Was ich gelernt habe, als ich unschuldig hinter Gittern saß
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0:01 - 0:06Als ich die Gittertür
hinter mir zuknallen höre, -
0:08 - 0:11weiß ich, es passiert wirklich.
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0:12 - 0:14Ich bin durcheinander.
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0:14 - 0:17Ich fühle mich verraten.
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0:18 - 0:21Ich fühle mich erdrückt.
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0:22 - 0:24Ich fühle mich mundtot gemacht.
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0:26 - 0:27Was ist gerade passiert?
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0:29 - 0:31Wie konnten sie mich hier einliefern?
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0:32 - 0:34Ich gehöre nicht hierher.
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0:35 - 0:39Wie konnten sie einen so riesigen Fehler
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0:39 - 0:44ohne jegliche Konsequenzen begehen?
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0:45 - 0:50Ich sehe große Gruppen von Frauen
in zerrissener Gefängniskleidung, -
0:51 - 0:55die von hohen Mauern
und Toren umgeben sind, -
0:55 - 0:58eingezäunt von eisernem Stacheldraht.
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0:59 - 1:02Ein scheußlicher Gestank
strömt mir entgegen -
1:03 - 1:04und ich frage mich:
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1:05 - 1:08Wie konnte es passieren, dass ich,
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1:08 - 1:13eine Angestellte im angesehenen
Finanz- und Bankensektor, -
1:14 - 1:17die in der Schule so fleißig war,
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1:18 - 1:23jetzt in Kenias größter Strafanstalt
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1:24 - 1:26für Frauen eingesperrt bin?
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1:28 - 1:30Meine erste Nacht
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1:30 - 1:34im Hochsicherheitsgefängnis
für Frauen in Lang'ata -
1:34 - 1:36war am schwersten.
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1:36 - 1:40Im Januar 2009 teilte man mir mit,
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1:40 - 1:43dass ich an der Bank,
in der ich arbeitete, -
1:43 - 1:46unwissentlich eine betrügerische
Transaktion abgewickelt hätte. -
1:47 - 1:51Ich war schockiert,
erschrocken und verängstigt. -
1:51 - 1:55Ich würde einen Beruf verlieren,
der meine Leidenschaft war. -
1:57 - 2:00Aber das war noch nicht das Schlimmste.
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2:00 - 2:02Es kam schlimmer,
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2:02 - 2:06als ich es mir jemals
hätte vorstellen können. -
2:06 - 2:08Ich wurde verhaftet,
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2:08 - 2:12böswillig angeklagt
und vor Gericht gestellt. -
2:14 - 2:19Das Absurde war, dass der Beamte,
der mich festgenommen hatte, -
2:19 - 2:2410.000 US-Dollar von mir verlangte --
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2:24 - 2:27dafür würde die Anklage fallen gelassen.
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2:28 - 2:29Ich lehnte ab.
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2:31 - 2:33Zweieinhalb Jahre vergingen,
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2:33 - 2:36in denen ich immer wieder
vor Gericht darum kämpfte, -
2:36 - 2:39meine Unschuld zu beweisen.
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2:39 - 2:42Alle Medien berichteten davon:
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2:42 - 2:46Zeitungen, das Fernsehen, das Radio.
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2:46 - 2:48Wieder trat man an mich heran.
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2:48 - 2:51Diesmal sagte man mir:
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2:51 - 2:56"Wenn Sie uns 50.000 US-Dollar zahlen,
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2:57 - 3:00wird das Urteil
zu Ihren Gunsten ausfallen." -
3:01 - 3:06Dabei hatte die Anklage
absolut keinen Beweis -
3:06 - 3:11für irgendein Fehlverhalten
von meiner Seite. -
3:13 - 3:17Ich erinnere mich an meine Verurteilung
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3:18 - 3:20vor sechs Jahren,
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3:20 - 3:22als wäre sie gestern passiert.
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3:23 - 3:27Die kalte, harte Miene der Richterin,
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3:27 - 3:30als sie an einem kalten Donnerstagmorgen
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3:30 - 3:32das Urteil für ein Verbrechen verkündete,
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3:33 - 3:36das ich nicht begangen hatte.
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3:37 - 3:39Ich erinnere mich daran,
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3:39 - 3:42wie ich meine wunderschöne,
drei Monate alte Tochter hielt, -
3:43 - 3:45der ich den Namen Oma gegeben hatte,
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3:46 - 3:51was in meinem Dialekt
"Wahrheit und Gerechtigkeit" bedeutet, -
3:51 - 3:57denn nach nichts hatte ich mich
in der ganzen Zeit mehr gesehnt. -
3:58 - 4:02Ich zog ihr ihr lila Lieblingskleid an
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4:02 - 4:05und so kam sie mit,
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4:06 - 4:10um mit mir meine einjährige
Gefängnisstrafe abzusitzen. -
4:12 - 4:16Die Wärter schienen kein Verständnis
für das Trauma zu haben, -
4:16 - 4:19das diese Erfahrung bei mir auslöste.
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4:20 - 4:23Meine Würde und Menschlichkeit
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4:23 - 4:27verschwanden schon bei der Aufnahme.
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4:30 - 4:33Sie umfasste die Durchsuchung
nach Schmuggelware, -
4:35 - 4:38den Wechsel von meiner Alltagskleidung
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4:38 - 4:40in die Gefängniskleidung;
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4:40 - 4:43ich wurde gezwungen, am Boden zu kauern --
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4:44 - 4:46eine Körperhaltung,
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4:47 - 4:52die bald zur Routine
während Tausender Durchsuchungen -
4:53 - 4:55und Durchzählungen wurde,
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4:55 - 4:56die mir bevorstanden.
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4:59 - 5:00Die Frauen sagten mir:
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5:01 - 5:04"Du wirst dich an den Ort gewöhnen.
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5:04 - 5:06Du wirst dich gut einfügen."
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5:07 - 5:11Man nannte mich nicht mehr Teresa Njoroge.
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5:11 - 5:16Meine neue Identität war die Nummer 415/11
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5:16 - 5:19und ich erfuhr bald,
dass das auf alle Frauen zutraf, -
5:20 - 5:22mit denen ich den Platz teilte.
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5:24 - 5:28Ich passte mich tatsächlich
an das Leben hinter Gittern an: -
5:29 - 5:30das Gefängnisessen,
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5:31 - 5:33die Gefängnissprache,
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5:34 - 5:36den Gefängnisalltag.
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5:36 - 5:41Ein Gefängnis ist
absolut keine Märchenwelt. -
5:43 - 5:45Was ich nicht hatte kommen sehen,
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5:45 - 5:48waren die Frauen und Kinder,
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5:50 - 5:54die zusammen mit uns einsaßen;
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5:56 - 6:02Frauen, die für Verbrechen
des Systems inhaftiert wurden, -
6:02 - 6:07weil Korruption immer
einen Buhmann erfordert, -
6:08 - 6:10einen Sündenbock,
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6:10 - 6:14damit der wirkliche Täter
ungeschoren davonkommt. -
6:16 - 6:18Es ist ein kaputtes System,
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6:18 - 6:22in dem hilflose Menschen
routinemäßig diffamiert werden -- -
6:22 - 6:24die Ärmsten unter uns,
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6:24 - 6:29die eine Kaution oder Bestechungsgelder
nicht zahlen können. -
6:32 - 6:33So verging die Zeit.
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6:35 - 6:38Während meines einjährigen Aufenthalts
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6:38 - 6:44erzählten mir die fast 700 Frauen
unzählige Geschichten. -
6:45 - 6:49Ich erkannte schnell,
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6:49 - 6:54dass diese Frauen nicht
wegen Verbrechen im Gefängnis saßen -- -
6:54 - 6:56die meisten zumindest.
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6:56 - 6:58Weit gefehlt!
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6:59 - 7:03Es fängt schon bei der Bildung an,
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7:05 - 7:09die nicht alle in demselben Umfang
und derselben Qualität erhalten. -
7:10 - 7:13Wegen des Mangels
an wirtschaftlichen Chancen -
7:14 - 7:19halten sich diese Frauen
mit Bagatelldelikten über Wasser. -
7:19 - 7:21Weiter geht es mit dem Gesundheitssystem,
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7:21 - 7:23der sozialen Gerechtigkeit,
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7:24 - 7:26dem Strafrechtssystem.
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7:26 - 7:28Wenn eine dieser Frauen,
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7:28 - 7:31die ohnehin mehrheitlich
aus armen Verhältnissen stammen, -
7:31 - 7:36in diesem kaputten System
durch das Netz fällt, -
7:37 - 7:41dann wartet unten das Gefängnis auf sie,
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7:41 - 7:42Punkt.
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7:44 - 7:47Als ich meine einjährige Haftstrafe
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7:48 - 7:51im Lang'ata Hochsicherheitsgefängnis
für Frauen abgesessen hatte, -
7:51 - 7:54war ich fest davon überzeugt,
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7:55 - 7:59Teil einer Verwandlung zu sein,
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7:59 - 8:01um die Ungerechtigkeiten zu beseitigen,
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8:01 - 8:03die ich miterlebt hatte:
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8:03 - 8:07Frauen und Mädchen,
deren Leben ein Teufelskreis ist, -
8:08 - 8:12weil sie wegen ihrer Armut
ständig wieder im Gefängnis landen. -
8:14 - 8:17Nach meiner Entlassung
gründete ich Clean Start. -
8:18 - 8:22Clean Start ist ein Sozialunternehmen,
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8:22 - 8:26das betroffenen Frauen und Mädchen
eine zweite Chance geben will. -
8:27 - 8:31Wir bauen Brücken für sie.
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8:31 - 8:34Wir gehen in die Gefängnisse,
bilden sie aus, -
8:34 - 8:37vermitteln ihnen Fähigkeiten
und bieten Mittel und Unterstützung, -
8:37 - 8:39um ihnen dabei zu helfen,
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8:39 - 8:43ihre Denkweisen, ihr Verhalten
und ihre Einstellungen zu ändern. -
8:43 - 8:46Wir bauen auch Brücken
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8:46 - 8:50zwischen Gefängnissen
und dem Unternehmenssektor -- -
8:50 - 8:52Einzelpersonen und Organisationen,
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8:52 - 8:54die sich mit Clean Start zusammentun
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8:54 - 8:58und uns bei der Vermittlung
von Arbeit und Wohnungen helfen; -
8:58 - 9:01die berufliche Unterstützung und Bildung
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9:01 - 9:04für betroffene Frauen, Mädchen,
Jungen und Männer bieten, -
9:04 - 9:08um ihre Wiedereingliederung
in die Gesellschaft zu erleichtern. -
9:09 - 9:11Ich hätte nie gedacht,
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9:11 - 9:17dass ich eines Tages Geschichten
über die Ungerechtigkeiten erzählen würde, -
9:17 - 9:21die in unserem Strafrechtssystem
so verbreitet sind, -
9:22 - 9:24aber hier stehe ich nun.
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9:25 - 9:28Jedes Mal, wenn ich das Gefängnis besuche,
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9:28 - 9:31fühle ich mich ein wenig wie zu Hause.
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9:31 - 9:36Aber die entmutigende Arbeit
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9:36 - 9:38bis meine Vision erreicht ist,
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9:38 - 9:40bereitet mir schlaflose Nächte.
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9:42 - 9:45Auf meinen Reisen nach Louisiana,
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9:46 - 9:51dem sogenannten Gefängnis-Staat,
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9:52 - 9:57habe ich die Geschichten
Hunderter von Frauen im Gepäck, -
9:57 - 10:01die ich in den Gefängnissen
getroffen habe. -
10:01 - 10:05Manche von ihnen
nutzen schon ihre zweite Chance; -
10:05 - 10:10andere sind noch auf dem Weg
zur anderen Seite der Brücke. -
10:12 - 10:14Ich lebe nach einem Zitat
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10:15 - 10:18der großen Maya Angelou:
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10:19 - 10:21"Ich komme allein,
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10:22 - 10:24aber ich stehe für 10.000."
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10:25 - 10:27(Applaus)
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10:34 - 10:37Meine Geschichte ist einzigartig,
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10:37 - 10:43aber denken Sie mit mir
an die Millionen von Menschen, -
10:43 - 10:45die gerade im Gefängnis sitzen
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10:46 - 10:49und sich nach Freiheit sehnen.
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10:51 - 10:55Drei Jahre nach meiner Verurteilung
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10:55 - 10:59und zwei Jahre nach meiner Entlassung
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10:59 - 11:03sprachen mich die Berufungsgerichte
von jedem Fehlverhalten frei. -
11:03 - 11:05(Applaus)
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11:09 - 11:13Etwa zur selben Zeit wurde ich
mit meinem Sohn gesegnet, -
11:13 - 11:15dem ich den Namen Uhuru gab,
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11:15 - 11:18was in meinem Dialekt "Freiheit" bedeutet.
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11:18 - 11:20(Applaus)
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11:22 - 11:26Denn ich hatte endlich
die Freiheit erlangt, -
11:26 - 11:28nach der ich mich so gesehnt hatte.
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11:29 - 11:31Ich komme allein,
-
11:31 - 11:33aber ich stehe für 10.000,
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11:33 - 11:38ermutigt durch die beharrliche Hoffnung,
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11:38 - 11:42dass Tausende von uns
zusammengekommen sind, -
11:42 - 11:47um das Strafrechtssystem
zu verbessern und umzugestalten, -
11:48 - 11:52und dass wir unsere Arbeit so machen,
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11:52 - 11:55wie es sein soll.
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11:55 - 11:57Machen wir weiter so,
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11:58 - 11:59ohne Entschuldigungen.
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12:00 - 12:01Danke.
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12:01 - 12:03(Applaus)
- Title:
- Was ich gelernt habe, als ich unschuldig hinter Gittern saß
- Speaker:
- Teresa Njoroge
- Description:
-
Im Jahr 2011 wurde Teresa Njoroge für ein Finanzdelikt verurteilt, das sie nicht begangen hatte – das Ergebnis einer langen Reihe von falschen Anschuldigungen, immer dreisteren Bestechungsversuchen und des korrupten Rechtssystems ihrer Heimat Kenia. Während ihres Gefängnisaufenthalts entdeckte sie, dass die meisten der verurteilten Frauen und Mädchen Opfer desselben kaputten Systems geworden waren und in einem Teufelskreis lebten, der sie wegen ihrer schlechten Bildung und dem Mangel an wirtschaftlichen Chancen immer wieder ins Gefängnis brachte. Nun, da sie entlassen und von den Berufungsgerichten freigesprochen wurde, erzählt Njoroge, wie sie Frauen im Gefängnis durch die Vermittlung von Kenntnissen und die Unterstützung mit den nötigen Mitteln dabei hilft, den Teufelskreis aus Armut und Kriminalität zu durchbrechen und sich ein besseres Leben aufzubauen.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 12:23
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