten sie auf dem Zettel und
müssen sich eben dadurch bestärkt gefühlt
-
haben. Und da kommt natürlich aber
gleichzeitig auch noch das
-
gesellschaftliche Umfeld des NSU mit zum
Tragen. Die waren ja nicht nur umgeben von
-
ihrem festen Neonazi-Netzwerk, sondern
haben eben gelebt in Nachbarschaften in
-
Chemnitz und in Zwickau. Und insbesondere
die Nachbarn/Nachbarinnen in Zwickau - das
-
waren keine organisierten Neonazis in dem
Sinne. Das waren, wie sie sich selber
-
bezeichnet haben, ganz normale Menschen
mit ganz normalen Ansichten. Und vor
-
Gericht kam dann raus, was diese normalen
Ansichten sind: Nämlich in dem Umfeld in
-
Zwickau war es normal, sich rassistisch zu
äußern, war es normal, dass dort
-
Hitlerbüsten im Partykeller ausgestellt
werden und so weiter und so fort. Und das
-
heißt, das ist zwar etwas, was wir uns nur
vorstellen oder was wir nur spekulieren
-
können, aber sich in diesen
Nachbarschaften zu bewegen, muss für den
-
NSU geheißen haben, dass sie sich nicht
groß verstellen mussten, wenn sie sich...
-
wenn sie eine rassistische Äußerung
gemacht haben, sondern, dass das dort eben
-
dazugehört hat. Und gleichzeitig heißt das
auch oder könnte es auch heißen, dass sie
-
sich auch davon bestärkt gefühlt haben.
Der NSU ist, wie gesagt, in den 1990er
-
Jahren sozialisiert worden, als es einen
massiven gesellschaftlichen Rechtsruck
-
damals auch in Deutschland gab mit den
Pogromen beispielsweise in Rostock-
-
Lichtenhagen, mit den Brandanschlägen in
Mölln und Solingen. Und dieser
-
gesellschaftliche Rassismus damals hat
ihnen oder muss ihnen Mut gegeben haben.
-
Und in Zwickau konnten sie dann immer
wieder feststellen, das hat sich
-
wahrscheinlich auch nicht geändert, dass
das in der Bevölkerung weit verbreitet
-
ist. Und gleichzeitig neben dem, das es
eben nicht nur Neonazis für rechten Terror
-
braucht, sondern die gesamte Gesellschaft,
heißt das aber auch im Umkehrschluss:
-
Daraus entstehen auch unsere
Handlungsmöglichkeiten. Daraus entsteht
-
auch: Was können wir aus dem NSU-Komplex
lernen, um rechten Terror zu verhindern?
-
Was wir in den letzten Jahren sehen
können, ist, dass einige
-
Akteure/Akteurinnen jetzt nicht besonders
viel aus dem NSU-Komplex gelernt haben und
-
höchstwahrscheinlich auch gar nicht lernen
wollten. Also wir hatten jetzt in den
-
letzten Wochen den Skandal um den
sogenannten NSU 2.0, wo sich zumindest
-
wahrscheinlich Teile dessen in der
Frankfurter Polizei oder in der Polizei in
-
Hessen bewegen, was ist natürlich eine
Kontinuität von rassistischen Strukturen
-
in der Polizei dargestellt. Wir sehen,
dass der Verfassungsschutz weiterhin nicht
-
in der Lage ist, Neonazis - und auch nicht
willentlich ist, ganz offensichtlich -
-
Neonazis Einhalt zu gebieten und die
Medienberichterstattung - ja, mal so, mal
-
so. Und das heißt, was uns natürlich übrig
bleibt, ist, dass wir aus dem NSU-Komplex
-
lernen können und dass wir unsere
Verhaltensweisen, unsere Denkweisen so
-
verändern können, dass zumindest wir eine
andere Rolle spielen im Fall von rechten
-
Terror. Weil das gilt nicht nur für den
NSU, das gilt auch für sonstigen rechten
-
Terror. Daraus ergeben sich eben
Perspektiven. Was heißt das also: Sein
-
Handeln ändern, was heißt das: Lernen aus
dem NSU-Komplex? Das muss natürlich auch
-
jeder/jede für sich selber so ein bisschen
wissen, aber so ein paar Ansatzpunkte gibt
-
es natürlich schon. Zum einen natürlich
Initiativen, die sich direkt mit dem NSU-
-
Komplex auseinandersetzen und da
beispielsweise Gedenkarbeit machen. Das
-
heißt, eine unserer gesellschaftlichen
antifaschistischen Aufgaben ist es
-
natürlich, dass das, was passiert ist
nicht in Vergessenheit gerät. Dass wir
-
also die Mordopfer des NSU nicht
vergessen, dass wir nicht vergessen, dass
-
Menschen für ihr Leben lang eben von den
Anschlägen, von den Morden gezeichnet sein
-
werden und das heißt, in den letzten
Jahren ist eben etwas entstanden, das in
-
den verschiedenen Tatortstädten es eben
Gedenkveranstaltungen gibt,
-
Gedenkdemonstrationen, Gedenktafeln,
unterschiedliche Arten des Gedenkens. Das
-
hängt immer jeweils davon ab, wie sich die
Stadt dort vor Ort verhält; das hängt auch
-
davon ab, was die Familien für Wünsche
haben. Und so sieht das eben in allen
-
Tatortstädten unterschiedlich aus, ist
aber eben etwas, was extrem wichtig ist.
-
Was wir hier oben sehen, ist eine
Demonstration im letzten Jahr in Kassel.
-
Man sieht das schon, die sieht ähnlich aus
wie die "Kein zehntes Opfer"-Demonstration
-
und hieß damals eben "Kein nächstes Opfer"
und hat sich natürlich auch damit befasst,
-
dass wir jetzt auch wieder einen
gesellschaftlichen Rechtsruck erleben,
-
dass man sich also vorstellen kann, dass
auch wieder Neonazis sich von der
-
gesellschaftlichen Stimmung bestärkt
fühlen. Organisierte Neonazis, nicht
-
organisierte Neonazis, Rechte,
Rassisten/Rassistinnen, AntisemitInnen und
-
so weiter sich eben bestärkt fühlen und
deswegen ihre Ideologie mit Gewalt
-
umsetzen. Und deswegen die Forderung auch,
"Kein nächstes Opfer". Dann hier unten
-
Gedenkbänke an Mehmet Turgut, der in
Rostock ermordet wurde und das ist zum
-
Beispiel eine Gedenkveranstaltung, wo die
Stadt Rostock auch mit Anteil hat, weil
-
das eben ein Wunsch der Familie ist. Und
hier drüben sehen wir eine Gedenktafel im
-
Gedenken an Ismail Jascha. Das ist keine
offizielle Gedenktafel der Stadt. Das gibt
-
es in Nürnberg eben nicht, sondern dort
sorgt sich eine antifaschistische
-
Initiative darum, dass die... dass dort
Gedenkveranstaltungen stattfinden und dass
-
diese Gedenktafeln dort hängen, weil die
werden immer wieder beschädigt,
-
kaputtgemacht, weggenommen und
dementsprechend... ja. Und eben, das eine
-
ist das Gedenken, das andere ist eben
konkret die Forderung der Familien und der
-
Angehörigen umzusetzen, soweit es eben uns
möglich ist. Das heißt, die Familien haben
-
häufig Forderungen nach Aufklärung, haben
aber auch ganz konkrete Forderungen, wie
-
in Kassel die Familie von Halit Yozgat,
die eben fordert, dass die Holländische
-
Straße, in der ihr Sohn ermordet wurde,
dass die umbenannt wird in Halitstraße für
-
alle Halits und dass nie wieder ein Halit
ermordet wird aus rassistischen Gründen.
-
Deswegen soll diese Holländische Straße
umbenannt werden. Die Stadt Kassel sperrt
-
sich dagegen. Die hat stattdessen einen
vorher unbenannten Platz schräg gegenüber
-
des ehemaligen Internetcafés umbenannt und
eine Straßenbahnhaltestelle und sagt eben,
-
"OK, das reicht an Verantwortungsübernahme
hier in Kassel". Und gleichzeitig ist die
-
Stadt inzwischen auch so weit zu sagen,
"Wir ziehen uns zurück aus der offiziellen
-
Gedenkveranstaltung" und stattdessen wird
es jetzt sozusagen eine nichtöffentliche
-
Wissenschaftspreisvergabe zum Thema NSU
geben. Und das heißt, es ist an
-
Aktivisten/AktivistInnen, diese Forderung
umzusetzen beziehungsweise der immer
-
wieder auch Nachhall zu geben und das
passiert in Kassel auch sehr stark, durch
-
Straßenumbenennungen, beispielsweise auch
bei der letztjährigen Documenta war auf
-
der offiziellen Documenta-Stadtkarte die
Holländische Straße also in Halitstraße
-
umbenannt. Und das ist eben etwas, was
ganz konkret jetzt auch in den nächsten
-
Jahren natürlich so weitergehen muss. Das
Gedenken muss weitergehen und eben das
-
Ausloten dessen, inwieweit kann... können
wir eigentlich als Gesellschaft die
-
Forderungen der Angehörigen und
Überlebenden, die häufig öffentlich
-
einfach nachlesbar sind, eigentlich
umsetzen. Und eine der Forderungen der
-
Angehörigen, aber auch eine unserer
zentralen Forderungen, ist natürlich die
-
nach weiterer Aufklärung. Das heißt, diese
offenen Fragen: Das Neonazinetzwerk, das
-
Handeln des Verfassungsschutzes, das
Handeln der Behörden, die
-
Vertuschungsaktionen der Behörden - was
ist eigentlich damit? Wann werden diese
-
Fragen beantwortet? Wann wird dort endlich
aufgeklärt? Und deswegen gibt es auch
-
Initiativen, die eben weitere Aufklärung
fordern, ganz konkret beispielsweise in
-
Hamburg. Die Initiative zur Aufklärung des
Mordes an Süleyman Taşköprü, die in
-
Hamburg fordern: Es muss einen
Untersuchungsausschuss geben, denn Hamburg
-
ist weiterhin das letzte Tatortland des
NSU, wo es keinen Untersuchungsausschuss
-
gegeben hat. Natürlich haben wir In den
letzten Jahren gesehen, dass diese
-
parlamentarische Untersuchungsausschüsse
jetzt auch nicht das Allheilmittel sind.
-
Also das heißt, nur weil es sie gibt,
heißt das nicht, dass am Ende die
-
komplette Aufklärung steht. Aber natürlich
ist es ein Mittel, was zumindest einmal
-
angewandt werden musste und was... ja, wo
der Staat die Städte, und in dem Fall
-
konkret Hamburg, eben ein Stück weit auch
Verantwortung für das eigene Handeln
-
übernehmen müssen. In Hamburg gibt es
stattdessen nur
-
Symbolpolitik.Beispielsweise wurde eine
Straße umbenannt und dort gab es eine
-
offizielle Entschuldigung des Senats, aber
einen Untersuchungsausschuss möchte man
-
nicht einrichten mit der Begründung, die
wir auch in anderen Bundesländern, wie zum
-
Beispiel Bayern, hören: "Ja, das ist ganz
wichtig alles. Aber solange wir keine
-
neuen Informationen haben, können wir
leider keinen Untersuchungsausschuss
-
einrichten." Und so ist es eben an
zivilgesellschaftlichen Initiativen, diese
-
diese Aufklärung weiterhin einzufordern,
aber auch zu versuchen die Aufklärung
-
selber voranzutreiben. Das sehen wir
natürlich auch als unsere Aufgabe, als
-
AntifaschistInnen, NSU-Watch und so
weiter, nämlich unseren eigenen Anteil zur
-
Aufklärung auch beizutragen. Also das
heißt, am Anfang - kurz nach Bekanntwerden
-
des NSU - da ging das los, dass
Antifaschistinnen/Antifaschisten da in den
-
Archiven geguckt haben, für Informationen
gesorgt haben, recherchiert haben. Und das
-
hat seitdem auch nie aufgehört. So sehen
wir auch unsere Rolle als NSU-Watch. Wir
-
sind nicht einfach nur Beobachter/
Beobachterinnen, sondern wir sind selber
-
Akteure und Akteurinnen in der Aufklärung
des NSU-Komplexes und... beispielsweise,
-
welche von den offenen Fragen kann man
vielleicht als Gesellschaft möglicherweise
-
beantworten? Ich glaube, dass wir eher die
Frage nach dem Neonazi-Netzwerk
-
beantworten können, als die nach dem Warum
des Handeln des Verfassungsschutzes. Aber
-
das werden eben die nächsten Jahre zeigen,
aber da bin ich eigentlich relativ
-
optimistisch, dass wir da den Antworten
auch noch näher kommen. Und wir haben auch
-
gesehen, seit Ende dieses Prozesses, haben
die Forderungen nach Aufklärung nicht
-
aufgehört. Für manche war das vielleicht
das Ende des NSU-Komplexes, aber für
-
viele, viele eben nicht. Dann gibt es auch
Initiativen, die sich... oder wo ich sagen
-
würde, das könnte es bedeuten, als
Initiative, als Gesellschaft aus dem NSU-
-
Komplex zu lernen und sich gar nicht
direkt mit dem NSU-Komplex zu
-
beschäftigen, sondern eben mit anderen
möglichen rassistischen Morden, mit
-
rechtem Terror. Da gibt es zum einen die
Burak Bektaş-Initiative aus Berlin, die
-
sich mit dem Mord an Burak Bektaş
befassen, der 2012 auf offener Straße
-
ermordet wurde. Burak Bektaş stand mit
seinen Freunden in einer Gruppe in Berlin-
-
Neukölln und da trat eben ein weißer Mann
auf sie zu und hat auf sie geschossen und
-
ist dann eben wortlos wieder weggegangen.
Und Burak Bektaş hat diesen Anschlag eben
-
nicht überlebt. Und in Neukölln gibt es
bis heute Neonazi-Umtriebe und es spricht
-
einfach sehr viel dafür, dass es sich hier
um einen möglichen rassistischen Mord
-
handelt. Das ist bis heute aber nicht
aufgeklärt worden. Aber diese Initiative
-
kämpft eben gemeinsam mit der Familie
darum, dass das aufgeklärt wird. Und sie
-
haben auch dieses Denkmal in Berlin-
Neukölln schon erkämpfen können. Das
-
heißt, hier ist... wird gemeinsam mit den
Betroffenen gekämpft und die Familie wird
-
eben nicht alleingelassen. Und einfach nur
diese Vorstellung, sowas hätte man vor
-
2011 geschafft mit den Angehörigen, die
wir vorher auf dem Foto der Demonstration
-
gesehen haben - ich glaube schon, dass
das einen großen Unterschied gemacht
-
hätte. Dann gibt es viele Initiativen, die
die Geschichte des rechten Terrors seit
-
1945 aufarbeiten, das heißt, die nach 2011
noch einmal geschaut haben: Wie sieht
-
diese Kontinuität eigentlich aus? Und das
ist eine Initiative aus Hamburg, deren
-
Gedenken wir hier sehen. Das ist die
Initiative in Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu
-
und Đỗ Anh Lân, die sich in Hamburg
gegründet hat und die an die beiden Opfer
-
des Brandanschlags von 1980 in Hamburg
gedenken. Dieser Brandanschlag ist 1980
-
von den Deutschen Aktionsgruppen verübt
worden und ist... war... hat damals auch
-
viel Aufmerksamkeit bekommen, ist aber
dann jahrelang in Vergessenheit geraten.
-
Und diese Initiative hat sich eben
gegründet, nachdem sie auf den
-
Brandanschlag aufmerksam geworden sind,
haben sich auch mit Überlebenden und mit
-
Angehörigen zusammengetan und kämpfen
jetzt dort in Hamburg um einen Gedenkort
-
und machen eben eine jährliche
Gedenkveranstaltung auch dort. Und so
-
kehren immer mehr rechte Anschläge, rechte
Terroranschläge zurück in, zumindest ein
-
linkes Gedächtnis, zurück in, ein Stück
weit, ein kollektives Gedächtnis.
-
Anschläge, die lange Zeit vergessen waren,
an die wird sich jetzt eben wieder
-
erinnert. Und so kann eben auch gezeigt
werden: Rechter Terror, das ist... sind
-
nicht nur so verrückte Einzelfälle, die
eben mal passieren, sondern das ist etwas,
-
was eine Kontinuität hat und wo sich die
Täter/Täterinnen immer an den ähnlichen
-
Konzepten orientieren, die eben geeint
sind von, ja, der rassistischen Ideologie.
-
Dann hier ein Bild auch aus Hamburg,
nämlich sozusagen ein Symbolbild vom
-
S-Bahnhof Veddel. Am S-Bahnhof Veddel gab
es im letzten Jahr im Dezember einen
-
Sprengstoffanschlag. Und sehr schnell
wurde auf Social Media darauf aufmerksam
-
gemacht, dass es sich hier um einen
rechten Anschlag handeln könnte. Nämlich
-
deswegen, weil der S-Bahnhof Veddel der
Zugang ist zu den Vierteln Veddel und
-
Wilhelmsburg in Hamburg, die ja sehr stark
migrantisch geprägt sind und wo auch viele
-
linke Menschen leben. Und deswegen wurde
gesagt: Hier könnte es sich also um einen
-
rechten Anschlag handeln. Und das konnte
man deswegen sagen, weil rechter Terror
-
funktioniert eben so, dass die Taten
häufig ohne Bekennerschreiben auskommen.
-
Also daran kann man es schon mal nicht
erkennen, auch wenn das die Polizei und
-
Medien bis heute glauben, dass man rechten
Terror an Hakenkreuzschmierereien oder so
-
erkennt. Das stimmt eben nicht, sondern
man erkennt die als Botschaftstat. Das
-
heißt, man muss schauen: Wer waren
möglicherweise die gemeinten Menschen,
-
also wer war als Opfer, als Betroffener
hier gemeint? Und wenn es da eben eine
-
Übereinstimmung gibt mit rechter
Ideologie, dann könnte es sich um rechten
-
Terror handeln. Und häufig gibt es eben
Überschneidungen in der Vorgehensweise.
-
Also hier ein Sprengsatz, der erinnert hat
an das Vorgehen der Gruppe Freital, die
-
also ähnliche Sprengkörper benutzt haben,
und dadurch, dass der Sprengsatz auch mit
-
Schrauben versehen war, haben auch viele
an den Nagelbombenanschlag in der Kölner
-
Keupstraße gedacht. Also das heißt,
Opferauswahl, potentielle, und die
-
Vorgehensweise. Deswegen haben viele
Menschen daran gedacht: Hier könnte es
-
sich um einen rechten Hintergrund handeln.
Der Täter ist dann festgenommen worden.
-
Das war Stefan Kronbügel aus Hamburg, ein
altbekannter Neonazi, der schon einmal in
-
den 90er Jahren aus rechten Gründen
gemordet hatte. Und das heißt, noch ein
-
weiteres Indiz dafür, dass es sich hier um
rechten Terror gehandelt hat. Dann konnte
-
man sehen, wie war das, wer reagiert wie?
Die Polizei hat runtergespielt, die haben
-
immer gesagt: "Nein, der ist kein Neonazi
mehr, weil der ist nicht organisiert und
-
der ist jetzt in der sogenannten
Trinkerszene." Als ob das das irgendwie
-
ausschließen würde, dass der Rassist oder
Neonazi sein könnte. Das war eben aber
-
das, wie die Polizei das verhandelt hat.
Und gleichzeitig kam kein Bericht dar...
-
sozusagen ohne die Erwähnung des
Hintergrunds des Täters aus. Und dann hat
-
eben sich für den Gerichtsprozess diesen
Jahres auch eine Prozessbeobachtungsgruppe
-
gegründet, die diesen Prozess eben
beobachtet hat und bis zum Ende mit
-
beobachtet hat und am Ende stand das
Urteil: Zehn Jahre für den Täter wegen
-
versuchten Mordes. Und das Gericht sah ein
rassistisches Motiv als sehr
-
wahrscheinlich an, zwar nicht beweisbar,
aber als sehr wahrscheinlich. Und das
-
heißt, hier konnte darauf aufmerksam
gemacht wurden: "Wir glauben nicht, dass
-
das eine unpolitische Tat ist, sondern wir
glauben, dass das rechter Terror ist." Und
-
das heißt, glaube ich, auch aus dem NSU
Komplex lernen und man sieht das auch
-
immer wieder in Social Media-Bereich.
Insbesondere, dass also solche Aussagen
-
von Polizei, dass es bei bestimmten
Anschlägen keinen rechten Hintergrund hat,
-
dass dem nicht geglaubt wird, dass dem
entgegengetreten wird, dass also rechter
-
Terror von der Gesellschaft, von uns
aufgedeckt werden kann. Natürlich heißt
-
Lernen aus dem NSU-Komplex, sich dem
aktuellen Rechtsruck entgegen zu stellen.
-
Das wird ja sehr viel diskutiert, wie das
möglich sein könnte; leider haben auch wir
-
nicht die endgültige Antwort darauf, wie
das eigentlich funktionieren kann, sich
-
dem Rechtsruck entgegenzustellen und den
auch zurückzudrängen. Weil das wäre
-
natürlich das Ziel, dass man diesen
Rechtsruck ein Stück weit oder möglichst
-
weit rückgängig machen kann. Aber leider
gibt es bis dahin, gibt es da auch kein
-
Patentrezept, aber was wir sagen können,
wenn wir lernen aus dem NSU-Komplex, ist
-
das eigentlich das Einzige, was Rechte und
Neonazis verstehen, tatsächlich eine
-
Grenzsetzung ist, ein gesellschaftlicher
Aushandlungsprozess, an dem klar ist: Das
-
ist sozusagen nicht akzeptiert. Und daran
zeigt sich natürlich auch, wo ist
-
eigentlich für eine Gesellschaft eine
Grenze, wie weit rückt eine Gesellschaft
-
nach rechts? Aber, wie gesagt, da gibt
noch keine... leider noch keine Antwort
-
darauf, aber mit oder ohne NSU-Komplex im
Hintergrund ist das natürlich das, was
-
derzeit das Wichtigste ist. Und natürlich:
Kein Schlussstrich unter den NSU-Komplex.
-
Das bleibt auch weiterhin unsere
Perspektive. Die Fragen sind nicht
-
beantwortet, die Forderungen der
Angehörigen sind nicht erfüllt worden. Es
-
muss... die Aufklärungsversprechen sind
alle gebrochen worden. Das heiß,t es ist
-
jetzt an uns, diese Versprechen vielleicht
ein Stück weit zu erfüllen und eben
-
weiterhin zu sagen: Der NSU-Komplex, das
ist nichts was für uns abgeschlossen ist,
-
sondern das muss eben weitergehen. Wie
gesagt: Antworten finden, Forderungen
-
erfüllen und dem gesamtgesellschaftlichen
Rassismus, der, wie, ich vorhin eben
-
gezeigt habe, den NSU-Komplex oder den NSU
mitgetragen hat, bei den Morden getragen
-
hat, eben entgegentreten und letztlich
auch natürlich abschaffen. Ja.
-
Applaus
Herald: Vielen Dank, Caro, für diesen
-
tollen Talk. Wir haben ganz kurz noch Zeit
für 1-2 Fragen und der Fairness halber
-
würde ich mit einer Frage aus dem Internet
beginnen.
-
Signal Angel: Aufgrund der mangelhaften
Ermittlungen, dass eben nicht in alle
-
Richtungen ermittelt wurde: Haben die
Beamten etwas zu befürchten?
-
Caro Keller: Also bisher nicht. Also es
gibt sozusagen weder für das Neonazi-
-
Netzwerk noch für die
Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen der Behörden
-
irgendwelche ernstzunehmenden
Konsequenzen. Da sind zwar sogar auch
-
Menschen in den Behörden benannt worden,
sowohl Polizei als auch Verfassungsschutz,
-
aber wir konnten da bisher keinerlei
Konsequenzen sehen, geschweige denn davon,
-
dass die irgendwie strafrechtlich belangt
werden. Es ist auch die Position der
-
Bundesanwaltschaft zu sagen: Kein
strafrechtliches Handeln des Staates. Das
-
ist sicherlich so nicht richtig, aber da
wird es wahrscheinlich leider keine
-
Konsequenzen geben, müssten aber natürlich
entsprechend gefordert werden.
-
Herald: Und dann nehmen wir noch eine
letzte Frage aus dem Publikum. Hier vorne
-
von dem Mikrofon Nr. 2.
Mikrofon 2: Ja, hallo. Es gab ja vor
-
einigen Monaten einen Anschlag auf eine
bayerische Bahnstrecke, wo ein Stahlseil
-
über eine Bahnstrecke gespannt wurde, wo
dann ein ICE dagegengefahren ist. Dagegen
-
ist nichts passiert. Es wurde ein
Bekennerschreiben in arabischer Sprache
-
gefunden, wobei es im Nachhinein aus den
Polizeirmittlungen hieß, es könnte sich
-
möglicherweise um einen rechtsextremen
Terroranschlag handeln. Wie ist das, sind
-
dir von deinen Kenntnissen und Erfahrungen
aus den vergangenen Jahren und Jahrzehnten
-
möglicherweise "false flag" rechtsextreme
Anschläge bekannt, die eigentlich so getan
-
wurden, dass sie möglicherweise einer...
ihrer gegnerischen Gruppe quasi
-
zugeschoben werden sollten?
Caro Keller: Das ist ja eine der
-
Strategien auch von rechtem Terror, genau
solche "false flag"-Aktionen zu machen,
-
das heißt also, einen Anschlag zu verüben
und dann so zu tun, als käme der entweder
-
von linker Seite oder von islamistischer
Seite und dadurch also ein... die
-
gesellschaftliche Spannung und
gesellschaftliche rassistische Stimmung
-
oder Stimmung gegen links eben
voranzutreiben und dadurch eben Menschen
-
Richtung rechts zu bewegen. Das ist
sozusagen die Idee dahinter und
-
beispielsweise der Anschlag in Italien auf
den Bahnhof in Bologna war genau so ein
-
Anschlag. Ein "false flag"-Anschlag, der
dann eine ganze Zeit lang sozusagen Linken
-
zugeschrieben wurde und der dann
tatsächlich auch dazu geführt hat, dass
-
Rechte mehr Wahlstimmen bekommen haben,
dass also diese... ja, diese Strategie
-
dahinter, das ist ja auch das, was Franco
A. wahrscheinlich vorgehabt hat, der
-
rechte Bundeswehrsoldat, der rechten
Terror eben geplant hat. Der hatte sich ja
-
auch als syrischer Flüchtling registrieren
lassen und wahrscheinlich hatte der eben
-
auch solche "false flag"-Aktionen vor. Und
genau zu diesem Anschlag auf die
-
Obertrasse des ICE gibt es jetzt nochmal
von vor ein paar Tagen einen ähnlichen
-
Anschlag in Berlin auf das Streckennetz,
der genauso war. Oberleitung und ringsrum
-
eben Flyer in arabischer Sprache, was eben
auch genau so ein "false flag" Anschlag
-
sein könnte. Und genau das versuchen wir
auch eben immer im Blick zu haben,
-
mitzunehmen, im Hinterkopf zu haben und
dort auf Aufklärung zu drängen und das
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eben zu bemerken. Also das ist, glaube
ich, auch das ganze Zentrale, dass eben
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wir dran sind, solche Sachen richtig
zuzuordnen oder zumindest wahrzunehmen und
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dann so zuzuordnen.
Herald: Vielen Dank für eure Fragen,
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besonders vielen Dank für die Antworten
und sowieso nochmal ganz vielen Dank für
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diesen tollen Talk, Caro. Bitte nochmal
einen großen Applaus.
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Applaus
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