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33C3 Vorspannmusik
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Herald: Wir haben jetzt heute erdgeist
hier und die Beata Hubrig. Die beiden habe
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sich mit dem Thema intensiv
auseinandergesetzt und werden uns jetzt
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erzählen, wie man was dagegen tun kann,
oder was man dagegen schon getan hat, was
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man künftig noch dagegen tun kann. Die
Beata ist Rechtsanwältin in Berlin und
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engagiert sich bei Freifunk und beim Tor
Project. Und erdgeist ist OpenSource
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Developer, kommt auch aus Berlin und macht
nebenbei noch Chaos Radio und den OHM
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Podcast und engagiert sich im CCC.
Ein herzliches Applaus für die Beiden.
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Applaus
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erdgeist: Dankeschön. Wunderschönen guten
Tag. Zuerst: Warum stellen wir uns hier
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mit so einem sperrigen Thema auf die Bühne?
Abmahnungen sind schon ein juristisches
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Nieschenthema. Aber wir haben in letzter
Zeit bemerkt, dass wir zunehmend wütend
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geworden sind. weil wir gesehen haben,
dass es spezialisierte
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Rechtsanwaltskanzleien gibt, die sich im
industriellen Maßstab darauf
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eingeschossen haben, banalste, echte oder
unechte Verstöße automatisiert zu ahnden
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Sie benutzen dabei Werkzeuge der
Juristerei, die Formulierungsschwächen in
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den Gesetzestexten ausnutzen, um dann
über unglückliche Analogien vor
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Gerichten möglichst viel Geld zu
generieren, und zwar möglichst wenig
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Aufwand und möglich wenig Risiko dabei zu
haben, selber im schlimmen Fall Geld
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zahlen zu müssen. Sie versuchen das so
automatisiert und im großen Stil zu
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machen, dass sie eine breite Anzahl von
Nutzern damit erreichen, wie gesagt: Da
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wird Industrie aufgebaut. Was uns jetzt so
wütend macht dabei ist, dass es
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Kollateralschäden gibt: Bei den
Bildlizenzabmahnungen, die wir in letzter
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Zeit sehen, wenn Teenager Fotos auf
Facebook oder auf soziale Netzwerke
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hochladen, gehen Kanzleien da hinterher
und mahnen in unverhältnismäßiger Art
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und Weise ab, um dort Gebühren zu
kassieren und inzwischen ist für eine
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ganze Generation der Erstkontakt mit der
Juristerei nicht mehr so nach einem
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Ladendiebstahl der Staatsanwalt, der da
vielleicht auf Ausgleich bedacht den
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Du-du!-Finger hochhebt und sagt "Na,
stellen wir erstmal ein!". Sondern es ist
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eine auf Gewinn orientierte Großkanzlei,
die unerbittlich Geld von dem Teenager
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oder dann Durchgreifen auf die Eltern
einsammelt und das als Business betreibt
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und dabei genau nicht auf Ausgleich
bedacht ist. Die haben
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Impressums-Abmahnungen, die wir sehen,
gibt es gegen die Mikroverstöße quasi im
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Impressum kleine Fehler zu machen sind die
Kollateralschäden kleinere Betriebe, die
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gerade versuchen, irgendwie auf die Füße
zu kommen, werden dann gleich mal mit der
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fetten Keule des Wettbewerbsrechts klein
gemacht und im schlimmsten Fall, bevor sie
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überhaupt angefangen haben, ruiniert. Und
das Thema, was wir heute erzählen wollen,
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ist natürlich über die
Urheberrechtsverstöße, die dazu führen,
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dass - auch wenn Abmahnungen unberechtigt
sind - Leute so viel Angst davor haben,
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ihr Netzwerk mit ihren Nachbarn oder gar
mit ihren Kindern zu teilen, ohne dort
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sich 4-5 Mal zurückzuvergewissern, dass
offene Netz in Deutschland zu finden ein
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zunehmendes Ding der Unmöglichkeit oder
sogar größere Vereine, wie Freifunk, dort
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juristische Hilfe brauchen. Um in dieses
Thema für euch einzusteigen auf eine Art
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und Weise, damit jeder versteht, was wir
getan haben müssen wir einmal durch so
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ein bisschen den langweiligen Kram, wie so
eine Abmahnung funktioniert. Ich versuch's
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ganz kurz zu halten. Stellt euch vor, aus
eurem Netzwerk wurde irgendwas
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ge-fileshared. Eine Großkanzlei hat Firmen
beauftragt, die machen mit beim
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Filesharen. Die haben da so einen Client
geschrieben, der keine Daten selbst sendet
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sondern nur empfängt und wenn von deiner
IP-Adresse da Daten kamen, die sie in Hash
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überprüft, führt zu diesem
urheberrechtlich geschützen Werk, welches
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wir da gerade vertreten, dann gehen sie
los. Sie nehmen die IP-Adresse und die
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Uhrzeit, finden raus, zu welchem ISP also
zu welchem Internetanbieter, diese
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IP-Adresse gehört, gehen zum
entsprechenden Gericht, lassen sich ein
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Auskunftsbeschluss geben. Mit dem gehen
sie dann zum ISP, sagen: "Gib mir mal die
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Stammdaten!", also Adresse und Name des
Anschlussinhabers. Dann machen sie einen
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Serienbrief fertig, und geben netterweise
noch IP-Adresse, Uhrzeit, Namen des Werks
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und den Hash reinschreiben. Dann kommen 50
Seiten Text, in denen alle möglichen
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relevanten oder nicht relevanten Urteile
aus dem Fachgebiet mit drin stehen und das
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leichtverständlichste, größte ist der
Überweisungsträger, mit dem man aus der
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Sache raus ist. Die Anschreiben sind
absichtlich technisch und juristisch
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komplex und es wird eine krasse Frist
meistens gesetzt, zu der man noch bezahlen
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muss. Und zuletzt, weil es so einige
Konstentransparenzgesetzgebung gab, wird
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das Ganze als Vergleichsangebot getarnt,
mit dem man dann quasi mit einmal bezahlen
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wird der Vergleich geschlossen. Und "wir
verfolgen die Sache nicht weiter". Das
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bieten die Abmahnanwälte dann an. In dem
Moment, wenn man die Abmahnung bekommt,
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befindet man sich schon in einem
Rechtsstreit. Der Gegner behauptet eine
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Forderung und diese Forderung zu
ignorieren sollte man eigentlich nicht
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machen. Das kann vielleicht in
Einzelfällen mal funktioniert haben, aber
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komplett zu ignorieren, ist in der
Juristerei immer ein großes Problem.
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Richter mögen soetwas nicht, weil das
dann nicht außergerichtlich geregelt
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werden kann, sondern im Zweifel bis zum
Gericht eskaliert wird. Und daher wäre es
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besser, überhaupt darauf zu antworten und
zu sagen: "Ne, die Forderung besteht
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nicht, woll' mer nicht." Blöderweise ist
der Überweisungsträger die einfachste
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Weise, da raus zu kommen: Der verspricht
Ruhe. Das führt dazu, dass viele einfach
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bezahlen, obwohl sie nichts getan haben.
Es ist wichtig zu wissen: Wenn man das
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nicht selber war, dann ist die Abmahnung,
die an einen gegangen ist, weil man der
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Anschlussinhaber war, schon mal nicht
rechtsmäßig. Wer sich wehrt und darlegt,
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dass er als Täter nicht infrage kommt,
der kann eventuell aus der Abmahnung raus
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kommen. Nicht unbedingt immer, bei einigen
Kanzleien die ignorieren einfach die
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Antworten und schicken weitere
Textbausteine zurück, die nichts weiter
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mit dem Fall zu tun haben und zum Teil
wird kurz vor Verjährung sich noch mal
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mit einem besseren Angebot gemeldet. Zum
Teil wird's an aggressiver auftretende
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Kanzleien verkauft, so Forderungen am
Stapel, die sich dann bei einem noch mal
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melden, und so ein Fall ist wirklich
komplett erst abgeschlossen, wenn entweder
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man bezahlt hat, wenn man das
Vergleichsangebot angenommen hat, wenn die
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Gegenseite die Forderung schriftlich
zurücknimmt, wenn sie verjährt ist, also
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nach drei Jahren, oder wenn ein Gericht
dann für oder gegen einen entschieden
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hat. Das blöde ist, einige Richter
behaupten, man sei erstmal für alle
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Verstösse, die aus einem Netzwerk kommen
zuständig und versuchen Mittel und Wege
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zu finden. Von einigen Richtern wird man
immer noch als Störer, wegen der
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Störerhaftung mit in die Pflicht
genommen, zu zahlen. Und am Ende obsiegt
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die Gerechtigkeit und die Künstler
bekommen ihr Recht. Oder?
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Beata: Ich bin auf der Oder-Seite. Das
liegt daran, dass ich sehr viele
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juristische Punkte gefunden habe, die
nicht funktionieren oder beziehungsweise
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so nicht funktionieren dürften. Die ab
und zu vor Gericht funktionieren und ab
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und zu nicht. Wir haben ja auch gar keine
klare Rechtssprechung. Ich beschäftige
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mich mit dem Thema jetzt so seit 2012 um
den Dreh, weil ich ein paar Freifunker
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kennengelernt habe, die mir von der
Abmahnproblematik erzählt haben. So wie
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sie mir das erzählt haben, bin ich
stutzig geworden und dachte, man muss
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damit etwas mehr auseinandersetzen und
gucken, was tatsächlich in den
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Abmahnungen drin steht, worauf die fußt
und was tatsächlich damit bezweckt wird.
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Und ich spreche jetzt hier mal zehn Punkte
an, die juristisch nicht in Ordnung sind.
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Man kann tatsächlich noch mehr finden. Es
ist ein weiter Bereich, weiter
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juristischer Bereich, der immer größer
geworden ist, auch in den letzten Jahren.
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Alles beginnt mit dem Auskunftsanspruch,
den erdgeist schon angesprochen hat. Die
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Rechteinhaber gehen zum Landgericht, das
zuständig ist, für den ISP, der halt da
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in dem Kreis sitzt, in dem Bereich und die
Rechteinhaber behaupten, dass hier, also
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mit technischen Ausdrucken, also
Mitschnitten, dass hier im großen Maße
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Filesharing begangen wurde und sie wollen
herausbekommen, wer hinter den einzelnen
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IP-Adressen steckt. Im Gesetz gibt es die
Pflicht, für unbeteiligte Dritte
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tatsächlich auch personenbezogene Daten
herauszugeben, aber nur dann, wenn
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die Urheberrechtsverletzung im
gewerblichen Ausmaß vorgenommen wurde.
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§101 Urheberrechtsgesetz, wer mal Lust
hat nachzuschlagen. Gewerbliches Ausmaß
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wird natürlich definiert, und hier
einschlägig ist dann die Anzahl der
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Urheberrechtsverletzungen. Wir haben aber
keine Zahl, die bei den Anträgen auf so
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einem Beschluss eingereicht werden, es
gibt auch keine Schätzung, also keine
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Konkrete, was gezählt wurde, 5 mal, 50
mal, 500 mal, 5000 mal auch keine
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Schätzung, also es handelt sich um das
Werk, das ist dann und dann rausgekommen,
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und da haben sich höchstwahrscheinlich so
und so viel Leute für interessiert. Das
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gibt es alles nicht. Sondern die reine
Vermutung, dadurch, dass das Internet
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benutzt wird, dass milliardenfach, das auf
der ganzen Welt abgerufen wird. Oder
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millionenfach, was weiß ich. Also es wird
auf jeden Fall von einer gewerbsmäßigen
-
Urheberrechtsverletzung ausgegangen, ohn e
dass es halt tatsächlich dargelegt wird,
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ohne dass irgendwie Material vorhanden
ist, um das überprüfen zu können. Das
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heißt, eigentlich dürften diese
Beschlüsse nicht ergehen, das heißt
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auch, dass von Privatpersonen, die zu
Hause sitzen und sich, für sich, einen
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Film angucken, und durch dieses Werkzeug
dass sie benutzen, es automatisch
-
hochgeladen wird, sie das aber meisten
nicht bezwecken, also in den seltensten
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Fälle oder gut wenn, dann muss das halt
auch dargelegt werden, werden sie
-
plötzlich als gewerbsmäßig tätige
betitelt. Wenn das nicht so wäre, hätten
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wir überhaupt die ganzen Abmahnungen
nicht, weil die Rechteinhaber die Daten
-
von den Anschlussinhabern überhaupt nicht
bekommen dürften. Das war Fall 1, Punkt 1
-
Dann Punkt 2: Was mich die ganze Zeit
stört, von Anfang an, ist die Grundlage
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von diesen Urteilen, wenn Abgemahnte einen
Rechtsstreit verlieren. Die Grundlage ist,
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Nummer 1, die IP-Adresse, also die
Ermittlung der IP-Adresse, und Nummer 2,
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ein Hash-Wert. Keine weiteren
Ermittlungen, keine weitere Informationen,
-
das war's. Ansonsten Rechtssprechung und
Rechtsanwendung, aber vom Sachverhalt gibt
-
es nicht mehr. Weiter diese wunderbare
Geschichte mit der Lizenzanalogie.
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Natürlich geht es bei einem
Zivilrechtsstreit immer um die Frage, ist
-
ein Schaden entstanden und wie hoch ist
dieser Schaden? Das heißt, wenn ich zu
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Hause einen Film illegal konsumiere, bin
ich nicht entweder in ein Geschäft
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gegangen oder habe andere legale
Möglichkeiten genutzt, also hab keine 30
-
Euro ausgegeben, hab keine 50 Euro
ausgegeben oder irgendwas um den Dreh,
-
wäre dann ein Schaden in Höhe einer
zweistelligen Summe, wenn man das so
-
sauber anwenden würde. Ist natürlich
nicht viel Geld und die ganzen
-
Rechtsstreitereien würden sich auch nicht
lohnen. Also gibt es die sogenannte
-
Lizenzanalogie. Es wird demjenigen, der
abgemahnt wird, gesagt, "Du hättest eine
-
Lizenz dafür kaufen müssen, dieses Werk
weltweit anbieten zu können." Diese
-
Lizenz gibt es natürlich nicht. Ist ja
Quatsch, verkauft ja keiner. Trotzdem wird
-
das aber behauptet, damit der Streitwert
sich in mehreren-Hundert-Euro-Bereichen
-
befindet. Damit das auch Spaß macht.
Natürlich würde derjenige auch nicht
-
eine Lizenz kaufen. Dann der Streitwert,
der vor Gericht für die
-
Unterlassungserklärung angenommen wird,
das ist mittlerweile komplette Willkür.
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Wir haben Richter, die sagen 1000 Euro,
also was im Gesetz drin steht ist nicht
-
nur außergerichtlich, sondern auch vor
Gericht gültig. Dann haben wir Richter,
-
die sagen 5000. Da sind wir dann beim
Landgericht, mit 5000+. Und wir haben auch
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Richter, die sagen 15.000 Euro. Ich habe
diese Verfahren vor mir liegen, und es
-
gibt auch keine Begründung, warum der
eine 1000, der andere 5000 und der
-
nächste 15.000 annimmt, sondern das ist
so wie Glücksrad, wenn man dann vor
-
Gericht geht. Das ist deshalb so wichtig,
weil nach dieser Summe sich die Kosten
-
für einen Rechtsstreit berechnen und auch
die Kosten, für einen Rechtsanwalt. Also
-
bei einem Streitwert von 1000 Euro sind
wir halt niederschwellig bei 100 Euro,
-
oder 200, auf den jeden Fall sehr
übersichtlich. Bei 15.000 sind wir dann
-
halt schon bei über 1000 Euro im
Rechtsstreit. Also hat dann eben auch eine
-
abschreckende Wirkung. Das ist auch etwas,
was mir in dem Bereich überhaupt nicht
-
gefällt. Es geht gar nicht um die eine
Person, die jetzt zivilrechtlich etwas
-
falsch gemacht hat, weil sie Urheberrechte
von jemanden nicht beachtet hat, sondern
-
es geht darum, alle anderen abzuschrecken,
weil es halt teuer ist, weil es ist
-
außergerichtlich teuer und es ist vor
Gericht teuer mit dem ganzen
-
Prozessrisiko, das damit verbunden ist.
Das darf so nicht funktionieren. Das ist
-
schon im Strafrecht hochgradig umstritten,
ob ich jemanden bestrafen darf, um andere
-
Leute davon abzuhalten, einen Straftat zu
begehen. Im Zivilrecht ist das überhaupt
-
nicht haltbar, gar nicht. Dann der
nächste Punkt, die technischen
-
Informationen, die vor Gericht vorgelegt
werden. Also meisten kriegt man die erst
-
im Gerichtsverfahren, nicht vorher. Also
die Mitschnitte von den Protokollierungen
-
innerhalb der Tauschbörsen. Und es ist so
eine Glaubensfrage. Habe ich auch,
-
Richter, die sagen, glaube ich nicht, dass
sich dahinter ein echter Sachverhalt
-
verbirgt, dass das die Wirklichkeit
widerspiegelt. Oder es gibt Richter, die
-
sagen, "Ja, ist alles so wichtig, sieht
gut aus. Glaube ich!" Nächster Punkt: Die
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Kontrollpflichten, die hatten wir
eigentlich schon aus der Rechtssprechung
-
draußen gehabt. Es gab eine
Rechtssprechung, die gesagt hat, der
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Anschlussinhaber ist verpflichtet,
diejenigen zu kontrollieren, die seinen
-
Anschluss benutzen, daraufhin, ob sie
Urheberrechtsverletzungen be gehen. Wenn
-
wir das in die Praxis umsetzen, haben wir
sofort mindestens ein Problem mit dem
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Datenschutz, also derjenige muss
natürlich entweder mitloggen, oder er
-
muss halt an die Rechner ran, von zum
Beispiel seinen Mitbewohnern oder seinen
-
Kindern, oder komplett fremden Personen,
Gästen. Und dann kommen wir sogar in die
-
Problematik des Fernmeldegeheimnisses.
Also die Idee ist ganz schlecht, wird
-
jetzt aber leider wieder seit diesem
Herbst diskutiert. Seitdem es das Urteil
-
vom EuGH, McFadden, gab, ist die
Diskussion wieder aufgepumpt, emotional
-
auch aufgepumpt, also wir wollen
natürlich nicht so ein Internet haben.
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Müssen wir gucken, wie das weitergeht.
Dann die schöne Problematik mit der
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Störerhaftung. Also wenn ich nicht Täter
war, also nachweisen kann, beziehungsweise
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ich muss ja gar nicht nachweisen, also
wenn ich darlegen kann, dass ich nicht
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Täter war, dann habe ich immer noch das
Problem, dass man mir sagt, ich habe eine
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sogenannte Gefahrenquelle eröffnet. Aus
meiner Sicht totaler Humbug. Das Internet
-
ist ein Kommunikationsmittel, wie viele
andere auch. Und es ist nicht per se eine
-
Gefahrenquelle. Gefahrenquelle bedeutet,
wenn ich ungehindert das so laufen lasse,
-
dann hab ich einen Geschehensablauf, der
definitiv in irgendeinen Schaden führt.
-
Also wir wissen alle, dass es so nicht
ist. Also wir nutzen das Internet ständig,
-
ohne irgendwelche Schäden zu verursachen.
-
Lachen
-
Und wenn ich keine Gefahrenquelle habe,
dann muss ich auch nicht dafür sorgen,
-
dass andere Leute keine Schäden dadurch
verursachen. Das heißt, die Idee, die
-
Störerhaftung auf einen Internetanschluss
zu übertragen, ist, ganz nett gesagt,
-
hanebüchen. Also genau wie Telefon,
Briefkasten oder eine Autobahn etcetera,
-
es kommt darauf an, was die Leute da
machen direkt, auch welche Werkzeuge sie
-
benutzen etcetera. Aber nicht der Zugang
an sich bedeutet schon, dass jemand etwas
-
Schlimmes macht. Und noch zwei Punkte, wir
hatten jetzt acht hinter uns. Auch was mit
-
dem Lebenssachverhalt überhaupt nichts zu
tun hat, die tatsächliche Vermutung, wenn
-
ich Anschlussinhaber bin, dann bin ich
auch Täter. Dahinter steckt, dass in
-
mindestens 50 Prozent der Haushalte …
Eigentlich müssen es natürlich noch mehr
-
sein, aber ich bin jetzt bloß nett und
sage 50 Prozent der Haushalte, in denen
-
die Leute alleine Leben, keine Gäste
haben, ihr Netz zumachen. Das stimmt aber
-
nicht. Die wenigsten Leute benutzen ihren
Internetanschluss komplett alleine.
-
Sondern der Normalfall ist, dass man
teilt, dass hinter einem Anschluss mehrere
-
Personen stecken, und dass dementsprechend
auch nicht davon ausgegangen werden kann,
-
dass derjenige, der den Vertrag mit dem
Provider hat, automatisch dann auch
-
derjenige ist, der die Rechtsverletzung
begangen hat. Und letzter Punkt: Das, was
-
das ganze Geschäftsmodell so interessant
macht, von den Abmahnern. Sie haben gar
-
kein Kostenrisiko. Weil im Gesetzt steht
drin, dass nur wenn nachgewiesen werden
-
kann, dass die Abmahnung fahrlässig
erfolgte, darf derjenige, der irgendeinen
-
Aufwand hatte, zum Beispiel einen Anwalt
eingeschaltet hat, sich die Kosten vom
-
Abmahner zurückholen. Fahrlässig
bedeutet aber, dass da Kenntnis vorhanden
-
sein muss. Also mindestens muss der
Abmahner den Abgemahnten kennen, also die
-
Situation in irgendeiner Weise
einschätzen können. Die sind sich aber
-
alle natürlich unbekannt. Das heißt,
dieser Absatz ist auch nur Makulatur und
-
findet keine Anwendung. Es gibt sozusagen
kein Kostenrisiko für die Abmahner, so
-
wie es gerade ist.
-
erdgeist: Und das macht auch total Sinn,
wenn man sich überlegt, dass da so eine
-
Großkanzlei ihr gesamte Business darauf
basiert, dann kann die natürlich bei
-
mehreren Tausend Fällen … Wir haben das
mal geschätzt für die größte Kanzlei,
-
die vergeben ja immer Seriennummern für
ihre Fälle, die fangen jedes Jahr neu an.
-
Nun wir haben die Seriennummern gezählt.
Wenn man bei Freifunk Jura macht, also die
-
Verteidigung macht, dann kommen die da
ziemlich häufig vorbei. Und es sind
-
ungefähr 10.000 Abmahnungen, die da pro
Monat verschickt werden. Das ist bei
-
vierstelligen Beiträgen, also es sind
üblicherweise 700 bis 1500 Euro, das
-
heißt da gehen irgendwie achtstellig
Forderungen raus im Monat. Das geht den
-
Kanzleien irgendwie nicht um Recht
durchzusetzen, sondern darum, ihr
-
Business-Modell zu behalten und da würde
es natürlich keinen Sinn ergeben, wenn
-
sie ständig für Fälle, die unberechtigt
abgemahnt worden sind, jetzt auch noch den
-
Leuten ihre Anwälte bezahlen. Da haben
sie glücklicherweise dort in diesem Satz
-
4 des Urhebergesetz-Paragrafen 97…
-
Beata: a
-
erdgeist: … 97 a - eine Goldgrube
gefunden, die sie da einfach auch bis aufs
-
Erbrechen ausbeuten. Für sie entstehen
wirklich Einzelfallkosten nur in
-
einstelliger Eurohöhe, das ist quasi zu
vernachlässigen. Sie müssen dort bei
-
Gerichten die Beauskunftung bezahlen und
das war's. Und das Ding ist, dass ihr
-
Geschäftsmodell sofort kaputtginge, wenn
das mit dieser Fahrlässigkeit, wenn man
-
das irgendwie hinbekäme. Wenn man also
dafür sorgen könnte, dass diese
-
Kanzleien in Erfahrung gebracht bekommen,
dass diese Abmahnung nicht rechtmäßig
-
ist. Dann würden nämlich die Abmahner
plötzlich auf ihren Kosten sitzen bleiben
-
und auf den Kosten des Abgemahnten auch.
Und dieses schöne Geschäftsmodell ginge
-
kaputt. Naja. Das glaube ich, kann man
einrichten, dass die Bescheid wissen. Und
-
dazu haben wir dann den
Abmahnbeantworter gebaut.
-
Beata: Genau, das sind wir. Wir haben
dieses Werkzeug gebaut, damit so viele
-
Abgemahnte wie möglich, also die
ungerechtfertigt abgemahnt wurden, die
-
Möglichkeit haben, sich zu verteidigen.
Also es sind meistens kurze Fristen, das
-
ist auch total süß gemacht. Der Brief wird
geschrieben mit von diesem Datum dann zwei
-
Wochen Frist. Also nicht wenn der Brief
eingeht, sondern wenn er losgeschickt wird.
-
Also das heißt, sowas wie zehn Tage hat
man, um sich zu orientieren. Ich als
-
Anwältin schaffe es nicht, mir innerhalb
von zehn Tagen einen Anwalt zu suchen, dem
-
ich vertraue. Also wo ich mich ein
bisschen mit beschäftigt habe, also es ist
-
schon eine Herausforderung. Um da ein
bisschen die Luft auch rauszunehmen und
-
um mehr Leute dazu zu bekommen, sich zu
verteidigen, gibt es den Abmahnbeantworter
-
Wir haben versucht das übersichtlich zu
machen und auch wenn man die einzelnen
-
Schritte durchgeht, soll auch mit der
Abmahnung an sich gearbeitet werden, also
-
zum Beispiel geht es um Tatzeitpunkt, geht
es darum, wie das Aktenzeichen ist, so dass
-
derjenige, der abgemahnt wurde, auch sich
mit der Abmahnung auseinandersetzt und
-
versucht, die zu verstehen,
nachzuvollziehen, was ihm da vorgeworfen
-
wird und selber überlegt, was bei ihm zu
dem Zeitpunkt los war, um dann den
-
Abmahnern mitteilen zu können, einfach,
übersichtlich, warum die Abmahnung
-
unrechtmäßig war. Darüber hinaus, das
war so der erste Schritt, der zweite ist,
-
dass wir jetzt nächstes Jahr, die
Abmahner unter Zugzwang setzen möchten.
-
Das bedeutet, dass wenn man den
Abmahnbeantworter benutzt hat, und die
-
Abmahner sich nicht die Mühe machen, sich
mit dem dargelegten Sachverhalt
-
auseinanderzusetzen, sondern wieder
Standardbriefe schreiben, wieder das
-
Gleiche behaupten, wieder die Drohkulisse
hochfahren, vielleicht mit der Summe etwas
-
runtergehen, dass es jetzt ein Ende hat
und die juristisch arbeiten müssen. Wir
-
wollen nämlich dann, nachdem der
Abmahnbeantworter benutzt wurde und dann
-
ein weiteres Schreiben vom Abgemahnten an
die Abmahner aufgesetzt werden muss,
-
wollen wir mit Kostennoten arbeiten. So
dass wir das Kostenrisiko, dass sie die
-
ganze Zeit auf die Abgemahnten wälzen,
dass wir das zurückgeben, und sie dadurch
-
zwingen, juristisch sauber zu arbeiten.
Sich das auch anzugucken, aus diesem
-
Massengeschäft rauszukommen, das auch
juristisch untypisch ist.
-
Applaus
-
Dankeschön.
-
erdgeist: Der Punkt den wir gerade
übersprungen haben ist, dass der
-
Abmahnbeantworter selber funktioniert in
deinem Browser. Du trägst alle wichtigen
-
Werte ein, wie die Fallnummer, das Datum
der Abmahnung, dein Adresse, damit der
-
Abmahner weiß, wer du bist. Und wenn du
dich durch alle Punkte durchgearbeitet
-
hast, und erklärst, warum du nicht ???
bist drückst du einen Knopf und Dir wird
-
ein PDF erzeugt – für einige Kanzleien
haben wir die Adressen schon voreingetragen,
-
sind ja immer die üblichen Verdächtigen –
-
Lachen
-
Und das PDF kannst Du einfach ausdrucken,
unterschreiben und natürlich überprüfen,
-
ob alles stimmt, was da drin steht, und
eintüten und losschicken und hast damit
-
quasi kostenlos – na gut, das Porto musst
Du bezahlen – aber du hast Dir einen
-
Anwalt zu suchen erstmal schon eine
Erstverteidigung losgetreten, du hast,
-
ohne dass Kosten entstanden sind, die dann
auch den selben Fall für den Abmahner
-
daraus machen, was sehr wichtig ist, hast
du schon dafür gesorgt, dass die
-
Gegenseite in Zugzwang gerät. Würde man
sich nämlich erst den Anwalt nehmen, wäre
-
das alle ein Fall und die Gegenseite
könnte sagen "Nee, bezahlen wir nicht,
-
gehört ja alles zusammen", so gab's
erstmal eine kostenlose Erstverteidigung
-
und die Kosten entstehen dann erst, wenn
der Abmahner nicht darauf eingeht, was in
-
dem Schreiben, das wir dann so
halbautomatisiert losschicken, drin steht.
-
Applaus
-
Beata: Und jetzt noch von diesem
juristischem bisschen weg, das Ganze hat
-
auch eine politische Komponente, warum wir
uns eben auch privat auseinandersetzen mit
-
dem Thema. Ich sag jetzt einfach mal
"wir". Wir möchten offenen Netze
-
und wir möchten freie Netze.
-
Applaus
-
Dieser Flurschaden, der von den Abmahnern
angerichtet wird, kann einfach so nicht
-
haltbar sein, es geht nicht. Wir kämpfen
an so vielen Ecken und Enden und Kanten
-
immer wieder, darum, dass wir überall
Internetzugang haben, dass die Technologie
-
sich weiterentwickelt. Das sind
wirtschaftliche Gründe, das sind aber auch
-
Grundrechte, Menschenrechte, kommunizieren
zu können. Es ist auch die eigene
-
Erfahrung. Ich wäre nicht die Person, die
ich jetzt bin, ohne einen Zugang zum
-
Internet, den ich eben immer haben konnte.
Ich brauche einen Internetzugang, um zu
-
arbeiten, um zu kommunizieren, um mich zu
orientieren, um Pläne zu machen, etcetera,
-
um mich zu informieren. Es kann nicht
sein, dass dadurch, dass jemand anderes,
-
also auch die Unterhaltungsindustrie
steckt ja dahinter, es ist ja nicht, dass
-
die jetzt arm sind oder so. Es geht nicht,
einfach weil sie noch mehr Geld verdienen
-
möchten, dass ich diese elementaren Rechte
einfach verliere oder dass es Orte gibt,
-
selbst dann jetzt 2016, kann ich dann da
nicht ungehindert ins Internet gehen. Ich
-
möchte, dass sich das verändert und ich
möchte die Leute unterstützen, die ihren
-
Anschluss teilen. Sie sollen das weiter
machen, sie sollen von uns unterstützt
-
werden und dieser Druck und diese Angst
und diese Unsicherheit möchten wir
-
entweder verkleinern, oder am besten
natürlich nehmen. Und daran arbeiten wir.
-
erdgeist: Was mir noch am Herzen liegt,
was ich sagen würde, ist dass ich
-
eigentlich diesen Abmahnbeantworter gerne
in einem halben Jahr wieder ausschalten
-
können würde, nämlich indem der
Gesetzgeber die Abmahner verpflichtet,
-
einfach schon so einen Abmahnbeantworter
mit jeder Abmahnung beizulegen. Das was
-
wir da tun, die wichtigen Informationen
einzusammeln und ein Schreiben zu
-
erzeugen, das sollten die Abmahner auch
selber machen müssen. Einfach wie wenn Du
-
einen Mahnbescheid bekommst vom Gericht,
da machst du einfach ein Kreuz "Nee,
-
stimmt alles nicht", unterschreibst,
schickst Du zurück, was ja eigentlich der
-
Default-Fall sein sollte. Genau das
Schreiben sollte auch für – leicht
-
verständlich – wenn Du diese Forderung
bestreitest, einfach ankreuzen,
-
unterschreiben und ab zurück und da wäre
es cool, wenn das Ministerium für
-
Verbraucherschutz dort mal ein bisschen in
die Puschen kommt und Abmahner, die das im
-
großen Stil betreiben dazu verpflichtete,
den Abmahnbeantworter quasi gleich einzubauen.
-
Applaus
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Herald: Das war doch ein schönes
Schlusswort. Es tut mir leid, wir haben
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jetzt auch keine Zeit mehr für Fragen,
aber wenn Ihr noch Fragen habt oder
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Kommentare abgeben möchtet, Euch darüber
unterhalten möchtet, diskutieren möchte,
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15:30 Uhr findet morgen bei dem Freifunk-
Assembly eine Diskussionsrunde statt, da
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sind auch Beata und erdgeist dann da und
da könnt Ihr Euch dann die Köpfe
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heiß diskutieren. Ich würde mich freuen,
wenn Ihr noch mal Applaus gebt
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und vielen Dank an Euch beide.
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Applaus
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Abspannmusik
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Untertitel erstellt von c3subtitles.de
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