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Die Flüchtlingskrise ist eine Prüfung unseres Charakters

  • 0:01 - 0:04
    Ich werde zu Ihnen über
    die globale Flüchtlingskrise sprechen.
  • 0:04 - 0:09
    Mein Ziel ist, Ihnen zu zeigen,
    dass diese Krise handhabbar ist,
  • 0:09 - 0:11
    nicht unlösbar.
  • 0:12 - 0:17
    Aber ich möchte auch zeigen, dass es
    genauso um uns geht und wer wir sind,
  • 0:17 - 0:21
    so wie es eine Prüfung
    der Flüchtlinge an der Front ist.
  • 0:21 - 0:24
    Für mich ist das nicht nur
    eine berufliche Pflicht,
  • 0:24 - 0:29
    denn ich leite eine NGO, die weltweit
    Flüchtlinge und Vertriebene unterstützt.
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    Es ist persönlich.
  • 0:31 - 0:33
    Ich liebe dieses Bild.
  • 0:34 - 0:36
    Der gutaussehende Typ rechts
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    bin nicht ich.
  • 0:38 - 0:41
    Das ist mein Vater, Ralph, 1940 in London,
  • 0:41 - 0:43
    mit seinem Vater Samuel.
  • 0:44 - 0:46
    Sie waren jüdische
    Flüchtlinge aus Belgien.
  • 0:46 - 0:50
    Sie flohen an dem Tag,
    an dem die Nazis einmarschierten.
  • 0:51 - 0:52
    Dieses Foto liebe ich auch.
  • 0:53 - 0:55
    Es ist ein Gruppe Flüchtlingskinder,
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    die 1946 aus Polen in England ankamen.
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    In der Mitte ist meine Mutter, Marion.
  • 1:03 - 1:06
    Man hatte sie losgeschickt,
    um ein neues Leben zu beginnen,
  • 1:06 - 1:07
    in einem neuen Land,
  • 1:07 - 1:08
    ganz alleine,
  • 1:08 - 1:10
    im Alter von 12.
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    Ich weiß nur eins:
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    Hätte Großbritannien keine Flüchtlinge
  • 1:16 - 1:18
    in den 1940ern aufgenommen,
  • 1:18 - 1:21
    wäre ich heute sicher nicht hier.
  • 1:22 - 1:26
    70 Jahre später
    schließt sich nun der Kreis.
  • 1:27 - 1:30
    Man hört von Mauern,
    die gebaut werden sollen,
  • 1:30 - 1:32
    rachsüchtiger politischer Rhetorik,
  • 1:32 - 1:36
    gefährdeten humanitären
    Werten und Prinzipien,
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    genau in den Ländern, die vor
    70 Jahren "niemals wieder" sagten
  • 1:41 - 1:45
    zu Staatenlosigkeit und Verzweiflung
    für Kriegsopfer.
  • 1:47 - 1:49
    Letztes Jahr wurden, minütlich,
  • 1:50 - 1:54
    24 weitere Menschen
    durch Konflikt, Gewalt und Verfolgung
  • 1:54 - 1:57
    aus ihrer Heimat vertrieben:
  • 1:57 - 2:00
    noch ein Chemiewaffenangriff in Syrien,
  • 2:00 - 2:03
    die Taliban randalieren in Afghanistan,
  • 2:03 - 2:09
    in Nordost-Nigeria werden Mädchen
    von Boko Haram aus der Schule vertrieben.
  • 2:10 - 2:13
    Das sind keine Leute,
    die für ein besseres Leben
  • 2:13 - 2:15
    in ein anderes Land ziehen.
  • 2:15 - 2:17
    Sie fliehen um ihr Leben.
  • 2:19 - 2:21
    Es ist eine echte Tragödie,
  • 2:22 - 2:27
    dass die berühmtesten Flüchtlingen
    der Welt nicht heute hier sprechen können.
  • 2:27 - 2:30
    Viele von Ihnen werden dieses Foto kennen.
  • 2:30 - 2:32
    Es zeigt den leblosen Körper
  • 2:32 - 2:35
    des fünfjährigen Alan Kurdi,
  • 2:35 - 2:39
    ein syrischer Flüchtling,
    der 2015 im Mittelmeer starb.
  • 2:39 - 2:43
    Er starb mit 3 700 anderen,
    die versuchten, nach Europa zu kommen.
  • 2:44 - 2:46
    2016, im Jahr darauf,
  • 2:47 - 2:49
    starben 5 000 Menschen.
  • 2:51 - 2:52
    Für sie ist es zu spät,
  • 2:53 - 2:56
    aber für Millionen andere
    ist es nicht zu spät.
  • 2:56 - 2:58
    Für Menschen wie Frederick
    ist es nicht zu spät.
  • 2:59 - 3:02
    Ich traf ihn im Nyarugusu-
    Flüchtlingslager in Tansania.
  • 3:02 - 3:03
    Er ist aus Burundi.
  • 3:04 - 3:06
    Er wollte wissen, wo er
    seinen Abschluss machen konnte.
  • 3:06 - 3:09
    Er war 11 Jahre zur Schule gegangen
    und er wollte ein 12. Jahr.
  • 3:09 - 3:13
    Er sagte zu mir: "Ich bete,
    dass mein Leben nicht hier,
  • 3:13 - 3:16
    in diesem Flüchtlingslager, zu Ende geht."
  • 3:16 - 3:18
    Für Halud ist es nicht zu spät.
  • 3:19 - 3:22
    Ihre Eltern waren
    palästinensische Flüchtlinge,
  • 3:22 - 3:25
    sie lebten im Yarmouk-Flüchtlingslager
    außerhalb von Damaskus.
  • 3:25 - 3:27
    Ihre Eltern waren Flüchtlinge,
  • 3:27 - 3:30
    und jetzt ist sie selbst
    ein Flüchtling im Libanon.
  • 3:31 - 3:35
    Sie arbeitet für das International Rescue
    Committee, um Flüchtlingen zu helfen,
  • 3:35 - 3:40
    aber sie war sich ihrer
    eigenen Zukunft nicht sicher,
  • 3:40 - 3:42
    wo sie ist oder was sie bereithält.
  • 3:42 - 3:46
    Dieser Vortrag handelt
    von Frederick, von Halud
  • 3:46 - 3:48
    und einer Million anderer wie sie:
  • 3:48 - 3:50
    warum sie vertrieben wurden,
  • 3:50 - 3:55
    wie sie überleben, welche Hilfe sie
    brauchen und was unsere Pflichten sind.
  • 3:56 - 3:58
    Ich glaube ganz fest daran,
  • 3:58 - 4:01
    dass die wichtigste Frage
    des 21. Jahrhunderts
  • 4:02 - 4:05
    unsere Pflicht gegenüber Fremden betrifft.
  • 4:05 - 4:09
    Das zukünftige "Du"
    handelt von Ihren Pflichten
  • 4:09 - 4:10
    gegenüber Fremden.
  • 4:10 - 4:12
    Sie wissen besser, als jeder andere,
  • 4:12 - 4:16
    dass die Welt stärker
    verbunden ist als je zuvor.
  • 4:17 - 4:18
    Die große Gefahr ist jedoch,
  • 4:18 - 4:21
    dass wir durch unsere
    Unterschiede verzehrt werden.
  • 4:22 - 4:24
    Und dafür gibt es keinen besseren Test
  • 4:24 - 4:27
    als der Umgang mit Flüchtlingen.
  • 4:27 - 4:30
    Hier sind die Fakten:
    65 Millionen Menschen
  • 4:30 - 4:34
    wurden letztes Jahr durch Verfolgung
    und Gewalt aus ihrer Heimat vertrieben.
  • 4:34 - 4:35
    Wäre es ein Land,
  • 4:35 - 4:38
    wäre es das größte Land
    der Welt im 21. Jahrhundert.
  • 4:39 - 4:44
    Die meisten dieser Menschen, ca. 40 Mio.,
    bleiben in ihrem Heimatland,
  • 4:44 - 4:46
    aber 25 Millionen sind Flüchtlinge,
  • 4:46 - 4:48
    d. h. sie übertreten Grenzen
    zu einem Nachbarstaat.
  • 4:49 - 4:53
    Die meisten leben in armen Ländern,
  • 4:53 - 4:57
    relativ arme Länder oder mit niedrigem
    mittleren Einkommen, wie dem Libanon,
  • 4:57 - 4:58
    wo Halud lebt.
  • 4:59 - 5:03
    Im Libanon ist einer von vier
    Menschen ein Flüchtling,
  • 5:04 - 5:07
    ein Viertel der Gesamtbevölkerung.
  • 5:07 - 5:09
    Flüchtlinge bleiben eine lange Zeit.
  • 5:09 - 5:11
    Die durchschnittliche
    Dauer der Vertreibung
  • 5:11 - 5:12
    beträgt 10 Jahre.
  • 5:13 - 5:18
    Ich ging zum weltweit größten
    Flüchtlingslager in Ostkenia.
  • 5:18 - 5:19
    Es heißt Dadaab.
  • 5:19 - 5:21
    Es wurde 1991–1992
  • 5:21 - 5:25
    als "temporäres Lager" für Somalis erbaut,
    die vor dem Bürgerkrieg flohen.
  • 5:26 - 5:27
    Ich traf Silo.
  • 5:28 - 5:31
    Ich sagte ahnungslos zu Silo:
  • 5:31 - 5:33
    "Denkst du, du wirst je
    nach Somalia zurückkehren?"
  • 5:34 - 5:36
    Sie sagte: "Was meinst du mit heimkehren?
  • 5:36 - 5:38
    Ich wurde hier geboren."
  • 5:39 - 5:41
    Und als ich die Lagerleitung fragte,
  • 5:41 - 5:45
    wie viele der 330 000 Menschen
    im Lager geboren waren,
  • 5:45 - 5:47
    gaben sie mir diese Antwort:
  • 5:47 - 5:49
    100 000.
  • 5:50 - 5:53
    Das ist mit langfristiger
    Vertreibung gemeint.
  • 5:53 - 5:56
    Die Gründe dafür sind tiefgehend:
  • 5:56 - 5:59
    schwache Staaten, die ihre eigenen
    Leute nicht unterstützen können,
  • 5:59 - 6:01
    ein internationales politisches System,
  • 6:01 - 6:04
    das schwächer ist,
    wie seit 1945 nicht mehr,
  • 6:04 - 6:07
    und Differenzen über Theologie, Regierung,
  • 6:07 - 6:11
    Engagement in der Außenwelt,
    in wichtigen Teilen der muslimischen Welt.
  • 6:13 - 6:16
    Das sind langfristige
    Herausforderungen für Generationen.
  • 6:16 - 6:19
    Daher sage ich, die Flüchtlingskrise
    ist ein Trend und kein Aufflackern.
  • 6:20 - 6:25
    Sie ist komplex, und wenn man große,
    langfristige, komplexe Probleme hat,
  • 6:25 - 6:27
    glauben alle, dass man nichts tun kann.
  • 6:28 - 6:30
    Als Papst Franziskus 2014
    nach Lampedusa ging,
  • 6:31 - 6:33
    an die Küste Italiens,
  • 6:33 - 6:36
    warf er uns allen, der Weltbevölkerung,
  • 6:36 - 6:40
    eine "Globalisierung
    der Gleichgültigkeit" vor.
  • 6:41 - 6:42
    Dieser Satz verfolgt einen.
  • 6:42 - 6:45
    Es bedeutet, dass unsere
    Herzen aus Stein sind.
  • 6:47 - 6:49
    Ich bin nicht sicher,
    vielleicht wissen Sie das.
  • 6:49 - 6:52
    Darf man mit dem Papst streiten,
    auch auf einer TED-Konferenz?
  • 6:53 - 6:54
    Aber ich denke, es stimmt nicht.
  • 6:54 - 6:57
    Ich denke, Menschen
    wollen etwas verändern,
  • 6:57 - 7:00
    aber sie wissen einfach nicht,
    ob es eine Lösung für die Krise gibt.
  • 7:00 - 7:02
    Und heute will ich Ihnen sagen,
  • 7:02 - 7:05
    dass die Probleme zwar real sind,
    aber die Lösungen sind es auch.
  • 7:06 - 7:07
    Lösung eins:
  • 7:07 - 7:11
    Flüchtlinge müssen in den Ländern,
    in denen sie leben, arbeiten können,
  • 7:11 - 7:14
    und diese Länder brauchen massive
    wirtschaftliche Unterstützung.
  • 7:14 - 7:16
    In Uganda führten sie
    2014 eine Studie durch:
  • 7:17 - 7:20
    80 % der Flüchtlinge
    in der Hauptstadt Kampala
  • 7:20 - 7:22
    bräuchten keine humanitäre Hilfe,
    wenn sie arbeiten würden.
  • 7:22 - 7:24
    Sie wurden bei
    der Arbeitssuche unterstützt.
  • 7:24 - 7:26
    Lösung Nummer zwei:
  • 7:26 - 7:30
    Bildung für Kinder ist
    eine Lebensader, kein Luxus,
  • 7:30 - 7:33
    wenn man so lange schon
    fern der Heimat ist.
  • 7:33 - 7:35
    Kinder lassen sich nicht unterkriegen,
  • 7:35 - 7:38
    wenn sie angemessene soziale,
    emotionalen Hilfe bekommen,
  • 7:38 - 7:40
    parallel zu grundlegendem Unterricht.
  • 7:40 - 7:41
    Ich habe es selbst gesehen.
  • 7:43 - 7:46
    Aber die Hälfte der weltweiten
    Flüchtlingskinder im Grundschulalter
  • 7:46 - 7:48
    erhalten gar keine Bildung,
  • 7:48 - 7:51
    genauso wie drei Viertel
    der Kinder in der Sekundarstufe.
  • 7:51 - 7:53
    Das ist verrückt.
  • 7:54 - 7:56
    Lösung Nummer drei:
  • 7:56 - 8:00
    Die meisten Flüchtlinge leben
    in Stadtgebieten und nicht in Lagern.
  • 8:00 - 8:03
    Was würden Sie oder ich wollen,
    wären wir ein Flüchtling in einer Stadt?
  • 8:03 - 8:06
    Wir würden Geld für
    Miete und Kleidung wollen.
  • 8:07 - 8:09
    Das ist die Zukunft humanitärer Hilfe
  • 8:09 - 8:10
    oder eines wichtigen Teils davon:
  • 8:10 - 8:13
    Geben Sie Leuten Geld,
    um die Flüchtlinge zu ermächtigen,
  • 8:13 - 8:15
    und sie helfen der lokalen Wirtschaft.
  • 8:15 - 8:17
    Es gibt noch eine vierte Lösung,
  • 8:17 - 8:20
    die kontrovers ist,
    aber die besprochen werden muss.
  • 8:20 - 8:23
    Die verletzbarsten Flüchtlinge
    brauchen einen Neustart,
  • 8:23 - 8:25
    ein neues Leben in einem neuen Land,
  • 8:26 - 8:27
    auch im Westen.
  • 8:28 - 8:32
    Die Zahlen sind relativ klein,
    Hunderttausende, keine Millionen,
  • 8:32 - 8:35
    aber die Symbolik ist enorm.
  • 8:36 - 8:39
    Dies ist nicht der Moment,
    um Flüchtlinge abzuschieben,
  • 8:39 - 8:40
    wie die Trump-Regierung vorschlägt.
  • 8:40 - 8:44
    Es ist Zeit, Menschen aufzunehmen,
    die Opfer von Terror sind.
  • 8:44 - 8:45
    Und denken Sie daran --
  • 8:45 - 8:48
    (Applaus)
  • 8:52 - 8:56
    Bedenken Sie, dass jeder, der fragt:
    "Wurden sie gründlich überprüft?",
  • 8:56 - 8:59
    eine sehr vernünftige
    und gute Frage stellt.
  • 9:00 - 9:04
    Die Wahrheit ist, dass Flüchtlinge,
    die sich niederlassen wollen,
  • 9:04 - 9:07
    besser überprüft werden, als jede
    andere Bevölkerungsgruppe,
  • 9:07 - 9:08
    die in unser Land kommt.
  • 9:08 - 9:10
    Während es vernünftig ist,
    diese Frage zu stellen,
  • 9:10 - 9:14
    ist es unvernünftig zu sagen, Flüchtling
    sei ein anderes Wort für Terrorist.
  • 9:15 - 9:16
    Was passiert, ...
  • 9:16 - 9:20
    (Applaus)
  • 9:20 - 9:22
    Was passiert, wenn
    Flüchtlinge nicht arbeiten,
  • 9:22 - 9:25
    wenn sie ihre Kinder
    nicht in die Schule schicken,
  • 9:25 - 9:28
    kein Bargeld bekommen,
    nicht auf legalem Weg hoffen können?
  • 9:28 - 9:30
    Dann schlagen sie riskante Wege ein.
  • 9:30 - 9:35
    Ich fuhr vor zwei Jahren nach Lesbos,
    diese schöne griechische Insel.
  • 9:35 - 9:37
    Dort leben 90 000 Menschen.
  • 9:37 - 9:41
    In einem Jahr passierten
    500 000 Flüchtlinge die Insel.
  • 9:41 - 9:43
    Ich möchte Ihnen mitteilen, was ich sah,
  • 9:43 - 9:46
    als ich Richtung Norden
    über die Insel fuhr:
  • 9:46 - 9:50
    ein Stapel Jacken derer,
    die es an die Küste geschafft hatten.
  • 9:51 - 9:52
    Und als ich genauer hinsah,
  • 9:52 - 9:55
    sah ich kleine, gelbe
    Rettungswesten für Kinder,
  • 9:56 - 9:58
    Und ich machte dieses Foto.
  • 9:58 - 10:02
    Sie können wahrscheinlich die Schrift
    nicht lesen, daher lese ich es Ihnen vor.
  • 10:02 - 10:05
    "Warnung: Schützt nicht vor Ertrinken."
  • 10:06 - 10:07
    Im 21. Jahrhundert
  • 10:08 - 10:11
    erhalten Kinder also Rettungswesten,
  • 10:11 - 10:13
    um Europa sicher zu erreichen,
  • 10:13 - 10:16
    auch wenn die Westen nicht
    ihr Leben schützen werden,
  • 10:16 - 10:19
    wenn sie aus dem Boot fallen,
    das sie dorthin bringt.
  • 10:21 - 10:24
    Das ist nicht nur eine Krise,
    es ist eine Prüfung.
  • 10:26 - 10:29
    Es ist eine Prüfung, der Zivilisationen
    über Epochen begegneten.
  • 10:30 - 10:31
    Es ist eine Prüfung der Menschlichkeit.
  • 10:32 - 10:34
    Es ist eine Prüfung
    für die westliche Welt,
  • 10:34 - 10:37
    wer wir sind und wo wir stehen.
  • 10:39 - 10:42
    Es ist eine Prüfung unseres Charakters,
    nicht nur unserer Politik.
  • 10:43 - 10:45
    Flüchtlinge sind ein schwerer Fall.
  • 10:45 - 10:47
    Sie kommen aus weit
    entfernten Teilen der Welt.
  • 10:48 - 10:50
    Sie haben Traumata erlebt.
  • 10:50 - 10:52
    Sie haben oft eine andere Religion.
  • 10:52 - 10:55
    Das sind genau die Gründe,
    warum wir Flüchtlingen helfen sollten,
  • 10:55 - 10:58
    und kein Grund, warum wir
    ihnen nicht helfen sollten.
  • 10:58 - 11:01
    Grund genug, ihnen zu helfen,
    wegen dem, was es über uns aussagt.
  • 11:02 - 11:04
    Es offenbart unsere Werte.
  • 11:05 - 11:10
    Empathie und Altruismus sind
    zwei der Fundamente von Zivilisation.
  • 11:11 - 11:14
    Setzt man Empathie
    und Altruismus in die Tat um,
  • 11:14 - 11:17
    leben wir aus einem grundlegenden
    moralischen Credo heraus.
  • 11:17 - 11:19
    In der modernen Welt
    gibt es keine Ausrede.
  • 11:19 - 11:23
    Wir können nicht sagen, dass wir nicht
    wissen, was in Juba, Südsudan,
  • 11:23 - 11:25
    oder in Aleppo, Syrien, passiert.
  • 11:25 - 11:28
    Es steht hier in unseren Smartphones,
  • 11:28 - 11:29
    in unseren Händen.
  • 11:29 - 11:32
    Unkenntnis ist überhaupt keine Ausrede.
  • 11:32 - 11:36
    Versagen wir zu helfen, zeigen wir, dass
    wir gar keinen moralischen Kompass haben.
  • 11:37 - 11:40
    Es zeigt auch, ob wir unsere
    eigene Geschichte kennen.
  • 11:41 - 11:43
    Der Grund, warum Flüchtlinge
    weltweit Rechte haben,
  • 11:43 - 11:46
    liegt in der außergewöhnlichen
    westlichen Führung
  • 11:46 - 11:49
    von Staatsmännern und -frauen
    nach dem zweiten Weltkrieg,
  • 11:49 - 11:51
    die zu allgemeinen
    Menschenrechten wurden.
  • 11:52 - 11:55
    Beschädigt man den Flüchtlingsschutz,
    verwerfen wir unsere eigene Geschichte.
  • 11:56 - 11:58
    Das ist ...
  • 11:58 - 11:59
    (Applaus)
  • 11:59 - 12:03
    Das offenbart auch
    die Macht der Demokratie
  • 12:03 - 12:06
    als Zuflucht vor Diktatur.
  • 12:06 - 12:08
    Wie viele Politiker haben Sie sagen hören:
  • 12:09 - 12:13
    "Wir glauben an die Macht des Vorbilds,
    nicht an ein Exempel unserer Macht."
  • 12:14 - 12:17
    Sie meinen, wichtiger ist, wofür wir
    stehen, als die Bomben, die wir abwerfen.
  • 12:18 - 12:20
    Flüchtlinge, die Zuflucht suchen,
  • 12:21 - 12:25
    sahen den Westen als Quelle
    von Hoffnung und als Zufluchtsort.
  • 12:27 - 12:29
    Russen, Iraner,
  • 12:29 - 12:32
    Chinesen, Eritreer, Kubaner --
  • 12:32 - 12:34
    sie kommen auf der Suche
    nach Sicherheit in den Westen.
  • 12:35 - 12:37
    Wir werfen das auf eigenes Risiko weg.
  • 12:38 - 12:40
    Und das offenbart eine Sache über uns:
  • 12:40 - 12:43
    ob wir wegen unserer
    eigenen Fehler Demut empfinden.
  • 12:43 - 12:45
    Ich bin nicht einer dieser Menschen,
  • 12:45 - 12:49
    die glauben, dass alle Probleme der Welt
    durch den Westen verursacht werden.
  • 12:49 - 12:50
    Das werden sie nicht.
  • 12:50 - 12:52
    Aber wenn wir Fehler machen,
    sollten wir sie erkennen.
  • 12:53 - 12:56
    Es ist kein Zufall, dass das Land,
    das mehr Flüchtlinge aufgenommen hat,
  • 12:56 - 12:58
    als jedes andere, die USA,
  • 12:58 - 13:01
    mehr Flüchtlinge aus Vietnam aufnahm,
    als jedes andere Land.
  • 13:02 - 13:03
    Das ist historisch bedingt.
  • 13:04 - 13:07
    Aber es gibt eine jüngere Geschichte
    im Irak und in Afghanistan.
  • 13:08 - 13:11
    Man kann außenpolitische Fehler
    nicht wiedergutmachen
  • 13:11 - 13:13
    durch humanitäre Hilfe,
  • 13:13 - 13:17
    aber zerstört man etwas, hat man
    die Pflicht beim Reparieren zu helfen,
  • 13:17 - 13:19
    und das ist jetzt unsere Pflicht.
  • 13:21 - 13:24
    Erinnern Sie sich, dass ich
    zu Beginn des Vortrags sagte,
  • 13:24 - 13:26
    ich wollte erklären,
    dass die Flüchtlingskrise
  • 13:26 - 13:28
    handhabbar ist und nicht unlösbar?
  • 13:29 - 13:30
    Das ist wahr.
  • 13:30 - 13:34
    Ich möchte, dass Sie anders denken,
    aber ich möchte auch, dass Sie Dinge tun.
  • 13:36 - 13:38
    Wenn Sie ein Arbeitgeber sind,
  • 13:38 - 13:39
    beschäftigen Sie Flüchtlinge.
  • 13:40 - 13:43
    Sind Sie von den Argumenten überzeugt,
  • 13:43 - 13:45
    stellen Sie sich gegen die Gerüchte,
  • 13:45 - 13:47
    wenn Familie, Freunde
    oder Kollegen sie wiederholen.
  • 13:48 - 13:51
    Wenn Sie Geld haben,
    geben Sie es Hilfswerken,
  • 13:51 - 13:54
    die für Flüchtlinge auf der Welt
    etwas bewirken können.
  • 13:54 - 13:55
    Sind Sie ein Staatsbürger,
  • 13:56 - 13:58
    wählen Sie Politiker,
  • 13:58 - 14:02
    die die angesprochenen Lösungen,
    umsetzen werden.
  • 14:02 - 14:06
    (Applaus)
  • 14:06 - 14:08
    Die Pflicht gegenüber Fremden
  • 14:08 - 14:10
    zeigt sich
  • 14:10 - 14:13
    im Großen und Kleinen,
  • 14:13 - 14:15
    im Alltäglichen und Heldenhaften.
  • 14:19 - 14:21
    1942 lebten meine Tante
    und Großmutter in Brüssel
  • 14:21 - 14:23
    unter deutscher Besatzung.
  • 14:24 - 14:27
    Sie erhielten eine Vorladung
    von den Nazi-Behörden,
  • 14:27 - 14:30
    zum Brüsseler Hauptbahnhof zu gehen.
  • 14:32 - 14:35
    Meine Großmutter dachte sofort,
    dass etwas nicht stimmte.
  • 14:37 - 14:39
    Sie flehte ihre Verwandten an,
  • 14:39 - 14:41
    nicht zum Brüsseler Hauptbahnhof zu gehen.
  • 14:42 - 14:44
    Ihre Verwandten sagten zu ihr:
  • 14:45 - 14:48
    "Wenn wir nicht gehen und nicht tun,
    was uns befohlen wurde,
  • 14:48 - 14:50
    werden wir Ärger bekommen."
  • 14:51 - 14:53
    Sie ahnen wohl,
    was den Verwandten passierte,
  • 14:53 - 14:55
    die zum Brüsseler Hauptbahnhof gingen.
  • 14:56 - 14:58
    Sie wurden nie mehr gesehen.
  • 14:58 - 15:00
    Aber meine Großmutter und meine Tante
  • 15:01 - 15:03
    gingen in ein kleines Dorf,
  • 15:03 - 15:05
    südlich von Brüssel,
  • 15:06 - 15:09
    wo sie ein Jahrzehnt vorher
    ihren Urlaub verbracht hatten.
  • 15:09 - 15:13
    Sie gingen zum Haus des ansässigen Bauern,
  • 15:13 - 15:15
    ein katholischer Bauer
    namens Monsieur Maurice,
  • 15:16 - 15:18
    und baten ihn, sie aufzunehmen.
  • 15:19 - 15:21
    Was er auch tat,
  • 15:21 - 15:22
    und zu Kriegsende
  • 15:23 - 15:27
    lebten 17 Juden in diesem Dorf.
  • 15:28 - 15:30
    Als Jugendlicher bat ich meine Tante:
  • 15:30 - 15:33
    "Kannst du mich zu
    Monsieur Maurice bringen?"
  • 15:33 - 15:37
    Sie sagte: "Ja, kann ich.
    Er lebt noch. Besuchen wir ihn."
  • 15:37 - 15:38
    Es muss so '83, '84 gewesen sein,
  • 15:39 - 15:41
    als wir zu ihm gingen.
  • 15:41 - 15:44
    Und wie es wohl nur ein Jugendlicher kann,
  • 15:44 - 15:45
    fragte ich ihn,
  • 15:45 - 15:48
    einen weißhaarigen Gentleman,
  • 15:48 - 15:50
    als ich ihn traf:
  • 15:51 - 15:52
    "Warum haben Sie das getan?
  • 15:53 - 15:56
    Warum haben Sie das riskiert?"
  • 15:57 - 15:59
    Er sah mich an, zuckte mit den Achseln
  • 15:59 - 16:01
    und sagte auf Französisch:
  • 16:01 - 16:03
    "On doit."
  • 16:03 - 16:04
    "Man muss."
  • 16:04 - 16:07
    Es war ihm angeboren.
  • 16:07 - 16:08
    Es war selbstverständlich.
  • 16:08 - 16:10
    Ich will damit sagen, es sollte für uns
  • 16:10 - 16:13
    auch angeboren
    und selbstverständlich sein.
  • 16:13 - 16:14
    Sagen Sie sich selbst:
  • 16:15 - 16:18
    Diese Flüchtlingskrise ist handhabbar,
  • 16:18 - 16:19
    nicht unlösbar,
  • 16:19 - 16:21
    und jeder einzelne von uns
  • 16:21 - 16:25
    hat die persönliche Verantwortung,
    dabei zu helfen.
  • 16:25 - 16:29
    Denn es geht, um die Rettung
    von uns und unseren Werten,
  • 16:29 - 16:32
    genauso wie um die Rettung
    der Flüchtlinge und deren Leben.
  • 16:32 - 16:34
    Ich danke Ihnen vielmals!
  • 16:34 - 16:37
    (Applaus)
  • 16:45 - 16:48
    Bruno Gussani: Danke, David.
    David Miliband: Danke.
  • 16:48 - 16:50
    BG: Das sind starke Vorschläge
  • 16:50 - 16:53
    und ihr Aufruf zu individueller
    Verantwortung ist auch sehr stark,
  • 16:53 - 16:55
    aber mich beunruhigt folgender Gedanke:
  • 16:55 - 16:59
    Du erwähntest "außergewöhnliche
    westliche Führung",
  • 16:59 - 17:01
    die vor etwa 60 Jahren
  • 17:01 - 17:03
    zur gesamten Diskussion
    über Menschenrechte führte,
  • 17:03 - 17:06
    zu den Flüchtlingskonventionen usw.
  • 17:07 - 17:10
    Die Führung geschah
    nach einem großen Trauma
  • 17:10 - 17:14
    und in einem einvernehmlichen
    politischen Raum,
  • 17:14 - 17:16
    wogegen wir jetzt in
    einem polarisierenden sind.
  • 17:16 - 17:19
    Flüchtlinge sind sogar das
    polarisierende Thema geworden.
  • 17:19 - 17:21
    Woher soll Führung also heutzutage kommen?
  • 17:21 - 17:24
    DM: Es ist richtig zu sagen,
  • 17:24 - 17:26
    dass Führung im Krieg geschmiedet wird,
  • 17:27 - 17:29
    sie hat ein anderes Naturell und Tempo
  • 17:29 - 17:30
    und eine andere Einstellung,
  • 17:30 - 17:33
    als die im Frieden geformte Führung.
  • 17:34 - 17:37
    Daher wäre meine Antwort:
    Die Führung muss von unten kommen,
  • 17:37 - 17:39
    nicht von oben.
  • 17:39 - 17:42
    Ein wiederkehrendes Thema
    der Konferenz dieser Woche
  • 17:42 - 17:46
    war die Demokratisierung der Macht.
  • 17:46 - 17:48
    Wir müssen unsere eigenen
    Demokratien erhalten,
  • 17:48 - 17:51
    aber wir müssen unsere eigenen
    Demokratien auch aktivieren.
  • 17:51 - 17:53
    Wenn Leute zu mir sagen:
  • 17:53 - 17:55
    "Es gibt eine Gegenreaktion
    gegen Flüchtlinge",
  • 17:55 - 17:56
    sage ich zu ihnen:
  • 17:56 - 17:58
    "Nein, es gibt eine Polarisierung,
  • 17:58 - 17:59
    und im Moment
  • 17:59 - 18:01
    machen die Furchtsamen mehr Lärm,
  • 18:01 - 18:03
    als jene, die stolz sind."
  • 18:03 - 18:07
    Meine Antwort auf ihre Frage ist daher,
    dass wir Führung fördern und ermutigen,
  • 18:07 - 18:08
    und Vertrauen in sie haben,
  • 18:08 - 18:10
    wenn wir uns selbst mobilisieren.
  • 18:10 - 18:14
    Und wenn man nach Führung sucht,
  • 18:14 - 18:15
    muss man nach innen schauen
  • 18:15 - 18:17
    und seine eigene
    Gemeinschaft mobilisieren,
  • 18:17 - 18:20
    um Bedingungen für eine andere Art
    von Ansiedlung zu schaffen.
  • 18:20 - 18:22
    BG: Danke, David,
    dass du zu TED gekommen bist.
  • 18:22 - 18:25
    (Applaus)
Title:
Die Flüchtlingskrise ist eine Prüfung unseres Charakters
Speaker:
David Miliband
Description:

(Beschreibung folgt)

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
18:38

German subtitles

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