Benjamin Zander über Musik und Leidenschaft
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0:00 - 0:03Kennen Sie die Geschichte der beiden Geschäftsmänner,
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0:03 - 0:06die Anfang 1900 nach Afrika gingen?
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0:06 - 0:08Sie sollten nach Möglichkeiten suchen,
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0:08 - 0:10Schuhe zu verkaufen.
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0:10 - 0:13Beide schickten Telegramme nach Manchester.
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0:13 - 0:17Der eine schrieb: „Situation hoffnungslos. Stop.
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0:17 - 0:18Hier trägt niemand Schuhe.“
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0:18 - 0:21Der andere schrieb: „Großartige Gelegenheit.
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0:21 - 0:23Hier hat noch niemand Schuhe.“
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0:23 - 0:24(Lachen)
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0:24 - 0:27Es gibt eine ähnliche Situation in der Welt der klassischen Musik.
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0:28 - 0:29Manche Menschen denken,
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0:29 - 0:32die klassische Musik stirbt aus.
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0:33 - 0:36Und es gibt jene, die sagen: „Ihr habt noch nix gesehen.“
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0:36 - 0:40Statt Statistiken und Trends zu untersuchen
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0:40 - 0:42und Ihnen von Orchester-Schließungen zu berichten
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0:42 - 0:45und von Musikverlagen, die zusammengelegt werden
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0:45 - 0:49dachte ich, wir sollten ein Experiment unternehmen – ein Experiment.
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0:49 - 0:53Eigentlich ist es kein Experiment, denn ich kenne das Ergebnis.
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0:54 - 0:56Aber es ist wie ein Experiment. Bevor wir aber...
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0:56 - 1:00(Lachen)
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1:00 - 1:02... bevor wir beginnen brauche ich zwei Dinge.
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1:02 - 1:06Erstens: ich möchte Sie daran erinnern,
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1:07 - 1:08wie ein Siebenjähriger Klavier spielt.
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1:08 - 1:10Vielleicht haben Sie dieses Kind zuhause.
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1:11 - 1:12Er klingt in etwa so.
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1:12 - 1:32(Klavier)
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1:32 - 1:34Einige von Ihnen scheinen, dieses Kind zu kennen.
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1:34 - 1:39Wenn er ein Jahr übt und Unterricht nimmt ist er nun acht
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1:39 - 1:40und klingt so:
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1:40 - 1:47(Klavier)
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1:47 - 1:50Dann übt er ein weiteres Jahr; jetzt ist er neun.
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1:50 - 1:56(Klavier)
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1:56 - 1:59Dann übt er ein weiteres Jahr; jetzt ist er zehn Jahre alt.
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1:59 - 2:06(Klavier)
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2:06 - 2:07An diesem Punkt geben sie meistens auf.
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2:07 - 2:09(Lachen)
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2:09 - 2:11(Applaus)
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2:11 - 2:13Wenn Sie nur ein weiteres Jahr gewartet hätten
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2:14 - 2:15hätten Sie dies gehört:
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2:15 - 2:24(Klavier)
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2:24 - 2:27Es ist aber nicht passiert, was Sie vielleicht denken.
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2:27 - 2:30Dass er plötzlich leidenschaftlich wurde, engagiert
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2:30 - 2:33einen neuen Lehrer bekam, in die Pubertät kam, oder was auch immer.
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2:33 - 2:37In Wirklickeit wurde nur die Anzahl der Akzente reduziert.
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2:38 - 2:39Beim ersten Mal hob er
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2:39 - 2:41jede einzelne Note hervor.
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2:42 - 2:44(Klavier)
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2:44 - 2:46Beim zweiten Mal jede zweite Note.
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2:47 - 2:49(Klavier)
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2:49 - 2:50Sie können es an meinem Kopf sehen.
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2:51 - 2:52(Lachen)
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2:52 - 2:54Der Neunjährige
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2:54 - 2:55setzte alle vier Noten einen Akzent.
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2:55 - 2:57(Klavier)
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2:58 - 2:59Und der Zehnjährige alle acht Noten.
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2:59 - 3:02(Klavier)
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3:02 - 3:04Und der Elfjährige nur einen Akzent im gesamten Abschnitt.
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3:04 - 3:07(Klavier)
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3:08 - 3:10Ich weiß nicht, wie wir in diese Position gekommen sind.
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3:10 - 3:12(Lachen)
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3:13 - 3:15Ich wollte meine Schulter nicht verrrücken, meinen Körper bewegen.
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3:15 - 3:17Nein. Die Musik hat meinen Körper geschoben.
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3:17 - 3:19Deshalb nenne ich es „Spielen auf einer Pobacke“.
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3:19 - 3:21(Klavier)
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3:21 - 3:22Kann auch die andere Pobacke sein.
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3:22 - 3:26(Klavier)
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3:26 - 3:29Ein Herr hatte mal eine meiner Präsentationen gesehen,
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3:29 - 3:30in der ich mit einem jungen Pianisten arbeitete.
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3:31 - 3:33Er war ein Firmenchef aus Ohio.
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3:33 - 3:35Ich arbeitete mit diesem jungen Pianisten
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3:36 - 3:38und sagte: „Das Problem ist, dass Du ein Zwei-Pobacken-Spieler bist.
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3:38 - 3:40Du solltest ein Ein-Pobacken-Spieler sein.“
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3:40 - 3:42Und ich bewegte seinen Körper während er spielte.
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3:42 - 3:44Und plötzlich hob die Musik völlig ab.
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3:45 - 3:47Die Zuschauer haben nach Luft geschnappt als sie den Unterschied hörten.
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3:47 - 3:49Später bekam ich einen Brief von besagtem Herrn.
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3:49 - 3:50Er schrieb: „Ich war so bewegt.
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3:50 - 3:52Nachdem ich zurück war habe ich meine ganze Firma
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3:53 - 3:54zu einer Ein-Pobacken-Firma gemacht.“
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3:54 - 3:57(Lachen)
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3:58 - 4:00Außerdem möchte ich Ihnen von Ihnen selbst erzählen.
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4:00 - 4:03Hier sitzen etwa 1.600 Menschen, glaube ich.
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4:03 - 4:06Nach meiner Schätzung sind 45 von Ihnen
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4:06 - 4:08absolut leidenschaftliche Hörer klassischer Musik.
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4:09 - 4:14Sie lieben klassische Musik. Ihr Radio steht immer auf einem Klassik-Sender.
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4:14 - 4:17Sie haben CDs in Ihrem Auto und gehen ins Orchester.
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4:17 - 4:18Ihre Kinder spielen Instrumente.
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4:18 - 4:20Sie können sich kein Leben ohne Klassik vorstellen.
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4:21 - 4:23Das ist die erste Gruppe; eine ziemlich kleine Gruppe.
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4:23 - 4:25Dann gibt es noch eine Gruppe; eine größere Gruppe.
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4:25 - 4:27Das sind diejenigen, denen Klassik nichts ausmacht.
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4:27 - 4:28(Lachen)
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4:28 - 4:30Sie wissen schon. Sie kommen nach einem langen Tag nach Hause
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4:30 - 4:32und nehmen sich ein Glas Wein, legen die Füße hoch.
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4:33 - 4:35Ein bisschen Vivaldi im Hintergrund kann nicht schaden.
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4:35 - 4:36(Lachen)
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4:36 - 4:37Das ist die zweite Gruppe.
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4:37 - 4:38Nun zur dritten Gruppe.
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4:38 - 4:40Das sind diejenigen, die nie Klassik hören.
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4:40 - 4:42Es ist einfach kein Teil ihres Lebens.
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4:43 - 4:45Sie hören es vielleicht wie ein Passivraucher am Flughafen, aber...
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4:45 - 4:47(Lachen)
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4:47 - 4:48...und vielleicht ein biscchen von einem Marsch aus Aida,
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4:48 - 4:51wenn Sie den Saal betreten. Aber sonst hören Sie sie nie.
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4:52 - 4:53Das ist wahrscheinlich die größte Gruppe von allen.
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4:53 - 4:55Und dann gibt es noch eine sehr kleine Gruppe.
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4:55 - 4:58Das sind diejenigen, die denken, sie hätten kein musikalische Gehör.
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4:58 - 5:00Erstaunlich viele denken, sie hätten kein musikalisches Gehör.
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5:01 - 5:03Ich höre tatsächlich oft: „Mein Mann hat kein musikalisches Gehör.“
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5:03 - 5:04(Lachen)
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5:04 - 5:07Aber in Wirklichkeit gibt es das nicht. Jeder hat ein musikalisches Gehör.
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5:07 - 5:10Wenn Sie kein musikalisches Gehör hätten,
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5:10 - 5:12könnte Sie im Auto keine Gänge schalten.
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5:12 - 5:14Sie könnten keinen Unterschied hören zwischen
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5:14 - 5:16jemandem aus Texas und jemandem aus Rom.
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5:16 - 5:20Und das Telefon! Wenn Ihre Mutter anruft –
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5:21 - 5:23und in sie in schlechter Telefonqualität „Hallo“ hören
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5:23 - 5:26wissen Sie nicht nur, wer es ist, sondern auch in welcher Stimmung sie ist!
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5:27 - 5:30Sie haben ein fantastisches Gehör. Jeder hat es.
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5:30 - 5:32Also: jeder hat ein musikalisches Gehör.
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5:32 - 5:36Aber ich sagen Ihnen was. Ich kann so nicht weitermachen,
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5:36 - 5:39mit dieser Kluft zwischen denen, die klassische Musik
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5:40 - 5:42verstehen und leidenschaftlich lieben
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5:42 - 5:45und denen, die keinerlei Bezug zu ihr haben.
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5:45 - 5:47Die ohne Gehör sind nicht mehr hier.
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5:47 - 5:51Aber selbst mit den drei anderen Kategorien ist es eine zu große Kluft.
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5:51 - 5:55Also werde ich nicht weiter machen, bevor nicht jeder Einzelne in diesem Raum
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5:55 - 6:00im Untergeschoss und in Aspen, und jeder, der sonst noch zusieht,
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6:01 - 6:04beginnt, klassische Musik zu verstehen und zu lieben.
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6:04 - 6:06Also tun wir folgendes.
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6:07 - 6:12Sehen Sie! Es gibt keinerlei Zweifel in meinem Gesicht,
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6:12 - 6:15dass das hier funktionieren wird, richtig?
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6:15 - 6:19Es gehört zu einem Führer, dass er die Möglichkeiten derer,
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6:19 - 6:22die er führt, zu keinem Zeitpunkt in Zweifel zieht,
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6:23 - 6:25um das, wovon er träumt, zu ermöglichen.
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6:25 - 6:28Stellen Sie sich vor, Martin Luther King hätte gesagt: „I have a dream.
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6:28 - 6:30Aber ich weiß nicht, ob mir jemand folgen wird.“
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6:30 - 6:33(Lachen)
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6:34 - 6:36Okay. Ich werde ein Stück von Chopin nehmen.
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6:36 - 6:41Es ist ein schönes Vorspiel von Chopin. Manche werden es kennen.
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6:42 - 7:10(Musik)
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7:10 - 7:12Ich stelle mir vor, was in diesem Raum gerade passiert ist.
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7:13 - 7:15Als ich begonnen habe haben Sie gedacht: „Wie schön das klingt.“
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7:15 - 7:28(Musik)
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7:29 - 7:30„Ich denke, wir sollten in diesen Sommerferien
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7:30 - 7:32nicht wieder an den gleichen Ort fahren.“
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7:32 - 7:35(Lachen)
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7:35 - 7:38Es ist lustig, oder? Wie sich unsere Gedanken
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7:38 - 7:41irgendwie in unsere Köpfe schleichen.
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7:41 - 7:42Und natürlich...
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7:42 - 7:45(Applaus)
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7:45 - 7:47...wenn es ein langes Stück ist und Ihr Tag anstrengend war
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7:48 - 7:49könnten Sie tatsächlich wegdriften.
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7:49 - 7:51Ihrer Sitznachbar stößt Ihnen dann in die Rippen
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7:51 - 7:55und sagt „Aufwachen! Das ist Kultur!“ Und Sie fühlen sich noch schlechter.
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7:55 - 7:58Könnte der Grund, warum Sie bei klassischer Musik müde werden
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7:59 - 8:01vielleicht nicht bei Ihnen liegen sondern bei uns?
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8:01 - 8:03Hat jemand von Ihnen, während ich gespielt habe, gedacht:
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8:03 - 8:05„Warum setzt er so viele Akzente?“
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8:05 - 8:08Wenn ich mit meinem Kopf so gemacht hätte, hätten Sie es sicherlich gedacht.
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8:09 - 8:14(Musik)
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8:14 - 8:18Und für Ihr restliches Leben, werden Sie immer wissen,
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8:18 - 8:22wenn Sie bei klassischer Musik diese Akzente hören.
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8:22 - 8:24Lassen Sie uns sehen, was hier wirklich passiert.
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8:24 - 8:29Wir haben ein H. Das ist ein H. Die nächste Note ist ein C.
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8:29 - 8:32Die Aufgabe des C ist es, das H traurig zu machen. Und es funktioniert, oder?
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8:32 - 8:35(Lachen)
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8:35 - 8:37Komponisten wissen das. Wenn sie traurige Musik wollen
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8:37 - 8:38spielen sie einfach diese beiden Noten.
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8:38 - 8:43(Musik)
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8:43 - 8:45Aber eigentlich ist es bloß ein H mit vier traurigen Noten.
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8:45 - 8:47(Lachen)
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8:48 - 8:53Jetzt geht es runter zum A, zum G und zum F.
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8:53 - 8:57Also haben wir H, A, G, F. Und was erwarten wir
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8:58 - 9:04nach H, A, G, F? Oh, das kann einfach Glück gewesen sein.
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9:04 - 9:10Probieren wir es erneut. Ooh, der TED-Chor.
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9:10 - 9:13(Lachen)
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9:13 - 9:17Sehen Sie! Alle haben ein musikalisches Gehör. Jeder.
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9:17 - 9:19Sie wissen es, jedes Dorf in Bangladesh
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9:19 - 9:24und jedes Dörfchen in China – alle wissen:
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9:25 - 9:28da, da, da, da – da. Jeder weiß es, der das E erwartet.
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9:28 - 9:31Aber Chopin wollte das E hier noch nicht erreichen,
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9:32 - 9:34denn was wäre dann? Es wäre vorbei, wie bei Hamlet.
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9:34 - 9:36Erinnern Sie sich an Hamlet? Akt 1, Szene 3:
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9:37 - 9:38er erkennt, dass sein Onkel seinen Vater getötet hat.
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9:38 - 9:40Erinnern Sie sich? Er geht nach oben zu seinem Onkel
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9:40 - 9:41und tötet ihn fast. Aber er weicht zurück
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9:41 - 9:44und er geht noch einmal hoch und tötet ihn fast.
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9:44 - 9:46Und alle Kritiker, alle, die da in der hinteren Reihe sitzen,
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9:46 - 9:49müssen eine Meinung äußern, also sagen sie: „Hamlet ist ein Zauderer.“
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9:49 - 9:50(Lachen)
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9:50 - 9:52Oder sie sagen: „Hamlet hat einen Ödipus-Komplex.“
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9:53 - 9:56Nein, sonst wäre das Stück vorbei, Dummkopf.
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9:56 - 9:58Deshalb packt Shakespeare so viel Stoff in Hamlet.
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9:59 - 10:01Sie wissen schon, Ophelia wird verrückt und das Stück innerhalb des Stücks,
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10:01 - 10:02und Yoricks Totenschädel und die Totengräber.
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10:03 - 10:06Das dient alles dem Aufschub – bis er ihn in Akt 5 töten kann.
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10:06 - 10:11Mit Chopin ist es das Gleiche. Er ist kurz vor dem E
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10:11 - 10:13und sagt sich: „Ups, ich geh lieber nach oben und wiederhole es.“
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10:13 - 10:16Also wiederholt er es.
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10:17 - 10:20Jetzt wird er aufgeregt – das ist Aufregung,
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10:20 - 10:21aber darum müssen Sie sich nicht sorgen.
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10:22 - 10:24Jetzt kommt er zum Fis und geht endlich runter zum E,
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10:24 - 10:27aber es ist der falsche Akkord. Er sucht nämlich
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10:28 - 10:31diesen Akkord, macht aber stattdessen ...
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10:31 - 10:35WIr nennen das einen Trugschluss, denn er betrügt uns.
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10:36 - 10:38Ich sage meinen Studenten immer: „Wenn Du einen Trugschluss hast
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10:38 - 10:40hebe immer eine Augenbraue, dann erkennt es jeder.“
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10:40 - 10:43(Lachen)
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10:43 - 10:46(Applaus)
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10:47 - 10:49Richtig. Er ist also beim E, aber es ist der falsche Akkord.
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10:49 - 10:52Er probiert das E nocheinmal, aber der Akkord funktioniert nicht.
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10:52 - 10:55Er probiert das E nocheinmal, aber der Akkord funktioniert nicht.
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10:55 - 10:57Er probiert das E nocheinmal, aber es funktioniert nicht.
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10:58 - 11:01Und dann, endlich ...
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11:01 - 11:05Ein Herr in der vorderen Reihe machte gerade „Mmm.“
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11:06 - 11:08Genauso macht er, wenn er nach einem harten Tag nach Hause kommt,
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11:08 - 11:11den Schlüssel aus dem Zündschloss zieht und sagt:
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11:12 - 11:15„Aah, ich bin zuhause.“ Denn wir wissen alle wo Zuhause ist.
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11:15 - 11:18Das ist also ein Stück, das von weit weg nach Hause geht.
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11:18 - 11:20Und ich werde es komplett durchspielen
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11:20 - 11:23und Sie folgen bitte. H, C, H, C, H, C, H –
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11:23 - 11:25runter zu A, runter zu G, runter zu F.
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11:25 - 11:27Fast zum E, denn sonst wäre das Stück vorbei.
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11:28 - 11:30Er geht wieder hoch zu H. Er wird aufgeregt. Geht zu Fis. Geht zu E.
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11:30 - 11:32Der falsche Akkord. Der falsche Akkord. Der falsche Akkord.
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11:33 - 11:35Und endlich zum E, und das ist das Zuhause.
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11:35 - 11:38Und was Sie sehen werden ist das Ein-Pobacken-Spiel.
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11:38 - 11:41(Lachen)
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11:41 - 11:43Denn, um beim Weg von H nach E dabei zu sein,
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11:44 - 11:49muss ich aufhören, über jede einzelne Note nachzudenken
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11:49 - 11:54und anfangen, über den langen, langen Weg von H nach E nachzudenken.
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11:55 - 11:59Wir waren gerade in Südafrika. Und man kann nicht nach Südafrika gehen
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11:59 - 12:02ohne über Mandela nachzudenken. 27 Jahre Gefängnis.
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12:03 - 12:05Woran hat er gedacht? Mittagessen?
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12:05 - 12:08Nein, er hat über die Vision für Südafrika nachgedacht
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12:09 - 12:10und für die Menschen. Das hat ihn...
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12:10 - 12:13es geht um Vision; es geht um den langen Weg.
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12:13 - 12:15Wie der Vogel, der über ein Feld fliegt
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12:15 - 12:19und sich nicht um die Zäune schert. Okay?
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12:19 - 12:22Also, folgen Sie dem ganzen Weg von H nach E.
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12:22 - 12:26Und ich habe noch eine letzte Bitte bevor ich das Stück ganz durchspiele.
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12:26 - 12:31Würden Sie bitte an jemanden denken, den Sie bewundern, der aber nicht mehr da ist?
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12:31 - 12:34Eine geliebte Großmutter, ein Geliebter,
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12:35 - 12:38jemanden aus Ihrem Leben, den Sie mit Ihrem ganzen Herzen lieben,
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12:38 - 12:41der aber nicht mehr bei Ihnen ist.
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12:42 - 12:45Stellen Sie sich die Person vor und folgen Sie gleichzeitig
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12:45 - 12:49dem ganzen Weg von H nach E
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12:49 - 12:57und Sie werden alles hören, was Chopin zu sagen hatte.
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12:57 - 14:48(Musik)
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14:48 - 14:55(Applaus)
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14:55 - 15:00Sie mögen sich fragen,
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15:00 - 15:06warum ich klatsche.
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15:06 - 15:08Nun, ich habe das schonmal in einer Schule in Boston gemacht
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15:08 - 15:12mit ungefähr 70 Siebtklässlern – 12-Jährigen.
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15:12 - 15:14Und ich habe mit ihnen genau das gleiche gemacht
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15:14 - 15:15und das Ganze erklärt.
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15:15 - 15:17Am Ende wurden sie ganz wild und klatschten. Sie klatschten.
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15:18 - 15:19Ich klatschte. Sie klatschten.
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15:19 - 15:21Dann fragte ich: „Warum klatsche ich?“
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15:21 - 15:22Und einer der Kinder sagte: „Weil wir zugehört haben.“
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15:22 - 15:27(Lachen)
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15:28 - 15:30Denken Sie mal. 1.600 Menschen, beschäftigte Menschen,
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15:30 - 15:32mit allen möglichen Dingen befasst.
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15:33 - 15:39Hören zu, verstehen und sind bewegt von einem Stück von Chopin.
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15:39 - 15:40Na, das ist doch was.
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15:40 - 15:43Aber kann ich sicher sein, dass jeder Einzelne gefolgt ist,
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15:43 - 15:45es verstanden hat, bewegt war. Natürlich kann ich das nicht.
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15:46 - 15:47Aber ich sage Ihnen was mir passiert ist.
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15:47 - 15:50Ich war in Irland während des Nordirlandkonfliktes vor 10 Jahren,
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15:50 - 15:53um mit katholischen und evangelischen Kinden an einer
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15:53 - 15:57Konfliktlösung zu arbeiten. Und ich habe das mit ihnen gemacht.
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15:58 - 16:00Ein Wagnis, denn es waren Straßenkinder.
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16:00 - 16:03Einer kam zu mir am nächsten morgen und sagte:
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16:04 - 16:07„Ich habe in meinem Leben nie Klassik gehört,
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16:07 - 16:08aber als Sie das Shopping-Stück gespielt haben...“
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16:08 - 16:11(Lachen)
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16:11 - 16:15Er sagte: „Mein Bruder wurde letztes Jahr erschossen. Ich habe nicht geweint.
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16:16 - 16:17Aber letzte Nacht, als Sie das Stück gespielt haben,
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16:17 - 16:20war er es, an den ich gedacht habe.
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16:20 - 16:22Und ich spürte, wie mir die Tränen über das Gesicht flossen.
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16:22 - 16:25Und, wissen Sie, es fühlte sich wirklich gut an, um meinen Bruder zu weinen.“
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16:25 - 16:27In diesem Moment habe ich mich entschlossen,
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16:27 - 16:34dass klassische Musik für jeden da ist. Für jeden.
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16:35 - 16:37Aber wie würden Sie gehen – denn in meinem Berufsstand,
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16:37 - 16:41dem der Musiker, sieht man das nicht so.
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16:41 - 16:44Die sagen 3 Prozent der Menschen mögen klassische Musik.
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16:44 - 16:48Wenn wir nur auf 4 Prozent kämen hätten wir keine Probleme mehr.
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16:49 - 16:52Ich sage: „Wie würden Sie gehen? Wie reden? Wie würden Sie sich fühlen,
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16:52 - 16:55wenn Sie dächten, 3 Prozent der Menschen mögen klassische Musik?
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16:56 - 16:58Wenn wir nur auf 4 Prozent kämen. Wie würden Sie gehen?
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16:58 - 17:00Wie reden? Wie würden Sie sich fühlen,
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17:00 - 17:02wenn Sie dächten, jeder liebt klassische Musik –
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17:02 - 17:04sie haben es nur noch nicht herausgefunden.“
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17:04 - 17:05(Lachen)
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17:05 - 17:07Das sind ganz unterschiedliche Welten.
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17:08 - 17:11Ich hatte ein erstaunliches Erlebnis. Ich war 45,
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17:11 - 17:16war seit 20 Jahren Dirigent und hatte plötzlich ein Erkenntnis.
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17:17 - 17:20Der Dirigent eines Orchesters macht keinen Ton.
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17:20 - 17:22Mein Bild erscheint auf dem CD-Cover –
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17:22 - 17:25(Lachen)
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17:25 - 17:27– aber der Dirigent macht keinen Ton.
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17:28 - 17:32Seine Stärke ist abhängig von der Fähigkeit, andere Menschen stark zu machen.
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17:32 - 17:36Das hat alles für mich geändert. Es war lebensverändernd.
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17:37 - 17:38Die Musiker des Orchesters kamen zu mir und fragten:
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17:38 - 17:40„Ben, was ist passiert?“ Das ist passiert.
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17:40 - 17:45Ich erkannte, es war mein Job, Fähigkeiten in anderen zu erwecken.
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17:45 - 17:48Und natürlich wollte ich wissen, ob ich das tatsächlich tat.
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17:48 - 17:51Wissen Sie, wie man das herausfindet? Man schaut ihnen in die Augen.
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17:51 - 17:55Wenn ihre Augen leuchten, wissen Sie, dass Sie es tun.
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17:56 - 17:57Sie könnten ein ganzes Dorf mit seinen Augen beleuchten.
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17:57 - 17:59(Lachen)
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17:59 - 18:01Also, wenn die Augen leuchten, wissen Sie, dass Sie es tun.
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18:01 - 18:04Wenn die Augen nicht leuchten, können Sie eine Frage stellen.
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18:04 - 18:05Und das ist die Frage:
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18:05 - 18:11Wer bin ich, dass die Augen meines Musikers nicht leuchten?
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18:12 - 18:13Wir können das auch mit unseren Kindern machen.
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18:13 - 18:18Wer bin ich, dass die Augen meines Kindes nicht leuchten?
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18:19 - 18:21Das ist eine ganz andere Welt.
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18:21 - 18:26Okay, wir sind alle dabei, diese magische Woche auf dem Berg zu beenden
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18:27 - 18:28und wir gehen zurück in die Welt.
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18:28 - 18:32Und ich sage, es ist angebracht, die Frage zu stellen:
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18:32 - 18:37Wer sind wir während wir zurück in die Welt da draußen gehen?
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18:37 - 18:39Ich habe eine Definition von Erfolg.
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18:40 - 18:42Für mich ist es ganz einfach. Es geht nicht um Reichtum, Ruhm und Macht.
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18:42 - 18:45Es geht darum, wie viele leuchtende Augen ich um mich habe.
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18:46 - 18:49Ich habe einen letzten Gedanken. Nämlich,
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18:49 - 18:52dass das, was wir sagen, wirklich einen Unterschied macht.
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18:52 - 18:54Die Worte, die aus Ihrem Mund kommen.
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18:54 - 18:58Ich habe das von einer Frau gelernt, die Auschwitz überlebt hat.
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18:58 - 18:59Eine der wenigen Überlebenden.
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18:59 - 19:03Sie kam nach Auschwitz als sie 15 Jahre alt war.
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19:04 - 19:11Ihr Bruder war acht, ihre Eltern htten sie verloren.
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19:11 - 19:16Sie hat mir folgendes erzählt:
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19:16 - 19:19„Wir waren auf dem Zug nach Auschwitz. Ich blickte nach unten
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19:19 - 19:21und sah, dass meinem Bruder die Schuhe fehlten.
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19:22 - 19:25Ich sagte: ,Warum bist du so doof? Kannst Du Deine Dinge nicht
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19:25 - 19:26beisammenhalten?'“ – wie eine ältere Schwester
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19:26 - 19:30mit ihrem jüngeren Bruder sprechen würde.
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19:30 - 19:33Bedauerlicherweise war es das letzte, das sie zu ihm sagte.
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19:33 - 19:37Sie hat ihn nie wieder gesehen. Er hat nicht überlebt.
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19:37 - 19:39Als sie Auschwitz verlassen konnte tat sie einen Schwur.
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19:40 - 19:44Sie sagte zu mir: „Ich verließ Auschwitz, ging ins Leben
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19:44 - 19:49und schwörte. Ich schwörte, dass ich nie wieder etwas sagen würde,
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19:50 - 19:53das nicht das letzte sein könnte, das ich sage.“
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19:53 - 19:57Aber können wir das tun? Nein. Wir werden uns Unrecht tun und anderen.
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19:58 - 20:05Aber es ist eine Möglichkeit, nach der wir streben können. Danke.
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20:05 - 20:10(Applaus)
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20:11 - 20:22Leuchtende Augen, leuchtende Augen.
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20:22 - 20:25Danke, Danke.
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20:26 - 20:31(Musik)
- Title:
- Benjamin Zander über Musik und Leidenschaft
- Speaker:
- Benjamin Zander
- Description:
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Benjamin Zander hat zwei ansteckende Leidenschaften: klassische Musik und uns allen unsere unerschlossene Liebe dazu aufzuzeigen – und weitergesponnen unsere unerschlossene Liebe gegenüber allen neuen Möglichkeiten, neuen Erfahrungen, neuen Verbindungen.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 20:26