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Benjamin Zander über Musik und Leidenschaft

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    Kennen Sie die Geschichte der beiden Geschäftsmänner,
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    die Anfang 1900 nach Afrika gingen?
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    Sie sollten nach Möglichkeiten suchen,
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    Schuhe zu verkaufen.
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    Beide schickten Telegramme nach Manchester.
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    Der eine schrieb: „Situation hoffnungslos. Stop.
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    Hier trägt niemand Schuhe.“
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    Der andere schrieb: „Großartige Gelegenheit.
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    Hier hat noch niemand Schuhe.“
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    (Lachen)
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    Es gibt eine ähnliche Situation in der Welt der klassischen Musik.
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    Manche Menschen denken,
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    die klassische Musik stirbt aus.
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    Und es gibt jene, die sagen: „Ihr habt noch nix gesehen.“
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    Statt Statistiken und Trends zu untersuchen
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    und Ihnen von Orchester-Schließungen zu berichten
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    und von Musikverlagen, die zusammengelegt werden
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    dachte ich, wir sollten ein Experiment unternehmen – ein Experiment.
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    Eigentlich ist es kein Experiment, denn ich kenne das Ergebnis.
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    Aber es ist wie ein Experiment. Bevor wir aber...
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    (Lachen)
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    ... bevor wir beginnen brauche ich zwei Dinge.
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    Erstens: ich möchte Sie daran erinnern,
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    wie ein Siebenjähriger Klavier spielt.
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    Vielleicht haben Sie dieses Kind zuhause.
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    Er klingt in etwa so.
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    (Klavier)
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    Einige von Ihnen scheinen, dieses Kind zu kennen.
  • 1:34 - 1:39
    Wenn er ein Jahr übt und Unterricht nimmt ist er nun acht
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    und klingt so:
  • 1:40 - 1:47
    (Klavier)
  • 1:47 - 1:50
    Dann übt er ein weiteres Jahr; jetzt ist er neun.
  • 1:50 - 1:56
    (Klavier)
  • 1:56 - 1:59
    Dann übt er ein weiteres Jahr; jetzt ist er zehn Jahre alt.
  • 1:59 - 2:06
    (Klavier)
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    An diesem Punkt geben sie meistens auf.
  • 2:07 - 2:09
    (Lachen)
  • 2:09 - 2:11
    (Applaus)
  • 2:11 - 2:13
    Wenn Sie nur ein weiteres Jahr gewartet hätten
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    hätten Sie dies gehört:
  • 2:15 - 2:24
    (Klavier)
  • 2:24 - 2:27
    Es ist aber nicht passiert, was Sie vielleicht denken.
  • 2:27 - 2:30
    Dass er plötzlich leidenschaftlich wurde, engagiert
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    einen neuen Lehrer bekam, in die Pubertät kam, oder was auch immer.
  • 2:33 - 2:37
    In Wirklickeit wurde nur die Anzahl der Akzente reduziert.
  • 2:38 - 2:39
    Beim ersten Mal hob er
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    jede einzelne Note hervor.
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    (Klavier)
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    Beim zweiten Mal jede zweite Note.
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    (Klavier)
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    Sie können es an meinem Kopf sehen.
  • 2:51 - 2:52
    (Lachen)
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    Der Neunjährige
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    setzte alle vier Noten einen Akzent.
  • 2:55 - 2:57
    (Klavier)
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    Und der Zehnjährige alle acht Noten.
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    (Klavier)
  • 3:02 - 3:04
    Und der Elfjährige nur einen Akzent im gesamten Abschnitt.
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    (Klavier)
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    Ich weiß nicht, wie wir in diese Position gekommen sind.
  • 3:10 - 3:12
    (Lachen)
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    Ich wollte meine Schulter nicht verrrücken, meinen Körper bewegen.
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    Nein. Die Musik hat meinen Körper geschoben.
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    Deshalb nenne ich es „Spielen auf einer Pobacke“.
  • 3:19 - 3:21
    (Klavier)
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    Kann auch die andere Pobacke sein.
  • 3:22 - 3:26
    (Klavier)
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    Ein Herr hatte mal eine meiner Präsentationen gesehen,
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    in der ich mit einem jungen Pianisten arbeitete.
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    Er war ein Firmenchef aus Ohio.
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    Ich arbeitete mit diesem jungen Pianisten
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    und sagte: „Das Problem ist, dass Du ein Zwei-Pobacken-Spieler bist.
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    Du solltest ein Ein-Pobacken-Spieler sein.“
  • 3:40 - 3:42
    Und ich bewegte seinen Körper während er spielte.
  • 3:42 - 3:44
    Und plötzlich hob die Musik völlig ab.
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    Die Zuschauer haben nach Luft geschnappt als sie den Unterschied hörten.
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    Später bekam ich einen Brief von besagtem Herrn.
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    Er schrieb: „Ich war so bewegt.
  • 3:50 - 3:52
    Nachdem ich zurück war habe ich meine ganze Firma
  • 3:53 - 3:54
    zu einer Ein-Pobacken-Firma gemacht.“
  • 3:54 - 3:57
    (Lachen)
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    Außerdem möchte ich Ihnen von Ihnen selbst erzählen.
  • 4:00 - 4:03
    Hier sitzen etwa 1.600 Menschen, glaube ich.
  • 4:03 - 4:06
    Nach meiner Schätzung sind 45 von Ihnen
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    absolut leidenschaftliche Hörer klassischer Musik.
  • 4:09 - 4:14
    Sie lieben klassische Musik. Ihr Radio steht immer auf einem Klassik-Sender.
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    Sie haben CDs in Ihrem Auto und gehen ins Orchester.
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    Ihre Kinder spielen Instrumente.
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    Sie können sich kein Leben ohne Klassik vorstellen.
  • 4:21 - 4:23
    Das ist die erste Gruppe; eine ziemlich kleine Gruppe.
  • 4:23 - 4:25
    Dann gibt es noch eine Gruppe; eine größere Gruppe.
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    Das sind diejenigen, denen Klassik nichts ausmacht.
  • 4:27 - 4:28
    (Lachen)
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    Sie wissen schon. Sie kommen nach einem langen Tag nach Hause
  • 4:30 - 4:32
    und nehmen sich ein Glas Wein, legen die Füße hoch.
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    Ein bisschen Vivaldi im Hintergrund kann nicht schaden.
  • 4:35 - 4:36
    (Lachen)
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    Das ist die zweite Gruppe.
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    Nun zur dritten Gruppe.
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    Das sind diejenigen, die nie Klassik hören.
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    Es ist einfach kein Teil ihres Lebens.
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    Sie hören es vielleicht wie ein Passivraucher am Flughafen, aber...
  • 4:45 - 4:47
    (Lachen)
  • 4:47 - 4:48
    ...und vielleicht ein biscchen von einem Marsch aus Aida,
  • 4:48 - 4:51
    wenn Sie den Saal betreten. Aber sonst hören Sie sie nie.
  • 4:52 - 4:53
    Das ist wahrscheinlich die größte Gruppe von allen.
  • 4:53 - 4:55
    Und dann gibt es noch eine sehr kleine Gruppe.
  • 4:55 - 4:58
    Das sind diejenigen, die denken, sie hätten kein musikalische Gehör.
  • 4:58 - 5:00
    Erstaunlich viele denken, sie hätten kein musikalisches Gehör.
  • 5:01 - 5:03
    Ich höre tatsächlich oft: „Mein Mann hat kein musikalisches Gehör.“
  • 5:03 - 5:04
    (Lachen)
  • 5:04 - 5:07
    Aber in Wirklichkeit gibt es das nicht. Jeder hat ein musikalisches Gehör.
  • 5:07 - 5:10
    Wenn Sie kein musikalisches Gehör hätten,
  • 5:10 - 5:12
    könnte Sie im Auto keine Gänge schalten.
  • 5:12 - 5:14
    Sie könnten keinen Unterschied hören zwischen
  • 5:14 - 5:16
    jemandem aus Texas und jemandem aus Rom.
  • 5:16 - 5:20
    Und das Telefon! Wenn Ihre Mutter anruft –
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    und in sie in schlechter Telefonqualität „Hallo“ hören
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    wissen Sie nicht nur, wer es ist, sondern auch in welcher Stimmung sie ist!
  • 5:27 - 5:30
    Sie haben ein fantastisches Gehör. Jeder hat es.
  • 5:30 - 5:32
    Also: jeder hat ein musikalisches Gehör.
  • 5:32 - 5:36
    Aber ich sagen Ihnen was. Ich kann so nicht weitermachen,
  • 5:36 - 5:39
    mit dieser Kluft zwischen denen, die klassische Musik
  • 5:40 - 5:42
    verstehen und leidenschaftlich lieben
  • 5:42 - 5:45
    und denen, die keinerlei Bezug zu ihr haben.
  • 5:45 - 5:47
    Die ohne Gehör sind nicht mehr hier.
  • 5:47 - 5:51
    Aber selbst mit den drei anderen Kategorien ist es eine zu große Kluft.
  • 5:51 - 5:55
    Also werde ich nicht weiter machen, bevor nicht jeder Einzelne in diesem Raum
  • 5:55 - 6:00
    im Untergeschoss und in Aspen, und jeder, der sonst noch zusieht,
  • 6:01 - 6:04
    beginnt, klassische Musik zu verstehen und zu lieben.
  • 6:04 - 6:06
    Also tun wir folgendes.
  • 6:07 - 6:12
    Sehen Sie! Es gibt keinerlei Zweifel in meinem Gesicht,
  • 6:12 - 6:15
    dass das hier funktionieren wird, richtig?
  • 6:15 - 6:19
    Es gehört zu einem Führer, dass er die Möglichkeiten derer,
  • 6:19 - 6:22
    die er führt, zu keinem Zeitpunkt in Zweifel zieht,
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    um das, wovon er träumt, zu ermöglichen.
  • 6:25 - 6:28
    Stellen Sie sich vor, Martin Luther King hätte gesagt: „I have a dream.
  • 6:28 - 6:30
    Aber ich weiß nicht, ob mir jemand folgen wird.“
  • 6:30 - 6:33
    (Lachen)
  • 6:34 - 6:36
    Okay. Ich werde ein Stück von Chopin nehmen.
  • 6:36 - 6:41
    Es ist ein schönes Vorspiel von Chopin. Manche werden es kennen.
  • 6:42 - 7:10
    (Musik)
  • 7:10 - 7:12
    Ich stelle mir vor, was in diesem Raum gerade passiert ist.
  • 7:13 - 7:15
    Als ich begonnen habe haben Sie gedacht: „Wie schön das klingt.“
  • 7:15 - 7:28
    (Musik)
  • 7:29 - 7:30
    „Ich denke, wir sollten in diesen Sommerferien
  • 7:30 - 7:32
    nicht wieder an den gleichen Ort fahren.“
  • 7:32 - 7:35
    (Lachen)
  • 7:35 - 7:38
    Es ist lustig, oder? Wie sich unsere Gedanken
  • 7:38 - 7:41
    irgendwie in unsere Köpfe schleichen.
  • 7:41 - 7:42
    Und natürlich...
  • 7:42 - 7:45
    (Applaus)
  • 7:45 - 7:47
    ...wenn es ein langes Stück ist und Ihr Tag anstrengend war
  • 7:48 - 7:49
    könnten Sie tatsächlich wegdriften.
  • 7:49 - 7:51
    Ihrer Sitznachbar stößt Ihnen dann in die Rippen
  • 7:51 - 7:55
    und sagt „Aufwachen! Das ist Kultur!“ Und Sie fühlen sich noch schlechter.
  • 7:55 - 7:58
    Könnte der Grund, warum Sie bei klassischer Musik müde werden
  • 7:59 - 8:01
    vielleicht nicht bei Ihnen liegen sondern bei uns?
  • 8:01 - 8:03
    Hat jemand von Ihnen, während ich gespielt habe, gedacht:
  • 8:03 - 8:05
    „Warum setzt er so viele Akzente?“
  • 8:05 - 8:08
    Wenn ich mit meinem Kopf so gemacht hätte, hätten Sie es sicherlich gedacht.
  • 8:09 - 8:14
    (Musik)
  • 8:14 - 8:18
    Und für Ihr restliches Leben, werden Sie immer wissen,
  • 8:18 - 8:22
    wenn Sie bei klassischer Musik diese Akzente hören.
  • 8:22 - 8:24
    Lassen Sie uns sehen, was hier wirklich passiert.
  • 8:24 - 8:29
    Wir haben ein H. Das ist ein H. Die nächste Note ist ein C.
  • 8:29 - 8:32
    Die Aufgabe des C ist es, das H traurig zu machen. Und es funktioniert, oder?
  • 8:32 - 8:35
    (Lachen)
  • 8:35 - 8:37
    Komponisten wissen das. Wenn sie traurige Musik wollen
  • 8:37 - 8:38
    spielen sie einfach diese beiden Noten.
  • 8:38 - 8:43
    (Musik)
  • 8:43 - 8:45
    Aber eigentlich ist es bloß ein H mit vier traurigen Noten.
  • 8:45 - 8:47
    (Lachen)
  • 8:48 - 8:53
    Jetzt geht es runter zum A, zum G und zum F.
  • 8:53 - 8:57
    Also haben wir H, A, G, F. Und was erwarten wir
  • 8:58 - 9:04
    nach H, A, G, F? Oh, das kann einfach Glück gewesen sein.
  • 9:04 - 9:10
    Probieren wir es erneut. Ooh, der TED-Chor.
  • 9:10 - 9:13
    (Lachen)
  • 9:13 - 9:17
    Sehen Sie! Alle haben ein musikalisches Gehör. Jeder.
  • 9:17 - 9:19
    Sie wissen es, jedes Dorf in Bangladesh
  • 9:19 - 9:24
    und jedes Dörfchen in China – alle wissen:
  • 9:25 - 9:28
    da, da, da, da – da. Jeder weiß es, der das E erwartet.
  • 9:28 - 9:31
    Aber Chopin wollte das E hier noch nicht erreichen,
  • 9:32 - 9:34
    denn was wäre dann? Es wäre vorbei, wie bei Hamlet.
  • 9:34 - 9:36
    Erinnern Sie sich an Hamlet? Akt 1, Szene 3:
  • 9:37 - 9:38
    er erkennt, dass sein Onkel seinen Vater getötet hat.
  • 9:38 - 9:40
    Erinnern Sie sich? Er geht nach oben zu seinem Onkel
  • 9:40 - 9:41
    und tötet ihn fast. Aber er weicht zurück
  • 9:41 - 9:44
    und er geht noch einmal hoch und tötet ihn fast.
  • 9:44 - 9:46
    Und alle Kritiker, alle, die da in der hinteren Reihe sitzen,
  • 9:46 - 9:49
    müssen eine Meinung äußern, also sagen sie: „Hamlet ist ein Zauderer.“
  • 9:49 - 9:50
    (Lachen)
  • 9:50 - 9:52
    Oder sie sagen: „Hamlet hat einen Ödipus-Komplex.“
  • 9:53 - 9:56
    Nein, sonst wäre das Stück vorbei, Dummkopf.
  • 9:56 - 9:58
    Deshalb packt Shakespeare so viel Stoff in Hamlet.
  • 9:59 - 10:01
    Sie wissen schon, Ophelia wird verrückt und das Stück innerhalb des Stücks,
  • 10:01 - 10:02
    und Yoricks Totenschädel und die Totengräber.
  • 10:03 - 10:06
    Das dient alles dem Aufschub – bis er ihn in Akt 5 töten kann.
  • 10:06 - 10:11
    Mit Chopin ist es das Gleiche. Er ist kurz vor dem E
  • 10:11 - 10:13
    und sagt sich: „Ups, ich geh lieber nach oben und wiederhole es.“
  • 10:13 - 10:16
    Also wiederholt er es.
  • 10:17 - 10:20
    Jetzt wird er aufgeregt – das ist Aufregung,
  • 10:20 - 10:21
    aber darum müssen Sie sich nicht sorgen.
  • 10:22 - 10:24
    Jetzt kommt er zum Fis und geht endlich runter zum E,
  • 10:24 - 10:27
    aber es ist der falsche Akkord. Er sucht nämlich
  • 10:28 - 10:31
    diesen Akkord, macht aber stattdessen ...
  • 10:31 - 10:35
    WIr nennen das einen Trugschluss, denn er betrügt uns.
  • 10:36 - 10:38
    Ich sage meinen Studenten immer: „Wenn Du einen Trugschluss hast
  • 10:38 - 10:40
    hebe immer eine Augenbraue, dann erkennt es jeder.“
  • 10:40 - 10:43
    (Lachen)
  • 10:43 - 10:46
    (Applaus)
  • 10:47 - 10:49
    Richtig. Er ist also beim E, aber es ist der falsche Akkord.
  • 10:49 - 10:52
    Er probiert das E nocheinmal, aber der Akkord funktioniert nicht.
  • 10:52 - 10:55
    Er probiert das E nocheinmal, aber der Akkord funktioniert nicht.
  • 10:55 - 10:57
    Er probiert das E nocheinmal, aber es funktioniert nicht.
  • 10:58 - 11:01
    Und dann, endlich ...
  • 11:01 - 11:05
    Ein Herr in der vorderen Reihe machte gerade „Mmm.“
  • 11:06 - 11:08
    Genauso macht er, wenn er nach einem harten Tag nach Hause kommt,
  • 11:08 - 11:11
    den Schlüssel aus dem Zündschloss zieht und sagt:
  • 11:12 - 11:15
    „Aah, ich bin zuhause.“ Denn wir wissen alle wo Zuhause ist.
  • 11:15 - 11:18
    Das ist also ein Stück, das von weit weg nach Hause geht.
  • 11:18 - 11:20
    Und ich werde es komplett durchspielen
  • 11:20 - 11:23
    und Sie folgen bitte. H, C, H, C, H, C, H –
  • 11:23 - 11:25
    runter zu A, runter zu G, runter zu F.
  • 11:25 - 11:27
    Fast zum E, denn sonst wäre das Stück vorbei.
  • 11:28 - 11:30
    Er geht wieder hoch zu H. Er wird aufgeregt. Geht zu Fis. Geht zu E.
  • 11:30 - 11:32
    Der falsche Akkord. Der falsche Akkord. Der falsche Akkord.
  • 11:33 - 11:35
    Und endlich zum E, und das ist das Zuhause.
  • 11:35 - 11:38
    Und was Sie sehen werden ist das Ein-Pobacken-Spiel.
  • 11:38 - 11:41
    (Lachen)
  • 11:41 - 11:43
    Denn, um beim Weg von H nach E dabei zu sein,
  • 11:44 - 11:49
    muss ich aufhören, über jede einzelne Note nachzudenken
  • 11:49 - 11:54
    und anfangen, über den langen, langen Weg von H nach E nachzudenken.
  • 11:55 - 11:59
    Wir waren gerade in Südafrika. Und man kann nicht nach Südafrika gehen
  • 11:59 - 12:02
    ohne über Mandela nachzudenken. 27 Jahre Gefängnis.
  • 12:03 - 12:05
    Woran hat er gedacht? Mittagessen?
  • 12:05 - 12:08
    Nein, er hat über die Vision für Südafrika nachgedacht
  • 12:09 - 12:10
    und für die Menschen. Das hat ihn...
  • 12:10 - 12:13
    es geht um Vision; es geht um den langen Weg.
  • 12:13 - 12:15
    Wie der Vogel, der über ein Feld fliegt
  • 12:15 - 12:19
    und sich nicht um die Zäune schert. Okay?
  • 12:19 - 12:22
    Also, folgen Sie dem ganzen Weg von H nach E.
  • 12:22 - 12:26
    Und ich habe noch eine letzte Bitte bevor ich das Stück ganz durchspiele.
  • 12:26 - 12:31
    Würden Sie bitte an jemanden denken, den Sie bewundern, der aber nicht mehr da ist?
  • 12:31 - 12:34
    Eine geliebte Großmutter, ein Geliebter,
  • 12:35 - 12:38
    jemanden aus Ihrem Leben, den Sie mit Ihrem ganzen Herzen lieben,
  • 12:38 - 12:41
    der aber nicht mehr bei Ihnen ist.
  • 12:42 - 12:45
    Stellen Sie sich die Person vor und folgen Sie gleichzeitig
  • 12:45 - 12:49
    dem ganzen Weg von H nach E
  • 12:49 - 12:57
    und Sie werden alles hören, was Chopin zu sagen hatte.
  • 12:57 - 14:48
    (Musik)
  • 14:48 - 14:55
    (Applaus)
  • 14:55 - 15:00
    Sie mögen sich fragen,
  • 15:00 - 15:06
    warum ich klatsche.
  • 15:06 - 15:08
    Nun, ich habe das schonmal in einer Schule in Boston gemacht
  • 15:08 - 15:12
    mit ungefähr 70 Siebtklässlern – 12-Jährigen.
  • 15:12 - 15:14
    Und ich habe mit ihnen genau das gleiche gemacht
  • 15:14 - 15:15
    und das Ganze erklärt.
  • 15:15 - 15:17
    Am Ende wurden sie ganz wild und klatschten. Sie klatschten.
  • 15:18 - 15:19
    Ich klatschte. Sie klatschten.
  • 15:19 - 15:21
    Dann fragte ich: „Warum klatsche ich?“
  • 15:21 - 15:22
    Und einer der Kinder sagte: „Weil wir zugehört haben.“
  • 15:22 - 15:27
    (Lachen)
  • 15:28 - 15:30
    Denken Sie mal. 1.600 Menschen, beschäftigte Menschen,
  • 15:30 - 15:32
    mit allen möglichen Dingen befasst.
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    Hören zu, verstehen und sind bewegt von einem Stück von Chopin.
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    Na, das ist doch was.
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    Aber kann ich sicher sein, dass jeder Einzelne gefolgt ist,
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    es verstanden hat, bewegt war. Natürlich kann ich das nicht.
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    Aber ich sage Ihnen was mir passiert ist.
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    Ich war in Irland während des Nordirlandkonfliktes vor 10 Jahren,
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    um mit katholischen und evangelischen Kinden an einer
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    Konfliktlösung zu arbeiten. Und ich habe das mit ihnen gemacht.
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    Ein Wagnis, denn es waren Straßenkinder.
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    Einer kam zu mir am nächsten morgen und sagte:
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    „Ich habe in meinem Leben nie Klassik gehört,
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    aber als Sie das Shopping-Stück gespielt haben...“
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    (Lachen)
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    Er sagte: „Mein Bruder wurde letztes Jahr erschossen. Ich habe nicht geweint.
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    Aber letzte Nacht, als Sie das Stück gespielt haben,
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    war er es, an den ich gedacht habe.
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    Und ich spürte, wie mir die Tränen über das Gesicht flossen.
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    Und, wissen Sie, es fühlte sich wirklich gut an, um meinen Bruder zu weinen.“
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    In diesem Moment habe ich mich entschlossen,
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    dass klassische Musik für jeden da ist. Für jeden.
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    Aber wie würden Sie gehen – denn in meinem Berufsstand,
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    dem der Musiker, sieht man das nicht so.
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    Die sagen 3 Prozent der Menschen mögen klassische Musik.
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    Wenn wir nur auf 4 Prozent kämen hätten wir keine Probleme mehr.
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    Ich sage: „Wie würden Sie gehen? Wie reden? Wie würden Sie sich fühlen,
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    wenn Sie dächten, 3 Prozent der Menschen mögen klassische Musik?
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    Wenn wir nur auf 4 Prozent kämen. Wie würden Sie gehen?
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    Wie reden? Wie würden Sie sich fühlen,
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    wenn Sie dächten, jeder liebt klassische Musik –
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    sie haben es nur noch nicht herausgefunden.“
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    (Lachen)
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    Das sind ganz unterschiedliche Welten.
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    Ich hatte ein erstaunliches Erlebnis. Ich war 45,
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    war seit 20 Jahren Dirigent und hatte plötzlich ein Erkenntnis.
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    Der Dirigent eines Orchesters macht keinen Ton.
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    Mein Bild erscheint auf dem CD-Cover –
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    (Lachen)
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    – aber der Dirigent macht keinen Ton.
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    Seine Stärke ist abhängig von der Fähigkeit, andere Menschen stark zu machen.
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    Das hat alles für mich geändert. Es war lebensverändernd.
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    Die Musiker des Orchesters kamen zu mir und fragten:
  • 17:38 - 17:40
    „Ben, was ist passiert?“ Das ist passiert.
  • 17:40 - 17:45
    Ich erkannte, es war mein Job, Fähigkeiten in anderen zu erwecken.
  • 17:45 - 17:48
    Und natürlich wollte ich wissen, ob ich das tatsächlich tat.
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    Wissen Sie, wie man das herausfindet? Man schaut ihnen in die Augen.
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    Wenn ihre Augen leuchten, wissen Sie, dass Sie es tun.
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    Sie könnten ein ganzes Dorf mit seinen Augen beleuchten.
  • 17:57 - 17:59
    (Lachen)
  • 17:59 - 18:01
    Also, wenn die Augen leuchten, wissen Sie, dass Sie es tun.
  • 18:01 - 18:04
    Wenn die Augen nicht leuchten, können Sie eine Frage stellen.
  • 18:04 - 18:05
    Und das ist die Frage:
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    Wer bin ich, dass die Augen meines Musikers nicht leuchten?
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    Wir können das auch mit unseren Kindern machen.
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    Wer bin ich, dass die Augen meines Kindes nicht leuchten?
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    Das ist eine ganz andere Welt.
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    Okay, wir sind alle dabei, diese magische Woche auf dem Berg zu beenden
  • 18:27 - 18:28
    und wir gehen zurück in die Welt.
  • 18:28 - 18:32
    Und ich sage, es ist angebracht, die Frage zu stellen:
  • 18:32 - 18:37
    Wer sind wir während wir zurück in die Welt da draußen gehen?
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    Ich habe eine Definition von Erfolg.
  • 18:40 - 18:42
    Für mich ist es ganz einfach. Es geht nicht um Reichtum, Ruhm und Macht.
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    Es geht darum, wie viele leuchtende Augen ich um mich habe.
  • 18:46 - 18:49
    Ich habe einen letzten Gedanken. Nämlich,
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    dass das, was wir sagen, wirklich einen Unterschied macht.
  • 18:52 - 18:54
    Die Worte, die aus Ihrem Mund kommen.
  • 18:54 - 18:58
    Ich habe das von einer Frau gelernt, die Auschwitz überlebt hat.
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    Eine der wenigen Überlebenden.
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    Sie kam nach Auschwitz als sie 15 Jahre alt war.
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    Ihr Bruder war acht, ihre Eltern htten sie verloren.
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    Sie hat mir folgendes erzählt:
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    „Wir waren auf dem Zug nach Auschwitz. Ich blickte nach unten
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    und sah, dass meinem Bruder die Schuhe fehlten.
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    Ich sagte: ,Warum bist du so doof? Kannst Du Deine Dinge nicht
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    beisammenhalten?'“ – wie eine ältere Schwester
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    mit ihrem jüngeren Bruder sprechen würde.
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    Bedauerlicherweise war es das letzte, das sie zu ihm sagte.
  • 19:33 - 19:37
    Sie hat ihn nie wieder gesehen. Er hat nicht überlebt.
  • 19:37 - 19:39
    Als sie Auschwitz verlassen konnte tat sie einen Schwur.
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    Sie sagte zu mir: „Ich verließ Auschwitz, ging ins Leben
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    und schwörte. Ich schwörte, dass ich nie wieder etwas sagen würde,
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    das nicht das letzte sein könnte, das ich sage.“
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    Aber können wir das tun? Nein. Wir werden uns Unrecht tun und anderen.
  • 19:58 - 20:05
    Aber es ist eine Möglichkeit, nach der wir streben können. Danke.
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    (Applaus)
  • 20:11 - 20:22
    Leuchtende Augen, leuchtende Augen.
  • 20:22 - 20:25
    Danke, Danke.
  • 20:26 - 20:31
    (Musik)
Title:
Benjamin Zander über Musik und Leidenschaft
Speaker:
Benjamin Zander
Description:

Benjamin Zander hat zwei ansteckende Leidenschaften: klassische Musik und uns allen unsere unerschlossene Liebe dazu aufzuzeigen – und weitergesponnen unsere unerschlossene Liebe gegenüber allen neuen Möglichkeiten, neuen Erfahrungen, neuen Verbindungen.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
20:26
Alexander Klar added a translation

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