< Return to Video

Wade Davis über gefährdete Kulturen

  • 0:00 - 0:03
    Wissen Sie, eines der großen Vernügen beim Reisen
  • 0:03 - 0:05
    und eine der Freuden bei der ethnographischen Forschung
  • 0:05 - 0:07
    ist, gemeinsam mit den Menschen zu leben,
  • 0:07 - 0:09
    die sich noch an die alten Tage erinnern können.
  • 0:09 - 0:12
    Die ihre Vergangenheit noch immer im Wind spüren,
  • 0:12 - 0:15
    sie auf vom Regen geglätteten Steinen berühren,
  • 0:15 - 0:17
    sie in den bitteren Blättern der Pflanzen schmecken.
  • 0:17 - 0:21
    Einfach das Wissen, dass Jaguar-Schamanen noch immer jenseits der Milchstraße reisen
  • 0:21 - 0:25
    oder die Bedeutung der Mythen der Ältesten der Inuit noch voller Bedeutung sind,
  • 0:25 - 0:27
    oder dass im Himalaya
  • 0:28 - 0:32
    die Buddhisten noch immer den Atem des Dharma verfolgen,
  • 0:32 - 0:35
    bedeutet, sich die zentrale Offenbarung der Anthropologie ins Gedächtnis zu rufen,
  • 0:35 - 0:37
    das ist der Gedanke, dass die Welt, in der wir leben,
  • 0:38 - 0:40
    nicht in einem absoluten Sinn existiert,
  • 0:40 - 0:41
    sondern nur als ein Modell der Realität,
  • 0:41 - 0:45
    als eine Folge einer Gruppe von bestimmten Möglichkeiten der Anpassung
  • 0:45 - 0:49
    die unsere Ahnen, wenngleich erfolgreich, vor vielen Generationen wählten.
  • 0:50 - 0:54
    Und natürlich teilen wir alle dieselben Anpassungsnotwendigkeiten.
  • 0:54 - 0:56
    Wir werden alle geboren. Wir bringen Kinder zur Welt.
  • 0:56 - 0:58
    Wir durchlaufen Initiationsrituale.
  • 0:58 - 1:00
    Wir müssen uns mit der unaufhaltsamen Trennung durch den Tod auseinandersetzen
  • 1:00 - 1:04
    und somit sollte es uns nicht überraschen, dass wir alle singen, tanzen und
  • 1:04 - 1:06
    und Kunst hervorbringen.
  • 1:06 - 1:09
    Aber interessant ist der einzigartige Tonfall des Liedes,
  • 1:09 - 1:11
    der Rhythmus des Tanzes in jeder Kultur.
  • 1:11 - 1:14
    Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um die Penan in den Wäldern von Borneo handelt,
  • 1:14 - 1:17
    oder die Voodoo-Akolythen in Haiti,
  • 1:18 - 1:22
    oder die Krieger in der Kaisut-Wüste von Nordkenia,
  • 1:24 - 1:26
    die Curanderos in den Anden,
  • 1:27 - 1:32
    oder eine Karawanserei mitten in der Sahara.
  • 1:32 - 1:34
    Dies ist zufällig der Kollege, mit dem ich
  • 1:34 - 1:35
    vor einem Monat in die Wüste gereist bin.
  • 1:35 - 1:38
    Oder selbst ein Yak-Hirte an den Hängen des Qomolangma,
  • 1:38 - 1:40
    Everest, der Gottmutter der Welt.
  • 1:40 - 1:43
    All diese Menschen lehren uns, dass es noch andere Existenzmöglichkeiten,
  • 1:43 - 1:44
    andere Denkweisen,
  • 1:44 - 1:46
    andere Wege zur Orientierung auf der Erde gibt.
  • 1:46 - 1:48
    Und das ist eine Vorstellung, die, wenn man darüber nachdenkt,
  • 1:48 - 1:50
    einen nur mit Hoffnung erfüllen kann.
  • 1:50 - 1:53
    Zusammen bilden die unzähligen Kulturen der Welt
  • 1:53 - 1:57
    ein Netz aus spirituellem und kulturellem Leben,
  • 1:57 - 1:59
    das die Erde umhüllt
  • 1:59 - 2:01
    und für das Wohl der Erde genauso wichtig ist,
  • 2:01 - 2:04
    wie das biologische Lebensnetz, das man als Biosphäre kennt.
  • 2:04 - 2:07
    Man kann sich dieses kulturelle Lebensnetz
  • 2:07 - 2:08
    als eine Ethnosphäre vorstellen.
  • 2:08 - 2:10
    Ethnosphäre kann dabei als
  • 2:10 - 2:13
    die Gesamtsumme aller Gedanken und Träume, Mythen
  • 2:13 - 2:16
    Ideen, Inspirationen und Intuitionen,
  • 2:16 - 2:20
    die von der menschlichen Vorstellungskraft seit den Anfängen des Bewusstseins hervorgebracht wurden, definiert werden.
  • 2:20 - 2:23
    Die Ethnosphäre ist das großartige Vermächtnis der Menschheit.
  • 2:23 - 2:25
    Sie ist das Symbol all dessen, was wir sind
  • 2:25 - 2:29
    und wozu wir als erstaunlich wissbegierige Spezies fähig sind.
  • 2:30 - 2:33
    Und genauso wie die Biosphäre stark abgetragen wurde,
  • 2:33 - 2:35
    geschah dies mit der Ethnosphäre
  • 2:35 - 2:37
    -- nur mit noch größerer Geschwindigkeit.
  • 2:37 - 2:39
    Kein Biologe würde zum Beispiel wagen zu behaupten,
  • 2:39 - 2:42
    dass 50% oder mehr aller Arten
  • 2:42 - 2:44
    kurz vor dem Aussterben sind, da es einfach nicht stimmt.
  • 2:44 - 2:46
    Und doch, dieses -- das apokalyptischste Szenarium
  • 2:46 - 2:49
    auf dem Gebiet der biologischen Vielfalt --
  • 2:49 - 2:52
    entspricht kaum dem, was uns als optimistischstes Szenarium
  • 2:52 - 2:54
    auf dem Gebiet der kulturellen Vielfalt bekannt ist.
  • 2:54 - 2:57
    Und der entscheidende Indikator dafür ist das Aussterben der Sprachen.
  • 2:57 - 3:00
    Als jeder von Ihnen in diesem Raum geboren wurde,
  • 3:00 - 3:03
    wurden auf der Erde 6000 Sprachen gesprochen.
  • 3:03 - 3:06
    Nun ist eine Sprache nicht nur die Gesamtheit des Vokabulars
  • 3:06 - 3:08
    oder eine Reihe von Grammatikregeln.
  • 3:08 - 3:10
    Eine Sprache ist Ausdruck des menschlichen Geistes.
  • 3:10 - 3:13
    Sie ist ein Mittel, mit der die Seele einer bestimmten Kultur
  • 3:13 - 3:14
    Zugang zu der materiellen Welt findet.
  • 3:14 - 3:17
    Jede Sprache ist wie ein altbestehender Wald des Geistes,
  • 3:17 - 3:21
    ein Wendepunkt, ein Gedanke, ein Ökosystem spiritueller Möglichkeiten.
  • 3:21 - 3:25
    Und von diesen 6000 Sprachen werden heute, während wir hier in Monterey sitzen,
  • 3:25 - 3:29
    genau die Hälfte nicht mehr in die Ohren von Kindern geflüstert.
  • 3:29 - 3:32
    Sie werden Kleinkindern nicht mehr beigebracht.
  • 3:32 - 3:34
    Das heißt, wenn nichts unternommen wird,
  • 3:34 - 3:35
    sind sie tatsächlich bereits tot.
  • 3:35 - 3:39
    Was könnte einsamer sein, als vom Schweigen umhüllt zu sein,
  • 3:39 - 3:41
    einer der Letzten deines Volkes zu sein, die deine Sprache sprechen,
  • 3:41 - 3:44
    keine Möglichkeit zu haben, die Weisheit der Vorfahren weiterzugeben,
  • 3:44 - 3:47
    oder die Hoffnung Kinder zu erwarten?
  • 3:47 - 3:50
    Und doch widerfährt dieses schreckliche Schicksal tatsächlich jemandem
  • 3:50 - 3:52
    irgendwo auf der Erde, ca. aller zwei Wochen,
  • 3:52 - 3:54
    denn aller zwei Wochen, stirbt ein älterer Mensch
  • 3:54 - 3:56
    und nimmt die letzten Silben einer alten Sprache
  • 3:56 - 3:58
    mit sich ins Grab.
  • 3:58 - 4:00
    Und ich weiß, dass einige von Ihnen sagen: "Ist es nicht besser so?"
  • 4:00 - 4:01
    Wäre die Welt nicht ein besserer Ort,
  • 4:01 - 4:04
    wenn wir alle nur eine Sprache sprechen würden?" Und ich sage:"Gut,
  • 4:04 - 4:07
    lass diese Sprache Yoruba sein. Lass sie Kantonesisch sein.
  • 4:07 - 4:08
    Lass sie Kogi sein."
  • 4:08 - 4:10
    Und dann würden Sie plötzlich erkennen, wie es wäre, wenn
  • 4:10 - 4:13
    Sie Ihre eigene Sprache nicht sprechen könnten.
  • 4:13 - 4:16
    Deshalb möchte ich Sie heute gewissermaßen
  • 4:16 - 4:20
    auf eine Reise durch die Ethnosphäre mitnehmen,
  • 4:20 - 4:22
    eine kurze Reise durch die Ethnosphäre,
  • 4:22 - 4:26
    um zu versuchen, Ihnen verständlich zu machen, was tatsächlich verloren gegangen ist.
  • 4:27 - 4:34
    Nun gibt es einige unter uns, die gewissermaßen vergessen,
  • 4:34 - 4:36
    dass ich, wenn ich sage "verschiedene Möglichkeiten des Seins,"
  • 4:36 - 4:38
    wirklich verschiedene Möglichkeiten des Seins meine.
  • 4:39 - 4:44
    Nehmen Sie zum Beispiel dieses Kind der Barasana im Nordwesten des Amazonas,
  • 4:44 - 4:45
    das Volk der Anakonda,
  • 4:45 - 4:47
    glauben, dass sie mythologisch den Milchfluss
  • 4:47 - 4:50
    vom Osten her im Bauch von heiligen Schlangen heraufkamen.
  • 4:50 - 4:53
    Das ist ein Volk, welches nicht kognitiv
  • 4:53 - 4:55
    zwischen den Farben blau und grün unterscheidet,
  • 4:55 - 4:57
    da das Himmelszelt
  • 4:57 - 4:58
    dem Wald,
  • 4:58 - 5:00
    von dem die Menschen abhängen, gleichgestellt ist.
  • 5:00 - 5:03
    Sie haben eine eigenartige Sprache und eine Heiratsvorschrift
  • 5:03 - 5:05
    die linguistische Exogamie genannt wird:
  • 5:05 - 5:08
    Man muss jemanden heiraten, der eine andere Sprache spricht.
  • 5:08 - 5:10
    All dies wurzelt in der mythologischen Vergangenheit.
  • 5:10 - 5:12
    Das Eigenartige an diesen großen Häusern,
  • 5:12 - 5:14
    in denen aufgrund der Mischehen sechs oder sieben
  • 5:14 - 5:16
    Sprachen gesprochen werden,
  • 5:16 - 5:19
    ist jedoch, dass man niemals jemanden hört, der eine Sprache lernt.
  • 5:19 - 5:22
    Sie hören nur zu und beginnen dann zu sprechen.
  • 5:22 - 5:24
    Oder, einer der faszinierendsten Stämme, mit denen ich jemals gelebt habe,
  • 5:24 - 5:28
    die Waorani im Nordosten von Ecuador,
  • 5:28 - 5:31
    ein erstaunliches Volk, das erstmals im Jahr 1958 friedlich kontaktiert wurde.
  • 5:31 - 5:35
    Im Jahr 1957 versuchten fünf Missionare Kontakt aufzunehmen
  • 5:35 - 5:36
    und machten einen schwerwiegenden Fehler.
  • 5:36 - 5:37
    Sie warfen
  • 5:37 - 5:39
    glänzende Fotos von sich aus der Luft herab,
  • 5:39 - 5:41
    was wir als freundliche Geste bewerten würden.
  • 5:41 - 5:43
    Dabei vergaßen sie, dass diese Menschen aus dem Regenwald
  • 5:43 - 5:46
    in ihrem Leben noch niemals etwas zweidimensionales gesehen hatten.
  • 5:46 - 5:48
    Sie hoben diese Fotografien vom Waldboden auf,
  • 5:48 - 5:51
    versuchten hinter das Gesicht oder die Figur zu sehen,
  • 5:51 - 5:53
    fanden nichts und schlussfolgerten, dass dies Visitenkarten
  • 5:53 - 5:56
    des Teufels seien und töteten die fünf Missionare mit dem Speer.
  • 5:57 - 5:59
    Aber die Waorani töteten nicht nur Außenstehende mit dem Speer.
  • 5:59 - 6:00
    Sie durchbohrten sich gegenseitig.
  • 6:00 - 6:03
    54% der Todesfälle geschahen durch Durchbohrungen.
  • 6:03 - 6:06
    Wir verfolgten die Geneaologie acht Generationen zurück
  • 6:06 - 6:08
    und fanden zwei Fälle eines natürlichen Todes
  • 6:08 - 6:10
    und als wir die Menschen mit Nachdruck etwas darüber ausfragten,
  • 6:10 - 6:12
    gaben Sie zu, dass einer der Leute so alt geworden war,
  • 6:12 - 6:16
    dass er aufgrund seines Alters starb und wir töteten ihn trotzdem mit dem Speer.(Gelächter)
  • 6:16 - 6:19
    Aber gleichzeitig hatten sie eine klare Kenntnis
  • 6:19 - 6:20
    des Waldes, die erstaunlich war.
  • 6:20 - 6:23
    Ihre Jäger konnten den Urin eines Tieres aus 40 Schritten Entfernung riechen
  • 6:23 - 6:26
    und bestimmen, zu welcher Tierart dieser gehörte.
  • 6:26 - 6:28
    In den frühen 80iger Jahren bekam ich eine wirklich erstaunliche Aufgabe,
  • 6:28 - 6:30
    als mich mein Professor in Harvard fragte,
  • 6:30 - 6:32
    ob ich daran interessiert wäre, nach Haiti zu gehen
  • 6:33 - 6:35
    und die geheimen Gesellschaften zu infiltrieren,
  • 6:35 - 6:37
    die das Fundament der Stärke von Duvalier
  • 6:37 - 6:38
    und Tonton Macoutes waren
  • 6:38 - 6:41
    und das Gift, das dafür benutzt wurde, um Zombies zu machen, sicherzustellen.
  • 6:41 - 6:44
    Um dieser Sensation einen Sinn zu geben
  • 6:44 - 6:47
    musste ich natürlich etwas über diesen bemerkenswerten Glauben des
  • 6:47 - 6:50
    Vodoun wissen und Voodoo is kein Kult der schwarzen Magie.
  • 6:50 - 6:53
    Im Gegenteil, es handelt sich um eine komplexe metaphysische Weltsicht.
  • 6:53 - 6:54
    Es ist interessant.
  • 6:54 - 6:55
    Wenn ich Sie fragen würde, die großen Weltreligionen aufzuzählen,
  • 6:55 - 6:56
    was würden Sie sagen?
  • 6:56 - 6:59
    Christentum, Islam, Buddhismus, Judaismus oder was auch immer.
  • 6:59 - 7:01
    Ein Kontinent wird immer ausgelassen,
  • 7:01 - 7:03
    denn die Vermutung war, dass es in Schwarzafrika
  • 7:03 - 7:05
    keinen religiösen Glauben gebe. Natürlich gab es einen und
  • 7:05 - 7:07
    Voodoo ist einfach das Überbleibsel dieser
  • 7:08 - 7:09
    sehr tiefgehenden religiösen Gedanken,
  • 7:09 - 7:12
    die während der tragischen Diaspora der Sklavereizeit herüberkamen.
  • 7:12 - 7:14
    Aber was Voodoo so interessant macht,
  • 7:14 - 7:16
    ist diese lebendige Beziehung
  • 7:16 - 7:17
    zwischen den Lebenden und den Toten.
  • 7:17 - 7:18
    Die Lebenden gebären die Geister.
  • 7:18 - 7:21
    Die Geister können von unter dem Großen Wasser heraufbeschwört werden,
  • 7:21 - 7:23
    antworten auf den Rhythmus des Tanzes,
  • 7:23 - 7:25
    um die Seele des Lebenden vorübergehend zu verdrängen,
  • 7:25 - 7:29
    so dass der Akolyth für einen kurzen glänzenden Moment zum Gott wird.
  • 7:29 - 7:31
    Deshab sagen die Voodooisten gerne,
  • 7:31 - 7:34
    "Ihr Weißen geht in die Kirche und sprecht über Gott.
  • 7:34 - 7:36
    Wir tanzen im Tempel und werden zu Gott."
  • 7:36 - 7:39
    Und weil du besessen bist, wirst du von dem Geist eingenommen.
  • 7:39 - 7:40
    Wie kann dir Schaden zugefügt werden?
  • 7:40 - 7:43
    Sehen Sie diese erstaunlichen Demonstrationen:
  • 7:43 - 7:45
    Voodoo-Akolythen in einem Trancezustand,
  • 7:45 - 7:48
    die glühende Kohle ohne Verbrennung anfassend,
  • 7:48 - 7:51
    eine erstaunliche Veranschaulichung der Fähigkeit des Geistes
  • 7:51 - 7:52
    den Körper so zu beeinflussen, dass dieser es aushält,
  • 7:52 - 7:55
    wenn er in einen Zustand der extremen Erregung versetzt wird.
  • 7:56 - 7:58
    Nun, von allen Menschen, die ich getroffen habe,
  • 7:58 - 8:00
    waren die Kogi aus der Sierra Nevada de Santa Marta
  • 8:00 - 8:03
    in Nordkolumbien, die Außergewöhnlichsten.
  • 8:03 - 8:06
    Nachkommen der alten tyrannischen Zivilisation,
  • 8:06 - 8:09
    die die karibische Küstenebene von Kolumbien bevölkerten
  • 8:09 - 8:10
    und in Folge der Eroberung
  • 8:10 - 8:13
    zog sich dieses Volk in ein isoliertes vulkanisches Massiv zurück,
  • 8:13 - 8:15
    das über der karibischen Küstenebene aufsteigt.
  • 8:15 - 8:17
    In einem blutbefleckten Kontinent,
  • 8:17 - 8:20
    waren diese Menschen die einzigen, die nie von den Spaniern erobert wurden.
  • 8:20 - 8:23
    Bis zum heutigen Tag, werden sie von einer rituellen Priesterschaft regiert.
  • 8:23 - 8:25
    Die Ausbildung zur Priesterschaft ist jedoch sehr außergewöhnlich.
  • 8:26 - 8:28
    Die jungen Akolythen werden im Alter von drei und vier Jahren
  • 8:28 - 8:30
    von ihren Familien getrennt
  • 8:30 - 8:32
    und in einer schattenhaften Welt der Finsternis,
  • 8:32 - 8:36
    in Steinhütten am Fuße der Gletscher für 18 Jahre abgeschottet.
  • 8:36 - 8:37
    Zwei Zeiträume von jeweils neun Jahren,
  • 8:37 - 8:40
    absichtlich gewählt, um die neun Monate der Schwangerschaft nachzuahmen,
  • 8:40 - 8:42
    die sie im Schoß ihrer leiblichen Mutter verbrachten,
  • 8:42 - 8:45
    verbringen sie nun metamorphorisch im Schoß der großen Mutter.
  • 8:45 - 8:46
    Und während dieser ganzen Zeit,
  • 8:47 - 8:50
    werden Sie kulturell in die Werte ihrer Gesellschaft eingeführt.
  • 8:50 - 8:52
    Werte, die die Behauptung aufrechterhalten, dass ihre Gebete
  • 8:52 - 8:55
    und nur ihre Gebete, die kosmische --
  • 8:55 - 8:57
    oder wir könnten sagen das ökologische -- Gleichgewicht aufrechterhalten.
  • 8:58 - 8:59
    Am Ende dieser erstaunlichen Initiation werden sie
  • 8:59 - 9:01
    eines Tages plötzlich nach draußen genommen
  • 9:01 - 9:04
    und zum ersten Mal in ihrem Leben, im Alter von 18 Jahren,
  • 9:04 - 9:08
    sehen sie einen Sonnenaufgang. Und in diesem kristallklaren Moment des Bewusstseins
  • 9:08 - 9:11
    des ersten Lichts, wenn die Sonne beginnt auf die Hänge der
  • 9:11 - 9:12
    erstaunlich schönen Landschaft zu strahlen,
  • 9:13 - 9:15
    wird plötzlich alles, was sie im Abstrakten gelernt haben
  • 9:15 - 9:18
    in erstaunlicher Pracht bestätigt. Und der Priester tritt zurück
  • 9:18 - 9:20
    und sagt, "Seht ihr? Es ist wirklich, wie ich euch erzählt habe.
  • 9:20 - 9:23
    Es ist so wunderbar. Ihr müsst es beschützen."
  • 9:23 - 9:25
    Sie nennen sich die älteren Brüder
  • 9:25 - 9:28
    und sagen, dass wir, die wir die jüngeren Brüder sind,
  • 9:28 - 9:31
    für die Zerstörung der Welt verantwortlich sind.
  • 9:32 - 9:34
    Nun diese Ebene der Intuition wird sehr wichtig.
  • 9:34 - 9:36
    Immer wenn wir an Eingeborene und Landschaft denken,
  • 9:36 - 9:38
    beschwören wir entweder Rousseau
  • 9:38 - 9:41
    und das alte Gerücht des noblen Wilden herauf,
  • 9:41 - 9:43
    welches in seiner Vereinfachung ein rassistischer Gedanke ist
  • 9:43 - 9:46
    oder andererseits Thoreau
  • 9:46 - 9:48
    und sagen, diese Menschen sind mehr mit der Natur verbunden, als wir.
  • 9:48 - 9:50
    Also, Eingeborene sind weder sentimental,
  • 9:50 - 9:52
    noch werden sie von der Nostalgie geschwächt.
  • 9:52 - 9:54
    Es bleibt nicht viel Platz dafür
  • 9:54 - 9:56
    in den malariaverseuchten Sümpfen von Asmat
  • 9:56 - 9:59
    oder den kalten Winden von Tibet, sie haben jedoch trotzdem,
  • 9:59 - 10:03
    durch Zeit und Ritual einen geheimnisvollen Nimbus der Erde geformt,
  • 10:03 - 10:06
    der nicht auf der Idee beruht, ihr bewusst nahe zu sein,
  • 10:06 - 10:08
    sondern auf einer weit subtileren Intuition,
  • 10:08 - 10:11
    der Idee, dass die Erde an sich nur existieren kann,
  • 10:12 - 10:14
    weil sie in das menschliche Bewusstsein hineingeatmet wird.
  • 10:14 - 10:16
    Nun, was bedeutet das?
  • 10:16 - 10:18
    Es bedeutet, dass ein kleines Kind aus den Anden,
  • 10:18 - 10:20
    das in dem Glauben aufwächst, dass der Berg ein Apu-Geist ist,
  • 10:20 - 10:22
    der sein oder ihr Schicksal bestimmen,
  • 10:22 - 10:25
    wird ein ganz anderer Mensch werden,
  • 10:25 - 10:28
    und eine andere Beziehung zu dieser Ressource
  • 10:28 - 10:30
    oder diesem Ort haben, als ein kleines Kind aus Montana,
  • 10:30 - 10:33
    das in dem Glauben aufwächst, dass ein Berg ein Haufen Steine ist,
  • 10:33 - 10:34
    der abgetragen werden kann.
  • 10:34 - 10:38
    Ob er ein Aufenthaltsort eines Geistes oder ein Haufen Erz ist, ist irrelevant.
  • 10:38 - 10:41
    Das interessante ist die Metapher, welche die Beziehung zwischen
  • 10:41 - 10:43
    dem Individuum und der Natur definiert.
  • 10:43 - 10:45
    Ich wuchs in den Wäldern von Britisch Kolumbien auf
  • 10:45 - 10:47
    und glaubte, dass diese Wälder dazu da sind, gerodet zu werden.
  • 10:47 - 10:49
    Das machte mich zu einem anderen Menschen als
  • 10:49 - 10:51
    meine Freunde unter den Kwakiutl,
  • 10:51 - 10:53
    die glauben, dass diese Wälder der Aufenthaltsort von Hukuk
  • 10:53 - 10:54
    und dem gebogenen Himmelsschnabel
  • 10:54 - 10:57
    und den kannibalischen Geister sind, die am Nordende der Welt wohnen,
  • 10:57 - 11:01
    Geister, die sie an ihrer Hamatsa-Initiation beteiligen würden.
  • 11:01 - 11:03
    Nun, wenn man beginnt, die Idee zu betrachten,
  • 11:03 - 11:05
    dass diese Kulturen verschiedene Realitäten kreieren können,
  • 11:05 - 11:06
    kann man einige ihrer außergewöhnlichen
  • 11:06 - 11:11
    Entdeckungen verstehen. Z.B. diese Pflanze hier.
  • 11:11 - 11:13
    Es ist ein Foto, das ich erst letzten April im Nordwesten des Amazonas aufnahm.
  • 11:13 - 11:16
    Dies ist Ayahuasca, von der viele von Ihnen gehört haben,
  • 11:16 - 11:19
    das stärkste psychoaktive Präparat
  • 11:19 - 11:21
    aus dem Repertoire des Schamanen.
  • 11:21 - 11:23
    Was Ayahuasca so faszinierend macht,
  • 11:23 - 11:27
    ist nicht nur das pharmakologische Potential dieses Präparats,
  • 11:27 - 11:31
    sondern dessen Verarbeitung. Es wird wirklich aus zwei verschiedenen Quellen hergestellt.
  • 11:31 - 11:33
    Auf der einen Seite, gibt es diese hölzerne Liane,
  • 11:33 - 11:35
    die eine Reihe von Betakarbolinen,
  • 11:35 - 11:38
    Harmin, Harmolin, leicht halluzinogen, birgt.
  • 11:38 - 11:40
    Diese Kletterpflanze allein einzunehmen
  • 11:40 - 11:42
    ist ungefähr so als ob sich ein blauer trüber Rauch
  • 11:42 - 11:44
    auf ihr Bewusstsein legt,
  • 11:44 - 11:47
    es wird jedoch mit den Blättern eines Strauchs aus der Familie der Kaffeepflanzen
  • 11:47 - 11:49
    mit dem Namen Psychotria viridis vermischt.
  • 11:49 - 11:52
    Diese Pflanze enthält einige sehr starke Tryptamine
  • 11:52 - 11:56
    die dem Serotonin, Dimethyltryptamin-5 und
  • 11:56 - 11:57
    Methoxydimethyltryptamin sehr ähnlich sind.
  • 11:57 - 11:59
    Falls Sie schon einmal die Yanomami gesehen haben,
  • 11:59 - 12:01
    wie sie dieses Zeug schnupfen,
  • 12:01 - 12:04
    diese Substanz, die sie aus verschiedenen Arten herstellen
  • 12:04 - 12:08
    enthält ebenfalls Methoxydimethyltryptamin.
  • 12:08 - 12:10
    Dieses Puder zu schnupfen
  • 12:10 - 12:14
    ist ungefähr so wie aus einem Gewehrlauf beschossen zu werden,
  • 12:14 - 12:21
    gesäumt von barocken Gemälden und der Landung auf einem Meer von Elektrizität. (Gelächter)
  • 12:21 - 12:23
    Es wird keine Verzerrung der Realität erzeugt,
  • 12:23 - 12:24
    sondern die Auflösung der Realität.
  • 12:24 - 12:27
    Ich habe sogar mit meinem Professor, Richard Evan Shultes,
  • 12:27 - 12:29
    der Mann, der die psychedelische Ärea
  • 12:29 - 12:31
    mit der Entdeckung der magischen Pilze
  • 12:31 - 12:33
    in Mexiko in den 30iger Jahren eingeleitet hat, darüber diskutiert.
  • 12:33 - 12:35
    Ich behauptete, dass man diese Tryptamine nicht
  • 12:35 - 12:38
    als halluzinogen einordnen konnte, da in dem Moment in dem man die Auswirkungen spürt,
  • 12:38 - 12:42
    man nicht mehr da ist, um eine Halluzination zu erfahren. (Gelächter)
  • 12:42 - 12:45
    Aber die Sache mit Tryptaminen ist die, dass sie nicht oral eingenommen werden können,
  • 12:45 - 12:47
    da sie durch ein im menschlichen Darm natürlich vorkommendes Enzym
  • 12:47 - 12:50
    mit Namen Monoamin-Oxidase, denaturiert werden.
  • 12:50 - 12:53
    Sie können nur in Verbindung mit
  • 12:53 - 12:56
    einigen anderen Chemikalien oral eingenommen werden, die die MAO denaturieren.
  • 12:56 - 12:57
    Nun das Faszinierende ist,
  • 12:57 - 13:01
    dass die Betakarboline, die in der Liane enthalten sind,
  • 13:01 - 13:04
    MAO-Inhibitoren von genau der Art sind, die notwendig ist,
  • 13:05 - 13:08
    um die Tryptamine zu potenzieren. Fragen Sie sich also selbst.
  • 13:08 - 13:12
    Wie können diese Menschen aus einer Flora von 80.000 Arten adstringierender Pflanzen diese
  • 13:12 - 13:16
    zwei morphologisch nicht verwandten Pflanzen finden, die,
  • 13:16 - 13:17
    wenn auf diese Weise kombiniert,
  • 13:17 - 13:19
    eine Art von biochemischer Version schaffen,
  • 13:19 - 13:21
    so dass das Ganze größer als die Summe seiner Teile ist?
  • 13:21 - 13:24
    Wir verwenden diesen großartigen Euphemismus, Versuch und Fehler,
  • 13:24 - 13:25
    was sich als bedeutungslos herausstellt.
  • 13:26 - 13:29
    Aber fragt man die Indianer sagen sie: "Die Pflanze spricht zu uns."
  • 13:29 - 13:30
    Also, was bedeutet das?
  • 13:30 - 13:34
    Dieser Stamm, die Cofan, haben 17 Varianten an Ayahuasca,
  • 13:34 - 13:37
    die sie alle bei großer Entfernung im Wald erkennen,
  • 13:38 - 13:42
    die für unsere Augen als eine Art erscheinen.
  • 13:42 - 13:44
    Und dann fragt man sie, wie sie ihre Taxonomie begründen
  • 13:44 - 13:47
    und sie sagen: "Ich dachte du verstehst etwas von Pflanzen.
  • 13:47 - 13:49
    Ich meine, weißt du überhaupt nichts?" Und ich sagte: "Nein."
  • 13:49 - 13:52
    Also, es stellt sich heraus, dass man jede der 17 Varianten
  • 13:52 - 13:55
    bei Vollmond mitnimmt und sie singen zu einem in einer verschiedenen Tonlage.
  • 13:55 - 13:57
    Nun, das bringt Ihnen keinen Doktortitel in Harvard,
  • 13:57 - 14:01
    aber es ist viel interessanter als Stamina zu zählen.
  • 14:01 - 14:02
    Nun,
  • 14:02 - 14:05
    (Applaus)
  • 14:05 - 14:07
    das Problem- das Problem ist, dass selbst diejenigen unter uns,
  • 14:07 - 14:09
    die Sympathie für die schwierige Lage der Eingeborenen haben,
  • 14:09 - 14:10
    sie als orginiell und farbenfroh ansehen,
  • 14:10 - 14:12
    sie jedoch irgendwie auf die Vergangenheit beschränken,
  • 14:12 - 14:15
    während die reale Welt, d.h. unsere Welt, fortschreitet.
  • 14:15 - 14:17
    Also, Tatsache ist, dass man sich an das 20. Jahrhundert, in 300 Jahren
  • 14:17 - 14:20
    nicht für seine Kriege
  • 14:20 - 14:21
    oder technischen Innovationen erinnern wird,
  • 14:21 - 14:23
    sondern vielmehr als an eine Ära, in der wir zugegen waren
  • 14:24 - 14:26
    und die massive Zerstörung der biologischen und kulturellen Vielfalt auf der Erde
  • 14:26 - 14:29
    entweder aktiv unterstützten oder passiv akzeptierten.
  • 14:29 - 14:32
    Also das Problem ist nicht die Veränderung.
  • 14:32 - 14:34
    Alle Kulturen haben sich immer wieder
  • 14:34 - 14:37
    an dem Tanz mit
  • 14:37 - 14:38
    neuen Lebenmöglichkeiten beteiligt.
  • 14:39 - 14:41
    Und das Problem ist nicht die Technologie an sich.
  • 14:42 - 14:44
    Die Sioux-Indianer hörten nicht weniger auf Sioux zu sein,
  • 14:44 - 14:45
    als sie Bogen und Pfeil aufgaben,
  • 14:45 - 14:47
    als die Amerikaner aufhörten Amerikaner zu sein,
  • 14:47 - 14:49
    als sie Pferd und Pferdewagen aufgaben.
  • 14:49 - 14:50
    Nicht Veränderung und Technologie
  • 14:50 - 14:54
    bedrohen die Integrität der Ethnosphäre. Es ist Macht.
  • 14:54 - 14:56
    Das hässliche Gesicht der Herrschaft.
  • 14:56 - 14:58
    Und wo auch immer man sich in der Welt umsieht,
  • 14:58 - 15:01
    man wird entdecken, dass diese Kulturen nicht dem Untergang geweiht sind.
  • 15:01 - 15:03
    Dies sind dynamisch lebende Völker,
  • 15:03 - 15:06
    deren Existenz durch erkennbare Kräfte verdrängt wird
  • 15:06 - 15:08
    die über ihre Kapazität der Anpassung hinausgehen.
  • 15:08 - 15:10
    Ob es sich dabei um die ungeheuerliche Abholzung
  • 15:11 - 15:13
    im Heimatland der Penan handelt,
  • 15:13 - 15:16
    einem Nomadenvolk aus Südostasien, von Sarawak,
  • 15:16 - 15:20
    einem Volk, das vor einer Generation frei in dem Wald lebte,
  • 15:20 - 15:23
    und jetzt zu Knechtschaft und Prostitution
  • 15:23 - 15:25
    am Flussufer erniedrigt wurde,
  • 15:25 - 15:29
    von wo sie sehen können, dass selbst der Fluss mit dem Schlamm verschmutzt wird,
  • 15:29 - 15:31
    der fast halb Borneo
  • 15:31 - 15:32
    in das Südchinesische Meer wegzuschwemmen scheint.
  • 15:32 - 15:34
    Von wo die japanischen Frachter am Horizont zu sehen sind,
  • 15:34 - 15:38
    die bereit sind, ihre Schiffsräume mit rohen Baumstämmen zu füllen, die sie dem Wald entrissen haben.
  • 15:38 - 15:39
    Oder wie im Fall der Yanomami,
  • 15:39 - 15:41
    wo es Krankheitsträger sind, die während
  • 15:41 - 15:43
    des Goldrauschs eingeschleppt wurden.
  • 15:43 - 15:45
    Oder wenn wir in die Berge von Tibet gehen,
  • 15:45 - 15:47
    wo ich neuerlich viel forsche,
  • 15:48 - 15:51
    wird man das hässliche Gesicht der politischen Dominanz sehen.
  • 15:51 - 15:53
    Wissen Sie, der Genozid, das phyische Aussterben von Menschen
  • 15:53 - 15:55
    wird allgemein verurteilt, aber der Ethnozid,
  • 15:56 - 15:59
    die Zerstörung der Lebensweise der Menschen, wird nicht nur nicht verurteilt,
  • 15:59 - 16:02
    sondern allgemein und vielerorts
  • 16:02 - 16:04
    als Teil einer Entwicklungsstrategie gefeiert.
  • 16:04 - 16:07
    Und Sie können das Leiden Tibets nicht verstehen,
  • 16:07 - 16:09
    wenn Sie es nicht auf unterster Ebene erlebt haben.
  • 16:09 - 16:13
    Ich reiste einmal mit einem jungen Kollegen 6000 Meilen von Chengdu in Westchina
  • 16:13 - 16:16
    überland durch Südost-Tibet nach Lhasa
  • 16:16 - 16:20
    und erst als ich nach Lhasa kam
  • 16:20 - 16:23
    sah ich das Gesicht hinter den Statistiken
  • 16:23 - 16:24
    von denen man hört.
  • 16:24 - 16:28
    6000 heilige Monumente, die in Schutt und Asche verwandelt wurden.
  • 16:28 - 16:31
    1,2 Millionen Menschen, die während der Kulturrevolution
  • 16:31 - 16:32
    von den Kadern ermordet wurden.
  • 16:33 - 16:35
    Der Vater dieses jungen Manns wurde als Anhänger des Panchen Lama identifiziert.
  • 16:35 - 16:37
    Das bedeutete, dass er während der chinesischen Invasion
  • 16:37 - 16:39
    sofort umgebracht wurde.
  • 16:39 - 16:41
    Sein Onkel floh mit ihrer Heiligkeit in die Diaspora,
  • 16:41 - 16:44
    die Leute nach Nepal brachte.
  • 16:44 - 16:46
    Seine Mutter wurde eingesperrt, als Bestrafung für -- für
  • 16:46 - 16:48
    das Verbrechen wohlhabend zu sein.
  • 16:49 - 16:51
    Er wurde im Alter von zwei Jahren in das Gefängnis geschmuggelt,
  • 16:51 - 16:53
    um sich unter ihrem Rockzipfel zu verstecken,
  • 16:53 - 16:55
    da sie ohne ihn nicht leben konnte.
  • 16:55 - 16:57
    Die Schwester, die diese tapfere Tat beging,
  • 16:57 - 16:58
    wurde in ein Erziehungslager gebracht.
  • 16:58 - 17:00
    Eines Tages trat sie aus Versehen auf ein Armband
  • 17:01 - 17:03
    Maos und für diese Übertretung
  • 17:03 - 17:06
    musste sie für sieben Jahre in ein schweres Arbeitslager.
  • 17:06 - 17:09
    Das Leiden Tibets kann unerträglich sein,
  • 17:09 - 17:12
    aber der erlösende Geist der Menschen ist etwas unvergessliches.
  • 17:13 - 17:16
    Und am Ende stehen wir wirklich vor einer Wahl.
  • 17:16 - 17:19
    Möchten wir in einer monochromatischen Welt der Monotonie
  • 17:19 - 17:22
    oder in einer polychromatischen Welt der Vielfalt leben?
  • 17:22 - 17:25
    Margaret Mead, die große Anthropologin sagte bevor sie starb,
  • 17:25 - 17:28
    dass es ihre größte Angst ist, dass während wir uns in Richtung
  • 17:28 - 17:30
    einer faden, gestaltlosen, generischen Weltsicht bewegen,
  • 17:30 - 17:35
    wir nicht nur die gesamte Bandbreite der menschlichen Vorstellungskraft
  • 17:35 - 17:39
    auf eine eingeengte Denkweise reduziert sehen würden,
  • 17:39 - 17:40
    sondern dass wir eines Tages aus einem Traum aufwachen,
  • 17:40 - 17:43
    und vergessen haben, dass es jemals anderen Möglichkeiten gab.
  • 17:44 - 17:47
    Und es ist demütigend daran zu denken, dass unsere Gattung vielleicht
  • 17:47 - 17:49
    seit 600.000 Jahren existiert.
  • 17:49 - 17:52
    Die neolithische Revolution, die uns die Landwirtschaft brachte,
  • 17:52 - 17:54
    und uns in diesem Moment dem Kult des Saatkorns unterwarf,
  • 17:54 - 17:56
    die Poesie des Schamanen durch
  • 17:56 - 17:57
    die Prosa der Priesterschaft ersetzte
  • 17:57 - 18:00
    und Hierarchie, Spezialisierung und Überschuss schuf --
  • 18:00 - 18:02
    fand vor lediglich 10.000 Jahren statt.
  • 18:02 - 18:04
    Die moderne industrielle Welt wie wir sie kennen
  • 18:04 - 18:06
    ist kaum 300 Jahre alt.
  • 18:06 - 18:08
    Nun, diese oberflächliche Geschichte sagt mir nicht,
  • 18:08 - 18:11
    dass wir alle Antworten auf die Herausforderungen haben,
  • 18:11 - 18:13
    denen wir in den kommenden Jahrtausenden gegenüber stehen.
  • 18:13 - 18:15
    Wenn wir diese unzähligen Weltkulturen
  • 18:15 - 18:18
    nach der Bedeutung des Menschseins fragen,
  • 18:18 - 18:20
    antworten sie mit 10.000 verschiedenen Stimmen.
  • 18:20 - 18:26
    Und in diesem Lied werden wir die Möglichkeit wiederentdecken,
  • 18:26 - 18:29
    das zu sein, was wir sind: Menschen mit vollem Bewusstsein,
  • 18:29 - 18:32
    die sich der Wichtigkeit bewusst sind, dass allen Menschen und Gärten
  • 18:32 - 18:38
    ein Raum gedeihen zu können zugesichert werden muss. Und es gibt großartige Momente des Optimismus.
  • 18:38 - 18:41
    Hier ist ein Foto, das ich am nördlichen Ende der Baffin-Inseln
  • 18:41 - 18:43
    aufnahm, als ich mit Inuits auf die Narwhal-Jagd ging.
  • 18:44 - 18:47
    Und dieser Mann, Olaya, erzählte mir eine wunderbare Geschichte seines Großvaters.
  • 18:48 - 18:50
    Die kanadische Regierung ist nicht immer sehr gut mit
  • 18:50 - 18:52
    den Inuit umgegangen und während der 50iger Jahre im Zuge
  • 18:52 - 18:55
    der Etablierung unserer Herrschaft, wurden sie gezwungen, in Siedlungen zu ziehen.
  • 18:55 - 18:59
    Der Großvater dieses alten Mannes weigerte sich.
  • 18:59 - 19:03
    Die Familie, die Angst um sein Leben hatte, nahm ihm alle Waffen
  • 19:03 - 19:04
    und alle Werkzeuge ab.
  • 19:05 - 19:07
    Nun müssen Sie wissen, dass die Inuit keine Angst vor der Kälte haben.
  • 19:07 - 19:08
    Sie nutzten sie zu ihrem Vorteil.
  • 19:08 - 19:11
    Die Gleitschienen ihrer Schlitten wurden ursprünglich aus
  • 19:11 - 19:12
    Fisch, der in Karibu-Haut eingewickelt wurde, hergestellt.
  • 19:12 - 19:17
    Der Großvater des Mannes fürchtete sich nicht vor der arktischen Nacht
  • 19:17 - 19:19
    oder dem wehenden Sturm.
  • 19:19 - 19:22
    Er schlüpfte nach draußen, ließ seine Hosen aus Seehundsfell herunter
  • 19:23 - 19:26
    und defäkierte in seine Hand. Und als die Fäkalien zu frieren begannen,
  • 19:26 - 19:29
    formte er sie in die Form eines Messers.
  • 19:29 - 19:31
    Er sprühte Speichel auf die Seiten des Fäkalien-Messers
  • 19:31 - 19:34
    und als es vollständig gefroren war, erstach er einen Hund damit.
  • 19:34 - 19:37
    Er enthäutete den Hund und improvisierte ein Geschirr,
  • 19:37 - 19:40
    nahm das Skelett des Hundes und improvisierte einen Schlitten,
  • 19:41 - 19:42
    spannte einen anderen Hund an
  • 19:42 - 19:46
    und entschwand über die Eisschollen mit dem Fäkalien-Messer am Gürtel.
  • 19:46 - 19:50
    So kann man aus nichts etwas machen.(Gelächter)
  • 19:50 - 19:51
    Und dies ist auf vielerlei Weisen
  • 19:51 - 19:53
    (Gelächter)
  • 19:53 - 19:55
    ein Symbol für den Widerstand der Inuit
  • 19:55 - 19:58
    und aller Eingeborenen auf der Welt.
  • 19:58 - 20:00
    Die kanadische Regierung gab den Inuit im April 1999
  • 20:00 - 20:03
    die vollständige Kontrolle über ein Gebiet zurück,
  • 20:03 - 20:06
    das größer ist als Kalifornien und Texas zusammen.
  • 20:06 - 20:08
    Es ist unser neues Heimatland und heißt Nunavut.
  • 20:09 - 20:12
    Es ist ein unabhängiges Gebiet. Sie kontrollieren alle Mineralvorkommen.
  • 20:12 - 20:14
    Ein erstaunliches Beispiel, wie eine Nation, ein Staat,
  • 20:14 - 20:18
    die Wiedergutmachung mit seinen Einwohnern suchen und erreichen kann.
  • 20:19 - 20:22
    Und letztendlich, glaube ich, ist es ziemlich offensichtlich,
  • 20:22 - 20:23
    zumindest für diejenigen von uns, die zu
  • 20:23 - 20:25
    diesen entfernten Zielen der Erde gereist sind,
  • 20:27 - 20:28
    zu erkennen, dass sie überhaupt nicht entfernt sind.
  • 20:28 - 20:30
    Sie sind die Heimatländer von jemandem.
  • 20:30 - 20:32
    Sie repräsentieren Teile der menschlichen Vorstellungskraft,
  • 20:32 - 20:36
    die in vergangene Zeiten zurückreichen. Und für alle von uns,
  • 20:36 - 20:39
    werden die Träume dieser Kinder, wie die Träume unserer eigenen Kinder
  • 20:39 - 20:42
    Teil der Geographie der Hoffnung.
  • 20:42 - 20:46
    Was wir bei National Geographic letztendlich versuchen, ist
  • 20:46 - 20:50
    dass wir glauben, dass Politiker niemals etwas erreichen.
  • 20:50 - 20:51
    Wir glauben, dass Polemik --
  • 20:51 - 20:53
    (Applaus)
  • 20:53 - 20:55
    wir glauben, dass Polemik nicht überzeugend ist,
  • 20:55 - 20:58
    aber wir glauben, dass Geschichtenerzählen die Welt verändern kann
  • 20:58 - 21:01
    und somit sind wir wahrscheinlich die beste Institution für Geschichtenerzählen
  • 21:01 - 21:04
    in der Welt. Unsere Website erhält 35 Millionen Hits jeden Monat.
  • 21:04 - 21:07
    156 Nationen senden unseren Fernsehkanal.
  • 21:08 - 21:10
    Unsere Zeitschriften werden von Millionen gelesen.
  • 21:10 - 21:13
    Und wir unternehmen eine Reihe von Reisen
  • 21:13 - 21:15
    in die Ethnosphäre, auf denen wir unser Publikum
  • 21:15 - 21:17
    zu Orten von solch kulturellen Wundern mitnehmen,
  • 21:18 - 21:20
    dass sie von dem Gesehenen geblendet werden.
  • 21:20 - 21:22
    und hoffentlich, werden sie
  • 21:22 - 21:25
    einer nach dem anderen
  • 21:25 - 21:27
    die zentrale Offenbarung der Anthropologie annehmen:
  • 21:27 - 21:31
    dass diese Welt es verdient hat, auf verschiedene Weisen zu existieren,
  • 21:31 - 21:32
    dass wir eine Lebensmöglichkeit
  • 21:32 - 21:35
    in einer wirklich multikulturellen pluralistischen Welt finden können,
  • 21:35 - 21:37
    bei der die Weisheit von allen Menschen
  • 21:37 - 21:40
    zu unserem gemeinsamen Wohlbefinden beitragen kann.
  • 21:40 - 21:41
    Vielen Dank.
  • 21:41 - 21:43
    (Applaus)
Title:
Wade Davis über gefährdete Kulturen
Speaker:
Wade Davis
Description:

Mit atemberaubenden Fotos und Geschichten feiert der National Geographic- Forschungsreisende Wade Davis, die außergewöhnliche Vielfalt der Ureinwohner der Welt, welche in alarmierender Anzahl von unserem Planeten verschwinden.

more » « less
Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
21:44
TED added a translation

German subtitles

Revisions