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Martin Haase/maha, Kai Biermann: „Nach bestem Wissen und Gewissen“ – Floskeln in der Politik

  • 0:00 - 0:09
    Vorspannmusik
  • 0:13 - 0:16
    Herald: Ich freue mich, dass ihr alle
    wieder hier seid, so früh am Morgen.
  • 0:16 - 0:22
    Und ich freue mich umso mehr,
    maha und Kai Biermann begrüßen zu dürfen.
  • 0:22 - 0:29
    Applaus
  • 0:32 - 0:36
    Hier ist „Nach bestem Wissen und Gewissen
    – Floskeln in der Politik”. Ich habe
  • 0:36 - 0:39
    vollstes Vertrauen, dass die beiden uns
    auch heute abend gut unterhalten werden.
  • 0:39 - 0:47
    Applaus
    maha + Kai: Heute abend?
  • 0:47 - 0:50
    Guten Tag, meine sehr verehrten
    Damen und Herren,
  • 0:50 - 0:53
    liebe Wählerinnen und Wähler,
    liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer
  • 0:53 - 0:56
    des 32. Chaos Communication Congress,
  • 0:56 - 0:59
    liebe Vertreterinnen und Vertreter
    gesellschaftlicher Gruppen,
  • 0:59 - 1:03
    liebe Zuschauerinnen und Zuschauer
    an den neuartigen Empfangsgeräten.
  • 1:03 - 1:04
    Lachen
  • 1:04 - 1:07
    Liebe Freunde, ich freue mich, heute
  • 1:07 - 1:12
    hier in diesem Raum, vor Ihnen,
    vor euch reden zu dürfen.
  • 1:12 - 1:16
    Irgendwie sehen wir alle
    nicht aus wie Revolutionäre.
  • 1:16 - 1:19
    Jedenfalls nicht wie die, die
    man sich so landläufig vorstellt.
  • 1:19 - 1:23
    Und trotzdem stecken wir
    mittendrin in einer Revolution,
  • 1:23 - 1:27
    die wir einerseits beobachten,
    die wir andererseits aber auch
  • 1:27 - 1:32
    in den unterschiedlichsten Rollen
    am eigenen Leib erleben.
  • 1:32 - 1:34
    Die Frage vor der wir stehen ist:
  • 1:34 - 1:39
    Sind wir eigentlich Subjekte des
    Wandels wie klassische Revolutionäre?
  • 1:39 - 1:42
    Bestimmen wir mit, wohin die Reise geht?
  • 1:42 - 1:45
    Oder werden wir Objekte der Mächte,
    die auf immer neuen Feldern
  • 1:45 - 1:48
    diese Revolution für sich nutzen?
  • 1:48 - 1:52
    Es geht um die Grundlagen des Lebens
    der Generationen, die nach uns kommen.
  • 1:52 - 1:56
    Wir wissen: wir müssen heute handeln.
  • 1:56 - 1:58
    maha: Ja...
    Kai: Das muss der An...
  • 1:58 - 2:00
    das muss der Anspruch...
  • 2:00 - 2:03
    maha: Ja, gut, also.
  • 2:03 - 2:10
    Applaus
  • 2:10 - 2:14
    maha: Das war jetzt bis auf die Worte
    „32. Chaos Communication Congress“
  • 2:14 - 2:16
    kein Text von Kai, sondern
  • 2:16 - 2:20
    Originaltexte von Angela Merkel.
  • 2:20 - 2:26
    Lachen
    Applaus
  • 2:26 - 2:30
    Ja, auch das mit der Revolution.
  • 2:30 - 2:35
    Also wir merken schon, es geht
    hier um Phrasen und Floskeln
  • 2:35 - 2:38
    und weil ja so‘n bisschen der
    wissenschaftliche Anspruch da sein muss,
  • 2:38 - 2:40
    gibt‘s erst mal eine Definition.
  • 2:40 - 2:46
    Die Phraseologie ist ja bekanntlich
    die Lehre von den Phraseologismen,
  • 2:46 - 2:49
    also von festen Wendungen.
    Was wir hier machen ist neu,
  • 2:49 - 2:54
    das ist die Phrasologie, nämlich
    die Lehre von den leeren Phrasen,
  • 2:54 - 2:58
    Floskeln und Gemeinplätzen.
  • 2:58 - 3:03
    Ja was sind das, Phrasen,
    Floskeln, Gemeinplätze?
  • 3:03 - 3:07
    Man erkennt sie daran, dass sie wenig bis
    gar keine neue Information enthalten.
  • 3:07 - 3:09
    Das ist nachher auch
    ein wichtiges Kriterium,
  • 3:09 - 3:11
    wir wollen ja solche entdecken, in Texten.
  • 3:11 - 3:17
    Und eben genau diese Dinge, die eben
    keine neue Information enthalten
  • 3:17 - 3:23
    sind irgendwie, ja, auffällig.
    Sie klingen gut.
  • 3:23 - 3:28
    Gut das kann man jetzt weniger schlecht,
    äh, weniger gut, genau, einordnen.
  • 3:28 - 3:32
    Und sie sind offensichtlich wahr.
  • 3:32 - 3:37
    Man kann auch vielleicht
    von Blähsprech sprechen.
  • 3:37 - 3:40
    vereinzeltes Lachen
    Ja, es wird gelacht
  • 3:40 - 3:42
    einzelnes Klatschen
    und geklatscht.
  • 3:42 - 3:45
    Aber das heißt wirklich so,
    nur auf griechisch.
  • 3:45 - 3:50
    Pleonasmus ist nichts
    anderes als Blähsprech.
  • 3:50 - 3:55
    Lachen und Applaus
  • 3:55 - 4:02
    Ja, wir fangen an mit Hypothesen.
  • 4:04 - 4:06
    Ach, ich soll das machen?
    Kai: Da steht maha.
  • 4:06 - 4:09
    maha: Ja, ok. Also, wir sind
    noch nicht ganz wach.
  • 4:09 - 4:11
    Kai: Entschuldigung!
    maha: Floskeln, Phrasen und Gemeinplätze
  • 4:11 - 4:15
    haben also eine Funktion in der
    politischen Sprache, ist unsere Hypothese,
  • 4:15 - 4:20
    die sind nicht einfach nur so da, um
    den Text länger zu machen.
  • 4:20 - 4:23
    Sie haben eine Aufgabe. Und das möchten
    wir dann auch zeigen, an Beispielen.
  • 4:23 - 4:25
    Also Zusammenhänge
    sollen verschleiert werden.
  • 4:25 - 4:28
    Das ist irgendwie sehr naheliegend.
  • 4:28 - 4:32
    Die Informationsdichte
    soll verringert werden,
  • 4:32 - 4:36
    oder es soll überhaupt von geringer
    Informationsmenge abgelenkt werden.
  • 4:36 - 4:42
    Wir haben nachher eine Presse-
    Erklärung, da ist null Information drin.
  • 4:42 - 4:46
    Und das werden wir uns dann anschauen.
    Sie sollen manchmal auch davon ablenken,
  • 4:46 - 4:50
    worum es eigentlich geht.
    Auf der anderen Seite,
  • 4:50 - 4:53
    und das betrifft jetzt auch so‘n
    bisschen den Journalismus,
  • 4:53 - 4:57
    sie sollen für zitierfähige Sätze sorgen,
  • 4:57 - 5:00
    ohne eine klare Position
    erkennen zu lassen.
  • 5:00 - 5:06
    Und sie sollen bei möglichst vielen
    Menschen den Eindruck hervorrufen,
  • 5:06 - 5:13
    dass eben diese Menschen gehört
    haben, was sie hören wollen.
  • 5:13 - 5:16
    Das ist, diese Sätze sind
    oft so semantisch offen,
  • 5:16 - 5:19
    dass man eben seinen eigenen Eindruck
    da irgendwie reininterpretieren kann.
  • 5:19 - 5:22
    Wir werden das auch nachher
    an einem Beispiel sehen,
  • 5:22 - 5:25
    wo jemand eine Pressekonferenz hält
  • 5:25 - 5:28
    und alle hören raus,
    was sie raushören wollen.
  • 5:28 - 5:31
    Das ist wirklich... das ist
    auch ein bekannter Text.
  • 5:31 - 5:37
    Ja, und dann geht es natürlich um
    Schlagworte, und zwar um Schlagworte,
  • 5:37 - 5:40
    die bestimmte Leute hören wollen,
    die sollen verwendet werden.
  • 5:40 - 5:45
    Und, ja, sie sollen
    kontextualisiert werden
  • 5:45 - 5:49
    durch möglicherweise harmlosen Kontext.
    Und jetzt kommt gleich das erste Beispiel,
  • 5:49 - 5:53
    weil das alles so abstrakt ist.
    Und jetzt ist aber Kai...
  • 5:53 - 5:56
    Kai: Und wir haben natürlich ein
    „heißes Eisen” mitgenommen,
  • 5:56 - 5:59
    um gleich eine solche
    Floskel zu verwenden.
  • 5:59 - 6:02
    Sie hören gleich einen
    bekannten Politiker.
  • 6:02 - 6:07
    Der spricht zum Thema Exporte
    oder geplante Exporte
  • 6:07 - 6:09
    von Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien.
  • 6:09 - 6:11
    Die sind ja nicht ganz unumstritten.
  • 6:11 - 6:14
    Und wir hören ihn in zwei Versionen.
  • 6:16 - 6:19
    Gabriel: Die Waffen, die Waffen,
  • 6:19 - 6:22
    bei denen Sie bereit sind,
    das sie geliefert werden dürfen,
  • 6:22 - 6:25
    bedrohen nicht den Iran,
    sondern die Demokratiebewegung.
  • 6:25 - 6:28
    Sie schützen nicht Israel,
    sondern ein feudales Herrscherhaus
  • 6:28 - 6:32
    und sie gefährden, und das will
    ich dann auch mal deutlich sagen,
  • 6:32 - 6:36
    im Zweifel dann auch irgendwann uns,
    denn eine Lehre haben wir doch,
  • 6:36 - 6:40
    wenn wir im Westen in der
    Vergangenheit gedacht haben,
  • 6:40 - 6:42
    amerikanische Außenpolitik nach dem Motto
  • 6:42 - 6:46
    „der Teufel den wir kennen, ist besser
    als den, den wir nicht kennen“
  • 6:46 - 6:48
    dass sowas schnell schiefgehen kann.
  • 6:48 - 6:52
    Und erst Waffen schicken und dann
    hinterher Bundeswehrsoldaten
  • 6:52 - 6:55
    um Friedens- oder
    Kriegseinsätze zu machen,
  • 6:55 - 6:57
    diese Waffen denen wieder abzunehmen,
  • 6:57 - 6:59
    das ist auch keine besonders
    kluge Außenpolitik,
  • 6:59 - 7:05
    sie ist gefährlich für unsere Soldatinnen
    und Soldaten, meine Damen und Herren.
  • 7:06 - 7:11
    K: Hier nochmal der Text, so zum bisschen
    nachlesen, meine Damen und Herren.
  • 7:11 - 7:12
    Das war relativ klar.
  • 7:12 - 7:14
    Natürlich hat er so ein
    paar Phrasen benutzt
  • 7:14 - 7:20
    also zum Beispiel die, dass er etwas
    besonders klar sagen will und so
  • 7:20 - 7:24
    aber in der Summe
    war der Text relativ klar.
  • 7:24 - 7:29
    2011, man bemerke das Datum, Sigmar
    Gabriel war damals in der Opposition.
  • 7:29 - 7:33
    Der gleiche Politiker, zum gleichen Thema,
  • 7:33 - 7:38
    mit der gleichen Grundhaltung: 2014.
  • 7:39 - 7:40
    G: Religiös, ethnisch und politisch
  • 7:40 - 7:45
    war der arabische Raum schon immer
    eine der komplexesten Regionen der Welt,
  • 7:45 - 7:47
    das gilt heute vielleicht mehr denn je.
  • 7:47 - 7:51
    Viele dieser Konflikte werden
    gewaltsam ausgetragen,
  • 7:51 - 7:55
    weitere Spannungen können sich über
    kurz oder lang militärisch entladen.
  • 7:55 - 7:58
    So ist es spätestens jetzt
    unausweichlich geworden,
  • 7:58 - 8:01
    Rüstungsgüter nur nach
    sehr strengen Kriterien
  • 8:01 - 8:04
    und nach dem Grundsatz
    größter Zurückhaltung
  • 8:04 - 8:06
    in diese Region auszuführen.
  • 8:06 - 8:09
    Gleichzeitig dürfen die
    Massivität und die Komplexität
  • 8:09 - 8:12
    der Gewaltausbrüche
    uns nicht dazu verleiten,
  • 8:12 - 8:16
    auf Differenzierungen, auch innerhalb
    des arabischen Raums, zu verzichten.
  • 8:16 - 8:21
    Wir sollten jedenfalls in jedem Fall eine
    sorgfältige Einzelfallabwägung treffen.
  • 8:21 - 8:23
    Die vielfach nachgefragte Lieferung
  • 8:23 - 8:26
    von Kampfpanzern Leopard
    in den arabischen Raum,
  • 8:26 - 8:29
    oder auch in andere Regionen der Welt,
    darf deshalb eben gerade nicht
  • 8:29 - 8:32
    unter wirtschaftspolitischen Interessen
    entschieden werden, sondern auf der
  • 8:32 - 8:36
    Grundlage einer solch differenzierten
    außen- und sicherheitspolitischen Analyse.
  • 8:36 - 8:40
    Ich komme bei dieser
    Analyse zu dem Ergebnis,
  • 8:40 - 8:43
    dass sich die Lieferung
    dieses Waffensystems
  • 8:43 - 8:46
    wie auch in den vergangenen
    Jahrzehnten nicht rechtfertigen ließe.
  • 8:46 - 8:50
    Natürlich muss regelmäßig überprüft
    werden, ob die getroffenen Beurteilungen
  • 8:50 - 8:52
    von denkbaren Exportländern noch zutreffen
  • 8:52 - 8:55
    oder sich verändert haben, aufgrund der
  • 8:55 - 9:00
    politischen und gesellschaftlichen
    Veränderungen vor Ort.
  • 9:00 - 9:06
    Kai: Hier nochmal für alle, denen es zu
    schnell ging oder zu viel war, der Text.
  • 9:06 - 9:10
    Nochmal. Das gleiche Thema.
    Die gleiche Grundhaltung.
  • 9:10 - 9:13
    Ich hoffe, Sie haben es erkannt, dass
    Sigmar Gabriel immer noch die Haltung hat,
  • 9:13 - 9:20
    dass er den Export von
    Leopard-Panzern ablehnt.
  • 9:20 - 9:22
    Es klingt nur etwas anders.
  • 9:22 - 9:23
    2011 waren es Waffen,
  • 9:23 - 9:26
    und die waren gefährlich, für die
    eigenen Soldatinnen und Soldaten
  • 9:26 - 9:28
    und überhaupt und eine dumme Idee.
  • 9:28 - 9:32
    2014 – Sigmar Gabriel ist
    inzwischen in der Regierung –
  • 9:32 - 9:36
    sind es Waffensysteme, und ein Export
    lässt sich nicht mehr rechtfertigen.
  • 9:36 - 9:39
    Muss aber regelmäßig überprüft
    werden, ob das noch stimmt.
  • 9:39 - 9:43
    Sprache verschleiert hier sehr gut,
  • 9:43 - 9:45
    dass er immer noch
    der gleichen Meinung ist,
  • 9:45 - 9:51
    aber es inzwischen nicht mehr so richtig
    opportun ist, die so klar zu äußern.
  • 9:51 - 9:55
    maha: Genau. Wir kommen
    jetzt zum Vorlesungsteil.
  • 9:55 - 9:58
    Ja, Typen von Phrasen,
    Floskeln, was gibt‘s da?
  • 9:58 - 10:01
    Also ich hab die so kategorisiert.
  • 10:01 - 10:04
    Die echten Phraseologismen,
    gleich kommen die Beispiele,
  • 10:04 - 10:08
    oder Kollokationen,
    dann Gemeinplätze,
  • 10:08 - 10:11
    dann die bekannten Pleonasmen,
  • 10:11 - 10:13
    da besonders Hendiadyoin,
  • 10:13 - 10:16
    und bedeutungsleere Wörter.
  • 10:16 - 10:18
    Wir fangen an mit den
    echten Phraseologismen,
  • 10:18 - 10:22
    da sind ein paar bekannte Beispiele:
    Es wird sich immer gern „bekannt“,
  • 10:22 - 10:25
    das hatten wir im letzten
    Jahr in der digitalen Agenda,
  • 10:25 - 10:27
    da wurde sich sehr viel
    bekannt zum Breitbandausbau.
  • 10:27 - 10:32
    „Wir schaffen das“ ist so ähnlich,
    also optimistische Grundhaltung,
  • 10:32 - 10:35
    aber was genau getan
    wird, wissen wir nicht.
  • 10:35 - 10:40
    „Hochrangige Gespräche“,
    klar, das ist irgendwie...
  • 10:40 - 10:42
    hochrangig und Gespräche,
    das passt gut zusammen,
  • 10:42 - 10:47
    obwohl es keine niederrangigen Gespräche
    gibt, da kommen wir gleich noch drauf.
  • 10:47 - 10:50
    „Deutscher Boden“ ist
    auch jetzt sehr beliebt;
  • 10:50 - 10:53
    „auf deutschem Boden deutsches
    Recht“ soll eingehalten werden
  • 10:53 - 10:55
    hat Pofalla damals gesagt.
  • 10:55 - 10:59
    Da gibt‘s ja, gab‘s ja auch noch einen
    Vortrag über die Weltraumtheorie und so.
  • 10:59 - 11:04
    „Gute Arbeit“ wird geleistet,
    schlechte Arbeit meistens nicht.
  • 11:04 - 11:08
    Die „Grenzen der Belastbarkeit“
    ist so eine feste Wendung,
  • 11:08 - 11:12
    „der Auftrag des Wählers“,
    „ist vom Tisch“ auch wieder Pofalla,
  • 11:12 - 11:15
    „die rote Linie“, „unter Hochdruck“,
    kommen wir noch drauf.
  • 11:15 - 11:18
    Hier ein paar, hier nochmal
    ein besonderes Beispiel
  • 11:18 - 11:22
    was uns aufgefallen ist, „sich
    mit etwas zufrieden äußern“
  • 11:22 - 11:24
    eigentlich so eine Doppelprädikation,
  • 11:24 - 11:29
    also sich äußern und zufrieden sein,
    hier sind also mal ein paar Beispiele
  • 11:29 - 11:34
    wer... mit was man sich alles
    zufrieden äußern kann.
  • 11:34 - 11:39
    Ja, dann hab ich hier so eine
    ganze Gruppe von Beispielen
  • 11:39 - 11:44
    die was mit klar, und
    Klartext zu tun haben:
  • 11:44 - 11:49
    „Klar sagen“, „Klartext reden“,
    „klare Worte“, „klar Stellung beziehen“.
  • 11:49 - 11:52
    Wie man unklar Stellung beziehen
    kann, weiß ich auch nicht so genau.
  • 11:52 - 11:56
    Und Pofalla will sogar
    „zusätzliche Klarheit“ haben.
  • 11:56 - 11:58
    Also, wenn schon alles klar ist,
  • 11:58 - 12:02
    was ist dann die zusätzliche
    Klarheit, man weiß es nicht.
  • 12:02 - 12:05
    Dann die berühmten Gemeinplätze.
    Ich hatte dieses T-Shirt schonmal an
  • 12:05 - 12:07
    und bin gefragt worden,
    was das eigentlich bedeutet,
  • 12:07 - 12:11
    also „das Gras ist grün“
    ist so ein Gemeinplatz.
  • 12:11 - 12:12
    Fällt auch auf, weil es hier rot ist,
  • 12:12 - 12:19
    das haben Hörer meiner Vorträge
    entworfen für mich, dieses T-Shirt.
  • 12:19 - 12:23
    Oder Westerwelle „Nichts ist einfach,
    vieles bleibt schwierig in Afghanistan.“
  • 12:23 - 12:26
    auch ein Beispiel, was wir
    schon mal hatten. Lachen
  • 12:26 - 12:29
    Klar! Also ein Gemeinplatz
    ist etwas, was schon
  • 12:29 - 12:31
    von vornherein klar ist.
  • 12:31 - 12:34
    „Die Lage ist ernst.“ De Maizière.
  • 12:34 - 12:36
    Oder auch de Maizière: „Wir
    können nur etwas erreichen,
  • 12:36 - 12:41
    wenn alle ihren Beitrag leisten.“
    Ja. Klar. Dann kann man was erreichen.
  • 12:41 - 12:44
    Und jetzt hier die Krönung
    aller Gemeinplätze,
  • 12:44 - 12:49
    die jetzt sogar Mem-Status hat und,
    ohne dass wir uns abgesprochen haben,
  • 12:49 - 12:52
    schon von Fefe gestern vorgeführt
    wurde, wie ich gehört habe,
  • 12:52 - 12:53
    aber trotzdem. Es ist so schön:
  • 12:53 - 12:57
    De Maizière: „Irgendwelche Hacker mögen
    immer irgendwas hacken können,
  • 12:57 - 13:02
    aber die Zuverlässigkeit und Sicherheit
    des neuen Personalausweises
  • 13:02 - 13:04
    steht nicht in Frage.“
  • 13:04 - 13:06
    maha: Ja.
  • 13:06 - 13:09
    So. Nochmal speziell zu den Pleonasmen.
  • 13:09 - 13:12
    Die erkennt man daran
    – ich hab‘s vorhin schon angedeutet –
  • 13:12 - 13:16
    dass man sie nicht verneinen kann. Also:
  • 13:16 - 13:20
    „Konstruktive Gespräche“:
    „Unkonstruktive Gespräche“ klingt komisch.
  • 13:20 - 13:25
    „Geltendes Recht“: Nichtgeltendes
    Recht ist irgendwie kaum denkbar.
  • 13:25 - 13:29
    „Unermüdlicher Einsatz“: Das Wort
    „ermüdlich“ gibt‘s gar nicht im Deutschen.
  • 13:29 - 13:32
    Also es gibt nur unermüdlichen
    Einsatz, ermüdlicher Einsatz
  • 13:32 - 13:35
    ist zwar vorstellbar, aber das
    Wort „ermüdlich“ gibt‘s nicht.
  • 13:35 - 13:38
    „Künftige Gefährdungen“:
    Das kommt von de Maizière
  • 13:38 - 13:41
    und naja. Gefährdung ist ja immer
    etwas, was auf die Zukunft...
  • 13:41 - 13:44
    also die Gefahr ist in der Zukunft,
  • 13:44 - 13:47
    und künftige Gefährdungen,
    also es wird erst künftig gefährlich,
  • 13:47 - 13:49
    ist irgendwie auch seltsam.
  • 13:49 - 13:56
    „Unschuldige Opfer“: also
    schuldige Opfer... seltsam, ne?
  • 13:56 - 13:59
    Es wird auch immer nur von
    „schwierigen Lagen“ gesprochen,
  • 13:59 - 14:02
    also „einfache Lage“...
    hab ich noch nie gehört.
  • 14:02 - 14:04
    Kai: Aber es gibt inzwischen
    die Lage allein als Lage.
  • 14:04 - 14:06
    maha: Als Lage. Klar.
    Aber gern mit „schwierig“.
  • 14:06 - 14:10
    Aber „schwierig“ führt eben keine
    zusätzliche Bedeutung hinzu.
  • 14:10 - 14:15
    „Ganz konkrete Einzelfälle“:
    Lachen
  • 14:15 - 14:18
    ...unkonkrete Einzelfälle
    sind irgendwie seltsam.
  • 14:18 - 14:20
    Kai: Guck mal, ich mach‘
    mal mein Hemd auf.
  • 14:20 - 14:24
    maha: Ich bin der... ah! „Bedauerliche...“
    ja, die sind auch häufig, ja.
  • 14:24 - 14:28
    „Ich bin der festen Überzeugung“:
    Man sagt selten: „ich bin nicht...“ also
  • 14:28 - 14:32
    ich bin vielleicht nicht der Überzeugung,
    aber „ich bin einer unfesten Überzeugung“
  • 14:32 - 14:36
    ist nicht vorstellbar.
    Oder „volles/vollstes Vertrauen“...
  • 14:36 - 14:41
    das mag ja was anderes bedeuten,
    aber „halb leeres Vertrauen“
  • 14:41 - 14:45
    ist auch nicht denkbar. Und die
    „nicht-volle Sympathie“ ist auch seltsam.
  • 14:45 - 14:49
    Also Verneinungen passen nicht. Und das
    hängt eben damit zusammen, dass gerade
  • 14:49 - 14:54
    der erste Teil in diesem
    Pleonasmus überflüssig ist,
  • 14:54 - 14:57
    er enthält keine Information.
  • 14:57 - 15:01
    Besonderer Fall, es ist eigentlich
    auch eine Art von Pleonasmus,
  • 15:01 - 15:04
    ist das Hendiadyoin. Das ist Griechisch,
  • 15:04 - 15:07
    „Hen“ heißt eins, „dia“ durch,
    „dyoin“ zwei.
  • 15:07 - 15:10
    Eins durch zwei. Also eine Sache
    wird durch zwei ausgedrückt.
  • 15:10 - 15:13
    Und das haben wir dieses
    Jahr ja häufig gehört,
  • 15:13 - 15:17
    „nach bestem Wissen und Gewissen“
    etwas tun, handeln.
  • 15:17 - 15:20
    Wissen und Gewissen sind so ähnlich,
  • 15:20 - 15:22
    man kann den Unterschied
    nicht so genau ausmachen.
  • 15:22 - 15:25
    Gewissen ist auch Wissen,
    aber ein bisschen stärker,
  • 15:25 - 15:28
    da hängt noch so die moralische
    Komponente mit drin.
  • 15:28 - 15:32
    Oder: „nach Recht und Gesetz“: Also
    „nach Recht“ würde vielleicht reichen,
  • 15:32 - 15:35
    „nach Gesetz“ würde reichen, aber es wird
    kombiniert, „nach Recht und Gesetz“.
  • 15:35 - 15:39
    Also zwei Dinge, die
    eigentlich nur eins aussagen.
  • 15:39 - 15:41
    Oder: „offen und ehrlich.“
  • 15:41 - 15:44
    Nur „offen“ oder nur „ehrlich“
    würde ja ausreichen.
  • 15:44 - 15:47
    Aber „offen und ehrlich“...
    werden zwei Dinge gesagt.
  • 15:47 - 15:51
    Weil es einfach besser klingt, weil es
    mehr Masse mit sich bringt... naja.
  • 15:51 - 15:56
    Das ist einfach dann nochmal verstärkt,
    es ist nämlich einfach nicht nur
  • 15:56 - 15:59
    das Gewissen, sondern es ist auch das
    Wissen. Und es ist nicht nur das Wissen,
  • 15:59 - 16:03
    sondern auch das Gewissen. Es klingt
    einfach besser, wenn man zwei Dinge sagt.
  • 16:03 - 16:08
    Dann um Text aufzublähen sind natürlich
    bedeutungsleere Wörter besonders schön,
  • 16:08 - 16:12
    die „Maßnahme“ haben wir schon
    in unserem Blog vor langer Zeit gehabt.
  • 16:12 - 16:16
    Und neuerdings, das ist jetzt
    vor allen Dingen de Maizière,
  • 16:16 - 16:18
    der hat dann gerne von
    „Exekutivmaßnahme“ gesprochen,
  • 16:18 - 16:20
    was aber auch eine Maßnahme ist.
  • 16:20 - 16:25
    Klar, de Maizière gehört zur Exekutive,
    also gibt‘s Exekutivmaßnahmen.
  • 16:25 - 16:30
    Dann „Verfahren“. Dann „Ereignis“,
    oder „Lage“. Die Lage, die werden wir
  • 16:30 - 16:33
    nachher auch nochmal hören, von
    de Maizière, da gibt‘s sehr viele Lagen.
  • 16:33 - 16:38
    „Die Arbeit“. Ne, sagt ja eigentlich auch
    nichts aus. Es wird Arbeit verrichtet.
  • 16:38 - 16:41
    „Einrichtung“. „Bekennen“
    hatten wir vorhin schon.
  • 16:41 - 16:45
    Und dann vor allen Dingen
    Zusammensetzungen mit „Szene“.
  • 16:45 - 16:49
    Zum Beispiel die „Gefährderszene“.
  • 16:49 - 16:54
    Ja. Wir machen weiter.
  • 16:54 - 16:57
    Kai: Es gibt noch einen schönen
    Bereich in diesem Theorieteil,
  • 16:57 - 17:01
    dann kommen wir gleich wieder zur Praxis:
    die Neuschöpfungen.
  • 17:01 - 17:04
    Wörter, die es so nicht gibt,
    die neu geschaffen wurden,
  • 17:04 - 17:07
    und das ist der Bereich über
    den wir meistens bloggen,
  • 17:07 - 17:12
    wenn wir im Neusprech-Blog was schreiben,
    oder im Podcast was podcasten.
  • 17:12 - 17:16
    Und ich glaube der Oberste ist
    allen bekannt, sollte es zumindest,
  • 17:16 - 17:19
    das ist die Vorratsdatenspeicherung, die
    es in vielen Iterationen inzwischen gibt.
  • 17:19 - 17:22
    Zur Zeit heißt sie
    Verkehrsdatenspeicherung.
  • 17:22 - 17:26
    Immer wieder steht dahinter der Versuch,
    nicht zu sagen worum es eigentlich geht,
  • 17:26 - 17:32
    oder zu sagen worum es geht, aber zu
    verschweigen, was damit bewirkt wird.
  • 17:32 - 17:35
    Das Flughafenverfahren ne, es geht nicht
    um die Abwicklung von Flughäfen,
  • 17:35 - 17:38
    sondern das Flughafenverfahren ist, wenn
  • 17:38 - 17:41
    Asylsuchende noch auf dem Flughafen
    festgesetzt werden und den nicht mehr
  • 17:41 - 17:43
    verlassen dürfen, bis sie
    wieder abgeschoben werden.
  • 17:43 - 17:46
    Ähnlich der Hotspot, da kommen sie
    gar nicht erst bis zum Flughafen,
  • 17:46 - 17:49
    sondern bleiben gleich in dem
    Land aus dem sie fliehen wollten.
  • 17:49 - 17:52
    Oder das Aufnahmezentrum, das
    niemanden aufnehmen will,
  • 17:52 - 17:55
    sondern auch in erster Linie dazu
    gebaut wird, um Leute abzuschieben.
  • 17:55 - 18:01
    Und jetzt eine Meisterin dieser
    Neuschöpfungen, ihr kennt sie alle:
  • 18:01 - 18:06
    Merkel: Diejenigen, die keine
    Bleibeperspektive haben,
  • 18:06 - 18:09
    müssen unser Land auch wieder verlassen
    und deshalb haben wir darüber gesprochen,
  • 18:09 - 18:12
    Fehlanreize zu beseitigen.
  • 18:12 - 18:16
    Das heißt, Bargeldbedarf
    in Erstaufnahmeeinrichtungen
  • 18:16 - 18:19
    soll so weit wie möglich durch
    Sachleistungen ersetzt werden.
  • 18:19 - 18:24
    Die Geldleistungen sollen maximal einen
    Monat im Voraus ausgezahlt werden.
  • 18:24 - 18:30
    Und Sozialleistungen für vollziehbar
    Ausreisepflichtige werden reduziert.
  • 18:30 - 18:36
    Wer vollziehbar ausreisepflichtig ist,
    muss unser Land auch verlassen.
  • 18:36 - 18:39
    Kai: Das ist ungeschnitten. Das
    waren 30 Sekunden Angela Merkel,
  • 18:39 - 18:43
    Originaltext, bei einer Pressekonferenz,
  • 18:43 - 18:46
    und ich fand: eine erstaunliche
    Häufung von diesen Neuschöpfungen.
  • 18:46 - 18:51
    „Keine Bleibeperspektive“ heißt:
    Du kommst hier nicht rein.
  • 18:51 - 18:57
    „Fehlanreize“... eine ganz
    interessante Theorie, die besagt:
  • 18:57 - 19:02
    Wer hier das Grundrecht auf Asyl
    wahrnimmt, der bekommt Geld.
  • 19:02 - 19:04
    Das ist sozusagen Teil dieses Grundrechts.
  • 19:04 - 19:07
    Der bekommt ‘ne Grundleistung,
    damit er nicht erstmal verhungert.
  • 19:07 - 19:11
    Und dieses Geld könnte ja ein Anreiz sein
    für Leute, herzukommen. Also nicht etwa,
  • 19:11 - 19:15
    weil sie verfolgt werden, sondern
    weil sie das Geld haben wollen nur.
  • 19:15 - 19:18
    Und das ist ja dann ein Fehlanreiz
    und den muss man beseitigen.
  • 19:18 - 19:19
    Also man muss den Leuten
    das Geld wegnehmen,
  • 19:19 - 19:21
    oder ihnen gar nicht erst anbieten.
  • 19:21 - 19:24
    Sagt auch das nächste: „Bargeldbedarf“
    – meint eigentlich Geld –
  • 19:24 - 19:29
    durch „Sachleistungen“
    – meint Lebensmittelgutscheine – ersetzen.
  • 19:29 - 19:31
    „Geldleistungen“: wieder ‘ne
    Umschreibung für Geld.
  • 19:31 - 19:34
    „Sozialleistungen“: ‘ne Umschreibung
    für alles wo nicht mehr ganz klar ist,
  • 19:34 - 19:36
    was kriegen die denn noch
    und was nicht mehr?
  • 19:36 - 19:41
    Und das schönste:
    „vollziehbar Ausreisepflichtige“.
  • 19:41 - 19:46
    Das heißt, dass eigentlich
    jeder erkennen müsste,
  • 19:46 - 19:49
    dass er sowieso keine Chance hat, dieses
    Grundrecht auf Asyl hier zu bekommen
  • 19:49 - 19:53
    und dass er doch dann bitte gleich
    bleiben soll wo der Pfeffer wächst.
  • 19:53 - 19:56
    Der Witz daran ist: nur der
    deutsche Staat kann erkennen,
  • 19:56 - 20:00
    dass diese Menschen ausreisepflichtig
    sind, also wieder gehen müssen.
  • 20:00 - 20:04
    Diejenigen, die hier erstmal auf Asyl
    hoffen, die sehen das gar nicht so.
  • 20:04 - 20:06
    Die kennen sich mit dem deutschen
    Recht im Zweifel nicht so gut aus,
  • 20:06 - 20:08
    die wissen nur man kann
    hier Asyl beantragen,
  • 20:08 - 20:12
    wenn man zu Hause Fassbomben
    auf den Kopf kriegt.
  • 20:12 - 20:16
    Manche werden bitter enttäuscht.
  • 20:16 - 20:20
    Wir haben jetzt mal versucht,
    ein bisschen zu sortieren,
  • 20:20 - 20:22
    wo diese Floskeln so herkommen,
  • 20:22 - 20:25
    was so die beliebtesten Bereiche sind,
  • 20:25 - 20:29
    aus denen sprachliche
    Bilder gewählt werden.
  • 20:29 - 20:34
    Und da fiel uns zuerst mal das auf:
    die maritimen Metaphern.
  • 20:34 - 20:37
    „Das Boot ist voll“:
    alle schonmal gehört, ne?
  • 20:37 - 20:41
    Das Bild dahinter sagt: Ja im Boot, da
    können nicht beliebig viele drin sitzen,
  • 20:41 - 20:44
    denn irgendwann kentert es ja und
    dann säuft es ab und alle sterben.
  • 20:44 - 20:48
    Ne schöne Metapher um zu sagen:
    „Du kommst hier nicht rein.“
  • 20:48 - 20:52
    Dann der „Flüchtlingsstrom“, der
    zur Welle, zum Sturm, zur Flut,
  • 20:52 - 20:55
    ja zum „Flüchtlingstsunami“ werden kann.
  • 20:55 - 20:58
    Ja, ich find‘ das gar nicht so
    lustig, ehrlich gesagt,
  • 20:58 - 21:01
    weil das Bild was dahinter
    steht soll Angst machen.
  • 21:01 - 21:05
    Es soll Angst machen.
    Jeder, der diesen Ausdruck benutzt, will,
  • 21:05 - 21:08
    dass Andere sich vor
    Flüchtlingen fürchten.
  • 21:08 - 21:11
    John Oliver hat in Last Week Tonight
    mal ein schönes Bild dafür gefunden,
  • 21:11 - 21:13
    auch ‘ne Metapher durch
    ‘nen Überschärfer ersetzt,
  • 21:13 - 21:14
    um‘s deutlich zu machen, funktionierte.
  • 21:14 - 21:17
    Er meinte: Naja, vor ‘nen paar Katzen,
    wenn die auf mich zukommen,
  • 21:17 - 21:19
    da hock‘ ich mich hin
    und will die kraulen.
  • 21:19 - 21:21
    Wenn ein Katzentsunami auf mich zukommt,
  • 21:21 - 21:23
    dann renn‘ ich auf 'en Berg,
    nehm‘ ‘ne Schrotflinte
  • 21:23 - 21:26
    und fang‘ an zu schießen,
    damit die mich nicht kriegen.
  • 21:26 - 21:31
    Und genau darum geht‘s: Angst machen.
  • 21:31 - 21:33
    „In einem Boot sitzen.“
    Ne, ihr sitzt alle in einem Boot.
  • 21:33 - 21:36
    Ich sitz‘ im ander‘n, ich steh‘ hier oben.
  • 21:36 - 21:38
    Oder wir sitzen alle in einem Boot,
    aber wir wollen dafür sorgen,
  • 21:38 - 21:40
    dass die, die von draußen kommen
    nicht auch noch ‘rein kommen.
  • 21:40 - 21:42
    Auch darum geht‘s.
  • 21:42 - 21:44
    „Das Steuer herumreißen“:
    wir können was tun,
  • 21:44 - 21:46
    wir sind aktiv, wir können das
    alles in eine andere Richtung...
  • 21:46 - 21:48
    wir können die alle draußen halten.
  • 21:48 - 21:53
    „Der Lotse geht von Bord“, das ist so ‘ne
    Floskel, die ist schon viele Jahrzehnte alt.
  • 21:53 - 21:56
    Wir verlieren jemand sehr wichtiges,
    der das alles gesteuert hat
  • 21:56 - 21:58
    und herumgerissen hat.
  • 21:58 - 22:01
    Der nächste Bereich
    – auch sehr beliebt –
  • 22:01 - 22:07
    Bellizismen:
    Phrasen aus dem Bereich „Krieg“.
  • 22:07 - 22:10
    Alles schonmal gehört, ne?
    „Zielgenau“, da „explodieren die Kassen“,
  • 22:10 - 22:14
    da „schlägt jemand Alarm“.
    Da ist jemand „auf dem Vormarsch“.
  • 22:14 - 22:16
    Und auch die sind gerade
    wieder sehr häufig
  • 22:16 - 22:19
    beim ganzen Themenkomplex „Flüchtlinge“.
  • 22:19 - 22:21
    Das ist nämlich plötzlich ein „Ansturm“.
  • 22:21 - 22:23
    Ansturm kommt ursprünglich
    aus dem Militär, ne?
  • 22:23 - 22:26
    Da stürmte eine Front von Soldaten
    auf eine andere Front zu
  • 22:26 - 22:28
    und versuchte, sie umzubringen.
  • 22:28 - 22:31
    Jetzt stürmen Flüchtlinge.
  • 22:31 - 22:35
    Das Problem ist,
    hier seht ihr ein paar Verwendungen.
  • 22:35 - 22:40
    Das Problem dabei ist,
    auch das soll Angst machen.
  • 22:40 - 22:42
    Das soll Angst machen vor den
    Leuten die hier anstürmen
  • 22:42 - 22:44
    und nichts weiter zum Ziel haben,
  • 22:44 - 22:48
    als unser gutes und schönes und
    ordentliches Deutschland zu vernichten.
  • 22:48 - 22:51
    „Zu ändern“ könnte man auch sagen.
    Aber nein, es soll Angst übertragen werden
  • 22:51 - 22:53
    und wenn Medien das übernehmen
    oder selbst nutzen
  • 22:53 - 22:56
    – hier seht ihr BILD, Focus und n-tv,
  • 22:56 - 23:00
    also durchaus Massenmedien –
    dann sagt das was.
  • 23:00 - 23:05
    Nichts Gutes, wie wir finden.
  • 23:05 - 23:08
    Der nächste Bereich, sehr beliebt zum
    Thema Internet auch, Verkehrsmetaphern.
  • 23:08 - 23:11
    Die „Leitplanken“, die im Internet
    eingezogen werden müssen –
  • 23:11 - 23:13
    haben sicher alle schon mal gehört.
  • 23:13 - 23:18
    die „Weichen“ will man „stellen“, da wird
    jemand „aufs Abstellgleis geschoben“.
  • 23:18 - 23:20
    Oder irgendein Internetkonzern
    wie die Telekom
  • 23:20 - 23:23
    befindet sich auf der „Überholspur“,
  • 23:23 - 23:24
    „drückt aufs Tempo“
  • 23:24 - 23:28
    – und drosselt andere.
  • 23:28 - 23:29
    Da wird „auf die Bremse gedrückt“,
  • 23:29 - 23:35
    oder „die Preisbremse gezogen“,
    oder „grünes Licht gegeben“.
  • 23:35 - 23:39
    Was uns wichtig dabei ist:
    es geht nicht darum zu lügen.
  • 23:39 - 23:43
    Diese Metaphern haben nicht
    die Idee, Lügen zu verbreiten.
  • 23:43 - 23:48
    Es geht eher darum, nicht so ganz
    zu sagen, worum es eigentlich geht.
  • 23:48 - 23:51
    Um ‘nen schönen,
    plakativen Begriff zu haben,
  • 23:51 - 23:55
    und das eigentliche Problem
    nicht anzusprechen.
  • 23:55 - 23:58
    Es gibt noch weitere Bereiche:
    „Technik und Physik“, auch sehr beliebt.
  • 23:58 - 24:00
    Da werden Dinge „auf Eis gelegt“ –
  • 24:00 - 24:02
    kein schöner Gedanke eigentlich –,
  • 24:02 - 24:05
    „luftdicht abgeriegelt“, „hermetisch“,
    auch kein schöner Gedanke.
  • 24:05 - 24:09
    Da gibt es „Gewaltspiralen“
    und „hitzige Debatten“.
  • 24:09 - 24:14
    Der nächste Bereich wär‘ der Sport.
    Auch da gibt es viel.
  • 24:14 - 24:16
    Was bleibt... ist maha.
  • 24:16 - 24:19
    Ein Gedanke noch dazu: Wie
    gesagt, es geht nicht um Lüge,
  • 24:19 - 24:21
    das ist der eine Punkt der uns
    wichtig ist und der zweite Punkt ist,
  • 24:21 - 24:24
    das Zuhören lohnt!
    Das ist nicht Rauschen.
  • 24:24 - 24:27
    Wenn Leute solche Metaphern
    nutzen, das ist nicht Rauschen
  • 24:27 - 24:29
    was man überhören sollte, sondern
    darin verstecken sich Informationen.
  • 24:29 - 24:31
    Und um die geht es uns,
    dass man da hinhört
  • 24:31 - 24:36
    und sich diese Informationen ‘rausfiltert.
  • 24:36 - 24:39
    maha: Ja. Wir haben jetzt mal versucht,
    ‘was herauszufinden was bleibt,
  • 24:39 - 24:45
    wenn man den gesamten Blähsprech,
    die Pleonasmen usw. abzieht.
  • 24:45 - 24:51
    Und was zunächst mal hier bleibt,
    ist zum Beispiel „Landesverrat“.
  • 24:51 - 24:54
    Wir erinnern uns an die Vorkommnisse,
  • 24:54 - 24:58
    und eigentlich wussten wir alle
    schon gut Bescheid, Anfang August,
  • 24:58 - 25:04
    als sich dann Herr Range,
    der Generalbundesanwalt,
  • 25:04 - 25:07
    auch noch mal zu Wort gemeldet hat
    mit einer Pressekonferenz.
  • 25:07 - 25:12
    Der Text ist sehr kurz, den hören wir uns
    jetzt mal an, und dann schauen wir mal an,
  • 25:12 - 25:16
    was da wirklich an Information kam.
  • 25:18 - 25:22
    Range: Zur Wahrung und Sicherung
    der Objektivität der Ermittlungen,
  • 25:22 - 25:29
    habe ich am 19. Juni 2015 ein externes
    Gutachten in Auftrag gegeben.
  • 25:29 - 25:32
    Der unabhängige
    Sachverständige sollte klären,
  • 25:32 - 25:36
    ob es sich bei den veröffentlichten
    Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt.
  • 25:36 - 25:39
    Der Sachverständige
    teilte mir gestern mit,
  • 25:39 - 25:42
    dass es sich nach seiner
    vorläufigen Bewertung
  • 25:42 - 25:47
    bei den am 15. April 2015
    veröffentlichten Dokumenten
  • 25:47 - 25:51
    um ein Staatsgeheimnis handelt.
    Der Sachverständige hat damit die
  • 25:51 - 25:53
    Rechtsauffassung der Bundesanwaltschaft
  • 25:53 - 25:55
    und des Bundesamtes für Verfassungsschutz
  • 25:55 - 26:00
    insoweit vorläufig bestätigt.
  • 26:00 - 26:02
    Die Bewertung des
    unabhängigen Sachverständigen
  • 26:02 - 26:05
    habe ich dem Bundesministerium der Justiz
  • 26:05 - 26:08
    gestern unverzüglich mitgeteilt.
  • 26:08 - 26:12
    Mir wurde die Weisung erteilt,
    das Gutachten sofort zu stoppen
  • 26:12 - 26:15
    und den Gutachtenauftrag zurückzuziehen.
  • 26:15 - 26:20
    Dieser Weisung habe ich Folge geleistet.
  • 26:20 - 26:22
    Meine Damen und Herren,
  • 26:22 - 26:25
    die Presse- und Meinungsfreiheit
    ist ein hohes Gut.
  • 26:25 - 26:27
    Dieses Freiheitsrecht gilt aber nicht
  • 26:27 - 26:30
    – auch nicht im Internet – schrankenlos.
  • 26:30 - 26:35
    Das entbindet die Journalisten
    nicht von der Einhaltung der Gesetze.
  • 26:35 - 26:41
    Über die Einhaltung der Gesetze
    zu wachen ist Aufgabe der Justiz.
  • 26:41 - 26:43
    Diese Aufgabe kann sie nur erfüllen,
  • 26:43 - 26:46
    wenn sie frei von politischer
    Einflussnahme ist.
  • 26:46 - 26:51
    Daher ist die Unabhängigkeit der Justiz
    von der Verfassung ebenso geschützt,
  • 26:51 - 26:55
    wie die Presse- und Meinungsfreiheit.
    Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen,
  • 26:55 - 26:59
    weil deren mögliches Ergebnis
    politisch nicht opportun erscheint,
  • 26:59 - 27:03
    ist ein unerträglicher Eingriff
    in die Unabhängigkeit der Justiz.
  • 27:03 - 27:07
    Mit Blick auf diese im
    Raum stehenden Vorwürfe
  • 27:07 - 27:10
    und die anderen Vorwürfe habe
    ich mich auch gehalten gesehen,
  • 27:10 - 27:13
    die Öffentlichkeit heute
    darüber zu informieren.
  • 27:13 - 27:17
    Vielen Dank.
  • 27:17 - 27:22
    maha: Ja. Hier ist der gesamte Text,
    und ich hab‘ jetzt mal diese Stellen,
  • 27:22 - 27:26
    die Informationen, also neue – also
    nicht neu, wir wussten das eh alle –
  • 27:26 - 27:29
    die Informationen enthalten, sind
    jetzt hier farblich hervorgehoben.
  • 27:29 - 27:34
    Und der ganze Rest
    ist eigentlich überflüssig.
  • 27:34 - 27:37
    Also es fängt damit an,
    dass hier z. B. das Adjektiv
  • 27:37 - 27:41
    – naja gut, der Anfang mit „zur Wahrung und
    Sicherung der Objektivität der Ermittlungen“,
  • 27:41 - 27:45
    das ist... ja. Das muss er sowieso tun.
  • 27:45 - 27:51
    Dann „unabhängige Sachverständige“
  • 27:51 - 27:53
    – ja was denn sonst?
    Also wenn die nicht unabhängig sind,
  • 27:53 - 27:55
    dann handelt es sich
    nicht um Sachverstand,
  • 27:55 - 27:58
    also „unabhängig“ ist
    da sicher überflüssig.
  • 27:58 - 28:02
    Nach seiner „vorläufigen Bewertung“:
    Ich hab‘ nur das „vorläufig“ dringelassen,
  • 28:02 - 28:05
    weil das wichtig ist.
    Das wird dann mehrmals wiederholt,
  • 28:05 - 28:09
    dann ist es natürlich weiß,
    wenn „vorläufig“ nochmal vorkommt.
  • 28:09 - 28:11
    Und dann eben die eigentliche Information:
  • 28:11 - 28:16
    dass die vermeintlichen
    Dokumente „vorläufig
  • 28:16 - 28:20
    nach Meinung des Sachverständigen
    ein Staatsgeheimnis“ beinhalten.
  • 28:20 - 28:26
    Und dann hat er diese Bewertung
    dem Bundesministerium mitgeteilt,
  • 28:26 - 28:31
    und das hat Weisung erteilt, den
    Gutachtenauftrag zurückzuziehen,
  • 28:31 - 28:36
    und Range hat Folge geleistet.
  • 28:36 - 28:38
    Der ganze zweite Teil ist dann nur noch
  • 28:38 - 28:41
    voll mit Phrasen bzw. mit Gemeinplätzen.
  • 28:41 - 28:44
    Denn niemand bezweifelt, dass „die Presse-
    und Meinungsfreiheit ein hohes Gut“ ist,
  • 28:44 - 28:49
    da macht man keine Pressekonferenz
    um das mitzuteilen.
  • 28:49 - 28:53
    Dieses „Freiheitsrecht gilt aber nicht
    – auch nicht im Internet – schrankenlos“.
  • 28:53 - 28:55
    Klar. Ist auch Konsens.
  • 28:55 - 28:59
    Es „entbindet Journalisten nicht von
    der Einhaltung der Gesetze“. Ja auch.
  • 28:59 - 29:03
    Das ist völlig klar. Also der ganze
    Rest ist eigentlich überflüssig.
  • 29:03 - 29:05
    Aber so ganz überflüssig
    ist er dann doch nicht,
  • 29:05 - 29:09
    denn es wird da noch gesagt,
  • 29:09 - 29:12
    dass die Einflussnahme unerträglich ist.
  • 29:12 - 29:15
    Er sagt nicht, dass Einfluss
    genommen worden ist,
  • 29:15 - 29:19
    er sagt nur „eine Einflussnahme
    ist unerträglich“.
  • 29:19 - 29:23
    Und am Ende sagt er dann: „Mit Blick
    auf die im Raum stehenden Vorwürfe“,
  • 29:23 - 29:27
    er hat aber keine Vorwürfe gemacht.
    Die kann man sich jetzt nur noch denken.
  • 29:27 - 29:33
    Also wenn er sagt „eine
    Einflussnahme ist unerträglich“,
  • 29:33 - 29:36
    dann kann man daraus interpretieren,
    wenn dann von Vorwurf die Rede ist,
  • 29:36 - 29:39
    dass er das irgendwie sagt.
    Er hat es aber nicht gesagt.
  • 29:39 - 29:44
    Naja, er ist eben Jurist
    und möchte sich nicht angreifbar machen.
  • 29:44 - 29:48
    Und viele haben eben ‘rausgelesen,
    dass er den Vorwurf macht,
  • 29:48 - 29:55
    dass da Einfluss genommen worden ist.
  • 29:55 - 29:59
    Auf der anderen Seite ist natürlich klar,
  • 29:59 - 30:03
    die Bundesanwaltschaft ist weisungs-
    gebunden, also Weisungen sind ganz normal,
  • 30:03 - 30:05
    vielleicht ist die
    Einflussnahme unerträglich,
  • 30:05 - 30:09
    aber die wird auch
    nicht wirklich vorgeworfen.
  • 30:09 - 30:13
    Dann kommt am Ende dieser Satz
  • 30:13 - 30:16
    „Ich habe mich gehalten gesehen, die
    Öffentlichkeit hierüber zu informieren.“
  • 30:16 - 30:19
    Ja worüber eigentlich zu informieren?
    Über Dinge, die man schon weiß,
  • 30:19 - 30:22
    oder darüber dass die Presse- und
    Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist?
  • 30:22 - 30:24
    Also man weiß es nicht.
  • 30:24 - 30:28
    Und dieser Text lässt einen am
    Ende doch irgendwie ratlos zurück,
  • 30:28 - 30:33
    und wahrscheinlich – also man
    kann da nur interpretieren –
  • 30:33 - 30:37
    hat Range sich schon das
    Szenario so ausgedacht,
  • 30:37 - 30:39
    dass er dann irgendwie entlassen wird,
  • 30:39 - 30:43
    und hier so ‘nen Text
    ohne wirklichen Vorwurf,
  • 30:43 - 30:47
    aus dem man aber einen Vorwurf
    vielleicht herauslesen kann.
  • 30:47 - 30:50
    Ein etwas anderes Beispiel,
    etwas martialischer,
  • 30:50 - 30:55
    Thomas de Maizière auf
    der BKA-Herbsttagung,
  • 30:55 - 30:59
    hier auch sehr schön zu sehen auf
    dem Bild unter der Überschrift
  • 30:59 - 31:03
    „Terror in Europa“.
  • 31:03 - 31:08
    Das illustriert hier den
    Terror in Europa, okay.
  • 31:08 - 31:12
    Wir hören uns den Text
    einfach mal an, zunächst.
  • 31:12 - 31:17
    Das Wort „Lage“ habe ich schonmal
    erwähnt, das kommt hier häufig vor.
  • 31:17 - 31:23
    De Maizière: Nun gibt es eine Debatte,
    wie gehen wir da mit der Öffentlichkeit um?
  • 31:23 - 31:28
    Und ich will ganz kurz noch mal
    meine Position dazu erörtern.
  • 31:28 - 31:33
    Wir können nicht jeden Hinweis dieser Art
  • 31:33 - 31:39
    in der Öffentlichkeit diskutieren.
    Weder vor einer Lage,
  • 31:39 - 31:43
    erst Recht nicht während einer Lage
  • 31:43 - 31:46
    – auch nicht durch Presseaktivität –
  • 31:46 - 31:51
    und allermeistens auch
    nicht nach einer Lage.
  • 31:51 - 31:54
    Warum ist das so?
  • 31:54 - 32:02
    Der erste Punkt: Viele dieser Hinweise
    kommen von Institutionen,
  • 32:02 - 32:06
    Einrichtungen, Menschen, die wollen nicht,
  • 32:06 - 32:11
    dass die Tatsache dass sie den
    Hinweis geben bekannt wird.
  • 32:11 - 32:14
    Wenn das passiert, besteht die Gefahr,
    dass sie vielleicht in Zukunft
  • 32:14 - 32:16
    keinen Hinweis mehr geben.
  • 32:16 - 32:20
    Weil sie, oder die Quelle von
    der sie die Information haben,
  • 32:20 - 32:24
    vielleicht sogar gefährdet wird.
  • 32:24 - 32:27
    Und es wäre dann nicht in unserem
    Interesse – ich sag‘s ganz ernst –
  • 32:27 - 32:30
    nicht im nationalen Interesse,
  • 32:30 - 32:32
    solche Hinweisgeber dazu zu veranlassen,
  • 32:32 - 32:37
    in Zukunft uns nicht mehr mit
    solchen Hinweisen auszustatten.
  • 32:39 - 32:42
    maha: Hier ist der Text.
  • 32:42 - 32:46
    Wie gesagt: Unserer Meinung nach ist
    lediglich an Informationen herauszulesen,
  • 32:46 - 32:50
    dass die Gefahr besteht, dass es
    in Zukunft keine Hinweise mehr gibt,
  • 32:50 - 32:54
    weil die Quellen vielleicht
    sogar gefährdet sind.
  • 32:54 - 32:56
    Naja das kann man sich fast auch denken.
  • 32:56 - 33:00
    Also so richtig informationsvoll
    ist das nicht.
  • 33:00 - 33:05
    Aber der ganze Rest sind Gemeinplätze.
  • 33:05 - 33:10
    Also insbesondere, dass man vor der Lage,
    nach der Lage, hinter der Lage
  • 33:10 - 33:16
    – ja also nie – was sagen kann, ist jetzt
    irgendwie nicht besonders informativ.
  • 33:16 - 33:21
    Das Meiste hätte er sich
    eigentlich schenken können.
  • 33:21 - 33:23
    Auch so eine Frage: „Warum ist das so?“
  • 33:23 - 33:26
    Das ist eigentlich das,
    was er beantworten soll,
  • 33:26 - 33:31
    das soll er nicht fragen.
  • 33:31 - 33:34
    Wir können ja immer sagen,
    das sind hier so Gelegenheitstexte.
  • 33:34 - 33:37
    Da ist jetzt so ‘ne Tagung,
    da hält er mal ‘nen Vortrag und so.
  • 33:37 - 33:40
    Das ist alles nicht so richtig
    offiziell für die Geschichte.
  • 33:40 - 33:42
    Was aber offiziell für die Geschichte ist,
  • 33:42 - 33:44
    ist eine Regierungserklärung.
  • 33:44 - 33:47
    Da sollte vor allen Dingen
    etwas drin stehen,
  • 33:47 - 33:50
    was dann auch in die
    Geschichtsbücher eingehen kann.
  • 33:50 - 33:55
    Und es sollte eigentlich wenig
    drumherum geredet werden.
  • 33:55 - 33:59
    Wir schauen uns mal an, wie es real ist:
  • 34:01 - 34:06
    Kai: Angela Merkel ist wie ich finde
    eine Meisterin dieser politischen Sprache,
  • 34:06 - 34:10
    und wir sehen kurz - wir hören nicht das
    wär‘ zu lang - die Regierungserklärung
  • 34:10 - 34:13
    die sie gehalten hat zu einer der Fragen,
    die in den letzten Monaten
  • 34:13 - 34:16
    ich glaube die meisten Menschen
    in diesem Land beschäftigt hat,
  • 34:16 - 34:20
    nämlich: Was ist der
    Plan der Bundesregierung
  • 34:20 - 34:25
    mit einer Million oder mehr
    Flüchtlingen umzugehen?
  • 34:25 - 34:29
    Das ist der Text der Regierungserklärung.
    Der Komplette.
  • 34:29 - 34:32
    Muss man jetzt nicht lesen können,
    da kommen gleich noch ein paar Beispiele.
  • 34:32 - 34:35
    Es geht nur darum, das war die gesamte
    Menge. Die hat sie im Bundestag gehalten,
  • 34:35 - 34:40
    hat relativ lange gedauert. Das
    waren 5237 Wörter zum Thema
  • 34:40 - 34:46
    „Wie will die Bundesregierung
    mit Flüchtlingen umgehen?“
  • 34:46 - 34:51
    So sieht der Text aus,
    wenn man den ganzen Quatsch ‘rausnimmt.
  • 34:51 - 34:56
    Wenn man alle Dopplungen,
    alle „ich sage jetzt mal konkret“,
  • 34:56 - 35:01
    oder „ich möchte hier betonen“ ‘rausnimmt,
    wenn man alle Floskeln entfernt.
  • 35:01 - 35:03
    Der Witz ist, dass sich der Rest
    immer noch sehr gut lesen lässt.
  • 35:03 - 35:07
    Das wäre ‘ne gute Rede.
    Da steht durchaus was drin.
  • 35:07 - 35:13
    So wurde sie aber nicht gehalten.
    Das war ungefähr die Quote.
  • 35:13 - 35:18
    Ich geb‘ zu, man könnte streiten
    über unsere Streichungen.
  • 35:18 - 35:23
    Applaus
  • 35:23 - 35:25
    Man könnte streiten über unsere
    Streichungen, bei einigen könnte man
  • 35:25 - 35:27
    argumentieren „ja, da ist ja vielleicht
    doch noch ‘ne Information drin
  • 35:27 - 35:32
    und vielleicht muss man dafür
    was anderes streichen“ und so,
  • 35:32 - 35:35
    aber ich glaube die Quote stimmt ungefähr.
    Regierungserklärung!
  • 35:35 - 35:37
    maha: Wir haben ja uns
    darüber lange unterhalten,
  • 35:37 - 35:39
    also das ist ja schon diskutiert worden.
  • 35:39 - 35:40
    Kai: Der Witz war: je öfter wir
    den Text gelesen haben,
  • 35:40 - 35:44
    desto mehr haben wir gestrichen.
    Lachen
  • 35:44 - 35:48
    Ein paar Beispiele: Angela Merkel.
  • 35:48 - 35:50
    Merkel: Liebe Kolleginnen und Kollegen.
  • 35:50 - 35:54
    Polizei und Nachrichtendienste arbeiten
    in Deutschland unter Hochdruck
  • 35:54 - 35:56
    an der Aufklärung der grausamen Anschläge
  • 35:56 - 35:59
    und Aufdeckung ihrer
    terroristischen Strukturen.
  • 35:59 - 36:02
    Auch in Deutschland ist
    die Bedrohungslage hoch.
  • 36:02 - 36:05
    Wir gehen allen Hinweisen nach,
    und müssen natürlich
  • 36:05 - 36:08
    – das haben wir letzte Woche
    Dienstag gesehen – immer wieder
  • 36:08 - 36:12
    eine schwierige Abwägung treffen,
    zwischen Freiheit und Sicherheit.
  • 36:12 - 36:16
    Ich will hier ausdrücklich sagen,
    auch im Namen der ganzen Bundesregierung,
  • 36:16 - 36:19
    wir haben Vertrauen in
    unsere Sicherheitsbehörden,
  • 36:19 - 36:22
    dass sie mit Augenmaß handeln.
  • 36:22 - 36:25
    Und sie brauchen unsere
    politische Unterstützung
  • 36:25 - 36:26
    und die haben sie auch.
  • 36:26 - 36:30
    Denn anders können
    Sicherheitsbehörden nicht handeln.
  • 36:30 - 36:35
    Applaus im gezeigten Video
  • 36:38 - 36:42
    Zwei Dinge sind mir sehr wichtig.
    Erstens – und da möchte ich mich auch
  • 36:42 - 36:46
    beim deutschen Bundestag,
    bei seiner Mehrheit bedanken –
  • 36:46 - 36:49
    wir müssen wachsam und wehrhaft sein
    und deshalb war es richtig
  • 36:49 - 36:52
    – und das haben wir schon vor
    den Anschlägen beschlossen –
  • 36:52 - 36:55
    dass wir eine personelle
    und technische Verstärkung
  • 36:55 - 36:58
    unserer Sicherheitsbehörden haben werden.
    Kai: Jetzt kommt der Inhalt.
  • 36:58 - 37:03
    Merkel: Es gibt 1000 neue Planstellen
    im Jahr 2016 für die Bundespolizei,
  • 37:03 - 37:07
    insgesamt bis 2018
    3000 zusätzliche Stellen.
  • 37:07 - 37:10
    Es werden so genannte
    „robuste Einsatzeinheiten“
  • 37:10 - 37:13
    bei der Bundespolizei aufgebaut,
  • 37:13 - 37:16
    die so ausgebildet und
    ausgestattet sein werden,
  • 37:16 - 37:19
    dass sie terroristischen
    Lagen begegnen können,
  • 37:19 - 37:23
    und damit unsere Möglichkeiten
    in solchen Fällen deutlich erweitern,
  • 37:23 - 37:27
    über das, was die Landespolizeien
    und die GSG9 heute schon kann.
  • 37:27 - 37:30
    Wir stärken unsere Nachrichtendienste,
    investieren unter anderem
  • 37:30 - 37:33
    in Modernisierung der
    technischen Ausstattung,
  • 37:33 - 37:37
    verstärken das Bundesamt
    für Verfassungsschutz
  • 37:37 - 37:41
    und den Bundesnachrichtendienst
    auch personell.
  • 37:41 - 37:44
    Kai: Hier nochmal der Text.
    Was steht da drin?
  • 37:44 - 37:48
    Ich hab‘s jetzt nicht farblich markiert
    um‘s schwerer zu machen.
  • 37:48 - 37:50
    Da steht drin: „Wir verstärken Polizei
    und Nachrichtendienste, und übrigens:
  • 37:50 - 37:55
    wir haben das schon beschlossen, bevor
    diese Terroranschläge in Paris waren.“
  • 37:55 - 37:59
    Was das jetzt alles mit der Regierungs-
    erklärung zur Flüchtlingskrise zu tun hat?
  • 37:59 - 38:01
    Keine Ahnung.
  • 38:01 - 38:04
    Wurde aber darin ausführlich besprochen.
  • 38:04 - 38:06
    Da sind dann so schöne Worte drin wie
  • 38:06 - 38:12
    „robuste Einsatzeinheiten
    der Bundespolizei,
  • 38:12 - 38:14
    die so ausgebildet und ausgestattet sein
    werden, dass sie terroristischen Lagen...“
  • 38:14 - 38:17
    – da sind sie wieder –
    „...begegnen können“.
  • 38:17 - 38:20
    Das hoffe ich doch, dass sie das können.
    Weil sonst wären sie ja sinnlos,
  • 38:20 - 38:24
    bei terroristischen Lagen.
  • 38:24 - 38:27
    Wie gesagt: es geht um Flüchtlinge, wir
    machen mal weiter, vielleicht kommen wir
  • 38:27 - 38:29
    ja noch dazu, was die Regierung jetzt
    eigentlich zum Thema Flüchtlinge
  • 38:29 - 38:31
    machen will, weil ich glaube es
    interessiert wirklich Menschen.
  • 38:31 - 38:35
    Weil da kommen viele Leute
    und „wie ist denn eigentlich der Plan?“
  • 38:35 - 38:37
    Also weiter im Text:
  • 38:37 - 38:40
    Merkel: Sie haben einen
    klaren Anspruch darauf,
  • 38:40 - 38:45
    zu wissen, nach welcher Agenda,
    nach welchem Plan die Bundesregierung
  • 38:45 - 38:51
    an der Bekämpfung der Fluchtursachen,
    an den europäischen Maßnahmen
  • 38:51 - 38:54
    und an den nationalen Maßnahmen arbeitet.
  • 38:54 - 38:58
    Beginnen müssen wir bei der
    Bekämpfung der Fluchtursachen.
  • 38:58 - 39:03
    Es herrscht in vielen Regionen
    Krieg und Terror, Staaten zerfallen,
  • 39:03 - 39:06
    viele Jahre haben wir es gelesen,
    wir haben es gehört,
  • 39:06 - 39:09
    wir haben es im Fernsehen gesehen,
  • 39:09 - 39:12
    aber wir haben damals noch
    nicht ausreichend verstanden,
  • 39:12 - 39:15
    dass das was in Aleppo
    und Mossul passiert,
  • 39:15 - 39:19
    für Essen oder Stuttgart
    relevant sein kann.
  • 39:19 - 39:22
    Und damit müssen wir umgehen.
  • 39:22 - 39:25
    Das wird Veränderungen in
    unserer Politik mit sich bringen,
  • 39:25 - 39:29
    zugunsten der Außenpolitik,
    zugunsten der Entwicklungspolitik,
  • 39:29 - 39:31
    weil wir uns immer fragen müssen:
  • 39:31 - 39:35
    Was bedeutet welche Maßnahme
    für uns hier zu Hause?
  • 39:35 - 39:37
    Applaus im Video
  • 39:37 - 39:42
    Ich glaube es ist klar, dass wir dazu
    einen langen Atem und Geduld brauchen.
  • 39:42 - 39:46
    Wir brauchen vor allen
    Dingen auch Partner.
  • 39:46 - 39:48
    Kai: So! Was ist der Plan der
    Bundesregierung zum Umgang
  • 39:48 - 39:51
    mit mehr als einer Million Flüchtlinge?
  • 39:51 - 39:54
    Sie haben einen klaren Anspruch
    darauf, das zu wissen.
  • 39:54 - 39:59
    Lachen
    Ja, Sie lachen!
  • 39:59 - 40:03
    Da verstecken sich Informationen.
    Sehr gut!
  • 40:03 - 40:06
    Da steht: wir müssen irgendwas tun,
    wir müssen irgendwas im Ausland tun,
  • 40:06 - 40:09
    wir müssen irgendwas mit
    unserer Flüchtlingspolitik tun.
  • 40:09 - 40:11
    Das wird irgendwas an
    unserer Politik verändern,
  • 40:11 - 40:15
    wir brauchen Geduld dazu und
    wir schaffen‘s nicht alleine.
  • 40:15 - 40:19
    Das ist die Information.
    Gut verpackt.
  • 40:19 - 40:21
    Wie gesagt: Es geht nicht um Lügen.
  • 40:21 - 40:25
    Es geht nur darum, Dinge so zu sagen,
  • 40:25 - 40:28
    dass jeder das Gefühlt hat,
    er hat irgendwas gehört,
  • 40:28 - 40:31
    was für ihn irgendwo passt
    und er kann irgendwie zustimmen,
  • 40:31 - 40:37
    und muss nicht widersprechen und ablehnen.
  • 40:37 - 40:41
    Haben wir noch Zeit? Ja.
  • 40:41 - 40:44
    Hier ein kurzes Beispiel,
    das schon viel älter ist,
  • 40:44 - 40:48
    was nur zeigen soll, wie sehr man
    sich in sowas verlaufen kann:
  • 40:48 - 40:52
    Christian Ruck war ein Unionspolitiker,
    der hat 2001 diesen schönen Satz gesagt
  • 40:52 - 40:56
    zum Thema Terrorismus:
  • 40:56 - 40:59
    „Bin Laden und andere
    Terroristen sind nicht arm,
  • 40:59 - 41:03
    aber die sozialen Sprengsätze
    der Welt sind der Scheiterhaufen
  • 41:03 - 41:06
    für die Lunte, die die Terroristen
    anzünden wollen.“
  • 41:06 - 41:11
    Ist ‘ne Reihung von Phrasen,
  • 41:11 - 41:16
    und der arme Mann ist völlig verwirrt. Er
    weiß selber nicht mehr, was er da sagt.
  • 41:16 - 41:19
    Nur ein kleines Beispiel als Witz.
  • 41:19 - 41:22
    Weil eigentlich gibt‘s
    ‘nen ernsten Hintergrund.
  • 41:22 - 41:25
    In Floskeln verstecken sich Informationen.
  • 41:25 - 41:30
    Die kann man sehen. Das hier
  • 41:30 - 41:33
    – übrigens die Daten dazu verdanken wir
    der Floskelwolke, herzlichen Dank dafür –
  • 41:33 - 41:41
    Floskelwolke, falls es jemand von Ihnen...
    Applaus
  • 41:41 - 41:45
    ...ist ein Projekt von zwei Journalisten,
    die Google News systematisch scannen,
  • 41:45 - 41:49
    nach z. Zt. ca. 130 Phrasen und Floskeln
    und die jeden Tag eine Auswertung machen,
  • 41:49 - 41:53
    welche davon wie häufig genannt werden.
    Gibt‘s als Twitter-Account und ne Website,
  • 41:53 - 41:56
    die Daten davon – gibt‘s als API – kann
    man sich runterladen, wir haben die Daten
  • 41:56 - 42:00
    mal für das Jahr 2015
    genommen, für ein paar
  • 42:00 - 42:06
    im Jahr 2015 wichtige Probleme
    und haben die visualisiert.
  • 42:06 - 42:08
    Und da sieht man ein
    paar interessante Dinge.
  • 42:08 - 42:12
    Zum Beispiel sieht man, das in der Mitte
    – kann man die Begriffe lesen?
  • 42:12 - 42:15
    Sehr klein, tut mir leid,
    es ging nicht anders.
  • 42:15 - 42:18
    Das in der Mitte, was so durchläuft,
    wo überall Ausschläge sind,
  • 42:18 - 42:22
    das ist „alternativlos“.
    Lachen
  • 42:22 - 42:24
    Applaus
  • 42:24 - 42:28
    Das ist sowas wie der Nullwert
  • 42:28 - 42:31
    der politischen Kommunikation.
    Das kann man immer sagen.
  • 42:31 - 42:32
    Lachen
  • 42:32 - 42:35
    Passt immer. Und wie man
    sieht ist es völlig sinnlos, weil
  • 42:35 - 42:39
    alles ist alternativlos. Im Zweifel ist
    alternativlos, dass wir hier oben stehen,
  • 42:39 - 42:45
    weil dann wär‘ hier kein Vortrag und Sie
    würden sich langweilen, wär‘ auch schade.
  • 42:45 - 42:47
    Man sieht aber noch mehr.
  • 42:47 - 42:51
    Der erste Begriff der da
    auftaucht: „Überfremdung“.
  • 42:51 - 42:53
    Der taucht nur im Dezember auf, ganz kurz,
  • 42:53 - 42:57
    weil ein, zwei sagen wir vorsichtig, sehr
    konservative Medien ihn benutzt haben
  • 42:57 - 43:00
    als Beschimpfung für
    das Flüchtlingsproblem.
  • 43:00 - 43:03
    Der zweite Begriff da drunter:
    „menschliche Katastrophe“.
  • 43:03 - 43:06
    Relativ viele Ausschläge
    verteilt über das ganze Jahr,
  • 43:06 - 43:09
    jedes Kästchen ist übrigens ein Tag.
    Relativ viele Ausschläge
  • 43:09 - 43:13
    über das ganze Jahr, menschliche
    Katastrophen gab‘s also ‘ne Menge.
  • 43:13 - 43:16
    Interessanterweise nehmen
    sie zum Ende des Jahres ab.
  • 43:16 - 43:18
    Das heißt, das Thema
    Flüchtlinge wird am Anfang
  • 43:18 - 43:21
    auch unter menschliche Katastrophe
    subsummiert, später dann nicht mehr.
  • 43:21 - 43:26
    Da nehmen dann die Angst-Metaphern zu,
    das sehen wir auch gleich noch.
  • 43:26 - 43:28
    Da drunter „die Lage eskaliert“,
  • 43:28 - 43:31
    da eskaliert viel,
    vor allem im zweiten Teil des Jahres,
  • 43:31 - 43:35
    das ist in erster Linie der Syrien-
    Bürgerkrieg, den man da sieht.
  • 43:35 - 43:38
    Da gibt‘s mehrere Ausschläge.
  • 43:38 - 43:41
    Sieht man auch an dem Begriff da drunter:
    die „Luftschläge“.
  • 43:41 - 43:43
    Auch ‘ne schöne Floskel.
    Niemand schlägt in die Luft,
  • 43:43 - 43:45
    sondern es geht um Bombardierungen.
  • 43:45 - 43:48
    Auch die beziehen sich in erster
    Linie auf den Bürgerkrieg in Syrien
  • 43:48 - 43:52
    und man sieht: im zweiten Teil
    des Jahres wurden die wichtiger.
  • 43:52 - 43:56
    Dann hatten wir „alternativlos“,
    da drunter ist der „Sozialtourismus“,
  • 43:56 - 43:59
    der spielt immer nur kurz
    ‘ne Rolle, zu Beginn,
  • 43:59 - 44:01
    also als diese Flüchtlingsdebatten
    sehr heiß liefen,
  • 44:01 - 44:07
    da gab‘s mal kurz den Vorwurf, glaube
    der CSU, das wäre ja nur Sozialtourismus.
  • 44:07 - 44:11
    Machen sie gerne mal, wie man am Anfang
    des Jahres sieht, da gab‘s das auch kurz,
  • 44:11 - 44:14
    spielt aber nicht so ‘ne große Rolle.
  • 44:14 - 44:16
    Interessanter schon die
    beiden danach folgenden,
  • 44:16 - 44:20
    das sind die „Asylgegner“
    und die „Asylkritiker“.
  • 44:20 - 44:24
    Das sind ja beides Umschreibungen
    für Pegida-Demonstrationen,
  • 44:24 - 44:27
    die sind gegen Asyl,
    relativ lautstark sogar,
  • 44:27 - 44:29
    und mit relativ hässlichen Parolen.
  • 44:29 - 44:31
    Man kann die, wenn man unbedingt will
  • 44:31 - 44:35
    als Asylgegner oder -kritiker bezeichnen,
    das wurde auch relativ oft getan.
  • 44:35 - 44:38
    Dann gab‘s Kritik an den Begriffen und
    sie hören auf. Sie schleichen sich aus,
  • 44:38 - 44:42
    wie man sieht am Ende des Jahres. Auch
    interessant, das heißt es gibt durchaus
  • 44:42 - 44:46
    eine Debatte um Floskeln und man kann die
    beeinflussen, auch das ist wichtig.
  • 44:46 - 44:50
    Dann kommen die „Bootsmigranten“,
    da gibt‘s einen Ausschlag im Frühjahr,
  • 44:50 - 44:53
    das ist der Beginn der Mittelmeersaison.
  • 44:53 - 44:57
    Das ist der Beginn der Zeit, wo relativ
    viele Leute versuchen, mit selbstgebauten
  • 44:57 - 45:00
    Booten, Schlauchbooten und so, über‘s
    Mittelmeer nach Europa zu kommen.
  • 45:00 - 45:02
    Die wurden anfangs als
    Bootsmigranten bezeichnet,
  • 45:02 - 45:07
    dann hat man gesehen, was deren
    Schicksale bedeuten und hat‘s gelassen.
  • 45:07 - 45:12
    Und dann kommt der „Flüchtlingstsunami“,
    der immer mal wieder gerne benutzt wurde,
  • 45:12 - 45:18
    offensichtlich, in der gesamten Debatte,
    gerade so im Herbst und Winter.
  • 45:18 - 45:21
    Und dann kommt der Bellizismus,
    den wir vorhin schon hatten,
  • 45:21 - 45:24
    der „Flüchtlingsansturm“.
    Der ist neu. Der ist relativ neu,
  • 45:24 - 45:29
    den gibt‘s nur so im November/Dezember,
    dafür aber relativ konstant.
  • 45:29 - 45:31
    Was man an dem ganzen Bild sieht:
  • 45:31 - 45:37
    Die Wahrnehmung von Leid nimmt
    ab und die Angst nimmt zu.
  • 45:37 - 45:43
    Und dann die letzte Debatte, die das ja
    auch zeigt: „Das Boot ist voll“.
  • 45:43 - 45:46
    Kommt auch erst am Ende. „Wir
    haben genug von euch, es reicht.“
  • 45:46 - 45:48
    Am Anfang haben wir ja noch gesagt:
    „Okay, es tut uns leid, wer ihr seid,
  • 45:48 - 45:50
    und dass ihr dabei sterbt,
    wenn ihr herkommen wollt,
  • 45:50 - 45:53
    aber langsam reicht‘s. Das
    Boot ist voll. Nimmt zu.“
  • 45:53 - 45:57
    Das heißt: Floskeln enthalten
    Informationen. Man kann sie sehen.
  • 45:57 - 46:00
    Und deswegen finden wir
    es wichtig, zuzuhören.
  • 46:00 - 46:03
    Das Problem ist nur, dass man
    eine Filterleistung erbringen muss,
  • 46:03 - 46:09
    um dahinter zu kommen,
    was eigentlich gemeint ist.
  • 46:09 - 46:11
    maha: Hängt schon mit
    dem nächsten zusammen,
  • 46:11 - 46:15
    nämlich die Frage der Kontextualisierung
    kann man hier auch nochmal schön sehen.
  • 46:15 - 46:18
    Ganz am Ende diese ganz krassen Sachen,
  • 46:18 - 46:20
    wie Überfremdung und eben
    auch Flüchtlingsansturm,
  • 46:20 - 46:25
    auch die Kriegsmetapher
    die da drin steckt.
  • 46:25 - 46:30
    Wenn sowas verwendet wird,
    dann gewöhnen sich die Leute
  • 46:30 - 46:34
    an das Reden über
  • 46:34 - 46:37
    Konflikt und Krieg, und das
    ist natürlich auch gefährlich.
  • 46:37 - 46:40
    Deshalb sollte man tunlichst...
  • 46:40 - 46:44
    ...oder solltet ihr
    tunlichst solche Begriffe
  • 46:44 - 46:48
    oder Wortprägungen vermeiden.
  • 46:48 - 46:52
    Wir sind nochmal bei unseren Hypothesen:
  • 46:52 - 46:55
    In den Naturwissenschaften
    möchte man ja immer falsifizieren,
  • 46:55 - 47:01
    wir müssen jetzt hier als
    Geisteswissenschaftler Dinge verifizieren.
  • 47:01 - 47:05
    Zusammenhänge werden verschleiert,
    ich glaube das ist deutlich geworden,
  • 47:05 - 47:09
    das ist besonders glaube ich am Beispiel
    Merkel und am Beispiel de Maizière
  • 47:09 - 47:12
    deutlich geworden. Die
    Informationsdichte wird verringert,
  • 47:12 - 47:15
    oder von geringer Informationsmenge
    wird abgelenkt,
  • 47:15 - 47:20
    das ist mit Sicherheit bei Range so,
    er hat eigentlich nichts gesagt,
  • 47:20 - 47:25
    aber wollte trotzdem ‘ne Pressekonferenz
    machen. Also: Informationsmenge auffüllen
  • 47:25 - 47:30
    mit Phrasen. Es wird abgelenkt davon,
    worum es eigentlich geht.
  • 47:30 - 47:34
    Das war, glaube ich, bei Merkel
    sehr deutlich, es ging ja offensichtlich
  • 47:34 - 47:40
    eigentlich nur um die Stärkung
    der Sicherheitsdienste
  • 47:40 - 47:46
    und das wurde da irgendwie eingebettet.
  • 47:46 - 47:51
    Der Anlass waren Flüchtlinge und dann
    sagt sie es gibt jetzt robuste Einheiten.
  • 47:51 - 47:55
    Also militärische Materialien
    für die Polizei.
  • 47:55 - 47:59
    Zitierfähige Sätze ohne klare Position,
  • 47:59 - 48:03
    bei Range ganz deutlich.
  • 48:03 - 48:05
    Die Offenheit konnte man glaube ich
    auch besonders bei Range sehen,
  • 48:05 - 48:09
    aber auch natürlich bei
    de Maizière, und letztlich auch bei Merkel
  • 48:09 - 48:13
    also semantische Offenheiten waren
    glaube ich in allen Beispielen zu finden.
  • 48:13 - 48:17
    Und Schlagworte, die hatten wir eben auch,
  • 48:17 - 48:20
    bis hin zu den terroristischen
    Lagen, sogar im Plural.
  • 48:20 - 48:22
    Und die Kontextualisierung,
    das haben wir ja zum Schluss nochmal
  • 48:22 - 48:25
    bei der Flüchtlingswolke gezeigt,
  • 48:25 - 48:31
    dass gewisse Dinge manchmal
    harmlos kontextualisiert werden
  • 48:31 - 48:34
    und manchmal weniger harmlos. Bzw.
    eigentlich schlimme Dinge
  • 48:34 - 48:38
    auch harmlos dargestellt werden.
  • 48:38 - 48:43
    Anders nochmal formuliert
    worum es eigentlich geht:
  • 48:49 - 48:54
    Kai: Nur kurz zusammengefasst:
    Die lügen nicht.
  • 48:54 - 49:02
    Und wer das sagt, hat nicht verstanden,
    worum es dabei eigentlich geht.
  • 49:02 - 49:05
    Das Problem ist: Die wollen
    euch nicht vor den Kopf stoßen.
  • 49:05 - 49:08
    Die wollen nicht, dass ihr sagt: „Was?
    Damit kann ich mich ja überhaupt nicht
  • 49:08 - 49:10
    einverstanden erklären, das find‘
    ich doof, die wähle ich nicht mehr.“
  • 49:10 - 49:12
    Das ist ihre größte Angst.
  • 49:12 - 49:14
    In Politik geht es vor Allem darum,
    wiedergewählt zu werden,
  • 49:14 - 49:16
    sonst kann man ja keine Politik mehr
    machen und der Lebensinhalt ist weg.
  • 49:16 - 49:20
    Und man muss sich ‘nen anderen
    suchen, das ist verständlich.
  • 49:20 - 49:26
    Also der Versuch, möglichst
    viele Leute mitzunehmen,
  • 49:26 - 49:28
    damit sie sich damit
    identifizieren können.
  • 49:28 - 49:32
    Wir sind ‘ne Mehrheitsgesellschaft,
    wir verhandeln unsere Ideale
  • 49:32 - 49:36
    und unsere Werte.
    Und das ist der Hintergrund.
  • 49:36 - 49:40
    Das heißt, es ist nicht per se böse.
  • 49:40 - 49:44
    Aber man kann es ändern, indem man
    (A) das rausfiltert, was man da hört, und
  • 49:44 - 49:47
    (B) vielleicht auch mit Meinungen,
    die einem nicht so passen
  • 49:47 - 49:52
    sich auseinandersetzt. Und die Leute
    nicht zwingt, so‘n Quatsch zu reden.
  • 49:52 - 49:55
    Das wars.
  • 49:55 - 50:06
    Applaus
  • 50:06 - 50:10
    Wir haben noch ein paar
    Minuten für Fragen.
  • 50:10 - 50:12
    Herald: So ist es. Wir haben ein
    paar Fragen aus dem Internet,
  • 50:12 - 50:14
    und ansonsten haben wir die
    Mikrophone hier im Saal,
  • 50:14 - 50:17
    sechs Stück an der Zahl,
    wo Ihr euch jetzt aufstellen könnt,
  • 50:17 - 50:24
    um Eure Frage möglichst kurz und präzise,
    ohne viele Worthülsen...
  • 50:24 - 50:28
    Kai: Wir antworten natürlich in Floskeln.
  • 50:28 - 50:31
    Herald: So, bis dahin, aus
    dem Internet eine Frage?
  • 50:31 - 50:35
    Signal Angel: Ja, aus dem IRC:
    Legt ihr bei euren Analysen
  • 50:35 - 50:39
    auch Wert auf die Mimik
    und Gestik der Politiker?
  • 50:39 - 50:41
    Kai: Bisher nicht.
  • 50:41 - 50:44
    maha: Bisher nicht. Man
    sollte es vielleicht tun.
  • 50:44 - 50:46
    Gerade bei de Maizière ist
    das ja sehr ausdrucksstark,
  • 50:46 - 50:49
    Merkels Mimik ist eher
    nicht so ausdrucksstark.
  • 50:49 - 50:50
    lacht
  • 50:50 - 50:53
    Aber bei de Maizière kann
    man das sehr schön sehen.
  • 50:53 - 50:55
    Kai: Auch Frau von der Leyen, übrigens,
    ist sehr stark. Die agiert immer sehr viel
  • 50:55 - 50:57
    mit den Händen und mit ihren
    strahlenden blauen Augen
  • 50:57 - 50:59
    und so, also es fällt bei
    manchen schon sehr auf,
  • 50:59 - 51:02
    aber ehrlich gesagt beschränken
    wir uns auf die Sprache.
  • 51:02 - 51:07
    maha: Ich hab‘ kürzlich bei
    einer anderen Gelegenheit,
  • 51:07 - 51:09
    bei einem Vortrag in Darmstadt,
    den es glaube ich auch im Internet
  • 51:09 - 51:13
    inzwischen gibt, auch
    de Maizière nochmal
  • 51:13 - 51:17
    mehr Aufmerksamkeit geschenkt, also
    dieser berühmten Pressekonferenz,
  • 51:17 - 51:23
    wo er diesen Satz sagt, die Bevölkerung
    könnte es verunsichern, was er sagt.
  • 51:23 - 51:27
    Da ist sehr viel Mimik drin.
  • 51:27 - 51:31
    Er guckt immer so zu dem Jäger
    ‘rüber, und der Jäger zu ihm,
  • 51:31 - 51:34
    also der Innenminister, so
    als seien sie gute Kumpels,
  • 51:34 - 51:37
    oder dann auch der Fußballmensch,
  • 51:37 - 51:42
    der dann auch die Mikrofone
    immer zu de Maizière schiebt,
  • 51:42 - 51:48
    da ist sehr viel Ausdruckskraft in der
    ganzen Gestik und in der Mimik drin.
  • 51:48 - 51:51
    Also da könnte man
    wirklich was dazu machen.
  • 51:51 - 51:54
    Werd‘ ich mir mal vornehmen
    für die Zukunft. Danke!
  • 51:54 - 51:57
    Herald: Vielen Dank. Mikrofon Nr.2, bitte.
  • 51:57 - 52:03
    Frage: Ja, da möchte ich anschließen.
    Die Sache mit... Die Art der Präsentation,
  • 52:03 - 52:05
    z.B. der Range hat die
    ganze Zeit runtergeschaut,
  • 52:05 - 52:09
    damit er das Wort gleich runterbekommt,
    diesen ersten Teil des Textes.
  • 52:09 - 52:12
    Weil da sehr viele
    Spezialfloskeln drin sind,
  • 52:12 - 52:14
    oder Spezialformulierungen
    drinnen waren,
  • 52:14 - 52:18
    die auf einen Spezialwortschatz,
    nämlich das Juridische zurückgreifen.
  • 52:18 - 52:20
    Und da zum Beispiel wäre
    mir das Wort „Weisung“
  • 52:20 - 52:22
    auch noch als wichtig erschienen,
  • 52:22 - 52:26
    weil ein Beamter, der eine
    Weisung nicht unterstützt,
  • 52:26 - 52:29
    kann über Remonstratio fordern,
    dass sie ihm schriftlich gegeben wird,
  • 52:29 - 52:31
    und damit muss er sie zwar befolgen,
  • 52:31 - 52:34
    kann aber damit dokumentieren,
    dass er das nicht möchte.
  • 52:34 - 52:37
    Das ist einfach ein riesiger Disclaimer...
  • 52:37 - 52:40
    Kai: Vielen Dank. Wir nehmen
    sowas gerne als Hinweis an.
  • 52:40 - 52:43
    Tweet, Mail, etc. und das findet
    sich im Blog, herzlichen Dank.
  • 52:43 - 52:45
    Frage: Passt! Danke!
  • 52:45 - 52:50
    Herald: Okay, also Hinweise
    per Email, Fragen jetzt: Mikrofon Nr.1.
  • 52:50 - 52:52
    Frage: Sorry, das ist ein ganz
    kleines bisschen Off-Topic,
  • 52:52 - 52:56
    aber ich hab‘ trotzdem
    den Drang, das zu sagen:
  • 52:56 - 53:00
    Und zwar find ich den eigentlichen
    Skandal an der Merkel-Rede doch,
  • 53:00 - 53:03
    dass sie uns eigentlich
    ihre Außenpolitik erklärt,
  • 53:03 - 53:08
    indem sie sagt, dass es mit der
    Bekämpfung der Fluchtursachen beginnt,
  • 53:08 - 53:13
    und dass sie uns allen ins Gesicht sagt,
    dass sie schon früher angefangen hätten,
  • 53:13 - 53:17
    diese Ursachen zu bekämpfen,
    wenn sie gewusst hätte,
  • 53:17 - 53:21
    dass es einen Impact auf
    Stuttgart und Essen gehabt hätte...
  • 53:21 - 53:23
    Kai: Abslolut!
    Frage: ...das heißt, mit anderen Worten,
  • 53:23 - 53:27
    wie es in Syrien aussieht juckt
    uns gar nicht, so lange uns hier
  • 53:27 - 53:32
    niemand damit auf die Füße tritt
    und das finde ich das eigentliche Thema.
  • 53:32 - 53:40
    Applaus
    Kai: Vielen Dank.
  • 53:40 - 53:43
    Herald: Dann bitte Mikrofon Nr.3.
  • 53:43 - 53:47
    Frage: Sehr ihr die Abnahme der
    Informationsdichte als Reaktion darauf,
  • 53:47 - 53:50
    dass immer mehr Leute Sprache
    analysieren, also sowas machen wie ihr?
  • 53:50 - 53:53
    Kai: lacht
    Schön wär‘s.
  • 53:53 - 53:58
    Nein, ich glaube das ist tatsächlich
    ein politischer Zwang,
  • 53:58 - 54:01
    je ausgebildeter die
    politische Landschaft ist,
  • 54:01 - 54:05
    und je mehr es im Parteienspektrum
    gibt, die sich da tummeln...
  • 54:05 - 54:08
    es ist ein Zwang, möglichst
    viele Menschen zu vereinen,
  • 54:08 - 54:10
    der Versuch der Union zum Beispiel,
  • 54:10 - 54:13
    die so genannte Mitte anzusprechen,
    was immer das ist, kein Mensch weiß das.
  • 54:13 - 54:17
    Vorher hat‘s die SPD versucht,
    jetzt versucht‘s die Union.
  • 54:17 - 54:20
    Das hat weniger mit uns oder anderen
    zu tun – wie die Floskelwolke –
  • 54:20 - 54:25
    die Sprache analysieren. Ich glaube,
    es geht eher um politische Zwecke.
  • 54:25 - 54:28
    maha: Und das wird
    sehr trickreich gemacht,
  • 54:28 - 54:31
    es gibt ja die berühmte
    Pressekonferenz von Seehofer,
  • 54:31 - 54:36
    bei der alle hinterher dachten,
    er will die Flüchtlinge rausschmeißen.
  • 54:36 - 54:38
    Oder erschießen an der Grenze oder so.
  • 54:38 - 54:40
    Wenn man aber genau guckt was er sagt,
  • 54:40 - 54:43
    dann spricht er am Anfang von
    Flüchtlingen und dann spricht er aber
  • 54:43 - 54:47
    von der Zuwanderung. Also
    wenn es um Begrenzung geht,
  • 54:47 - 54:50
    geht‘s immer nur um die Begrenzung
    der Zuwanderung, was ‘was anderes ist,
  • 54:50 - 54:54
    als die Aufnahme von Flüchtlingen.
    Und das ist ganz interessant.
  • 54:54 - 54:58
    Durch den Kontext denkt
    der Stammtischhörer
  • 54:58 - 55:02
    in Bayern: Endlich tut mal einer
    was gegen die Flüchtlinge.
  • 55:02 - 55:05
    Er hat es aber so formuliert, dass man
    das eigentlich nicht rauslesen kann,
  • 55:05 - 55:08
    sondern es geht ihm um die
    Begrenzung der Zuwanderung,
  • 55:08 - 55:14
    was ein bisschen ein anderer Aspekt ist,
    als Flüchtlinge auszusperren.
  • 55:14 - 55:18
    Aber dennoch nimmt er
    die Stammtische da mit.
  • 55:18 - 55:22
    Das heißt, er möchte eigentlich zu allen
    reden und alle auf seine Seite bringen,
  • 55:22 - 55:26
    also einmal natürlich die Stammtische,
    das geschieht durch den Kontext,
  • 55:26 - 55:29
    und dann diejenigen die vielleicht genauer
    hinhören, die kann er auch noch mitnehmen,
  • 55:29 - 55:33
    weil er sagt „wir sind ja eigentlich nicht
    gegen die Aufnahme von Flüchtlingen“.
  • 55:33 - 55:36
    Die CDU versteht das möglicherweise auch.
  • 55:36 - 55:39
    Und das ist eigentlich im Grunde
  • 55:39 - 55:43
    – ich will das jetzt nicht bewundern –
    aber es ist schon sehr geschickt,
  • 55:43 - 55:46
    weil er es eben schafft,
    irgendwie was zu sagen
  • 55:46 - 55:50
    wo die Stammtischbrüder und
    -schwestern dann alle sagen „Jawoll“,
  • 55:50 - 55:53
    und die Anderen sagen „naja gut,
    damit können wir auch leben.“
  • 55:53 - 55:57
    Das ist gerade der Trick daran.
  • 55:57 - 56:00
    Herald: Danke schön. Mikrofon Nr.2, bitte.
  • 56:00 - 56:04
    Frage: Im IRC hat jemand den ersten
    Foundation Roman aufgebracht,
  • 56:04 - 56:06
    mit diesen Abgesandten des Imperiums,
  • 56:06 - 56:10
    die nach drei Tagen Palaverns
    nichts gesagt haben, was aber erst
  • 56:10 - 56:15
    nach viel Analyse und mit viel Technik
    herausgefunden wird. Denkt ihr,
  • 56:15 - 56:19
    man kann eure Bullshit-Analyse, die
    Streichungen, irgendwie automatisieren,
  • 56:19 - 56:22
    damit man das einfach durch
    ‘nen Filter laufen lassen kann?
  • 56:22 - 56:27
    Lachen und Applaus
  • 56:27 - 56:30
    Kai: Wir haben darüber nachgedacht,
  • 56:30 - 56:32
    wir treffen uns im Januar
    mit der Floskelwolke,
  • 56:32 - 56:35
    die ja einen Algorithmus haben, ob
    man sowas nicht mal machen kann.
  • 56:35 - 56:39
    Es ist nicht so leicht, weil
    der Kontext sehr wichtig ist.
  • 56:39 - 56:42
    maha: Aber ein paar Sachen kann
    man sicherlich automatisieren, also z.B.
  • 56:42 - 56:44
    wenn etwas schon mal gesagt worden ist.
  • 56:44 - 56:48
    Bei Range kommt ja dreimal „unabhängig“
    und zweimal „Sachverständiger“ vor.
  • 56:48 - 56:52
    Das merkt dann auch
    jeder Computer sehr leicht.
  • 56:52 - 56:55
    Aber...
  • 56:55 - 56:57
    wenn die gleichen Sachen nochmal
    ein bisschen anders wiederholt werden,
  • 56:57 - 57:00
    wird es dann schwieriger. Aber ich
    glaube, da gibt‘s Möglichkeiten.
  • 57:00 - 57:01
    Wir werden da weiter drüber nachdenken
  • 57:01 - 57:06
    und eine gewisse Automatisierung
    ist sicherlich möglich.
  • 57:06 - 57:10
    Herald: Dankeschön. Mikrofon Nr.1, bitte.
  • 57:10 - 57:12
    Frage: Diese Floskeln
    werden ja zum Teil auch
  • 57:12 - 57:16
    von Leuten, ohne dass sie es wollen,
    aufgegriffen und in Gesprächen benutzt,
  • 57:16 - 57:19
    auch von Leuten, die einem nahestehen.
  • 57:19 - 57:22
    Meine Frage ist: Wie geht man damit um?
    Klar kann ich jetzt anfangen,
  • 57:22 - 57:25
    mit diesen Leuten über
    die Floskeln zu reflektieren,
  • 57:25 - 57:29
    aber dann ist wahrscheinlich
    relativ schnell das Gespräch kaputt.
  • 57:29 - 57:32
    Kai: Also hauen und schütteln
    wäre meine Variante, aber...
  • 57:32 - 57:37
    Lachen
    Nein, im Gegenteil...
  • 57:37 - 57:40
    F: Entschuldigung, ich meinte Leute,
    die mir nahe stehen! Ernsthaft!
  • 57:40 - 57:44
    Kai: Ja ja, schon klar. Ich auch.
  • 57:44 - 57:49
    Lachen, Applaus
  • 57:49 - 57:52
    Ich finde den Ansatz sehr gut.
    Reflektieren über diese Floskeln.
  • 57:52 - 57:56
    Ich glaube, dass man auch auf friedliche
    Art und Weise in einer Diskussion
  • 57:56 - 58:01
    sagen kann „Hey, was hast Du da
    eigentlich gesagt? Was macht das mit Dir,
  • 58:01 - 58:04
    wenn Du sowas sagst, oder was macht das
    mit mir, wenn Du sowas sagst?“
  • 58:04 - 58:08
    Ich finde das sehr wichtig, so eine
    Debatte zu führen und darüber zu reden.
  • 58:08 - 58:11
    Ich weiß, dass man damit aneckt
    und im familiären Zusammenhang
  • 58:11 - 58:13
    die Augen gerollt werden, aber...
  • 58:13 - 58:17
    ja um Gottes Willen! Bitte!
    Debattiert über solche Begriffe.
  • 58:17 - 58:18
    Frage: Danke!
  • 58:18 - 58:19
    Kai: Danke auch!
  • 58:19 - 58:25
    Herald: Vielen Dank! Wir kommen
    zur letzten Frage, Mikrofon 4, bitte.
  • 58:25 - 58:29
    Frage: Hallo! Ich fand Eure Visualisierung
    von dieser Floskelwolke sehr schön,
  • 58:29 - 58:33
    vielen Dank dafür. Da ist ja zu
    sehen, dass bestimmte Floskeln,
  • 58:33 - 58:36
    bestimmte Phrasen
    ganz plötzlich auftauchen.
  • 58:36 - 58:40
    Habt Ihr Euch mal die Mühe gemacht die
    Mechanismen anzugucken, wie das passiert,
  • 58:40 - 58:44
    von welchen Menschen oder Institutionen
    das ausgeht, wie auch diese Ausschläge,
  • 58:44 - 58:48
    also ob die am Anfang hoch sind
    und dann langsam runter gehen,
  • 58:48 - 58:52
    oder ob irgendwie mal in ‘nem
    Blog der Begriff auftaucht
  • 58:52 - 58:56
    und dann langsam übernommen wird,
    was da genau abläuft?
  • 58:56 - 58:57
    Kai: Floskelwolke analysiert Google News.
  • 58:57 - 59:00
    Und Google News wertet
    ja Nachrichtenquellen aus.
  • 59:00 - 59:01
    Also Blogs und Medien.
  • 59:01 - 59:04
    Das sind keine Politikeraussagen per se,
  • 59:04 - 59:08
    sondern nur indirekt, die darin
    zitiert werden. Und ja, es stimmt.
  • 59:08 - 59:11
    Z.B. Überfremdung war ein Begriff,
    den kann man nachvollziehen.
  • 59:11 - 59:17
    Das war ein AfD-nahes Blog, das den zuerst
    aufgebracht hat und dann war es irgendeine
  • 59:17 - 59:20
    – ich glaube Junge Freiheit oder so – eine
    Zeitung, die das weiter verbreitet hat.
  • 59:20 - 59:23
    Aber auch sowas spiegelt sich in Google
    News wider, auch in Zitationen,
  • 59:23 - 59:27
    weil andere das dann zitieren und sagen
    „die haben geschrieben, dass“ und sowas.
  • 59:27 - 59:31
    Im Zweifel kann man das nachvollziehen,
    ist allerdings sehr mühsam.
  • 59:31 - 59:35
    maha: Wir haben das ja vor ein paar Jahren
    mal versucht mit dem „Rettungsschirm“,
  • 59:35 - 59:41
    und da kann man zumindest gut den
    Zeitpunkt und die ersten Verwender sehen.
  • 59:41 - 59:44
    Was man manchmal ermitteln kann,
    ist ob es eher aus der Politik kommt
  • 59:44 - 59:49
    oder eher aus dem Journalismus.
    Das kriegt man ganz gut hin.
  • 59:49 - 59:52
    Das hängt natürlich immer vom
    Wort ab. Aber das ist in der Tat
  • 59:52 - 59:56
    ‘ne interessante Frage, wo das
    herkommt und wer das aufbringt.
  • 59:56 - 59:59
    Kai: Beim „Rettungsschirm“ übrigens war‘s
    Medien, die Financial Times Deutschland,
  • 59:59 - 60:02
    glaube ich, die hat‘s zuerst geschrieben.
    Und machte dann ziemlich Konjunktur,
  • 60:02 - 60:05
    der Begriff, und wurde letztlich sogar
    von der Politik übernommen, also
  • 60:05 - 60:07
    vom Wirtschaftsministerium und vom
    Bundestag, findet sich dann auch
  • 60:07 - 60:11
    in Bundestagsreden wieder, aber
    erstmal, der Anfang war in den Medien.
  • 60:11 - 60:14
    Es gibt umgekehrte Floskeln,
    wie „Vorratsdatenspeicherung“,
  • 60:14 - 60:16
    die kommen aus der Politik,
    finden sich dann in den Medien wieder.
  • 60:16 - 60:20
    Das ist ein Kreislauf.
  • 60:20 - 60:23
    Herald: Vielen, vielen Dank.
    Applaus
  • 60:23 - 60:29
    Abspannmusik
  • 60:29 - 60:34
    subtitles created
    by c3subtitles.de in 2016
Title:
Martin Haase/maha, Kai Biermann: „Nach bestem Wissen und Gewissen“ – Floskeln in der Politik
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German
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01:00:35

German subtitles

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