Jonas Eliasson: Wie löst man das Problem der Verkehrsstaus?
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0:02 - 0:05Hallo, ich bin hier,
um über Stau zu sprechen, -
0:05 - 0:06nämlich Verkehrsstau.
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0:06 - 0:08Verkehrsstaus sind ein weit
verbreitetes Phänomen. -
0:08 - 0:11Sie existieren praktisch
in allen Städten der Welt, -
0:11 - 0:13was etwas überraschend ist,
wenn man darüber nachdenkt. -
0:13 - 0:16Ich meine, überlegen Sie mal,
wie unterschiedlich Städte sind. -
0:16 - 0:18Ich meine, wir haben da die
typischen europäischen Städte, -
0:18 - 0:21mit einem dichten Stadtzentrum,
meistens gutem öffentlichen Nahverkehr -
0:21 - 0:23und nicht viel Straßenkapazität.
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0:23 - 0:26Aber auf der anderen Seite
haben wir die amerikanischen Städte. -
0:26 - 0:28Es bewegt sich von selbst, okay.
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0:28 - 0:31Jedenfalls, die amerikanischen Städte:
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0:31 - 0:34viele Straßen, verstreut über große Flächen,
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0:34 - 0:36fast kein öffentlicher Nahverkehr.
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0:36 - 0:38Und dann haben wir die
entstehenden Weltstädte, -
0:38 - 0:40mit einer unterschiedlichen
Vielfalt von Fahrzeugen, -
0:40 - 0:42unterschiedlichen Bebauungsmustern,
auch eher verstreut, -
0:42 - 0:45aber häufig mit einem
sehr dichten Stadtzentrum. -
0:45 - 0:47Und Verkehrsplaner auf
der ganzen Welt haben -
0:47 - 0:51viele verschiedene Maßnahmen ausprobiert:
dichte Städte oder ausgeweitete Städte, -
0:51 - 0:53viel Straßenverkehr oder
viel öffentlicher Verkehr -
0:53 - 0:56viele Radwege oder mehr Information,
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0:56 - 1:00oder viele verschiedene Dinge,
aber nichts scheint zu funktionieren. -
1:00 - 1:03Aber all diese Versuche
haben eines gemeinsam. -
1:03 - 1:05Sie sind eigentlich Versuche,
um herauszufinden, -
1:05 - 1:09was Menschen statt Autofahren in
der Hauptverkehrszeit tun sollten. -
1:09 - 1:12Sie sind grundsätzlich – zu einem gewissen
Ausmaß – Versuche, zu planen, -
1:12 - 1:15was andere Menschen tun sollten;
ein Planen ihres Lebens für sie. -
1:15 - 1:17Nun, das Planen eines komplexen
Gesellschaftssystems -
1:17 - 1:20ist etwas sehr Schwieriges. Lassen Sie
mich Ihnen eine Geschichte erzählen. -
1:20 - 1:231989, als die Berliner Mauer fiel
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1:23 - 1:26und Verkehrsplaner in London angerufen wurden,
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1:26 - 1:28von einem Kollegen in Moskau, der sagte:
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1:28 - 1:31"Hallo, ich bin Vladimir. Ich wüsste gerne,
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1:31 - 1:34wer in für Londons Brotversorgung zuständig ist."
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1:34 - 1:36Und der Verkehrsplaner in London sagte:
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1:36 - 1:38"Was meinen Sie mit:
"Wer ist zuständig für Londons–" -
1:38 - 1:39Ich meine, niemand ist zuständig."
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1:39 - 1:41"Oh, aber sicherlich muss jemand zuständig sein.
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1:41 - 1:44Ich meine, es ist ein sehr kompliziertes System.
Jemand muss das stets kontrollieren." -
1:44 - 1:47"Nein. Nein. Niemand ist zuständig.
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1:47 - 1:50Ich meine, na ja – ich habe
noch nie darüber nachgedacht. -
1:50 - 1:53Grundsätzlich organisiert es sich
von selbst." -
1:53 - 1:55Es organisiert sich von selbst.
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1:55 - 1:58Das ist ein Beispiel eines komplexen
Gesellschaftssystems, -
1:58 - 2:01welches die Fähigkeit besitzt,
sich selbst zu organisieren -
2:01 - 2:03und das ist eine profunde Erkenntnis.
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2:03 - 2:07Wenn Sie versuchen, wirklich komplexe
gesellschaftliche Probleme zu lösen, -
2:07 - 2:08ist das Richtige meistens,
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2:08 - 2:10Anreize zu schaffen.
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2:10 - 2:12Sie planen nicht die Details,
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2:12 - 2:15und Menschen werden herausfinden,
was zu tun ist, -
2:15 - 2:16wie man sich an diese neuen
Rahmenbedingungen anpasst. -
2:16 - 2:20Und schauen wir mal, wie wir dieses
Wissen benutzen können, -
2:20 - 2:22um Verkehrsstau zu bekämpfen.
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2:22 - 2:24Dies ist eine Karte von Stockholm,
meiner Heimatstadt. -
2:24 - 2:27Nun, Stockholm ist eine mittelgroße Stadt,
ungefähr 2 Millionen Menschen, -
2:27 - 2:30aber Stockholm hat viel Wasser;
und viel Wasser -
2:30 - 2:33bedeutet viele Brücken –
schmale Brücken, alte Brücken – -
2:33 - 2:37was viel Verkehrsstau bedeutet.
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2:37 - 2:40Und diese roten Punkte zeigen
die am stärksten verstauten Teile, -
2:40 - 2:43welche die Brücken, die zur
Innenstadt führen, sind. -
2:43 - 2:45Und dann hatte jemand die Idee, dass
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2:45 - 2:47abgesehen vom guten öffentlichen Verkehr,
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2:47 - 2:50abgesehen vom Investieren in Straßen,
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2:50 - 2:54könnten wir doch den Fahrern an diesen
Engpässen ein oder zwei Euro berechnen. -
2:54 - 2:57Nun, ein oder zwei Euros,
das ist nicht wirklich viel Geld. -
2:57 - 2:59Ich meine, im Vergleich zu Parkgebühren
und Erhaltungskosten, usw. -
2:59 - 3:02also würden Sie erwarten, dass Autofahrer
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3:02 - 3:05nicht wirklich auf solch eine
kleine Gebühr reagieren würden. -
3:05 - 3:06Da liegen Sie falsch.
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3:06 - 3:10Ein oder zwei Euro reichten aus,
um 20 Prozent der Autos -
3:10 - 3:12von der Hauptverkehrszeit
verschwinden zu lassen. -
3:12 - 3:16Nun, 20 Prozent, also, das ist eine ziemlich
enorme Zahl, mögen Sie denken, -
3:16 - 3:18aber Sie haben noch immer 80 Prozent
des Problems übrig, nicht wahr? -
3:18 - 3:20Denn Sie haben noch 80 Prozent des Verkehrs.
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3:20 - 3:23Aber das stimmt auch nicht, denn Verkehr
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3:23 - 3:26ist ein nichtlineares Phänomen,
was bedeutet, dass man -
3:26 - 3:29beim Erreichen einer gewissen
Kapazitätsgrenze -
3:29 - 3:32der Stau sehr, sehr schnell
zuzunehmen beginnt. -
3:32 - 3:35Aber zum Glück funktioniert
es auch umgekehrt. -
3:35 - 3:38Wenn man den Verkehr etwas
verringern kann, dann -
3:38 - 3:42verringert sich der Verkehr viel schneller
als Sie vielleicht denken. -
3:42 - 3:45Nun, Staugebühren wurden in Stockholm
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3:45 - 3:49am 3. Januar 2006 eingeführt
und das erste Bild; hier ist ein Bild -
3:49 - 3:53von Stockholm,
eine typische Straße am 2. Januar. -
3:53 - 3:57Der erste Tag mit den
Staugebühren sah so aus. -
3:57 - 4:00Das passiert, wenn man
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4:00 - 4:0220 Prozent der Autos
von den Straßen entfernt. -
4:02 - 4:05Man reduziert den Stau
wirklich ziemlich wesentlich. -
4:05 - 4:08Aber, nun, wie gesagt, ich meine,
Autofahrer passen sich an, nicht wahr? -
4:08 - 4:11Also nach einer Zeit kamen
sie alle zurück, weil sie -
4:11 - 4:13sich irgendwie an die
Gebühren gewöhnt hätten. -
4:13 - 4:16Wieder falsch. Es ist jetzt 6,5 Jahre her,
-
4:16 - 4:18seit die Staugebühren in Stockholm
eingeführt wurden, -
4:18 - 4:22und wir haben grundsätzlich noch immer
den gleichen geringen Verkehr. -
4:22 - 4:25Aber man sieht, es gibt einen interessanten
Abstand hier in der Zeitserie -
4:25 - 4:26von 2007.
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4:26 - 4:29Nun, die Sache ist die,
dass die Staugebühren -
4:29 - 4:32zuerst als Versuch eingeführt wurden,
also sie wurden -
4:32 - 4:36im Januar eingeführt und dann wieder
Ende Juli abgeschafft, -
4:36 - 4:38worauf eine Volksbefragung folgte
und sie 2007 wieder eingeführt wurden, -
4:38 - 4:42was natürlich eine wunderbare
wissenschaftliche Gelegenheit war. -
4:42 - 4:47Ich meine, das war sowieso
ein tolles Experiment -
4:47 - 4:48und wir durften es zweimal durchführen.
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4:48 - 4:50Und ich persönlich würde das gerne
einmal jährlich oder so machen, -
4:50 - 4:52aber man lässt mich nicht.
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4:52 - 4:54Aber es machte trotzdem Spaß.
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4:54 - 4:57Also verfolgten wir es weiter.
Was passierte? -
4:57 - 5:01Hier ist der letzte Tag mit
den Staugebühren, der 31. Juli, -
5:01 - 5:03und Sie sehen dieselbe Straße,
aber jetzt ist es Sommer, -
5:03 - 5:05und Sommer in Stockholm
ist eine sehr schöne -
5:05 - 5:07und heitere Zeit des Jahres
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5:07 - 5:10und der erste Tag ohne Staugebühren
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5:10 - 5:11sah so aus.
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5:11 - 5:14Alle Autos waren zurück
und man muss die Autofahrer -
5:14 - 5:17schon bewundern. Sie passten
sich so extrem schnell an. -
5:17 - 5:19Am ersten Tag kamen sie alle zurück.
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5:19 - 5:24Und dieser Effekt blieb. Also die Zahlen
von 2007 sahen so aus. -
5:24 - 5:27Und diese Verkehrszahlen
sind wirklich aufregend -
5:27 - 5:29und etwas überraschend
und sehr nützlich zu wissen, -
5:29 - 5:32aber ich würde sagen, dass die
überraschendste Folie, -
5:32 - 5:36die ich Ihnen heute zeigen werde,
nicht jene ist. Es ist diese. -
5:36 - 5:40Dies zeigt öffentliche Unterstützung
für Staugebühren in Stockholm, -
5:40 - 5:42und Sie sehen, dass zur
Einführung der Staugebühren -
5:42 - 5:47Anfang Frühjahr 2006
die Menschen heftig dagegen waren. -
5:47 - 5:50Siebzig Prozent der Bevölkerung
wollten es nicht. -
5:50 - 5:51Aber als die Staugebühren da waren,
-
5:51 - 5:55war es nicht so, wie man erwarten würde,
dass die Menschen sie mehr und mehr hassten. -
5:55 - 5:58Nein, im Gegenteil, sie veränderten sich,
zu einem Ausmaß, -
5:58 - 6:02dass wir jetzt 70 Prozent Zustimmung
für die Beibehaltung der Gebühren haben, -
6:02 - 6:03was bedeutet, dass – ich meine,
lassen Sie mich wiederholen, dass -
6:03 - 6:0670 Prozent der Bevölkerung in Stockholm
-
6:06 - 6:10einen Preis für etwas behalten wollen,
das früher einmal gratis war. -
6:10 - 6:14Okay. Also was kann es sein?
Wieso ist das so? -
6:14 - 6:17Nun, sehen Sie es so.
Wer änderte sich? -
6:17 - 6:19Ich meine, die 20 Prozent der Autofahrer,
welche verschwanden, -
6:19 - 6:21sie müssen doch irgendwie unzufrieden sein.
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6:21 - 6:24Und wohin verschwanden sie?
Wenn wir das verstehen, -
6:24 - 6:28dann können wir vielleicht herausfinden,
wie Menschen damit so zufrieden sein können. -
6:28 - 6:30Also, wir machten diese enorme Umfrage
-
6:30 - 6:32mit vielen Verkehrsbetrieben
und versuchten herauszufinden, -
6:32 - 6:34wer sich veränderte
und wohin sie verschwanden. -
6:34 - 6:38Und es stellte sich heraus,
dass sie es selber nicht wussten. (Gelächter) -
6:38 - 6:43Aus irgendeinem Grund
sind die Autofahrer -
6:43 - 6:47überzeugt, dass sie eigentlich
genauso fahren wie sie das früher taten. -
6:47 - 6:49Und woher kommt das?
Es ist so, weil die Verkehrsmuster -
6:49 - 6:51viel weniger stabil sind,
als man denken mag. -
6:51 - 6:54Jeden Tag treffen Menschen neue
Entscheidungen und Menschen verändern sich -
6:54 - 6:57und die Welt verändert sich
um sie herum, und jeden Tag -
6:57 - 7:00werden all diese Entscheidungen ganz gering
-
7:00 - 7:02vom Fahren in der Hauptverkehrszeit
weggeschubst, -
7:02 - 7:04in einer Art und Weise, dass die Menschen
es nicht einmal bemerken. -
7:04 - 7:06Es ist ihnen nicht einmal bewusst.
-
7:06 - 7:09Und die andere Frage ist,
wer änderte seine Ansicht? -
7:09 - 7:11Wer änderte seine Meinung
und warum? -
7:11 - 7:14Also machten wir noch eine Umfrage,
versuchten herauszufinden, -
7:14 - 7:18wieso Menschen ihre Ansicht veränderten
und welche Gruppe ihre Ansicht änderte. -
7:18 - 7:21Und die Analyse der Antworten zeigte,
-
7:21 - 7:25dass mehr als die Hälfte glaubte,
ihre Ansicht nicht geändert zu haben. -
7:25 - 7:27Sie waren sogar überzeugt, dass sie
-
7:27 - 7:30Staugebühren von Anfang an mochten.
-
7:30 - 7:32Was bedeutet, dass wir nun
in einer Situation sind, -
7:32 - 7:35wo wir den Verkehr um diesen
Zollstreifen reduziert haben -
7:35 - 7:38um 20 Prozent, und Stau um enorme
Zahlen reduziert haben -
7:38 - 7:41und die Menschen sind sich nicht
einmal ihrer Veränderung bewusst -
7:41 - 7:45und sie glauben ernsthaft, dass sie das
von Anfang an so gewollt hatten. -
7:45 - 7:49Das ist die Macht von Schubsen,
wenn man versucht, -
7:49 - 7:51komplexe Gesellschaftsprobleme zu lösen
und wenn man das macht, -
7:51 - 7:55sollte man nicht versuchen den Leuten
zu sagen, wie sie sich anpassen sollen. -
7:55 - 7:57Man sollte sie nur in die
richtige Richtung anschubsen. -
7:57 - 7:59Und wenn man es richtig macht,
-
7:59 - 8:01werden die Menschen eigentlich
die Veränderung begrüßen, -
8:01 - 8:04und wenn man es richtig macht,
wird es den Menschen sogar gefallen. -
8:04 - 8:07Danke. (Applaus)
- Title:
- Jonas Eliasson: Wie löst man das Problem der Verkehrsstaus?
- Speaker:
- Jonas Eliasson
- Description:
-
Er ist unglücklicherweise in fast jeder größeren Stadt Realität: Verkehrsstau – besonders während der Hauptverkehrszeiten. Jonas Eliasson enthüllt, wie sanftes Schubsen einen kleinen Prozentsatz der Fahrer von den Hauptverkehrsstraßen verdrängt und Staus von nun an der Vergangenheit angehören könnten. (Gefilmt bei TEDxHelvetia.)
- Video Language:
- English
- Team:
- closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 08:27
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