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Ich habe Krebs besiegt. Aber ich definiere mich nicht darüber.

  • 0:01 - 0:05
    Ich habe Sie gerade im Bus getroffen
  • 0:05 - 0:08
    und wir würden uns gerne
    näher kennenlernen,
  • 0:08 - 0:11
    aber ich muss an der nächsten
    Haltestelle aussteigen,
  • 0:11 - 0:15
    deshalb sagen Sie mir
    drei Dinge über sich selbst,
  • 0:15 - 0:18
    die Sie als Person ausmachen.
  • 0:18 - 0:20
    Drei Dinge über sich selbst,
  • 0:20 - 0:24
    die mir helfen zu verstehen, wer Sie sind.
  • 0:24 - 0:27
    Drei Dinge, die Ihren
    Wesenskern beschreiben.
  • 0:27 - 0:30
    Und ich frage mich:
  • 0:30 - 0:34
    Gehört zu diesen drei Dingen
  • 0:34 - 0:36
    -- auch nur eins davon --
  • 0:36 - 0:41
    das Überleben eines Traumas?
  • 0:41 - 0:46
    Krebsopfer, Vergewaltigungsopfer,
  • 0:46 - 0:51
    Holocaustopfer, Inzestopfer.
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    Haben Sie jemals bemerkt,
    wie wir dazu neigen,
  • 0:55 - 0:58
    uns über unsere Wunden zu definieren?
  • 0:58 - 1:02
    Diese Art Opfermentalität
  • 1:02 - 1:05
    scheint mir in der Krebsgemeinschaft
  • 1:05 - 1:07
    die stärksten Nachwirkungen zu haben.
  • 1:07 - 1:10
    Ich habe schon lange mit
    dieser Gemeinschaft zu tun,
  • 1:10 - 1:13
    weil ich seit 30 Jahren als Seelsorgerin
  • 1:13 - 1:17
    in einem Krankenhaus
    und einer Sterbeklinik tätig bin.
  • 1:17 - 1:22
    Und 2005 arbeitete ich in einem
    großen Krebszentrum,
  • 1:22 - 1:24
    als ich die Nachricht erhielt,
  • 1:24 - 1:28
    dass meine Mutter Brustkrebs hatte.
  • 1:28 - 1:30
    Nur fünf Tage später
  • 1:30 - 1:35
    erhielt ich die Nachricht,
    dass ich Brustkrebs hatte.
  • 1:35 - 1:38
    Meine Mutter und ich
    machen uns manchmal Konkurrenz ...
  • 1:38 - 1:40
    (Gelächter)
  • 1:40 - 1:44
    aber bei dieser Sache wollte ich
    eigentlich nicht mit ihr konkurrieren.
  • 1:44 - 1:46
    Und tatsächlich dachte ich,
  • 1:46 - 1:48
    wenn ich schon Krebs haben muss,
  • 1:48 - 1:51
    ist das ja ganz praktisch an einem Ort
    zu arbeiten, der ihn behandelt.
  • 1:51 - 1:54
    Aber von vielen schockierten
    Leuten hörte ich stattdessen:
  • 1:54 - 1:56
    "Was?
  • 1:56 - 1:57
    Du bist doch die Seelsorgerin.
  • 1:57 - 2:00
    Du solltest immun dagegen sein."
  • 2:00 - 2:03
    Als hätte ich, bloß weil ich
    Teil der Belegschaft bin,
  • 2:03 - 2:05
    nur mit einer Warnung
    davon kommen sollen
  • 2:05 - 2:08
    statt mit einer tatsächlichen Diagnose.
  • 2:08 - 2:11
    Ich erhielt also meine Behandlung im
    Krebszentrum, wo ich arbeitete,
  • 2:11 - 2:15
    was wirklich unglaublich praktisch war,
  • 2:15 - 2:16
    ich hatte eine Chemotherapie und
  • 2:16 - 2:19
    eine Brustamputation und mir wurde
    ein Implantat eingesetzt
  • 2:19 - 2:22
    und bevor ich weitermache,
    nehme ich es lieber gleich vorweg:
  • 2:22 - 2:25
    Das hier ist die Falsche. (Gelächter)
  • 2:25 - 2:28
    Ich habe gelernt,
    das sofort klarzustellen,
  • 2:28 - 2:30
    weil sonst immer jemand sagt:
  • 2:30 - 2:32
    "Oh, ich glaube, es ist die da."
  • 2:32 - 2:35
    Dann bewege ich mich und es heißt:
  • 2:35 - 2:37
    "Nein, es ist die andere."
  • 2:37 - 2:40
    Jetzt wissen Sie Bescheid.
  • 2:40 - 2:42
    Ich habe viel als Patientin gelernt
  • 2:42 - 2:44
    und eine überraschende Erkenntnis war,
  • 2:44 - 2:47
    dass nur ein kleiner Teil
    der Krebserfahrung
  • 2:47 - 2:49
    mit Medizin zu tun hat.
  • 2:49 - 2:54
    Größtenteils geht es um
    Emotionen und Glauben,
  • 2:54 - 2:57
    um den Verlust und das Finden
    der eigenen Identität
  • 2:57 - 2:59
    und die Entdeckung einer
    Stärke und Flexibilität,
  • 2:59 - 3:02
    von der man nicht ahnte,
    dass man sie besaß.
  • 3:02 - 3:04
    Es geht darum zu verstehen,
  • 3:04 - 3:07
    dass die wichtigsten Dinge im Leben
  • 3:07 - 3:10
    nicht Gegenstände,
    sondern Beziehungen sind.
  • 3:10 - 3:15
    Es geht darum, im Angesicht
    von Ungewissheit lachen zu können
  • 3:15 - 3:18
    und dass die Ausrede für nahezu alles
  • 3:18 - 3:23
    die Worte "Ich habe Krebs" sind.
  • 3:23 - 3:25
    Als Nächstes lernte ich,
  • 3:25 - 3:28
    dass ich die Rolle des Krebsopfers
  • 3:28 - 3:31
    nicht als Identität annehmen muss,
  • 3:31 - 3:34
    aber, oh Mann, es gibt
    einflussreiche Mächte,
  • 3:34 - 3:37
    die mich sehr stark dazu drängen.
  • 3:37 - 3:42
    Verstehen Sie mich jetzt
    bitte nicht falsch.
  • 3:42 - 3:44
    Krebsorganisationen
  • 3:44 - 3:46
    und Kampagnen für Früherkennung
  • 3:46 - 3:48
    und Krebsaufklärung und Krebsforschung
  • 3:48 - 3:50
    haben Krebs normalisiert,
  • 3:50 - 3:52
    und das ist wunderbar.
  • 3:52 - 3:54
    Wir können mittlerweile über Krebs reden,
  • 3:54 - 3:56
    ohne flüstern zu müssen.
  • 3:56 - 4:00
    Wir können über Krebs reden
    und uns gegenseitig unterstützen.
  • 4:00 - 4:03
    Aber manchmal hat man das Gefühl,
  • 4:03 - 4:05
    dass es manche Leuten übertreiben
  • 4:05 - 4:10
    und uns darüber belehren wollen,
    wie wir uns fühlen werden.
  • 4:10 - 4:17
    Etwa eine Woche nach meiner Operation
    haben wir zu Hause Besuch.
  • 4:17 - 4:20
    Das war wahrscheinlich
    unser erster Fehler.
  • 4:20 - 4:22
    Bedenken Sie bitte,
    dass ich zu diesem Zeitpunkt
  • 4:22 - 4:26
    bereits seit 20 Jahren Seelsorgerin war
  • 4:26 - 4:28
    und Themen wie Sterben und Tod
  • 4:28 - 4:31
    und der Sinn des Lebens Dinge waren,
  • 4:31 - 4:34
    über die ich unablässig geredet hatte.
  • 4:34 - 4:39
    Beim Abendessen streckte
    unser Gast seine Arme über den Kopf
  • 4:39 - 4:42
    und sagte: "Weißt du, Deb,
  • 4:42 - 4:45
    jetzt wirst du lernen,
    was wirklich wichtig ist.
  • 4:45 - 4:48
    Ja, du wirst einige große Veränderungen
  • 4:48 - 4:50
    in deinem Leben vornehmen
  • 4:50 - 4:53
    und du wirst anfangen,
    über deinen Tod nachzudenken.
  • 4:53 - 4:57
    Jawohl, der Krebs
    ist dein persönlicher Weckruf."
  • 4:59 - 5:01
    Also, das wären weise Worte,
  • 5:01 - 5:03
    wenn sie von jemand kämen,
  • 5:03 - 5:06
    der eigene Erfahrungen damit gemacht hat,
  • 5:06 - 5:08
    aber wenn einem jemand vorgibt,
  • 5:08 - 5:10
    wie man sich fühlen wird,
  • 5:10 - 5:12
    ist das absoluter Müll.
  • 5:12 - 5:17
    Ich habe ihn nur deshalb nicht
    mit bloßen Händen umgebracht,
  • 5:17 - 5:21
    weil ich meinen rechten Arm
    nicht heben konnte.
  • 5:21 - 5:26
    Aber ich habe ein sehr
    schlimmes Wort zu ihm gesagt,
  • 5:26 - 5:28
    gefolgt von einem normalen Wort, das ...
  • 5:28 - 5:31
    (Gelächter)
  • 5:31 - 5:33
    meinen Mann sagen ließ:
    "Sie nimmt starke Medikamente."
  • 5:33 - 5:35
    (Gelächter)
  • 5:35 - 5:38
    Nach meiner Behandlung
    hatte ich den Eindruck,
  • 5:38 - 5:42
    als würde mir jeder sagen,
    welche Bedeutung meine Erfahrung hatte.
  • 5:42 - 5:44
    "Oh, das heißt, du läufst jetzt
    bei den Kampagnen mit
  • 5:44 - 5:46
    und nimmst an Wohltätigkeitsessen teil."
  • 5:46 - 5:50
    "Das heißt, dass du jetzt
    die pinke Schleife und das pinke T-Shirt
  • 5:50 - 5:52
    und das Kopftuch und die Ohrringe
  • 5:52 - 5:55
    und den Armreif und
    die Unterhosen trägst."
  • 5:55 - 5:58
    Unterhosen.
    Nein, ehrlich, googeln Sie das.
  • 5:58 - 6:00
    (Gelächter)
  • 6:00 - 6:02
    Wie soll das bitte
    zur Aufklärung beitragen?
  • 6:02 - 6:04
    Nur mein Mann sollte
    meine Unterhosen sehen.
  • 6:04 - 6:06
    (Gelächter)
  • 6:06 - 6:10
    Und er weiß schon ziemlich gut
    über Krebs Bescheid.
  • 6:10 - 6:13
    An diesem Punkt dachte ich: "Oh mein Gott,
  • 6:13 - 6:16
    das übernimmt die Kontrolle
    über mein Leben."
  • 6:16 - 6:21
    Und in diesem Moment habe ich mir gesagt:
    Fordere deine Erfahrung ein.
  • 6:21 - 6:25
    Lass dich nicht von ihr vereinnahmen.
  • 6:25 - 6:30
    Wir alle wissen, dass die Bewältigung
  • 6:30 - 6:34
    von Trauma, Verlust und
    lebensverändernden Erfahrungen
  • 6:34 - 6:36
    darin besteht, einen Sinn darin zu finden.
  • 6:36 - 6:38
    Aber die Sache ist die:
  • 6:38 - 6:40
    Niemand kann uns sagen,
  • 6:40 - 6:43
    was unsere Erfahrung zu bedeuten hat.
  • 6:43 - 6:46
    Das müssen wir selbst entscheiden.
  • 6:46 - 6:50
    Und es muss gar keine gewaltige,
    extrovertierte Bedeutung haben.
  • 6:50 - 6:52
    Nicht jeder von uns muss eine Stiftung
  • 6:52 - 6:55
    oder eine Organisation gründen
    oder ein Buch schreiben
  • 6:55 - 6:58
    oder eine Doku drehen.
  • 6:58 - 7:03
    Die Bedeutung kann leise
    und introvertiert sein.
  • 7:03 - 7:09
    Vielleicht treffen wir nur eine kleine
    Entscheidung in unserem Leben,
  • 7:09 - 7:14
    die dann große Veränderungen
    herbeiführen kann.
  • 7:14 - 7:16
    Vor vielen Jahren
    hatte ich einen Patienten,
  • 7:16 - 7:19
    einen wirklich wunderbaren, jungen Mann,
  • 7:19 - 7:21
    den jeder in der Belegschaft mochte,
  • 7:21 - 7:24
    und deshalb waren wir ziemlich schockiert
    als wir bemerkten,
  • 7:24 - 7:27
    dass er keine Freunde hatte.
  • 7:27 - 7:33
    Er lebte allein, er kam allein
    zur Chemotherapie,
  • 7:33 - 7:35
    er bekam seine Behandlung
  • 7:35 - 7:39
    und ging dann allein wieder nach Hause.
  • 7:39 - 7:41
    Ich habe ihn sogar gefragt:
  • 7:41 - 7:43
    "Wie kommt es, dass du nie
    einen Freund mitbringst?"
  • 7:43 - 7:48
    Und er antwortete: "Ich habe
    eigentlich gar keine Freunde."
  • 7:48 - 7:51
    Aber er hatte viele Freunde
    auf der Infusionsstation.
  • 7:51 - 7:55
    Wir mochten ihn alle und
    er hatte ständig Besuch.
  • 7:55 - 7:58
    Bei seiner letzten Chemotherapie
  • 7:58 - 8:00
    haben wir ihm ein Lied gesungen
  • 8:00 - 8:02
    und ihm eine Krone aufgesetzt
    und Seifenblasen gepustet
  • 8:02 - 8:04
    und dann habe ich ihn gefragt:
  • 8:04 - 8:09
    "Was wirst du jetzt tun?"
  • 8:09 - 8:11
    Und er antwortete:
  • 8:11 - 8:12
    "Freunde finden."
  • 8:12 - 8:14
    Und das hat er getan.
  • 8:14 - 8:18
    Er begann ehrenamtlich zu arbeiten
    und dort Freunde zu finden.
  • 8:18 - 8:21
    Er begann in die Kirche zu gehen
    und dort Freunde zu finden.
  • 8:21 - 8:24
    Zu Weihnachten lud er meinen Mann
    und mich zu einer Party ein
  • 8:24 - 8:29
    und seine Wohnung war voller Freunde.
  • 8:29 - 8:31
    Fordern Sie Ihre Erfahrung ein.
  • 8:31 - 8:33
    Lassen Sie sich nicht vereinnahmen.
  • 8:33 - 8:37
    Er entschied sich dafür,
    dass der Sinn seiner Erfahrung
  • 8:37 - 8:41
    im Wissen um die schönen Seiten
    von Freundschaft lag
  • 8:41 - 8:47
    und dass er lernen musste,
    Freunde zu finden.
  • 8:47 - 8:50
    Also, was ist mit Ihnen?
  • 8:50 - 8:51
    Wie schaffen Sie es,
  • 8:51 - 8:55
    Bedeutung aus einer
    beschissenen Erfahrung zu finden?
  • 8:55 - 8:56
    Es kann sich um etwas Aktuelles handeln
  • 8:56 - 8:58
    oder etwas, dass Sie schon
  • 8:58 - 9:03
    eine Weile mit sich herumtragen.
  • 9:03 - 9:07
    Es ist nie zu spät
    die Bedeutung zu ändern,
  • 9:07 - 9:09
    weil Bedeutung dynamisch ist.
  • 9:09 - 9:11
    Die Bedeutung von heute
  • 9:11 - 9:14
    muss nicht dieselbe im nächsten Jahr
  • 9:14 - 9:16
    oder in zehn Jahren sein.
  • 9:16 - 9:18
    Es ist nie zu spät jemand anderes
  • 9:18 - 9:22
    als nur ein Überlebender zu werden.
  • 9:22 - 9:26
    Hören Sie wie statisch dieses Wort klingt?
  • 9:26 - 9:28
    Überlebender.
  • 9:28 - 9:31
    Keine Bewegung, kein Wachstum.
  • 9:31 - 9:33
    Fordern Sie Ihre Erfahrung ein.
  • 9:33 - 9:37
    Lassen Sie nicht zu,
    von ihr vereinnahmt zu werden,
  • 9:37 - 9:39
    denn sonst werden Sie
    vermutlich darin gefangen bleiben
  • 9:39 - 9:44
    und weder wachsen
    noch sich weiterentwickeln.
  • 9:45 - 9:48
    Aber natürlich bringt uns
    nicht nur äußerer Druck dazu,
  • 9:48 - 9:53
    uns als Überlebender zu identifizieren.
  • 9:53 - 9:57
    Manchmal mögen wir einfach
    die Vorteile, die das mit sich bringt.
  • 9:57 - 10:01
    Manchmal zahlt es sich aus.
  • 10:01 - 10:05
    Aber dann bleiben wir stecken.
  • 10:05 - 10:08
    Eines der ersten Dinge,
    die ich in meinem Praktikum lernte,
  • 10:08 - 10:12
    waren die drei Aufgaben
    einer Seelsorgerin:
  • 10:12 - 10:18
    Trost spenden, Klären, und wenn nötig,
  • 10:18 - 10:22
    sich einem Problem zu stellen
    oder es herauszufordern.
  • 10:22 - 10:25
    Nun, jeder mag das Trösten
    und das Klären.
  • 10:25 - 10:31
    Die Konfrontation aber weniger.
  • 10:31 - 10:35
    Als Seelsorgerin traf ich
  • 10:35 - 10:38
    die Patienten auch gerne
    ein oder mehrere Jahre
  • 10:38 - 10:41
    nach der Behandlung wieder,
  • 10:41 - 10:44
    weil es wirklich cool war zu sehen,
    wie sehr sie sich verändert hatten
  • 10:44 - 10:48
    und ihr Leben weiterging und
    was sie alles so erlebt hatten.
  • 10:48 - 10:50
    Deshalb war ich begeistert,
  • 10:50 - 10:54
    als ich von einer Patientin, die ich
    ein Jahr lang nicht gesehen hatte,
  • 10:54 - 10:56
    in die Eingangshalle gerufen wurde.
  • 10:56 - 10:59
    Sie kam mit ihren beiden
    erwachsenen Töchtern,
  • 10:59 - 11:03
    die ich auch kannte,
    zur Nachfolgeuntersuchung.
  • 11:03 - 11:07
    Ich gehe also runter in die Eingangshalle
    und sie waren überglücklich,
  • 11:07 - 11:10
    weil sie gerade die Ergebnisse
    bekommen hatten
  • 11:10 - 11:15
    und sie waren negativ:
    kein Anzeichen der Krankheit.
  • 11:15 - 11:21
    Was in meinen Ohren immer
    klang wie: Noch nicht ganz tot.
  • 11:21 - 11:25
    Sie waren überglücklich,
    wir setzten uns hin zum Reden
  • 11:25 - 11:28
    und es war seltsam,
  • 11:28 - 11:32
    denn nach nicht einmal zwei Minuten
    begann sie, mir die Geschichte
  • 11:32 - 11:36
    ihrer Diagnose, ihrer Operation
    und ihrer Chemo zu erzählen,
  • 11:36 - 11:40
    obwohl ich sie als ihre Seelsorgerin
    jede Woche begleitet hatte
  • 11:40 - 11:43
    und ihre Geschichte kannte.
  • 11:43 - 11:46
    Und sie benutzte Worte wie "Leiden",
  • 11:46 - 11:50
    "Todesqualen", "Kampf".
  • 11:50 - 11:53
    Und sie beendete die Erzählung mit:
  • 11:53 - 11:57
    "Ich fühlte mich wie gekreuzigt."
  • 11:57 - 12:00
    In diesem Moment standen
    ihre Töchter auf und sagten:
  • 12:00 - 12:04
    "Wir holen uns dann mal einen Kaffee."
  • 12:04 - 12:07
    Und weg waren sie.
  • 12:07 - 12:11
    Sagen Sie mir drei Dinge über sich
    noch vor der nächsten Haltestelle:
  • 12:11 - 12:13
    Die Leute stiegen bereits aus,
  • 12:13 - 12:18
    bevor sie zu Nummer zwei oder drei kam.
  • 12:18 - 12:21
    Ich gab ihr also ein Taschentuch
  • 12:21 - 12:25
    und dann umarmte ich sie,
  • 12:25 - 12:28
    weil mir diese Frau
    wirklich etwas bedeutete,
  • 12:28 - 12:30
    und dann sagte ich:
  • 12:30 - 12:34
    "Komm von deinem Kreuz herunter."
  • 12:34 - 12:37
    Und sie sagte: "Was?"
  • 12:37 - 12:42
    Und ich wiederholte:
    "Komm von deinem Kreuz herunter."
  • 12:42 - 12:47
    Man muss ihr zugutehalten,
    dass sie ihre Gründe,
  • 12:47 - 12:53
    diese Identität anzunehmen und
    an ihr festzuhalten, benennen konnte.
  • 12:53 - 12:55
    Sie bekam eine Menge
    Aufmerksamkeit dadurch.
  • 12:55 - 12:58
    Die Leute kümmerten sich
    zur Abwechslung um sie.
  • 12:58 - 13:02
    Aber jetzt hatte es
    den gegenteiligen Effekt.
  • 13:02 - 13:04
    Es stieß Leute ab.
  • 13:04 - 13:07
    Die Leute gingen fort,
    um sich Kaffee zu holen.
  • 13:07 - 13:12
    Sie fühlte sich durch ihre
    Erfahrung gekreuzigt,
  • 13:12 - 13:17
    aber sie wollte ihr gekreuzigtes Ich
    nicht einfach sterben lassen.
  • 13:17 - 13:20
    Vielleicht denken Sie jetzt,
  • 13:20 - 13:23
    dass ich ein wenig streng mit ihr war,
  • 13:23 - 13:25
    deshalb sage ich Ihnen,
  • 13:25 - 13:29
    dass ich hier aus eigener
    Erfahrung spreche.
  • 13:29 - 13:32
    Viele, viele Jahre zuvor
  • 13:32 - 13:35
    wurde ich aus einem Job entlassen,
    den ich wirklich liebte,
  • 13:35 - 13:39
    und ich hörte nicht auf
    über meine Unschuld
  • 13:39 - 13:42
    und die Ungerechtigkeit und den Verrat
    und den Betrug zu reden,
  • 13:42 - 13:44
    bis schließlich, genau wie bei ihr,
  • 13:44 - 13:46
    die Leute mir aus dem Weg gingen.
  • 13:46 - 13:49
    Bis ich endlich begriff,
  • 13:49 - 13:55
    dass ich meine Gefühle nicht
    verarbeitete, sondern nährte.
  • 13:55 - 13:59
    Ich wollte mein gekreuzigtes Ich
    nicht sterben lassen.
  • 13:59 - 14:05
    Aber jeder weiß, dass man
    bei jeder Auferstehungsgeschichte
  • 14:05 - 14:08
    zuerst sterben muss.
  • 14:08 - 14:12
    In der Bibel war Jesus
    bereits einen ganzen Tag tot,
  • 14:12 - 14:15
    bevor er wieder auferstand.
  • 14:15 - 14:17
    Und ich glaube, dass für uns
  • 14:17 - 14:20
    der Tag im Grab heißt,
  • 14:20 - 14:23
    dass wir unsere eigene,
    innere Arbeit verrichten müssen,
  • 14:23 - 14:25
    um unsere Wunden zu reinigen
  • 14:25 - 14:30
    und uns zu erlauben wieder zu heilen.
  • 14:30 - 14:33
    Wir müssen unser
    gekreuzigtes Ich sterben lassen,
  • 14:33 - 14:37
    damit ein neues Ich,
    ein wahreres Ich,
  • 14:37 - 14:40
    hervortreten kann.
  • 14:40 - 14:42
    Wir müssen diese alte
    Geschichte loslassen,
  • 14:42 - 14:49
    damit eine neue, eine wahrere Geschichte
    erzählt werden kann.
  • 14:49 - 14:55
    Fordern Sie Ihre Erfahrung ein.
    Lassen Sie sich nicht von ihr vereinnahmen.
  • 14:55 - 14:58
    Was wäre, wenn es keine Überlebenden gäbe?
  • 14:58 - 15:00
    Das heißt, was wäre,
    wenn die Leute entschieden
  • 15:00 - 15:04
    ihr Trauma als eine Erfahrung einzufordern
  • 15:04 - 15:07
    statt es als Identität anzunehmen?
  • 15:07 - 15:10
    Vielleicht würden wir nicht mehr
  • 15:10 - 15:13
    in unseren Wunden gefangen sein
  • 15:13 - 15:15
    und der Anfang einer wunderbaren Erfahrung
  • 15:15 - 15:19
    von Selbstfindung und
    Entdeckung und Wachstum.
  • 15:19 - 15:24
    Vielleicht wäre das der Anfang davon
    sich darüber zu definieren,
  • 15:24 - 15:31
    wer wir geworden sind
    und wer wir gerade werden.
  • 15:31 - 15:36
    Also vielleicht fällt
    "ein Überlebender zu sein"
  • 15:36 - 15:41
    nicht unter die drei Dinge,
    die Sie mir mitteilen würden.
  • 15:41 - 15:43
    Ist auch egal.
  • 15:43 - 15:46
    Ich will nur, dass Sie alle wissen,
  • 15:46 - 15:51
    dass ich wirklich froh darüber bin,
    dass wir im selben Bus saßen
  • 15:51 - 15:53
    und hier ist meine Haltestelle.
  • 15:53 - 15:57
    (Applaus)
Title:
Ich habe Krebs besiegt. Aber ich definiere mich nicht darüber.
Speaker:
Debra Jarvis
Description:

Debra Jarvis hat fast 30 Jahre lang als Klinikseelsorgerin gearbeitet, als bei ihr Krebs diagnostiziert wurde. Als Patientin hat sie einiges gelernt. In diesem originellen, mutigen TED-Talk erklärt sie, wie statisch sich die Identität als "Krebs-Besieger" anfühlen kann. Sie fordert uns alle auf, unsere schlimmsten Erfahrungen für uns zu beanspruchen und uns selbst gleichzeitig Raum für Entwicklung und Wachstum zu lassen.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
16:09
  • Hallo, ihr beiden!
    Erst einmal herzlich willkommen im deutschen Ted-Team :)

    Bevor ich das Video approven kann, bitte noch um einige Korrekturen. Tina, schick den Talk bitte unbearbeitet an Anika zurück, indem du in den Editor gehst und auf "Send back" klickst. So musst du nicht zu sehr in das Werk der Erstübersetzerin eingreifen. Wenn Anika den Talk wieder an dich zurück schickt, kontrolliere bitte, ob alle nötigen Korrekturen gemacht wurden. Hilfreich ist dabei der Revisionsvergleich, den ihr übrigens jederzeit aufrufen könnt, auch wenn der Talk nicht euch zugewiesen ist:
    http://www.amara.org/de/videos/VgfXtNyI5Nme/de/838027/?tab=revisions (Einfach zwei Versionen anklicken; in den roten Zeilen wurde etwas geändert)
    Generell:
    - Rote Ausrufezeichen in einzelnen UT (sichtbar im Editor) bedeuten, dass entweder die maximalen Zeichen pro Sekunde oder die Zeilenlänge überschritten wurde. Ein UT darf nicht mehr als 21,0 Zeichen/Sek. haben, sonst ist er in der eingeblendeten Zeit nicht mehr lesbar. Bitte die entsprechenden Stellen kürzen.
    Zeilen über 42 Zeichen müssen an einer geeigneten Stelle umgebrochen werden. Die aktuellen Zeichen/Sek. und die Zeilenlänge sieht man in der Infobox einer Zeile, wenn man in sie hineinklickt (nur im Editor sichtbar).
    - kurze Zeilen (unter 40 Zeichen) bitte nicht umbrechen
    - "Und" am Satzanfang vermeiden, auch wenn es im Englischen so dasteht
    - Satzstruktur stellenweise einfacher gestalten: z.B. der Satz, der bei Minute 03:22 beginnt: "Das nächste, was ich gelernt habe, war, dass ich ..." -> "Als Nächstes lernte ich, dass ..."
    Oder bei Minute 09:45 wäre es besser: "Aber natürlich bringt uns nicht nur äußerer Druck dazu ..."
    Beim Übersetzen muss man zwischen Inhalt und Satzstruktur unterscheiden. Der Inhalt muss vollständig sein, aber bei der Satzstruktur hat man viel Freiheit, da sich hier die beiden Sprachen einfach unterscheiden. Am Ende sollte die Übersetzung idealerweise so klingen, als wäre die Rednerin deutsche Muttersprachlerin gewesen. Am besten fragt ihr euch bei holprigen Stellen, wie ihr den Inhalt mit eigenen Worten einer deutschen Bekannten erzählen würdet. Das ist dann meist die bessere Version.

    Details:
    - Es gibt noch einige Tippfehler
    - 13:44 "abwanden" ist grammatikalisch nicht korrekt
    - Der Titel soll knackig klingen. Vorschlag: "Ich habe Krebs besiegt. Aber ich bin mehr als das."
    - Bitte in der Beschreibung auch noch Folgendes ändern: "für fast 30 Jahre" -> "fast 30 Jahre lang"

    Übersetzen - und besonders Untertiteln - ist am Anfang nicht einfach. Es wird mit der Zeit aber leichter werden. Ich hoffe, ihr bleibt dran, und freue mich schon auf eure weiteren Videos! Falls ihr Fragen habt, bitte einfach eine Nachricht schicken, ich beantworte sie gerne.
    Lg, Johanna
    P. S. Wir empfehlen, erst dann Reviews zu machen, wenn man selbst mindestens 90 min an Talks übersetzt hat. Dann kann man anderen Übersetzern besser weiterhelfen.
    Warum hat übrigens noch eine zweite Reviewerin den Talk bearbeitet?

German subtitles

Revisions