33C3 Vorspannmusik Herald: Wir haben jetzt heute erdgeist hier und die Beata Hubrig. Die beiden habe sich mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt und werden uns jetzt erzählen, wie man was dagegen tun kann, oder was man dagegen schon getan hat, was man künftig noch dagegen tun kann. Die Beata ist Rechtsanwältin in Berlin und engagiert sich bei Freifunk und beim Tor Project. Und erdgeist ist OpenSource Developer, kommt auch aus Berlin und macht nebenbei noch Chaos Radio und den OHM Podcast und engagiert sich im CCC. Ein herzliches Applaus für die Beiden. Applaus erdgeist: Dankeschön. Wunderschönen guten Tag. Zuerst: Warum stellen wir uns hier mit so einem sperrigen Thema auf die Bühne? Abmahnungen sind schon ein juristisches Nieschenthema. Aber wir haben in letzter Zeit bemerkt, dass wir zunehmend wütend geworden sind. weil wir gesehen haben, dass es spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien gibt, die sich im industriellen Maßstab darauf eingeschossen haben, banalste, echte oder unechte Verstöße automatisiert zu ahnden Sie benutzen dabei Werkzeuge der Juristerei, die Formulierungsschwächen in den Gesetzestexten ausnutzen, um dann über unglückliche Analogien vor Gerichten möglichst viel Geld zu generieren, und zwar möglichst wenig Aufwand und möglich wenig Risiko dabei zu haben, selber im schlimmen Fall Geld zahlen zu müssen. Sie versuchen das so automatisiert und im großen Stil zu machen, dass sie eine breite Anzahl von Nutzern damit erreichen, wie gesagt: Da wird Industrie aufgebaut. Was uns jetzt so wütend macht dabei ist, dass es Kollateralschäden gibt: Bei den Bildlizenzabmahnungen, die wir in letzter Zeit sehen, wenn Teenager Fotos auf Facebook oder auf soziale Netzwerke hochladen, gehen Kanzleien da hinterher und mahnen in unverhältnismäßiger Art und Weise ab, um dort Gebühren zu kassieren und inzwischen ist für eine ganze Generation der Erstkontakt mit der Juristerei nicht mehr so nach einem Ladendiebstahl der Staatsanwalt, der da vielleicht auf Ausgleich bedacht den Du-du!-Finger hochhebt und sagt "Na, stellen wir erstmal ein!". Sondern es ist eine auf Gewinn orientierte Großkanzlei, die unerbittlich Geld von dem Teenager oder dann Durchgreifen auf die Eltern einsammelt und das als Business betreibt und dabei genau nicht auf Ausgleich bedacht ist. Die haben Impressums-Abmahnungen, die wir sehen, gibt es gegen die Mikroverstöße quasi im Impressum kleine Fehler zu machen sind die Kollateralschäden kleinere Betriebe, die gerade versuchen, irgendwie auf die Füße zu kommen, werden dann gleich mal mit der fetten Keule des Wettbewerbsrechts klein gemacht und im schlimmsten Fall, bevor sie überhaupt angefangen haben, ruiniert. Und das Thema, was wir heute erzählen wollen, ist natürlich über die Urheberrechtsverstöße, die dazu führen, dass - auch wenn Abmahnungen unberechtigt sind - Leute so viel Angst davor haben, ihr Netzwerk mit ihren Nachbarn oder gar mit ihren Kindern zu teilen, ohne dort sich 4-5 Mal zurückzuvergewissern, dass offene Netz in Deutschland zu finden ein zunehmendes Ding der Unmöglichkeit oder sogar größere Vereine, wie Freifunk, dort juristische Hilfe brauchen. Um in dieses Thema für euch einzusteigen auf eine Art und Weise, damit jeder versteht, was wir getan haben müssen wir einmal durch so ein bisschen den langweiligen Kram, wie so eine Abmahnung funktioniert. Ich versuch's ganz kurz zu halten. Stellt euch vor, aus eurem Netzwerk wurde irgendwas ge-fileshared. Eine Großkanzlei hat Firmen beauftragt, die machen mit beim Filesharen. Die haben da so einen Client geschrieben, der keine Daten selbst sendet sondern nur empfängt und wenn von deiner IP-Adresse da Daten kamen, die sie in Hash überprüft, führt zu diesem urheberrechtlich geschützen Werk, welches wir da gerade vertreten, dann gehen sie los. Sie nehmen die IP-Adresse und die Uhrzeit, finden raus, zu welchem ISP also zu welchem Internetanbieter, diese IP-Adresse gehört, gehen zum entsprechenden Gericht, lassen sich ein Auskunftsbeschluss geben. Mit dem gehen sie dann zum ISP, sagen: "Gib mir mal die Stammdaten!", also Adresse und Name des Anschlussinhabers. Dann machen sie einen Serienbrief fertig, und geben netterweise noch IP-Adresse, Uhrzeit, Namen des Werks und den Hash reinschreiben. Dann kommen 50 Seiten Text, in denen alle möglichen relevanten oder nicht relevanten Urteile aus dem Fachgebiet mit drin stehen und das leichtverständlichste, größte ist der Überweisungsträger, mit dem man aus der Sache raus ist. Die Anschreiben sind absichtlich technisch und juristisch komplex und es wird eine krasse Frist meistens gesetzt, zu der man noch bezahlen muss. Und zuletzt, weil es so einige Konstentransparenzgesetzgebung gab, wird das Ganze als Vergleichsangebot getarnt, mit dem man dann quasi mit einmal bezahlen wird der Vergleich geschlossen. Und "wir verfolgen die Sache nicht weiter". Das bieten die Abmahnanwälte dann an. In dem Moment, wenn man die Abmahnung bekommt, befindet man sich schon in einem Rechtsstreit. Der Gegner behauptet eine Forderung und diese Forderung zu ignorieren sollte man eigentlich nicht machen. Das kann vielleicht in Einzelfällen mal funktioniert haben, aber komplett zu ignorieren, ist in der Juristerei immer ein großes Problem. Richter mögen soetwas nicht, weil das dann nicht außergerichtlich geregelt werden kann, sondern im Zweifel bis zum Gericht eskaliert wird. Und daher wäre es besser, überhaupt darauf zu antworten und zu sagen: "Ne, die Forderung besteht nicht, woll' mer nicht." Blöderweise ist der Überweisungsträger die einfachste Weise, da raus zu kommen: Der verspricht Ruhe. Das führt dazu, dass viele einfach bezahlen, obwohl sie nichts getan haben. Es ist wichtig zu wissen: Wenn man das nicht selber war, dann ist die Abmahnung, die an einen gegangen ist, weil man der Anschlussinhaber war, schon mal nicht rechtsmäßig. Wer sich wehrt und darlegt, dass er als Täter nicht infrage kommt, der kann eventuell aus der Abmahnung raus kommen. Nicht unbedingt immer, bei einigen Kanzleien die ignorieren einfach die Antworten und schicken weitere Textbausteine zurück, die nichts weiter mit dem Fall zu tun haben und zum Teil wird kurz vor Verjährung sich noch mal mit einem besseren Angebot gemeldet. Zum Teil wird's an aggressiver auftretende Kanzleien verkauft, so Forderungen am Stapel, die sich dann bei einem noch mal melden, und so ein Fall ist wirklich komplett erst abgeschlossen, wenn entweder man bezahlt hat, wenn man das Vergleichsangebot angenommen hat, wenn die Gegenseite die Forderung schriftlich zurücknimmt, wenn sie verjährt ist, also nach drei Jahren, oder wenn ein Gericht dann für oder gegen einen entschieden hat. Das blöde ist, einige Richter behaupten, man sei erstmal für alle Verstösse, die aus einem Netzwerk kommen zuständig und versuchen Mittel und Wege zu finden. Von einigen Richtern wird man immer noch als Störer, wegen der Störerhaftung mit in die Pflicht genommen, zu zahlen. Und am Ende obsiegt die Gerechtigkeit und die Künstler bekommen ihr Recht. Oder? Beata: Ich bin auf der Oder-Seite. Das liegt daran, dass ich sehr viele juristische Punkte gefunden habe, die nicht funktionieren oder beziehungsweise so nicht funktionieren dürften. Die ab und zu vor Gericht funktionieren und ab und zu nicht. Wir haben ja auch gar keine klare Rechtssprechung. Ich beschäftige mich mit dem Thema jetzt so seit 2012 um den Dreh, weil ich ein paar Freifunker kennengelernt habe, die mir von der Abmahnproblematik erzählt haben. So wie sie mir das erzählt haben, bin ich stutzig geworden und dachte, man muss damit etwas mehr auseinandersetzen und gucken, was tatsächlich in den Abmahnungen drin steht, worauf die fußt und was tatsächlich damit bezweckt wird. Und ich spreche jetzt hier mal zehn Punkte an, die juristisch nicht in Ordnung sind. Man kann tatsächlich noch mehr finden. Es ist ein weiter Bereich, weiter juristischer Bereich, der immer größer geworden ist, auch in den letzten Jahren. Alles beginnt mit dem Auskunftsanspruch, den erdgeist schon angesprochen hat. Die Rechteinhaber gehen zum Landgericht, das zuständig ist, für den ISP, der halt da in dem Kreis sitzt, in dem Bereich und die Rechteinhaber behaupten, dass hier, also mit technischen Ausdrucken, also Mitschnitten, dass hier im großen Maße Filesharing begangen wurde und sie wollen herausbekommen, wer hinter den einzelnen IP-Adressen steckt. Im Gesetz gibt es die Pflicht, für unbeteiligte Dritte tatsächlich auch personenbezogene Daten herauszugeben, aber nur dann, wenn die Urheberrechtsverletzung im gewerblichen Ausmaß vorgenommen wurde. §101 Urheberrechtsgesetz, wer mal Lust hat nachzuschlagen. Gewerbliches Ausmaß wird natürlich definiert, und hier einschlägig ist dann die Anzahl der Urheberrechtsverletzungen. Wir haben aber keine Zahl, die bei den Anträgen auf so einem Beschluss eingereicht werden, es gibt auch keine Schätzung, also keine Konkrete, was gezählt wurde, 5 mal, 50 mal, 500 mal, 5000 mal auch keine Schätzung, also es handelt sich um das Werk, das ist dann und dann rausgekommen, und da haben sich höchstwahrscheinlich so und so viel Leute für interessiert. Das gibt es alles nicht. Sondern die reine Vermutung, dadurch, dass das Internet benutzt wird, dass milliardenfach, das auf der ganzen Welt abgerufen wird. Oder millionenfach, was weiß ich. Also es wird auf jeden Fall von einer gewerbsmäßigen Urheberrechtsverletzung ausgegangen, ohn e dass es halt tatsächlich dargelegt wird, ohne dass irgendwie Material vorhanden ist, um das überprüfen zu können. Das heißt, eigentlich dürften diese Beschlüsse nicht ergehen, das heißt auch, dass von Privatpersonen, die zu Hause sitzen und sich, für sich, einen Film angucken, und durch dieses Werkzeug dass sie benutzen, es automatisch hochgeladen wird, sie das aber meisten nicht bezwecken, also in den seltensten Fälle oder gut wenn, dann muss das halt auch dargelegt werden, werden sie plötzlich als gewerbsmäßig tätige betitelt. Wenn das nicht so wäre, hätten wir überhaupt die ganzen Abmahnungen nicht, weil die Rechteinhaber die Daten von den Anschlussinhabern überhaupt nicht bekommen dürften. Das war Fall 1, Punkt 1 Dann Punkt 2: Was mich die ganze Zeit stört, von Anfang an, ist die Grundlage von diesen Urteilen, wenn Abgemahnte einen Rechtsstreit verlieren. Die Grundlage ist, Nummer 1, die IP-Adresse, also die Ermittlung der IP-Adresse, und Nummer 2, ein Hash-Wert. Keine weiteren Ermittlungen, keine weitere Informationen, das war's. Ansonsten Rechtssprechung und Rechtsanwendung, aber vom Sachverhalt gibt es nicht mehr. Weiter diese wunderbare Geschichte mit der Lizenzanalogie. Natürlich geht es bei einem Zivilrechtsstreit immer um die Frage, ist ein Schaden entstanden und wie hoch ist dieser Schaden? Das heißt, wenn ich zu Hause einen Film illegal konsumiere, bin ich nicht entweder in ein Geschäft gegangen oder habe andere legale Möglichkeiten genutzt, also hab keine 30 Euro ausgegeben, hab keine 50 Euro ausgegeben oder irgendwas um den Dreh, wäre dann ein Schaden in Höhe einer zweistelligen Summe, wenn man das so sauber anwenden würde. Ist natürlich nicht viel Geld und die ganzen Rechtsstreitereien würden sich auch nicht lohnen. Also gibt es die sogenannte Lizenzanalogie. Es wird demjenigen, der abgemahnt wird, gesagt, "Du hättest eine Lizenz dafür kaufen müssen, dieses Werk weltweit anbieten zu können." Diese Lizenz gibt es natürlich nicht. Ist ja Quatsch, verkauft ja keiner. Trotzdem wird das aber behauptet, damit der Streitwert sich in mehreren-Hundert-Euro-Bereichen befindet. Damit das auch Spaß macht. Natürlich würde derjenige auch nicht eine Lizenz kaufen. Dann der Streitwert, der vor Gericht für die Unterlassungserklärung angenommen wird, das ist mittlerweile komplette Willkür. Wir haben Richter, die sagen 1000 Euro, also was im Gesetz drin steht ist nicht nur außergerichtlich, sondern auch vor Gericht gültig. Dann haben wir Richter, die sagen 5000. Da sind wir dann beim Landgericht, mit 5000+. Und wir haben auch Richter, die sagen 15.000 Euro. Ich habe diese Verfahren vor mir liegen, und es gibt auch keine Begründung, warum der eine 1000, der andere 5000 und der nächste 15.000 annimmt, sondern das ist so wie Glücksrad, wenn man dann vor Gericht geht. Das ist deshalb so wichtig, weil nach dieser Summe sich die Kosten für einen Rechtsstreit berechnen und auch die Kosten, für einen Rechtsanwalt. Also bei einem Streitwert von 1000 Euro sind wir halt niederschwellig bei 100 Euro, oder 200, auf den jeden Fall sehr übersichtlich. Bei 15.000 sind wir dann halt schon bei über 1000 Euro im Rechtsstreit. Also hat dann eben auch eine abschreckende Wirkung. Das ist auch etwas, was mir in dem Bereich überhaupt nicht gefällt. Es geht gar nicht um die eine Person, die jetzt zivilrechtlich etwas falsch gemacht hat, weil sie Urheberrechte von jemanden nicht beachtet hat, sondern es geht darum, alle anderen abzuschrecken, weil es halt teuer ist, weil es ist außergerichtlich teuer und es ist vor Gericht teuer mit dem ganzen Prozessrisiko, das damit verbunden ist. Das darf so nicht funktionieren. Das ist schon im Strafrecht hochgradig umstritten, ob ich jemanden bestrafen darf, um andere Leute davon abzuhalten, einen Straftat zu begehen. Im Zivilrecht ist das überhaupt nicht haltbar, gar nicht. Dann der nächste Punkt, die technischen Informationen, die vor Gericht vorgelegt werden. Also meisten kriegt man die erst im Gerichtsverfahren, nicht vorher. Also die Mitschnitte von den Protokollierungen innerhalb der Tauschbörsen. Und es ist so eine Glaubensfrage. Habe ich auch, Richter, die sagen, glaube ich nicht, dass sich dahinter ein echter Sachverhalt verbirgt, dass das die Wirklichkeit widerspiegelt. Oder es gibt Richter, die sagen, "Ja, ist alles so wichtig, sieht gut aus. Glaube ich!" Nächster Punkt: Die Kontrollpflichten, die hatten wir eigentlich schon aus der Rechtssprechung draußen gehabt. Es gab eine Rechtssprechung, die gesagt hat, der Anschlussinhaber ist verpflichtet, diejenigen zu kontrollieren, die seinen Anschluss benutzen, daraufhin, ob sie Urheberrechtsverletzungen be gehen. Wenn wir das in die Praxis umsetzen, haben wir sofort mindestens ein Problem mit dem Datenschutz, also derjenige muss natürlich entweder mitloggen, oder er muss halt an die Rechner ran, von zum Beispiel seinen Mitbewohnern oder seinen Kindern, oder komplett fremden Personen, Gästen. Und dann kommen wir sogar in die Problematik des Fernmeldegeheimnisses. Also die Idee ist ganz schlecht, wird jetzt aber leider wieder seit diesem Herbst diskutiert. Seitdem es das Urteil vom EuGH, McFadden, gab, ist die Diskussion wieder aufgepumpt, emotional auch aufgepumpt, also wir wollen natürlich nicht so ein Internet haben. Müssen wir gucken, wie das weitergeht. Dann die schöne Problematik mit der Störerhaftung. Also wenn ich nicht Täter war, also nachweisen kann, beziehungsweise ich muss ja gar nicht nachweisen, also wenn ich darlegen kann, dass ich nicht Täter war, dann habe ich immer noch das Problem, dass man mir sagt, ich habe eine sogenannte Gefahrenquelle eröffnet. Aus meiner Sicht totaler Humbug. Das Internet ist ein Kommunikationsmittel, wie viele andere auch. Und es ist nicht per se eine Gefahrenquelle. Gefahrenquelle bedeutet, wenn ich ungehindert das so laufen lasse, dann hab ich einen Geschehensablauf, der definitiv in irgendeinen Schaden führt. Also wir wissen alle, dass es so nicht ist. Also wir nutzen das Internet ständig, ohne irgendwelche Schäden zu verursachen. Lachen Und wenn ich keine Gefahrenquelle habe, dann muss ich auch nicht dafür sorgen, dass andere Leute keine Schäden dadurch verursachen. Das heißt, die Idee, die Störerhaftung auf einen Internetanschluss zu übertragen, ist, ganz nett gesagt, hanebüchen. Also genau wie Telefon, Briefkasten oder eine Autobahn etcetera, es kommt darauf an, was die Leute da machen direkt, auch welche Werkzeuge sie benutzen etcetera. Aber nicht der Zugang an sich bedeutet schon, dass jemand etwas Schlimmes macht. Und noch zwei Punkte, wir hatten jetzt acht hinter uns. Auch was mit dem Lebenssachverhalt überhaupt nichts zu tun hat, die tatsächliche Vermutung, wenn ich Anschlussinhaber bin, dann bin ich auch Täter. Dahinter steckt, dass in mindestens 50 Prozent der Haushalte … Eigentlich müssen es natürlich noch mehr sein, aber ich bin jetzt bloß nett und sage 50 Prozent der Haushalte, in denen die Leute alleine Leben, keine Gäste haben, ihr Netz zumachen. Das stimmt aber nicht. Die wenigsten Leute benutzen ihren Internetanschluss komplett alleine. Sondern der Normalfall ist, dass man teilt, dass hinter einem Anschluss mehrere Personen stecken, und dass dementsprechend auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass derjenige, der den Vertrag mit dem Provider hat, automatisch dann auch derjenige ist, der die Rechtsverletzung begangen hat. Und letzter Punkt: Das, was das ganze Geschäftsmodell so interessant macht, von den Abmahnern. Sie haben gar kein Kostenrisiko. Weil im Gesetzt steht drin, dass nur wenn nachgewiesen werden kann, dass die Abmahnung fahrlässig erfolgte, darf derjenige, der irgendeinen Aufwand hatte, zum Beispiel einen Anwalt eingeschaltet hat, sich die Kosten vom Abmahner zurückholen. Fahrlässig bedeutet aber, dass da Kenntnis vorhanden sein muss. Also mindestens muss der Abmahner den Abgemahnten kennen, also die Situation in irgendeiner Weise einschätzen können. Die sind sich aber alle natürlich unbekannt. Das heißt, dieser Absatz ist auch nur Makulatur und findet keine Anwendung. Es gibt sozusagen kein Kostenrisiko für die Abmahner, so wie es gerade ist. erdgeist: Und das macht auch total Sinn, wenn man sich überlegt, dass da so eine Großkanzlei ihr gesamte Business darauf basiert, dann kann die natürlich bei mehreren Tausend Fällen … Wir haben das mal geschätzt für die größte Kanzlei, die vergeben ja immer Seriennummern für ihre Fälle, die fangen jedes Jahr neu an. Nun wir haben die Seriennummern gezählt. Wenn man bei Freifunk Jura macht, also die Verteidigung macht, dann kommen die da ziemlich häufig vorbei. Und es sind ungefähr 10.000 Abmahnungen, die da pro Monat verschickt werden. Das ist bei vierstelligen Beiträgen, also es sind üblicherweise 700 bis 1500 Euro, das heißt da gehen irgendwie achtstellig Forderungen raus im Monat. Das geht den Kanzleien irgendwie nicht um Recht durchzusetzen, sondern darum, ihr Business-Modell zu behalten und da würde es natürlich keinen Sinn ergeben, wenn sie ständig für Fälle, die unberechtigt abgemahnt worden sind, jetzt auch noch den Leuten ihre Anwälte bezahlen. Da haben sie glücklicherweise dort in diesem Satz 4 des Urhebergesetz-Paragrafen 97… Beata: a erdgeist: … 97 a - eine Goldgrube gefunden, die sie da einfach auch bis aufs Erbrechen ausbeuten. Für sie entstehen wirklich Einzelfallkosten nur in einstelliger Eurohöhe, das ist quasi zu vernachlässigen. Sie müssen dort bei Gerichten die Beauskunftung bezahlen und das war's. Und das Ding ist, dass ihr Geschäftsmodell sofort kaputtginge, wenn das mit dieser Fahrlässigkeit, wenn man das irgendwie hinbekäme. Wenn man also dafür sorgen könnte, dass diese Kanzleien in Erfahrung gebracht bekommen, dass diese Abmahnung nicht rechtmäßig ist. Dann würden nämlich die Abmahner plötzlich auf ihren Kosten sitzen bleiben und auf den Kosten des Abgemahnten auch. Und dieses schöne Geschäftsmodell ginge kaputt. Naja. Das glaube ich, kann man einrichten, dass die Bescheid wissen. Und dazu haben wir dann den Abmahnbeantworter gebaut. Beata: Genau, das sind wir. Wir haben dieses Werkzeug gebaut, damit so viele Abgemahnte wie möglich, also die ungerechtfertigt abgemahnt wurden, die Möglichkeit haben, sich zu verteidigen. Also es sind meistens kurze Fristen, das ist auch total süß gemacht. Der Brief wird geschrieben mit von diesem Datum dann zwei Wochen Frist. Also nicht wenn der Brief eingeht, sondern wenn er losgeschickt wird. Also das heißt, sowas wie zehn Tage hat man, um sich zu orientieren. Ich als Anwältin schaffe es nicht, mir innerhalb von zehn Tagen einen Anwalt zu suchen, dem ich vertraue. Also wo ich mich ein bisschen mit beschäftigt habe, also es ist schon eine Herausforderung. Um da ein bisschen die Luft auch rauszunehmen und um mehr Leute dazu zu bekommen, sich zu verteidigen, gibt es den Abmahnbeantworter Wir haben versucht das übersichtlich zu machen und auch wenn man die einzelnen Schritte durchgeht, soll auch mit der Abmahnung an sich gearbeitet werden, also zum Beispiel geht es um Tatzeitpunkt, geht es darum, wie das Aktenzeichen ist, so dass derjenige, der abgemahnt wurde, auch sich mit der Abmahnung auseinandersetzt und versucht, die zu verstehen, nachzuvollziehen, was ihm da vorgeworfen wird und selber überlegt, was bei ihm zu dem Zeitpunkt los war, um dann den Abmahnern mitteilen zu können, einfach, übersichtlich, warum die Abmahnung unrechtmäßig war. Darüber hinaus, das war so der erste Schritt, der zweite ist, dass wir jetzt nächstes Jahr, die Abmahner unter Zugzwang setzen möchten. Das bedeutet, dass wenn man den Abmahnbeantworter benutzt hat, und die Abmahner sich nicht die Mühe machen, sich mit dem dargelegten Sachverhalt auseinanderzusetzen, sondern wieder Standardbriefe schreiben, wieder das Gleiche behaupten, wieder die Drohkulisse hochfahren, vielleicht mit der Summe etwas runtergehen, dass es jetzt ein Ende hat und die juristisch arbeiten müssen. Wir wollen nämlich dann, nachdem der Abmahnbeantworter benutzt wurde und dann ein weiteres Schreiben vom Abgemahnten an die Abmahner aufgesetzt werden muss, wollen wir mit Kostennoten arbeiten. So dass wir das Kostenrisiko, dass sie die ganze Zeit auf die Abgemahnten wälzen, dass wir das zurückgeben, und sie dadurch zwingen, juristisch sauber zu arbeiten. Sich das auch anzugucken, aus diesem Massengeschäft rauszukommen, das auch juristisch untypisch ist. Applaus Dankeschön. erdgeist: Der Punkt den wir gerade übersprungen haben ist, dass der Abmahnbeantworter selber funktioniert in deinem Browser. Du trägst alle wichtigen Werte ein, wie die Fallnummer, das Datum der Abmahnung, dein Adresse, damit der Abmahner weiß, wer du bist. Und wenn du dich durch alle Punkte durchgearbeitet hast, und erklärst, warum du nicht ??? bist drückst du einen Knopf und Dir wird ein PDF erzeugt – für einige Kanzleien haben wir die Adressen schon voreingetragen, sind ja immer die üblichen Verdächtigen – Lachen Und das PDF kannst Du einfach ausdrucken, unterschreiben und natürlich überprüfen, ob alles stimmt, was da drin steht, und eintüten und losschicken und hast damit quasi kostenlos – na gut, das Porto musst Du bezahlen – aber du hast Dir einen Anwalt zu suchen erstmal schon eine Erstverteidigung losgetreten, du hast, ohne dass Kosten entstanden sind, die dann auch den selben Fall für den Abmahner daraus machen, was sehr wichtig ist, hast du schon dafür gesorgt, dass die Gegenseite in Zugzwang gerät. Würde man sich nämlich erst den Anwalt nehmen, wäre das alle ein Fall und die Gegenseite könnte sagen "Nee, bezahlen wir nicht, gehört ja alles zusammen", so gab's erstmal eine kostenlose Erstverteidigung und die Kosten entstehen dann erst, wenn der Abmahner nicht darauf eingeht, was in dem Schreiben, das wir dann so halbautomatisiert losschicken, drin steht. Applaus Beata: Und jetzt noch von diesem juristischem bisschen weg, das Ganze hat auch eine politische Komponente, warum wir uns eben auch privat auseinandersetzen mit dem Thema. Ich sag jetzt einfach mal "wir". Wir möchten offenen Netze und wir möchten freie Netze. Applaus Dieser Flurschaden, der von den Abmahnern angerichtet wird, kann einfach so nicht haltbar sein, es geht nicht. Wir kämpfen an so vielen Ecken und Enden und Kanten immer wieder, darum, dass wir überall Internetzugang haben, dass die Technologie sich weiterentwickelt. Das sind wirtschaftliche Gründe, das sind aber auch Grundrechte, Menschenrechte, kommunizieren zu können. Es ist auch die eigene Erfahrung. Ich wäre nicht die Person, die ich jetzt bin, ohne einen Zugang zum Internet, den ich eben immer haben konnte. Ich brauche einen Internetzugang, um zu arbeiten, um zu kommunizieren, um mich zu orientieren, um Pläne zu machen, etcetera, um mich zu informieren. Es kann nicht sein, dass dadurch, dass jemand anderes, also auch die Unterhaltungsindustrie steckt ja dahinter, es ist ja nicht, dass die jetzt arm sind oder so. Es geht nicht, einfach weil sie noch mehr Geld verdienen möchten, dass ich diese elementaren Rechte einfach verliere oder dass es Orte gibt, selbst dann jetzt 2016, kann ich dann da nicht ungehindert ins Internet gehen. Ich möchte, dass sich das verändert und ich möchte die Leute unterstützen, die ihren Anschluss teilen. Sie sollen das weiter machen, sie sollen von uns unterstützt werden und dieser Druck und diese Angst und diese Unsicherheit möchten wir entweder verkleinern, oder am besten natürlich nehmen. Und daran arbeiten wir. erdgeist: Was mir noch am Herzen liegt, was ich sagen würde, ist dass ich eigentlich diesen Abmahnbeantworter gerne in einem halben Jahr wieder ausschalten können würde, nämlich indem der Gesetzgeber die Abmahner verpflichtet, einfach schon so einen Abmahnbeantworter mit jeder Abmahnung beizulegen. Das was wir da tun, die wichtigen Informationen einzusammeln und ein Schreiben zu erzeugen, das sollten die Abmahner auch selber machen müssen. Einfach wie wenn Du einen Mahnbescheid bekommst vom Gericht, da machst du einfach ein Kreuz "Nee, stimmt alles nicht", unterschreibst, schickst Du zurück, was ja eigentlich der Default-Fall sein sollte. Genau das Schreiben sollte auch für – leicht verständlich – wenn Du diese Forderung bestreitest, einfach ankreuzen, unterschreiben und ab zurück und da wäre es cool, wenn das Ministerium für Verbraucherschutz dort mal ein bisschen in die Puschen kommt und Abmahner, die das im großen Stil betreiben dazu verpflichtete, den Abmahnbeantworter quasi gleich einzubauen. Applaus Herald: Das war doch ein schönes Schlusswort. Es tut mir leid, wir haben jetzt auch keine Zeit mehr für Fragen, aber wenn Ihr noch Fragen habt oder Kommentare abgeben möchtet, Euch darüber unterhalten möchtet, diskutieren möchte, 15:30 Uhr findet morgen bei dem Freifunk- Assembly eine Diskussionsrunde statt, da sind auch Beata und erdgeist dann da und da könnt Ihr Euch dann die Köpfe heiß diskutieren. Ich würde mich freuen, wenn Ihr noch mal Applaus gebt und vielen Dank an Euch beide. Applaus Abspannmusik Untertitel erstellt von c3subtitles.de im Jahr 2017. Mach mit und hilf uns!