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Wie wir die nicht funktionierende Flüchtlingsregelung in Ordnung bringen

  • 0:01 - 0:06
    Es gibt Zeiten, in denen ich mich
    richtig schäme, Europäer zu sein.
  • 0:06 - 0:08
    Im letzten Jahr
  • 0:08 - 0:13
    kamen mehr als eine Million Menschen
    in Europa an, die unsere Hilfe benötigen,
  • 0:13 - 0:16
    und unsere Reaktion darauf war
    ehrlich gesagt erbärmlich.
  • 0:17 - 0:19
    Es gibt einfach so viele Widersprüche.
  • 0:20 - 0:25
    Wir beklagen den tragischen Tod
    des zweijährigen Alan Kurdi,
  • 0:26 - 0:30
    und dennoch sind seither
    über 200 weitere Kinder
  • 0:30 - 0:32
    im Mittelmeer ertrunken.
  • 0:34 - 0:36
    Wir haben internationale Abkommen,
  • 0:36 - 0:39
    die Flüchtlinge als geteilte
    Verantwortung definieren
  • 0:39 - 0:42
    und dennoch akzeptieren wir,
    dass das kleine Libanon
  • 0:42 - 0:45
    mehr Syrier beherbergt als ganz Europa.
  • 0:46 - 0:50
    Wir beklagen die Existenz
    von Menschenschmugglern,
  • 0:50 - 0:54
    und dennoch ist dies unseretwegen
    der einzige Möglichkeit,
  • 0:54 - 0:56
    um in Europa Asyl zu beantragen.
  • 0:57 - 1:00
    Wir haben Fachkräftemangel und dennoch
    schließen wir Menschen aus,
  • 1:00 - 1:05
    die unserem ökonomischen
    und demographischen Bedarf entsprechen.
  • 1:07 - 1:13
    Wir verkünden unsere Toleranz als
    Gegensatz zum fundamentalistischen Islam,
  • 1:13 - 1:14
    und dennoch
  • 1:16 - 1:18
    ergreifen wir repressive Maßnahmen,
  • 1:18 - 1:21
    wie das Einsperren
    von Asyl suchenden Kindern,
  • 1:21 - 1:24
    das Trennen der Kinder von ihren Familien
  • 1:25 - 1:28
    und das Beschlagnahmen
    des Eigentums der Flüchtlinge.
  • 1:29 - 1:31
    Was tun wir da?
  • 1:31 - 1:33
    Wie sind wir dazu gekommen,
  • 1:33 - 1:36
    dass wir so eine unmenschliche Reaktion
  • 1:36 - 1:39
    auf eine humanitäre Krise
    angeeignet haben?
  • 1:39 - 1:42
    Ich glaube nicht, dass es
    den Leuten egal ist,
  • 1:42 - 1:45
    zumindest will ich nicht glauben,
    dass es den Leuten egal ist.
  • 1:45 - 1:49
    Ich glaube, dass unseren Politikern
    eine Vision fehlt --
  • 1:49 - 1:54
    eine Vision, wie eine über 50 Jahre alte
    internationale Flüchtlingsregelung
  • 1:54 - 1:58
    an eine sich verändernde, globalisierte
    Welt angepasst werden kann.
  • 1:58 - 2:00
    An dieser Stelle gehe ich
    einen Schritt zurück
  • 2:00 - 2:06
    und stelle zwei sehr grundlegende Fragen,
    die wir uns alle stellen sollten.
  • 2:06 - 2:10
    Erstens: Warum funktioniert
    die derzeitige Regelung nicht?
  • 2:10 - 2:14
    Zweitens: Was können wir tun,
    um es in Ordnung zu bringen?
  • 2:15 - 2:17
    Die moderne Flüchtlingsregelung
  • 2:17 - 2:22
    wurde in Folge des Zweiten Weltkrieges
    von diesen Leuten entwickelt.
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    Deren Hauptziel ist es
    sicherzustellen, dass,
  • 2:25 - 2:29
    wenn ein Staat versagt, oder schlimmer,
    sich gegen seine eigenen Leute wendet,
  • 2:29 - 2:31
    Menschen fliehen können,
  • 2:31 - 2:35
    um in Sicherheit und Würde zu leben,
    bis sie nach Hause zurückkehren können.
  • 2:35 - 2:40
    Sie wurde genau für Situationen
    wie im heutigen Syrien geschaffen.
  • 2:41 - 2:46
    Mit einem internationalen Abkommen,
    unterzeichnet von 147 Regierungen,
  • 2:46 - 2:49
    dem Abkommen von 1951
    zum Flüchtlingsstatus,
  • 2:49 - 2:52
    und einer internationalen
    Organisation, der UNHCR,
  • 2:52 - 2:57
    haben die Staaten sich gegenseitig
    verpflichtet, Menschen aufzunehmen,
  • 2:57 - 2:59
    die vor Konflikt und Verfolgung fliehen.
  • 3:00 - 3:03
    Doch nun funktioniert
    diese Regelung nicht mehr.
  • 3:03 - 3:06
    Theoretisch haben Flüchtlinge
    das Recht auf Asyl.
  • 3:07 - 3:09
    Praktisch blockiert
    unsere Einwanderungspolitik
  • 3:09 - 3:11
    den Weg in die Sicherheit.
  • 3:11 - 3:16
    Theoretisch haben Flüchtlinge
    ein Recht auf einen Weg zur Integration
  • 3:16 - 3:18
    oder zur Rückkehr in ihr Heimatland.
  • 3:18 - 3:22
    Aber in der Praxis stecken sie in einem
    fast unendlichen Schwebezustand fest.
  • 3:22 - 3:26
    In der Theorie sind Flüchtlinge
    eine geteilte globale Verantwortung.
  • 3:26 - 3:30
    In der Praxis nehmen Länder,
    die nah an der Konfliktzone liegen,
  • 3:30 - 3:34
    die überwältigende Mehrheit
    der Flüchtlinge weltweit auf.
  • 3:35 - 3:38
    Die Regelung funktioniert nicht
    aufgrund einzelner falscher Regeln.
  • 3:38 - 3:41
    Wir wenden sie nur nicht richtig,
    auf eine sich verändernde Welt an,
  • 3:42 - 3:44
    und dies müssen wir überdenken.
  • 3:44 - 3:49
    Ich möchte Ihnen erklären,
    wie die jetzige Regelung funktioniert.
  • 3:49 - 3:52
    Wie funktioniert
    die Flüchtlingsregelung eigentlich?
  • 3:52 - 3:55
    Aber ich erkläre sie nicht aus
    der institutionellen Perspektive,
  • 3:55 - 3:58
    sondern aus der Perspektive
    eines Flüchtlings.
  • 3:58 - 4:01
    Stellen Sie sich eine syrische Frau vor.
  • 4:01 - 4:03
    Nennen wir sie Amira.
  • 4:03 - 4:07
    Für mich steht sie für all die Menschen,
    die ich in jener Gegend traf.
  • 4:07 - 4:11
    Amira, so wie ca. 25 % aller Flüchtlinge,
  • 4:11 - 4:13
    ist eine Frau mit Kindern,
  • 4:13 - 4:16
    und sie kann nicht nach Hause,
    denn sie kommt aus der Stadt,
  • 4:16 - 4:18
    die Sie hier sehen: Homs.
  • 4:18 - 4:21
    Eine einst wunderschöne,
    historische Stadt,
  • 4:21 - 4:23
    die nun in Schutt und Asche liegt.
  • 4:23 - 4:25
    Amira kann nicht dorthin zurückkehren.
  • 4:25 - 4:29
    Aber Amira kann auch nicht auf eine
    Umsiedlung in ein Drittland hoffen,
  • 4:29 - 4:31
    denn dieses Glück haben lediglich
  • 4:31 - 4:34
    weniger als 1% aller Flüchtlinge.
  • 4:35 - 4:37
    Amira und ihre Familie
  • 4:37 - 4:39
    stehen vor einer beinahe unmöglichen Wahl.
  • 4:39 - 4:42
    Sie haben drei mögliche Optionen.
  • 4:43 - 4:48
    Die erste Möglichkeit für Amira ist,
    ihre Familie in ein Lager zu bringen.
  • 4:49 - 4:51
    Im Lager würde sie
    vielleicht Hilfe bekommen,
  • 4:51 - 4:54
    aber dort gibt es nur
    geringe Zukunftsaussichten
  • 4:54 - 4:55
    für Amira und ihre Familie.
  • 4:55 - 4:58
    Die Lager liegen in öden, trockenen Orten,
  • 4:58 - 5:00
    häufig in der Wüste.
  • 5:00 - 5:03
    Im Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien
  • 5:03 - 5:07
    kann man in der Nacht
    die Granaten aus Syrien hören.
  • 5:09 - 5:11
    Die Wirtschaft ist sehr eingeschränkt.
  • 5:11 - 5:14
    Die Qualität der Bildung ist oft schlecht.
  • 5:14 - 5:15
    Und überall auf der Welt
  • 5:15 - 5:18
    leben ca. 80 % aller Flüchtlinge
    mindestens 5 Jahre lang
  • 5:18 - 5:21
    in solchen Lagern.
  • 5:21 - 5:23
    Es ist ein kümmerliches Dasein,
  • 5:23 - 5:25
    weshalb sich vermutlich
    in Wahrheit nur 9 % der Syrer
  • 5:25 - 5:28
    für diese Option entscheiden.
  • 5:29 - 5:33
    Eine Alternative für Amira ist,
    in eine Stadt im Nachbarland zu gehen,
  • 5:33 - 5:36
    wie Amman oder Beirut.
  • 5:37 - 5:41
    Das haben etwa 75 %
    der syrischen Flüchtlinge gemacht.
  • 5:42 - 5:45
    Aber auch dort gibt es
    große Schwierigkeiten.
  • 5:46 - 5:50
    Flüchtlinge haben in diesen Städten
    meist kein Recht auf Arbeit.
  • 5:50 - 5:53
    Dort bekommen sie für gewöhnlich
    keinen richtige Unterstützung.
  • 5:53 - 5:57
    Sobald also Amira und ihre Familie
    all ihre Ersparnisse verbraucht haben,
  • 5:57 - 6:01
    bleibt ihnen nur sehr wenig,
    und sie leben wahrscheinlich in Armut.
  • 6:02 - 6:04
    Es gibt eine dritte Möglichkeit,
  • 6:05 - 6:09
    welche eine steigende Zahl
    an Syrern wählen.
  • 6:10 - 6:14
    Amira kann nach Hoffnung
    für ihre Familie suchen,
  • 6:14 - 6:18
    indem sie ihre Leben riskieren,
    auf einer gefährlichen Reise
  • 6:18 - 6:19
    in ein anderes Land,
  • 6:19 - 6:23
    und dies beobachten wir heute in Europa.
  • 6:23 - 6:26
    Auf der ganzen Welt
    stellen wir Flüchtlinge
  • 6:26 - 6:29
    vor eine fast unmögliche Entscheidung,
  • 6:29 - 6:31
    zwischen drei Optionen:
  • 6:31 - 6:35
    Flüchtlingslager, Stadtarmut
    und gefährliche Reisen.
  • 6:36 - 6:40
    Für Flüchtlinge entspricht diese Auswahl
    der heutigen Flüchtlingspolitik.
  • 6:41 - 6:43
    Aber ich denke, diese Auswahl ist falsch.
  • 6:43 - 6:45
    Ich denke, wir können diese
    Auswahl überdenken.
  • 6:45 - 6:49
    Wir begrenzen die Auswahl,
  • 6:50 - 6:53
    weil wir glauben,
  • 6:53 - 6:57
    dass dies die einzigen verfügbaren
    Möglichkeiten für Flüchtlinge sind,
  • 6:57 - 6:59
    und dem ist nicht so.
  • 6:59 - 7:03
    Politiker beschreiben das Problem
    als ein Nullsummenspiel,
  • 7:03 - 7:07
    also dass Flüchtlingshilfe immer
    auf Kosten der Bürger geschieht.
  • 7:07 - 7:09
    Wir neigen zu der kollektiven Annahme,
  • 7:09 - 7:12
    dass Flüchtlinge zwingend eine Last
    für unsere Gesellschaft darstellen.
  • 7:12 - 7:15
    Aber das muss nicht sein.
    Sie können etwas beitragen.
  • 7:15 - 7:16
    Ich behaupte,
  • 7:16 - 7:19
    dass es Möglichkeiten gibt,
    die Auswahl zu vergrößern,
  • 7:19 - 7:21
    sodass alle profitieren können:
  • 7:21 - 7:23
    die Gastländer und deren Bevölkerung,
  • 7:23 - 7:27
    unsere Gesellschaften
    und die Flüchtlinge selbst.
  • 7:27 - 7:31
    Ich möchte vier Ideen für
    einen Paradigmenwechsel darüber,
  • 7:31 - 7:34
    wie wir über Flüchtlinge
    denken, vorstellen.
  • 7:34 - 7:36
    Alle vier Ideen haben eine Gemeinsamkeit:
  • 7:36 - 7:39
    alle Ideen nutzen die Möglichkeiten,
  • 7:39 - 7:42
    die Globalisierung, Mobilität
    und Handel bieten,
  • 7:42 - 7:46
    und erneuern unsere Art, wie wir
    das Flüchtlingsthema betrachten.
  • 7:46 - 7:48
    Die erste Idee ist der Gedanke
  • 7:48 - 7:51
    von einem Umfeld voller Möglichkeiten,
  • 7:51 - 7:54
    und er beginnt mit der
    ganz einfachen Erkenntnis,
  • 7:54 - 7:56
    dass Flüchtlinge Menschen
    wie jeder andere sind;
  • 7:56 - 7:59
    sie befinden sich nur
    in besonderen Umständen.
  • 7:59 - 8:01
    Zusammen mit meinen Kollegen in Oxford
  • 8:01 - 8:04
    arbeiten wir an einem
    Forschungsprojekt in Uganda,
  • 8:04 - 8:08
    bei dem wir das wirtschaftliche
    Leben der Flüchtlinge untersuchen.
  • 8:08 - 8:12
    Wir wählten Uganda nicht, weil es
    repräsentativ als Gastland ist.
  • 8:12 - 8:14
    Das ist es nicht. Es ist eine Ausnahme.
  • 8:14 - 8:16
    Anders als die meisten
    Gastländer weltweit,
  • 8:16 - 8:20
    hat Uganda den Flüchtlingen
    wirtschaftliche Möglichkeiten gegeben.
  • 8:20 - 8:24
    Es gibt ihnen das Recht
    auf Arbeit und Bewegungsfreiheit.
  • 8:24 - 8:27
    Und das Ergebnis dessen
    ist außergewöhnlich,
  • 8:27 - 8:30
    für Flüchtlinge und die Gastgemeinschaft.
  • 8:30 - 8:32
    In der Hauptstadt Kampala
  • 8:32 - 8:38
    führen 21 % der Flüchtlinge ein Geschäft,
    und stellen Mitarbeiter ein,
  • 8:38 - 8:40
    und 40 % dieser Mitarbeiter
  • 8:40 - 8:42
    sind Staatsbürger des Gastlandes.
  • 8:42 - 8:45
    Flüchtlinge schaffen also Arbeitsplätze
  • 8:45 - 8:47
    für Bürger des Gastlandes.
  • 8:48 - 8:51
    Sogar in den Lagern fanden wir
    außergewöhnliche Beispiele
  • 8:51 - 8:55
    für lebendige, blühende Unternehmen.
  • 8:56 - 8:59
    Zum Beispiel in der Siedlung Nakivale
  • 8:59 - 9:02
    fanden wir Beispiele von
    kongolesischen Flüchtlingen,
  • 9:02 - 9:05
    die ein Unternehmen zum
    digitalen Musikaustausch führen.
  • 9:05 - 9:09
    Wir fanden einen Ruander,
    der ein Geschäft leitet,
  • 9:09 - 9:11
    dass der Jugend ermöglicht,
    Videospiele zu spielen,
  • 9:11 - 9:15
    auf recycelten Spielkonsolen
    und Fernsehern.
  • 9:16 - 9:19
    Trotz der extremen Einschränkungen
  • 9:19 - 9:21
    sind Flüchtlinge innovativ,
  • 9:21 - 9:25
    und hier sehen Sie
    den Kongolesen Demou-Kay.
  • 9:25 - 9:29
    Demou-Kay kam in die
    Siedlung mit sehr wenig,
  • 9:29 - 9:31
    doch er wollte Filmemacher werden.
  • 9:31 - 9:35
    Mit seinen Freunden und Kollegen startete
    er eine Radiostation für die Gemeinde.
  • 9:35 - 9:37
    Er mietete eine Videokamera
  • 9:37 - 9:38
    und jetzt macht er Filme.
  • 9:38 - 9:40
    Er hat zwei Dokumentarfilme gemacht,
  • 9:40 - 9:42
    mit und für unser Team,
  • 9:42 - 9:46
    und er leitet ein erfolgreiches
    Unternehmen mit nur sehr wenig.
  • 9:47 - 9:49
    Es sind diese Art von Beispielen,
  • 9:49 - 9:51
    die unsere Reaktion auf
    Flüchtlinge prägen sollten.
  • 9:51 - 9:53
    Anstatt die Flüchtlinge
  • 9:53 - 9:56
    als zwangsläufig abhängig von
    humanitärer Hilfe zu sehen,
  • 9:56 - 10:00
    müssen wir ihnen die Chance geben,
    menschlich aufzublühen.
  • 10:00 - 10:04
    Ja, Kleidung, Decken,
    eine Unterkunft, Lebensmittel
  • 10:04 - 10:07
    sind alle wichtig in der Notstandsphase,
  • 10:07 - 10:10
    aber wir müssen auch
    darüber hinausschauen.
  • 10:10 - 10:15
    Wir müssen ihnen Möglichkeiten
    bieten, durch Infrastruktur, Strom,
  • 10:15 - 10:17
    Bildung, ein Recht auf Arbeit,
  • 10:17 - 10:20
    Zugriff auf Kapital und Bankwesen.
  • 10:20 - 10:22
    All das, was für uns
    selbstverständlich ist,
  • 10:22 - 10:24
    in einer globalen Wirtschaft
  • 10:24 - 10:27
    kann und sollte auch
    für Flüchtlinge gelten.
  • 10:27 - 10:31
    Die zweite Idee, die ich erörtern
    möchte, sind Wirtschaftszonen.
  • 10:31 - 10:34
    Leider geht nicht jedes
    Gastland auf der Welt
  • 10:34 - 10:36
    denselben Weg wie Uganda.
  • 10:36 - 10:40
    Die meisten Gastländer öffnen
    ihre Wirtschaft den Flüchtlingen
  • 10:40 - 10:41
    nicht auf diese Weise.
  • 10:41 - 10:46
    Aber es gibt trotzdem pragmatische
    Alternativen, die wir nutzen können.
  • 10:47 - 10:50
    Letzten April reiste ich
    mit einem Kollegen,
  • 10:50 - 10:52
    dem Entwicklungsökonomen
    Paul Collier, nach Jordanien.
  • 10:52 - 10:55
    Dort entwickelten wir eine Idee
  • 10:55 - 10:58
    mit der internationalen Gemeinde
    und der Regierung --
  • 10:58 - 11:00
    eine Idee, Arbeitsplätze
    für Syrer zu schaffen,
  • 11:00 - 11:04
    während die jordanische
    Entwicklungsstrategie unterstützt wird.
  • 11:04 - 11:07
    Wir hatten die Idee einer Wirtschaftszone,
  • 11:07 - 11:11
    in welche wir die Beschäftigung
    der Flüchtlinge integrieren könnten,
  • 11:11 - 11:14
    zeitgleich mit der Beschäftigung
    der jordanischen Bürger.
  • 11:15 - 11:18
    Und nur 15 Minuten entfernt
    vom Flüchtlingslager Zaatari,
  • 11:18 - 11:20
    Unterkunft für 83 000 Flüchtlinge,
  • 11:20 - 11:22
    existiert eine Wirtschaftszone
  • 11:22 - 11:26
    namens "König-Hussein-
    Bin-Talal-Entwicklungsbereich".
  • 11:26 - 11:29
    Die Regierung hat über
    100 Millionen Dollar ausgegeben,
  • 11:29 - 11:33
    um den Bereich mit dem Stromnetz
    und dem Straßennetzwerk zu verbinden,
  • 11:33 - 11:34
    doch es fehlten zwei Dinge:
  • 11:34 - 11:37
    Arbeitskräfte und
    Investitionen aus dem Ausland.
  • 11:37 - 11:40
    Was wäre, wenn Flüchtlinge
    hier arbeiten könnten,
  • 11:40 - 11:42
    anstatt in den Lagern festzusitzen;
  • 11:42 - 11:46
    fähig, ihre Familien zu unterstützen
    und eine Berufsausbildung zu erhalten,
  • 11:46 - 11:48
    bevor sie nach Syrien zurückkehren?
  • 11:48 - 11:50
    Wir sahen, dies könnte Jordanien nützen,
  • 11:50 - 11:53
    dessen Entwicklungsstrategie den Sprung
  • 11:53 - 11:56
    von einem Land mittleren Einkommens
    zu einem Fertigungsland vorsieht.
  • 11:56 - 11:59
    Es könnte den Flüchtlingen nützen,
    aber es könnte auch
  • 11:59 - 12:02
    zum Wiederaufbau Syriens
    nach dem Konflikt beitragen,
  • 12:02 - 12:05
    indem wir erkennen, dass wir
    Flüchtlinge ausbilden müssen,
  • 12:05 - 12:09
    als beste Quelle um Syrien
    schließlich wieder aufzubauen.
  • 12:09 - 12:12
    Wir publizierten die Idee
    im Journal "Foreign Affairs".
  • 12:12 - 12:14
    König Abdullah griff die Idee auf.
  • 12:14 - 12:17
    Es wurde auf der Syrien-Konferenz
    in London vor 2 Wochen verkündet,
  • 12:17 - 12:20
    und diesen Sommer
    beginnt ein Pilotprojekt.
  • 12:20 - 12:24
    (Beifall)
  • 12:25 - 12:28
    Die dritte Idee, die ich mit
    Ihnen teilen möchte,
  • 12:28 - 12:31
    ist der Abgleich von Vorlieben
    zwischen Staaten und Flüchtlingen,
  • 12:31 - 12:35
    um zu glücklichen Ergebnissen
    zu kommen, wie hier auf dem Selfie
  • 12:35 - 12:38
    von Angela Merkel und
    einem syrischen Flüchtling.
  • 12:38 - 12:43
    Selten fragen wir Flüchtlinge,
    was sie wollen, wohin sie gehen möchten,
  • 12:43 - 12:48
    aber ich behaupte, wir können das tun,
    und es profitiert immer noch jeder.
  • 12:48 - 12:52
    Der Ökonom Alvin Roth hat eine Idee
    zu Vermittlungsmärkten entwickelt,
  • 12:52 - 12:58
    in denen gewichteten Vorlieben beider
    Seiten einen möglichen Treffer bilden.
  • 12:58 - 13:01
    Meine Kollegen Will Jones
    und Alex Teytelboym
  • 13:01 - 13:05
    haben Möglichkeiten erforscht,
    diese Idee auf Flüchtlinge anzuwenden,
  • 13:05 - 13:09
    die Flüchtlinge nach ihren
    bevorzugten Zielorten zu fragen,
  • 13:09 - 13:12
    aber auch die Staaten,
    bevorzugte Gruppen von Flüchtlingen
  • 13:12 - 13:15
    anhand von Fähigkeiten
    oder Sprache zu klassifizieren
  • 13:15 - 13:17
    und so Übereinstimmungen zu finden.
  • 13:17 - 13:19
    Natürlich muss man Quoten
  • 13:19 - 13:22
    für Dinge wie Vielfalt und
    Verletzlichkeit festlegen,
  • 13:22 - 13:26
    aber es ist ein Möglichkeit, die Zahl der
    möglichen Übereinstimmungen zu erhöhen.
  • 13:26 - 13:29
    Die Vermittlungs-Idee wurde
    erfolgreich angewendet,
  • 13:29 - 13:34
    um zum Beispiel Studenten an
    die passenden Universitäten zu bringen,
  • 13:34 - 13:36
    Nierenspender mit Patienten abzugleichen,
  • 13:36 - 13:40
    und es unterliegt denselben
    Algorithmen wie Datingseiten.
  • 13:40 - 13:43
    Also warum dies nicht nutzen, um
    Flüchtlingen Chancen zu verschaffen?
  • 13:43 - 13:45
    Es könnte auch national genutzt werden,
  • 13:45 - 13:47
    wo eine der Herausforderungen ist,
  • 13:47 - 13:51
    örtliche Gemeinschaften davon
    zu überzeugen, Flüchtlinge zu akzeptieren.
  • 13:51 - 13:54
    Im Moment, in meinem Land zum Beispiel,
  • 13:54 - 13:58
    schicken wir oft Ingenieure in ländliche
    Gegenden und Bauern in die Städte,
  • 13:58 - 14:00
    was überhaupt keinen Sinn ergibt.
  • 14:00 - 14:02
    Vermittlungsmärkte bieten
    daher die Chance,
  • 14:02 - 14:04
    diese Vorlieben zusammenzubringen
  • 14:04 - 14:08
    und sowohl die Bedürfnisse
    der Bevölkerung des Gastlandes
  • 14:08 - 14:11
    als auch auf die Flüchtlinge
    selbst zu berücksichtigen.
  • 14:11 - 14:15
    Die vierte Idee, die ich ansprechen
    möchte, sind humanitäre Visa.
  • 14:15 - 14:18
    Ein Großteil der Tragödien
    und des Chaos in Europa
  • 14:18 - 14:20
    war vollkommen vermeidbar.
  • 14:20 - 14:25
    Sie stammen von einem fundamentalen
    Widerspruch in Europas Asylpolitik,
  • 14:25 - 14:26
    der lautet wie folgt:
  • 14:26 - 14:30
    Um Asyl in Europa beantragen zu können,
    muss man zunächst nach Europa gelangen,
  • 14:30 - 14:33
    auf einer gefährlichen Reise,
  • 14:33 - 14:36
    wie ich sie beschrieben habe.
  • 14:36 - 14:40
    Doch warum sollten diese Reisen
    in Zeiten von Billigflügen
  • 14:40 - 14:43
    und Konsulaten mit modernen
    Möglichkeiten notwendig sein?
  • 14:43 - 14:45
    Die Reisen sind vollkommen überflüssig,
  • 14:45 - 14:49
    und letztes Jahr führten sie zum
    Tod von über 3000 Menschen
  • 14:49 - 14:52
    an den Grenzen und innerhalb Europas.
  • 14:53 - 14:55
    Wenn es Flüchtlingen erlaubt wäre,
  • 14:55 - 14:58
    direkt nach Europa zu reisen
    und Asyl zu beantragen,
  • 14:58 - 14:59
    könnten wir dies vermeiden.
  • 14:59 - 15:03
    Wir können das mithilfe des sogenannten
    humanitären Visums erreichen,
  • 15:03 - 15:07
    das Menschen erlaubt, ein Visum
    an einer Botschaft zu erhalten
  • 15:07 - 15:09
    oder ein Konsulat im Nachbarland,
  • 15:09 - 15:11
    und dann ihren eigenen Weg
  • 15:11 - 15:14
    über Fähre oder Flug
    nach Europa zu zahlen.
  • 15:14 - 15:16
    Es kostet ungefähr 1000 Euro,
  • 15:16 - 15:19
    um mit einem Schmuggler von der Türkei
    nach Griechenland zu gelangen.
  • 15:19 - 15:25
    Einen Billigflug von Bodrum
    nach Frankfurt kostet 200 €.
  • 15:25 - 15:29
    Wenn wir Flüchtlingen dies ermöglichen
    würden, hätte das große Vorteile.
  • 15:29 - 15:31
    Es würde Leben retten,
  • 15:31 - 15:35
    es würde den gesamten Markt
    für Schmuggler unterwandern,
  • 15:35 - 15:38
    und es würde das Chaos entfernen,
    dass wir an den Grenzen Europas sehen,
  • 15:38 - 15:40
    wie auf den griechischen Inseln.
  • 15:40 - 15:45
    Die Politik hindert uns daran,
    dies zu tun; eben keine rationale Lösung.
  • 15:45 - 15:47
    Und diese Idee wurde schon angewendet.
  • 15:47 - 15:50
    Brasilien hat ein neues Konzept angewandt:
  • 15:50 - 15:54
    Über 2000 Syrer konnten
    humanitäre Visen erhalten,
  • 15:54 - 15:59
    nach Brasilien reisen und Asyl
    bei der Ankunft beantragen.
  • 15:59 - 16:02
    Und so hat jeder Flüchtling,
    der angenommen wurde,
  • 16:02 - 16:06
    das Recht auf Asyl erhalten und
    wurde als echter Flüchtling akzeptiert.
  • 16:06 - 16:09
    Es gibt auch ein
    historisches Vorbild dafür.
  • 16:09 - 16:12
    Zwischen 1922 und 1942
  • 16:12 - 16:16
    wurden die Nansen-Pässe
    als Reisedokumente genutzt,
  • 16:16 - 16:21
    um 450 000 Assyrern, Türken
    und Tschetschenen
  • 16:21 - 16:23
    die Reise durch Europa zu erlauben
  • 16:23 - 16:27
    und Asyl anderswo in Europa zu beantragen.
  • 16:27 - 16:29
    Das Internationale
    Nansen-Büro für Flüchtlinge
  • 16:29 - 16:31
    erhielt den Friedensnobelpreis
  • 16:31 - 16:35
    als Anerkennung für diese
    tragfähige Strategie.
  • 16:35 - 16:38
    Alle vier Ideen, die ich Ihnen
    präsentiert habe,
  • 16:38 - 16:42
    sind Möglichkeiten,
    Amiras Wahlfreiheit zu erhöhen.
  • 16:42 - 16:45
    Es sind Ideen, die Flüchtlingen
    bessere Chancen bieten,
  • 16:45 - 16:49
    als die drei unmöglichen Optionen,
  • 16:49 - 16:50
    die ich Ihnen erläutert habe,
  • 16:50 - 16:53
    und trotzdem auch anderen zu nützen.
  • 16:53 - 16:56
    Zusammenfassend brauchen wir
    wirklich eine neue Vision --
  • 16:56 - 16:59
    eine, die die Möglichkeiten
    für Flüchtlinge vergrößert
  • 16:59 - 17:02
    und anerkennt, dass sie keine
    Belastung sein müssen.
  • 17:02 - 17:05
    Flüchtlinge müssen keinen
    Aufwand darstellen.
  • 17:05 - 17:08
    Ja, sie sind eine
    humanitäre Verantwortung,
  • 17:08 - 17:12
    aber es sind Menschen
    mit Fähigkeiten, Talenten, Zielen,
  • 17:12 - 17:16
    fähig einen Beitrag zu leisten --
    wenn wir sie lassen.
  • 17:17 - 17:18
    In der neuen Welt
  • 17:18 - 17:21
    wird Migration nicht verschwinden.
  • 17:21 - 17:24
    Was wir in Europa sehen,
    wird uns viele Jahre begleiten.
  • 17:24 - 17:25
    Menschen werden weiterhin reisen,
  • 17:25 - 17:27
    sie werden weiterhin vertrieben werden,
  • 17:27 - 17:31
    und wir müssen rationale, realistische
    Möglichkeiten finden, dies zu handhaben --
  • 17:31 - 17:34
    nicht basierend auf alten Logiken
    zu humanitärer Hilfe,
  • 17:34 - 17:36
    nicht basierend auf Wohltätigkeit,
  • 17:36 - 17:38
    sondern auf der Schaffung
    von Möglichkeiten,
  • 17:38 - 17:41
    basierend auf Globalisierung,
    Handel und Mobilität.
  • 17:41 - 17:45
    Bitte wachen Sie auf, und auch
    unsere Politiker müssen aufwachen,
  • 17:45 - 17:46
    um sich dieser Aufgabe zu stellen.
  • 17:46 - 17:48
    Vielen Dank.
  • 17:48 - 17:55
    (Beifall)
Title:
Wie wir die nicht funktionierende Flüchtlingsregelung in Ordnung bringen
Speaker:
Alexander Betts
Description:

Eine Million Flüchtlinge sind dieses Jahr in Europa angekommen, sagt Alexander Betts, und "unsere Reaktion darauf ist, ehrlich gesagt, erbärmlich." Betts studiert Zwangsmigration, die unmögliche Wahl für Familien zwischen Camps, innerstädtischer Armut und gefährlichen, illegalen Reisen zur Sicherheit. In diesem erkenntnisreichen Vortrag bietet er vier Möglichkeiten, um die Weise, wie wir Flüchtlinge behandeln, zu ändern, damit sie ihrem neuen Zuhause einen sofortigen Beitrag leisten können. "Flüchtlinge müssen keinen Aufwand darstellen," sagt Betts. "Es sind Menschen mit Kenntnissen, Talenten und Zielen, mit der Fähigkeit, einen Beitrag zu leisten – wenn wir es zulassen."

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
18:09

German subtitles

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