Die Kunst der Stille
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0:01 - 0:03Ich reise schon mein Leben lang.
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0:03 - 0:04Bereits als kleines Kind
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0:04 - 0:08habe ich mir ausgerechnet,
dass es billiger wäre, -
0:08 - 0:10auf ein Internat in England zu gehen,
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0:10 - 0:13als gleich in der Nähe
meines Elternhauses in Kalifornien -
0:13 - 0:16in die beste Schule zu gehen.
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0:16 - 0:19Ab meinem 10. Lebensjahr
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0:19 - 0:23flog ich also mehrmals im Jahr
alleine über den Nordpol, -
0:23 - 0:25nur um zur Schule zu gehen.
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0:25 - 0:29Und je mehr ich flog,
desto mehr liebte ich es. -
0:29 - 0:32Genau eine Woche nach
meinem High-School-Abschluss -
0:32 - 0:35bekam ich einen Job als Tischabwischer,
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0:35 - 0:39sodass ich im Laufe meines
18. Lebensjahres jede Jahreszeit -
0:39 - 0:42auf einem anderen Kontinent
verbringen konnte. -
0:42 - 0:46Und so wurde ich zwangsläufig
ein Reiseschriftsteller; -
0:46 - 0:50ich machte das, was ich liebte, zum Beruf.
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0:51 - 0:55In mir entstand das tiefe Gefühl,
dass, wenn man das Glück hat, -
0:55 - 0:58die Tempel von Tibet
im Kerzenschein zu begehen, -
0:58 - 1:01oder der Küste Havannas
entlang zu laufen, -
1:01 - 1:03wo von überall Musik herkommt,
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1:03 - 1:06man dann diese Klänge,
den hohen kobaltblauen Himmel -
1:06 - 1:09und das Leuchten des blauen Ozeans
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1:09 - 1:11mit nach Hause zu den Freunden nehmen,
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1:11 - 1:13und etwas Zauber
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1:13 - 1:15und Klarheit in das eigene Leben
bringen kann. -
1:15 - 1:18Davon abgesehen -- das wissen wir alle --
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1:18 - 1:21lernt man beim Reisen zuallererst,
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1:21 - 1:26dass nur dort ein Zauber liegt,
wo man mit den richtigen Augen hinsieht. -
1:26 - 1:29Nimmt man einen wütenden Mann
mit in den Himalaya, -
1:29 - 1:32wird er sich nur über
das Essen beschweren. -
1:32 - 1:34Ich fand heraus,
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1:34 - 1:38dass der Blick noch aufmerksamer
und wertschätzender wird, -
1:38 - 1:40wenn man -- seltsamerweise --
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1:40 - 1:44nirgendwo hingeht, sondern nur stillsitzt.
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1:44 - 1:46Durch das Stillsitzen bekommen
viele von uns das, -
1:46 - 1:49wonach sie sich
in ihrem schnelllebigen Leben sehnen, -
1:49 - 1:51und was sie am meisten
brauchen -- eine Pause. -
1:51 - 1:54Aber es war auch der einzige Weg,
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1:54 - 1:59auf dem ich meine Erfahrungen im Leben
noch einmal durchgehen -
1:59 - 2:03und den Sinn der Vergangenheit
und der Zukunft verstehen konnte. -
2:03 - 2:06Und darum war ich sehr überrascht,
als ich herausfand, -
2:06 - 2:08dass nirgendwo hinzugehen,
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2:08 - 2:12mindestens genauso aufregend war,
wie nach Tibet oder Kuba zu reisen. -
2:12 - 2:16Und mit "nirgendwo hingehen"
meine ich nichts Schlimmeres, -
2:16 - 2:19als sich ein paar Minuten am Tag,
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2:19 - 2:21ein paar Tage in jeder Jahreszeit
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2:21 - 2:23oder sogar -- wie manche Menschen --
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2:23 - 2:25ein paar Jahre im Leben Zeit zu nehmen,
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2:25 - 2:28um lange genug stillzusitzen,
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2:28 - 2:31um herauszufinden,
was einen am meisten bewegt, -
2:31 - 2:35um sich zu entsinnen,
worin wahre Glückseligkeit besteht, -
2:35 - 2:37und um sich daran zu erinnern,
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2:37 - 2:39dass das Leben zu bestreiten
und es zu leben, -
2:39 - 2:42manchmal zwei
grundverschiedene Dinge sind. -
2:42 - 2:46Das haben uns natürlich bereits
weise Menschen aus jeder Kultur -
2:46 - 2:48seit Jahrhunderten gesagt.
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2:48 - 2:50Es ist ein alter Gedanke.
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2:50 - 2:53Vor mehr als 2000 Jahren
erinnerten uns die Stoiker daran, -
2:53 - 2:56dass das Leben nicht
aus unseren Erfahrungen besteht, -
2:56 - 2:58sondern daraus, was wir damit machen.
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2:58 - 3:02Stellen Sie sich vor, plötzlich
fegt ein Hurrikan durch Ihre Stadt -
3:02 - 3:07und legt alles in Trümmer.
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3:07 - 3:10Ein Mann ist
sein Leben lang traumatisiert. -
3:10 - 3:14Aber ein anderer, vielleicht sogar
sein Bruder, ist fast schon erleichtert -
3:14 - 3:19und entscheidet, dass dies seine große
Chance ist, noch einmal neu zu beginnen. -
3:19 - 3:20Es ist dasselbe Ereignis,
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3:20 - 3:23aber zwei grundverschiedene Reaktionen.
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3:23 - 3:27Es gibt weder Gutes noch Schlechtes,
so sagt es Shakespeare in "Hamlet", -
3:27 - 3:30nur die Denkweise macht es dazu.
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3:31 - 3:34Diese Erfahrung habe ich
auch als Reisender gemacht. -
3:34 - 3:37Vor 24 Jahren unternahm ich
eine bewusstseinsverändernde Reise -
3:37 - 3:40nach Nordkorea.
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3:40 - 3:43Die Reise dauerte nur ein paar Tage.
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3:43 - 3:46Danach habe ich mich still hingesetzt,
bin in Gedanken wieder zurückgekehrt, -
3:46 - 3:50habe versucht, es zu verstehen
und in mein Denken einzuordnen. -
3:50 - 3:52Dies dauert jetzt schon 24 Jahre an
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3:52 - 3:56und wird wahrscheinlich
ein Leben lang dauern. -
3:56 - 3:59Ich habe auf der Reise
erstaunliche Dinge gesehen, -
3:59 - 4:01aber nur durch das Stillsitzen
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4:01 - 4:05wurden diese zu bleibenden Erkenntnissen.
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4:05 - 4:08Manchmal denke ich,
dass sich vieles in unserem Leben -
4:08 - 4:10in unseren Köpfen abspielt,
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4:10 - 4:15in der Erinnerung, der Vorstellung,
bei der Interpretation oder Spekulation, -
4:15 - 4:17sodass ich, wenn ich mein Leben
wirklich verändern will, -
4:17 - 4:21am besten damit anfange,
meine Denkweise zu ändern. -
4:21 - 4:23Aber das ist nichts Neues.
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4:23 - 4:27Shakespeare und die Stoiker sagten uns
das bereits vor einigen Jahrhunderten, -
4:27 - 4:32aber Shakespeare hatte nie
200 E-Mails am Tag zu bewältigen. -
4:32 - 4:33(Lachen)
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4:33 - 4:37Und die Stoiker waren
meines Wissens nicht auf Facebook. -
4:37 - 4:40Wir wissen alle,
dass in unserem Leben auf Abruf -
4:40 - 4:42eines der nachgefragtesten Dinge
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4:42 - 4:43wir selbst sind.
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4:43 - 4:46Wo immer wir auch sind,
sei es Tag oder Nacht, -
4:46 - 4:50unsere Vorgesetzten, Junk-E-Mails,
unsere Eltern können uns immer erreichen. -
4:50 - 4:54Soziologen haben tatsächlich
herausgefunden, dass die Amerikaner -
4:54 - 4:57heute weniger arbeiten
als noch vor 50 Jahren, -
4:57 - 5:00aber es fühlt sich weitaus mehr an.
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5:00 - 5:03Wir haben immer mehr
zeiteinsparende Geräte, -
5:03 - 5:07aber wir scheinen manchmal
immer weniger Zeit zu haben. -
5:07 - 5:09Es wird immer leichter,
Kontakt mit Menschen herzustellen, -
5:09 - 5:12die an den entlegensten Orten
der Welt leben, -
5:12 - 5:14aber manchmal verlieren wir dabei
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5:14 - 5:17den Kontakt zu uns selbst.
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5:17 - 5:21Eine der größten Überraschungen
als Reisender war für mich, -
5:21 - 5:24dass ich herausfand,
dass es oft genau die Leute sind, -
5:24 - 5:27die es uns ermöglichen,
überall hin zu gelangen, -
5:27 - 5:30die nicht die Absicht haben,
irgendwo hinzugehen. -
5:30 - 5:32Also genau diese Menschen,
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5:32 - 5:35die diese Technologien entwickelt haben,
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5:35 - 5:38welche sich über
alte Grenzen hinwegsetzen, -
5:38 - 5:41sind die Weisesten, wenn es
um das Bedürfnis von Grenzen geht, -
5:41 - 5:45das gilt sogar für die Technologie.
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5:45 - 5:48Ich besuchte einmal
den Hauptsitz von Google -
5:48 - 5:51und sah all die Dinge, von denen Sie
sicher bereits gehört haben: -
5:51 - 5:54Baumhäuser im Innenbereich, Trampoline.
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5:54 - 5:58Die Mitarbeiter haben
20 % der Arbeitszeit frei zur Verfügung, -
5:58 - 6:02sodass sie ihrer Vorstellungskraft
einfach freien Lauf lassen können. -
6:02 - 6:05Aber was mich noch mehr beeindruckte:
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6:05 - 6:09Während ich auf
meinen digitalen Ausweis wartete, -
6:09 - 6:11erzählte mir ein Google-Mitarbeiter
etwas über das Programm, -
6:11 - 6:15das er gerade initiierte,
um die vielen Google-Mitarbeiter, -
6:15 - 6:19die Yoga machen, zu Trainern auszubilden,
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6:19 - 6:23und ein anderer Google-Mitarbeiter
erzählte mir von dem Buch, -
6:23 - 6:26das er über die innere Suchmaschine
schreiben wolle, -
6:26 - 6:29und darüber, dass die Wissenschaft
durch Erfahrungswerte gezeigt hat, -
6:29 - 6:31dass Stillsitzen oder Meditation
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6:31 - 6:35nicht nur zu besserer Gesundheit
und klarerem Denken, -
6:35 - 6:38sondern sogar zu
emotionaler Intelligenz führen kann. -
6:38 - 6:41Ich habe noch einen anderen Freund
im Silicon Valley, -
6:41 - 6:44der wirklich einer
der wortgewandtesten Fürsprecher -
6:44 - 6:46für die neusten Technologien
-
6:46 - 6:50und auch eines der Gründungsmitglieder
des Fachmagazins Wired ist: Kevin Kelly. -
6:50 - 6:53Kevin schrieb sein letztes Buch
über die neusten Technologien, -
6:53 - 6:58ohne ein Smartphone, einen Laptop
und einen Fernseher zu Hause. -
6:58 - 7:01Und wie viele im Silicon Valley
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7:01 - 7:03ist er sehr bemüht,
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7:03 - 7:07den sogenannten "Internet-Sabbat"
einzuhalten. -
7:08 - 7:11Dabei gehen sie jede Woche
ein oder zwei Tage lang -
7:11 - 7:14vollständig "offline",
-
7:14 - 7:16um den nötigen Sinn für Orientierung
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7:16 - 7:19und Ausgewogenheit zu finden,
bevor sie wieder online gehen. -
7:19 - 7:23Vielleicht hat uns die Technologie
nicht immer das Gespür dafür gegeben, -
7:23 - 7:28wie man sie am besten anwendet.
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7:28 - 7:31Und wenn ich vom Sabbat spreche,
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7:31 - 7:33die zehn Gebote anschaue --
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7:33 - 7:37da gibt es nur ein einziges Wort, wofür
das Adjektiv "heilig" verwendet wird, -
7:37 - 7:39und das ist der Sabbat.
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7:39 - 7:42Ich nehme das heilige Buch der Juden,
die Thora, in die Hand -- -
7:42 - 7:46das längste Kapitel handelt vom Sabbat.
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7:46 - 7:49Und wir alle wissen,
dass unser größter Luxus -- -
7:49 - 7:52der leere Raum ist.
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7:52 - 7:56In vielen Musikstücken ist es
die Pause oder das Pausenzeichen, -
7:56 - 7:59die dem Stück seine Schönheit
und seine Form verleihen. -
7:59 - 8:00Als Schriftsteller
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8:00 - 8:04versuche ich oft viel leeren Platz
auf der Seite zu lassen, -
8:04 - 8:08sodass der Leser meine Gedanken
und Sätze ergänzen -
8:08 - 8:12und seinen Vorstellungen
Raum zum Atmen geben kann. -
8:13 - 8:16Auf der physischen Ebene
versuchen natürlich viele Menschen, -
8:16 - 8:18wenn sie die Mittel dazu haben,
-
8:18 - 8:21einen Wohnsitz, ein zweites Zuhause
auf dem Land zu kaufen. -
8:21 - 8:24Ich habe diese Mittel nie gehabt,
-
8:24 - 8:28aber ich erinnere mich, dass ich jederzeit
-
8:28 - 8:32ein zweites Zuhause in der Zeit
statt im Raum haben kann, -
8:32 - 8:35indem ich mir einfach nur
einen Tag freinehme. -
8:35 - 8:37Das ist nie leicht.
Wenn ich es nämlich mache, -
8:37 - 8:39verbringe ich die meiste Zeit damit,
-
8:39 - 8:40mich über die Extra-Arbeit zu sorgen,
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8:40 - 8:43die mich dann am nächsten Tag verschlingt.
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8:43 - 8:46Ich denke manchmal, ich würde eher
Fleisch, Sex oder Wein aufgeben, -
8:46 - 8:48als die Möglichkeit,
meine E-Mails zu checken. -
8:48 - 8:49(Lachen)
-
8:49 - 8:52Viermal im Jahr versuche ich
drei Tage freizunehmen, -
8:52 - 8:55um mich zurückzuziehen,
aber ein Teil von mir -
8:55 - 8:58fühlt sich immer schuldig,
meine Frau einfach zurückzulassen -
8:58 - 9:01und all diese scheinbar dringenden E-Mails
-
9:01 - 9:02meiner Vorgesetzten zu ignorieren,
-
9:02 - 9:05und vielleicht die Geburtstagsfeier
eines Freundes zu verpassen. -
9:05 - 9:09Aber sobald ich an einem wirklich
ruhigen Ort angekommen bin, -
9:09 - 9:12wird mir bewusst,
dass ich nur durch diesen Rückzug -
9:12 - 9:16meiner Frau, meinen Vorgesetzten
oder Freunden -
9:16 - 9:18Neues, Kreatives oder Freudiges
weitergeben kann. -
9:18 - 9:20Ansonsten dränge ich ihnen
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9:20 - 9:23nur meine Erschöpfung oder Verwirrung auf,
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9:23 - 9:26was auch keinen Segen bringt.
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9:27 - 9:29Als ich 29 war,
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9:29 - 9:32entschied ich mich also, mein ganzes Leben
-
9:32 - 9:35im Sinne des Nirgendwo-Hingehens
neu zu gestalten. -
9:35 - 9:38Eines Abends kam ich aus dem Büro zurück,
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9:38 - 9:42es war nach Mitternacht, ich saß in
einem Taxi, fuhr am Times Square vorbei, -
9:42 - 9:45und plötzlich wurde mir klar, dass ich
so sehr in meinem Leben herumrannte, -
9:45 - 9:48dass ich es nie einholen konnte.
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9:48 - 9:51Mein Leben damals,
wie es der Zufall wollte, -
9:51 - 9:54war eigentlich so, wie ich es mir
als kleiner Junge gewünscht hatte. -
9:54 - 9:57Ich hatte sehr
interessante Freunde und Kollegen, -
9:57 - 10:01eine schöne Wohnung
an der Ecke Park Avenue / 20th Street. -
10:01 - 10:03Ich hatte -- fand ich --
einen faszinierenden Job, -
10:03 - 10:06ich schrieb
über internationale Beziehungen, -
10:06 - 10:08aber ich konnte mich
nie wirklich davon trennen, -
10:08 - 10:10um mich selbst denken zu hören --
-
10:10 - 10:14oder um wirklich zu verstehen,
ob ich wahrhaftig glücklich war. -
10:14 - 10:17Also gab ich mein Traumleben
-
10:17 - 10:21für ein Zimmer in den Hinterhöfen
von Kyoto in Japan auf, -
10:22 - 10:26ein Ort, der schon seit Langem
-
10:26 - 10:30eine starke, geheimnisvolle,
anziehende Wirkung auf mich ausübte. -
10:30 - 10:31Schon als Kind
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10:31 - 10:34hatte ich beim Anblick eines Gemäldes
von Kyoto eine Art Déjà-vu; -
10:34 - 10:37ich kannte es, bevor ich es gesehen hatte.
-
10:37 - 10:40Aber Kyoto ist bekanntlich auch
-
10:40 - 10:42eine wunderbare Stadt,
umrandet von Bergen, -
10:42 - 10:46mit mehr als 2000 Tempeln und Schreinen,
-
10:46 - 10:51in denen die Menschen
seit mehr als 800 Jahren stillsitzen. -
10:51 - 10:55Sehr bald nach meinem Umzug kam ich
an den Ort, an dem ich noch immer -
10:55 - 10:57mit meiner Frau --
und früher unseren Kindern -- lebe, -
10:57 - 11:00in einer Zweizimmerwohnung
am Ende der Welt, -
11:00 - 11:02wo wir kein Fahrrad, kein Auto,
-
11:02 - 11:05kein Fernsehen haben,
das ich verstehen kann, -
11:05 - 11:07und ich muss meine Lieben
mit meiner Arbeit -
11:07 - 11:10als Reiseschriftsteller
und Journalist unterstützen. -
11:10 - 11:13Das ist ganz klar nicht ideal
für einen Karriereaufstieg, -
11:13 - 11:15kulturelles Geschehen
-
11:15 - 11:17oder gesellschaftliche Zerstreuung.
-
11:17 - 11:22Aber es wurde mir klar, dass es mir
das gibt, was ich am meisten wertschätze, -
11:22 - 11:24nämlich Tage
-
11:24 - 11:26und Stunden.
-
11:26 - 11:28Ich musste dort kein einziges Mal
ein Handy benutzen. -
11:28 - 11:32Ich muss fast nie auf die Uhr schauen.
-
11:32 - 11:34Jeden Morgen, wenn ich aufwache,
-
11:34 - 11:37erstreckt sich der Tag vor mir
-
11:37 - 11:40wie eine weite Wiese.
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11:40 - 11:43Und wenn das Leben eine seiner
gemeinen Überraschungen bereithält -
11:43 - 11:45-- was der Fall ist,
und das mehr als einmal -- -
11:45 - 11:47wenn ein Doktor in mein Zimmer kommt
-
11:47 - 11:49und eine ernste Miene macht,
-
11:49 - 11:53oder ein Auto vor mir
auf der Landstraße scharf abbiegt, -
11:53 - 11:55dann spüre ich instinktiv,
-
11:55 - 11:58dass die Zeit, die ich
mit Stillsitzen verbracht habe, -
11:58 - 12:00mir viel mehr gegeben hat
-
12:00 - 12:03als die Zeit, die ich
damit verbracht habe, -
12:03 - 12:05in Bhutan oder
auf den Osterinseln herumzurennen. -
12:05 - 12:08Ich werde immer auf Reisen gehen --
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12:08 - 12:10meine Existenz hängt davon ab --
-
12:10 - 12:12aber das Schöne am Reisen ist,
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12:12 - 12:20dass es Stille in die Bewegung
und den Aufruhr der Welt bringen kann. -
12:20 - 12:23Einmal nahm ich am
Frankfurter Flughafen eine Maschine. -
12:23 - 12:26Eine junge Deutsche setzte sich neben mich
-
12:26 - 12:29und verwickelte mich
in ein nettes Gespräch, -
12:29 - 12:31das 30 Minuten dauerte.
-
12:31 - 12:33Dann drehte sie sich einfach um
-
12:33 - 12:36und saß 12 Stunden lang still.
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12:36 - 12:39Sie schaltete nicht einmal
ihren Video-Bildschirm ein, -
12:39 - 12:42sie holte nie ein Buch heraus,
sie schlief auch nicht, -
12:42 - 12:45sie saß einfach nur still da
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12:45 - 12:49und etwas von ihrer Klarheit und Ruhe
schwappte zu mir über. -
12:50 - 12:54Ich beobachte, dass immer mehr Menschen
heutzutage bewusst Maßnahmen ergreifen, -
12:54 - 12:58um in ihrem Leben Raum zu machen.
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12:58 - 13:00Einige besuchen sog. "Black-Hole"- Hotels,
-
13:00 - 13:02wo sie Hunderte von Dollars
pro Nacht ausgeben, -
13:02 - 13:05nur um ihr Handy und ihren Laptop
-
13:05 - 13:08bei der Ankunft
an der Rezeption abzugeben. -
13:08 - 13:11Einige Leute, die ich kenne,
gehen nicht mehr ihre Nachrichten durch -
13:11 - 13:13oder auf YouTube,
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13:13 - 13:14bevor sie ins Bett gehen,
-
13:14 - 13:18sondern schalten das Licht aus
und hören etwas Musik. -
13:18 - 13:20Sie merken, dass sie so besser schlafen
-
13:20 - 13:23und am Morgen frischer sind.
-
13:23 - 13:26Einmal konnte ich mich glücklich schätzen,
-
13:26 - 13:31in die hohen, dunklen Berge
hinter Los Angeles zu fahren, -
13:31 - 13:33wo der große Dichter und Sänger,
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13:33 - 13:36und internationale Frauenschwarm
Leonard Cohen -
13:36 - 13:40viele Jahre lang lebte
und als Vollzeit-Mönch -
13:40 - 13:43im Mount-Baldy-Zen-Center arbeitete.
-
13:43 - 13:45Und ich war nicht überrascht,
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13:45 - 13:49als er im Alter von 77 Jahren
ein Album veröffentlichte, -
13:49 - 13:54dem er bewusst den unattraktiven Titel
"Old Ideas" [Alte Gedanken] gab -
13:54 - 13:57und das Platz eins in den Charts
von 17 Ländern erreichte, -
13:57 - 14:00und in neun anderen
unter den ersten fünf landete. -
14:00 - 14:03Etwas in uns -- denke ich --
schreit förmlich -
14:03 - 14:08nach Intimität und Tiefe,
die wir von Menschen wie ihm bekommen, -
14:08 - 14:12die die Zeit und die Mühe
auf sich nehmen, um stillzusitzen. -
14:12 - 14:15Und ich denke, viele von uns
haben das Gefühl -- ich zumindest --, -
14:15 - 14:20dass wir etwa 5 cm weg von
einem riesigen Bildschirm stehen, -
14:20 - 14:22er ist laut und er ist überfüllt,
-
14:22 - 14:24und er ändert sich jede Sekunde,
-
14:24 - 14:27und dieser Bildschirm ist unser Leben.
-
14:27 - 14:30Nur durch einen Schritt zurück
und noch weiter zurück, -
14:30 - 14:32und inne halten,
-
14:32 - 14:35können wir beginnen zu verstehen,
was die Leinwand bedeutet -
14:35 - 14:37und das große Ganze überblicken.
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14:37 - 14:41Einige Menschen tun das für uns,
indem sie nirgendwo hingehen. -
14:42 - 14:44In einem Zeitalter der Beschleunigung
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14:44 - 14:48ist nichts beglückender
als zu "entschleunigen". -
14:48 - 14:50In einem Zeitalter der Zerstreuung
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14:50 - 14:54gibt es keinen größeren Luxus
als Acht zu geben. -
14:55 - 14:57In einem Zeitalter ständiger Bewegung
-
14:57 - 15:01gibt es nichts Wichtigeres
als stillzusitzen. -
15:01 - 15:03Sie können also in Ihrem nächsten Urlaub
-
15:03 - 15:07Paris, Hawaii oder New Orleans besuchen;
-
15:07 - 15:10ich wette, Sie verbringen
eine wunderbare Zeit. -
15:10 - 15:15Aber wenn Sie lebendig, voll
neuer Hoffnung und verliebt in die Welt -
15:15 - 15:17nach Hause kommen wollen,
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15:17 - 15:22dann denke ich, sollten Sie
in Erwägung ziehen, nirgendwo hinzugehen. -
15:22 - 15:24Vielen Dank.
- Title:
- Die Kunst der Stille
- Speaker:
- Pico Iyer
- Description:
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Der Ort, an den Reiseschriftsteller Pico Iyer am liebsten hingehen würde? Nirgendwohin. In einem kontraintuitiven und leidenschaftlichen Vortrag wirft Iyer einen Blick auf die unglaublichen Erkenntnisse, die man gewinnt, wenn man sich Zeit für die Stille nimmt. In einer Welt ständiger Bewegung und Zerstreuung kitzelt er Strategien heraus, die wir alle nutzen können, um uns ein paar Minuten am Tag oder ein paar Tage im Jahr für uns selbst zu nehmen. Dieser Vortrag ist für all diejenigen, die von den Anforderungen der heutigen Welt überfordert sind.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 15:37
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Helene Batt approved German subtitles for The art of stillness | |
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Helene Batt edited German subtitles for The art of stillness | |
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Helene Batt edited German subtitles for The art of stillness | |
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Helene Batt edited German subtitles for The art of stillness | |
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Retired user edited German subtitles for The art of stillness | |
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Retired user edited German subtitles for The art of stillness | |
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Nadine Hennig edited German subtitles for The art of stillness | |
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Nadine Hennig edited German subtitles for The art of stillness |