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Tali Sharot: Der Hang zum Optimismus

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    ich werde über Optimismus sprechen –
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    beziehungsweise über den Hang zum Optimismus.
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    Das ist eine kognitive Täuschung,
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    die wir in den letzten paar Jahren in meinem Labor studiert haben,
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    und 80 Prozent von uns weisen ihn auf.
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    Es ist unsere Tendenz dazu, die Wahrscheinlichkeit
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    guter Ereignisse in unserem Leben zu überschätzen,
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    und die Wahrscheinlichkeit, schlechte Dinge zu erleben, zu unterschätzen.
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    Also unterschätzen wir die Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken,
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    in einen Unfall verwickelt zu sein.
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    Wir überschätzen unsere Langlebigkeit, unsere Karrierechancen.
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    Kurz gesagt, wir sind eher optimistisch als realistisch,
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    und das ist uns völlig unklar.
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    Nehmen wir Ehe als Beispiel.
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    In der westlichen Welt liegen die Scheidungsraten bei 40 %.
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    Das bedeutet, dass von fünf verheirateten Paaren
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    zwei ihren Besitz aufteilen werden müssen.
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    Doch fragt man Frischverheiratete nach einer Wahrscheinlichkeit ihrer Scheidung,
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    schätzen sie sie mit null Prozent ein.
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    Und selbst Scheidungsanwälte, die es wirklich besser wissen sollten,
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    unterschätzen ihre eigene Wahrscheinlichkeit einer Scheidung massiv.
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    Die Wahrscheinlichkeit für die Scheidung eines Optimisten ist also nicht geringer,
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    aber die einer Wiederheirat ist größer.
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    Samuel Johnson bezeichnet die Wiederheirat
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    als den "Triumph der Hoffnung über die Erfahrung".
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    (Lachen)
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    Wenn wir verheiratet sind, haben wir eher Kinder.
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    Und wir alle glauben, unsere Kinder werden besonders talentiert sein.
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    Das ist übrigens mein zweijähriger Neffe Guy.
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    Und ich möchte hier klarstellen,
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    dass er ein wirklich schlechtes Beispiel für den Hang zum Optimismus ist,
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    denn er ist so talentiert wie niemand sonst.
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    (Lachen)
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    Und ich bin da nicht allein.
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    Von vier Briten sagten drei,
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    dass sie optimistisch in die Zukunft ihrer Familien blickten.
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    Das sind 75 Prozent.
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    Aber nur 30 Prozent sagten,
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    dass sie allgemein fänden, dass es Familien
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    heute besser geht als vor ein paar Generationen.
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    Und das ist ein sehr wichtiger Punkt,
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    denn wir sind über uns selbst optimistisch,
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    über unsere Kinder,
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    über unsere Familien,
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    aber nicht so sehr, wenn es um den Typen geht, der neben uns sitzt,
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    und wir sind etwas pessimistisch,
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    wenn es um das Schicksal unserer Mitbürger und unseres Landes geht.
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    Aber der private Optimismus über unsere persönliche Zukunft
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    besteht weiter.
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    Das heißt aber nicht, wir hoffen, dass sich alles irgendwie einrenkt,
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    sondern dass wir die einzigartige Fähigkeit haben, genau das zu tun.
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    Ich bin eine Wissenschaftlerin, ich experimentiere.
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    Um Ihnen zu zeigen, was ich damit meine,
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    werde ich hier ein Experiment mit Ihnen veranstalten.
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    Ich werde Ihnen eine Liste von Fähigkeiten und Eigenschaften geben,
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    und möchte, dass Sie über jede dieser Fähigkeiten nachdenken,
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    und wie Sie sich dabei relativ zum Rest der Bevölkerung einordnen.
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    Die erste ist das gute Auskommen mit anderen.
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    Wer hier denkt, sie sind da in den unteren 25 Prozent?
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    Ok, das sind um die 10 Leute von 1.500.
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    Wer hier ordnet sich in den oberen 25 Prozent ein?
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    Das sind die meisten von uns hier.
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    Okay, nun tun Sie dasselbe mit Ihren Fähigkeiten als Autofahrer.
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    Wie interessant sind Sie?
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    Wie attraktiv sind Sie?
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    Wie ehrlich sind Sie?
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    Und als letztes: Wie bescheiden sind Sie?
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    Die meisten von uns haben uns für die meisten dieser
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    Fähigkeiten überdurchschnittlich eingeordnet.
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    Das ist statistisch unmöglich.
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    Wir können nicht alle besser als alle anderen sein.
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    (Lachen)
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    Aber wenn wir glauben, dass wir besser als der andere sind,
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    dann heißt das, wir bekommen eher die Promotion, wir bleiben eher verheiratet,
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    denn wir sind sozialer, interessanter.
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    Und das ist ein globales Phänomen.
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    Der Hang zum Optimismus ist in vielen
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    verschiedenen Ländern beobachtet worden –
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    in westlichen Kulturen, nicht-westlichen Kulturen,
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    bei Frauen und Männern,
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    bei Kindern, bei Senioren.
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    Er ist ziemlich weitverbreitet.
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    Aber die Frage ist: Ist er gut für uns?
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    Einige Leute bestreiten das.
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    Einige Leute sagen, das Geheimnis zum Glück
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    seien niedrige Erwartungen.
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    Ich glaube, die Logik geht ungefähr so:
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    Wenn wir nichts Großartiges erwarten,
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    dann erwarten wir nicht, Liebe zu finden, gesund und erfolgreich zu sein,
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    dann sind wir auch nicht enttäuscht, wenn nichts davon eintritt.
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    Und wenn wir nicht enttäuscht sind, weil Gutes nicht passiert,
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    dann sind wir angenehm überrascht, wenn sie es doch tun,
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    dann sind wir glücklich.
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    Das ist also eine sehr gute Theorie,
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    aber sie stellt sich aus drei Gründen für falsch heraus.
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    Nummer eins: Was auch immer passiert, ob Erfolg oder Versagen,
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    die Leute mit hohen Erwartungen fühlen sich immer besser.
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    Denn so, wie wir uns fühlen, wenn wir verlassen werden oder Angestellter des Monats werden,
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    hängt davon ab, wie wir dieses Ereignis interpretieren.
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    Die Psychologen Margaret Marshall und John Brown
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    untersuchten Studenten mit hohen und niedrigen Erwartungen.
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    Und sie fanden heraus, wenn Leute mit hohen Erwartungen Erfolg haben,
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    dann schreiben sie diesen Erfolg ihren Eigenschaften zu.
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    "Ich bin ein Genie, daher habe ich eine Eins bekommen,
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    daher bekomme ich in der Zukunft wieder und wieder Einsen."
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    Wenn sie scheiterten, lag es nicht daran, dass sie dumm sind,
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    sondern dass die Prüfung eben unfair war.
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    Das nächste Mal werden sie besser abschneiden.
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    Menschen mit niedrigen Erwartungen tun das Gegenteil.
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    Wenn sie scheiterten, geschah es, weil sie dumm sind,
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    und wenn sie Erfolg hatten,
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    lag es daran, dass die Prüfung zufällig sehr einfach war.
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    Das nächste Mal würde die Realität sie einholen
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    und sie würden sich noch schlechter fühlen.
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    Nummer zwei: Unabhängig vom Endergebnis
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    macht uns allein die Vorfreude schon glücklich.
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    Der Verhaltensökonom George Lowenstein
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    bat Studenten an seiner Universität,
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    sich einen leidenschaftlichen Kuss von einer prominenten Person ihrer Wahl vorzustellen.
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    Dann sagte er: "Wie viel würdet ihr bezahlen,
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    um einen Kuss von einer prominenten Person
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    zu erhalten, wenn der Kuss unmittelbar,
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    in drei Stunden, 24 Stunden, 3 Tagen,
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    einem Jahr oder 10 Jahren erfolgen würde?
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    Er fand heraus, dass die meisten Studenten das meiste bezahlen würden,
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    wenn der Kuss nicht unmittelbar erfolgte,
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    sondern in drei Tagen.
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    Sie würden draufzahlen, um darauf zu warten.
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    Sie wollten allerdings nicht ein Jahr oder zehn warten,
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    niemand möchte einen alternden Star küssen.
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    Aber drei Tage schienen die optimale Zeitspanne.
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    Wieso ist das so?
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    Tja, wenn man den Kuss jetzt bekommt, ist er vorbei.
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    Aber wenn man ihn in drei Tagen erhält,
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    dann sind das drei Tage der Vorfreude, der Nervenkitzel beim Warten.
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    Die Studenten wollten sich in dieser Zeit vorstellen,
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    wo es passieren würde,
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    wie es passieren würde.
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    Die Vorfreude machte sie glücklich.
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    Daher bevorzugen die Leute den Freitag dem Sonntag.
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    Es ist ein sehr seltsamer Umstand,
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    denn Freitag ist ein Arbeitstag und Sonntag ein freier Tag,
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    also könnte man annehmen, dass die Leute Sonntag eher mögen.
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    Aber sie tun es nicht.
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    Das liegt nicht daran, dass sie wirklich gerne im Büro sind,
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    und diese Spaziergänge im Park oder
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    das ausgedehnte Brunch nicht ausstehen können.
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    Wir wissen das, weil Leute, wenn man sie nach ihrem
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    absoluten Lieblingswochentag fragt –
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    Überraschung! – den Samstag zuerst nennen,
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    dann Freitag, dann der Sonntag.
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    Die Leute bevorzugen Freitag,
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    weil der Freitag die Vorfreude auf das Wochenende mit sich bringt,
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    alle Pläne, die man hat.
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    Am Sonntag kann man sich höchstens
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    auf die Arbeitswoche freuen.
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    Optimisten sind also Leute, die mehr Küsse in ihrer Zukunft erwarten,
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    mehr Spaziergänge im Park.
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    Und diese Vorfreude verbessert ihr Wohlbefinden.
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    Ohne den Hang zum Optimismus
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    wären wir alle ein bisschen deprimiert.
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    Leute mit leichter Depression
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    haben diesen Hang nicht, wenn sie in die Zukunft schauen.
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    Sie sind sogar realistischer als gesunde Individuen.
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    Aber Individuen mit ernsthafter Depression
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    haben einen Hang zum Pessimismus.
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    Sie erwarten also, dass die Zukunft
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    schlechter sein wird, als sie tatsächlich ist.
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    Optimismus ändert also die subjektive Realität.
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    Unsere Erwartung gegenüber der Welt ändert unsere Betrachtungsweise.
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    Sie verändert aber auch die objektive Realität.
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    Sie funktioniert wie eine selbsterfüllende Prophezeiung.
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    Und das ist der dritte Grund,
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    wieso eine niedrige Erwartungshaltung uns nicht glücklich macht.
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    Kontrollierte Experimente beweisen,
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    dass Optimismus nicht nur mit Erfolg verbunden ist:
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    Er führt zum Erfolg.
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    Optimismus führt zu akademischem, sportlichem und politischem Erfolg.
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    Und der vielleicht überraschendste Vorteil von Optimismus ist Gesundheit.
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    Wenn wir die Zukunft als rosig wahrnehmen,
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    dann werden Stress und Sorgen reduziert.
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    Zusammengefasst hat Optimismus also viele Vorzüge.
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    Doch die Frage, die mich wirklich verwirrte, war diese:
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    Wie können wir im Angesicht der Realität Optimismus bewahren?
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    Als Neurowissenschaftlerin war das besonders verwirrend,
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    denn laut all den existierenden Theorien
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    sollte man die Erwartungen verändern, wenn sie nicht eintreten.
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    Doch unsere Funde sehen anders aus.
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    Wir baten Leute, in unser Labor zu kommen,
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    denn wir wollten herausfinden, was vor sich ging.
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    Wir baten sie, die Wahrscheinlichkeit zu schätzen,
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    mit der ihnen schwierige Ereignisse in ihrem Leben bevorstünden.
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    Zum Beispiel: "Was ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie an Krebs erkranken?"
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    Und dann verrieten wir ihnen die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit,
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    mit der jemand wie sie solch ein Unglück erleben würde.
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    Zum Beispiel liegt die Krebsrate bei circa 30 Prozent.
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    Und wir fragten sie noch einmal:
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    "Wie wahrscheinlich werden Sie an Krebs leiden?"
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    Wir wollten wissen, ob die Leute
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    die von uns gegebenen Informationen nehmen würden,
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    um ihre Überzeugung zu ändern.
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    Und sie taten das tatsächlich –
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    aber meist, wenn die Information, die wir ihnen gegeben hatten,
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    besser war, als sie angenommen hatten.
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    Zum Beispiel
  • 9:50 - 9:53
    sagte jemand: "Die Wahrscheinlichkeit, dass ich an Krebs erkranke,
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    liegt bei 50 Prozent",
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    und wir antworteten: "Wir haben gute Neuigkeiten.
  • 9:58 - 10:01
    Der Durchschnitt liegt bei 30 Prozent",
  • 10:01 - 10:03
    dann würde die Person das nächste Mal sagen,
  • 10:03 - 10:06
    "Vielleicht liegt meine Krebswahrscheinlichkeit nur bei 35 %."
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    Sie lernten also schnell und effektiv.
  • 10:08 - 10:11
    Aber wenn jemand zuerst sagte:
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    "Die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung bei mir liegt bei 10 %",
  • 10:14 - 10:17
    und wir sagten: "Tut uns ja leid,
  • 10:17 - 10:20
    aber die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit liegt bei 30 Prozent",
  • 10:20 - 10:22
    dann sagte die Person das nächste Mal:
  • 10:22 - 10:25
    "Jupp, ich glaube immer noch, dass es um die 11 Prozent ist."
  • 10:25 - 10:27
    (Lachen)
  • 10:27 - 10:30
    Sie hatten also durchaus unsere Antwort berücksichtigt,
  • 10:30 - 10:32
    aber viel, viel weniger, als wenn wir ihnen
  • 10:32 - 10:35
    positive Informationen über die Zukunft gegeben hatten.
  • 10:35 - 10:38
    Sie hatten auch nicht die Zahlen vergessen, die wir genannt hatten –
  • 10:38 - 10:41
    niemand vergisst, dass die Durchschnittswahrscheinlichkeit von Krebs
  • 10:41 - 10:43
    bei etwa 30 Prozent liegt,
  • 10:43 - 10:45
    und die durchschnittlichen Scheidungsraten bei etwa 40 Prozent.
  • 10:45 - 10:50
    Doch sie empfanden nicht, dass die Zahlen auf sie zutrafen.
  • 10:50 - 10:54
    Das bedeutet, dass solche Warnsignale möglicherweise
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    nur begrenzte Wirkung haben.
  • 10:57 - 11:01
    Ja, Rauchen tötet, aber hauptsächlich tötet es die anderen.
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    Ich wollte wissen,
  • 11:03 - 11:06
    was in einem menschlichen Gehirn vor sich geht,
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    das uns davon abhält, diese Warnsignale persönlich zu nehmen.
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    Doch zur selben Zeit hören wir,
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    dass es auf dem Immobilienmarkt gut läuft, und denken:
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    "Oh, mein Haus wird sich im Preis definitiv verdoppeln!"
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    Um dem auf den Grund zu kommen,
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    bat ich die Teilnehmer an unserem Experiment,
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    sich in einen Gehirnbild-Scanner zu legen.
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    Das sieht so aus.
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    Und mit einer Methode namens funktionelles MRT
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    konnten wir Regionen im Gehirn identifizieren,
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    die auf positive Informationen reagierten.
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    Eine dieser Regionen ist der linke Gyrus frontalis inferior.
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    Wenn jemand also sagte: "Ich bekomme mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % Krebs",
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    und wir sagten: "Gute Nachrichten!
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    Der Durchschnitt liegt bei 30 Prozent.",
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    dann würde der linke Gyrus frontalis inferior stark ausschlagen.
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    Dabei war es egal, ob man ein extremer oder milder Optimist
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    oder leicht pessimistisch war,
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    der linke Gyrus frontalis inferior funktionierte
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    bei jedem gleich gut,
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    ob man nun Barack Obama ist oder Woody Allen.
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    Auf der anderen Seite des Gehirns
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    reagierte der rechte Gyrus frontalis inferior auf die schlechten Nachrichten.
  • 12:11 - 12:14
    Und hier ist der Clou: Er tat das nicht sonderlich gut.
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    Je optimistischer man war,
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    umso weniger würde diese Region auf
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    unerwartete negative Informationen reagieren.
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    Und wenn Ihr Gehirn dabei versagt,
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    schlechte Neuigkeiten über die Zukunft zu verarbeiten,
  • 12:28 - 12:33
    dann behält man ständig die rosarote Brille auf.
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    Wir wollten also wissen: Können wir das ändern?
  • 12:38 - 12:41
    Können wir den Hang zum Optimismus verändern,
  • 12:41 - 12:45
    indem wir in die entsprechende Hirnaktivität eingreifen?
  • 12:45 - 12:48
    Und es gab tatsächlich eine Möglichkeit.
  • 12:48 - 12:50
    Das ist mein Mitarbeiter Ryota Kanai.
  • 12:50 - 12:54
    Er schickt gerade einen kleinen magnetischen Impuls
  • 12:54 - 12:56
    durch den Schädel unseres Untersuchungsteilnehmers,
  • 12:56 - 12:59
    in ihren Gyrus frontalis inferior.
  • 12:59 - 13:00
    Und auf diese Weise
  • 13:00 - 13:03
    kann er in die Aktivität dieser Gehirnregion eingreifen,
  • 13:03 - 13:05
    ungefähr eine halbe Stunde lang.
  • 13:05 - 13:07
    Danach ist alles wieder wie vorher, versprochen.
  • 13:07 - 13:09
    (Lachen)
  • 13:09 - 13:13
    Also schauen wir mal, was passiert.
  • 13:13 - 13:15
    Zuerst werde ich Ihnen die Durchschnittswerte
  • 13:15 - 13:17
    für den Hang zum Optimismus zeigen.
  • 13:17 - 13:20
    Wenn ich Sie alle jetzt testen würde,
  • 13:20 - 13:22
    dann wäre das die Menge, die Sie mehr aus
  • 13:22 - 13:25
    guten als aus schlechten Nachrichten lernen würden.
  • 13:25 - 13:28
    Jetzt greifen wir in die Region ein,
  • 13:28 - 13:32
    die laut unseren Erkenntnissen negative Informationen integriert,
  • 13:32 - 13:36
    und der Hang zum Optimismus wurde noch größer.
  • 13:36 - 13:41
    Wir vergrößerten also den Hang zum Optimismus bei der Informationsverarbeitung.
  • 13:41 - 13:44
    Dann griffen wir in die Gehirnregion ein,
  • 13:44 - 13:48
    in der die guten Nachrichten verarbeitet werden,
  • 13:48 - 13:52
    und der Hang zum Optimismus verschwand.
  • 13:52 - 13:54
    Diese Ergebnisse waren verblüffend,
  • 13:54 - 13:56
    denn wir konnten diesen tief in uns Menschen
  • 13:56 - 13:59
    verwurzelten Hang eliminieren.
  • 13:59 - 14:04
    Und an diesem Punkt hielten wir inne und fragten uns,
  • 14:04 - 14:09
    ob wir wirklich die Optimismustäuschung zerschmettern wollten?
  • 14:09 - 14:14
    Wenn wir es tun könnten, würden wir Leuten den Hang zum Optimismus wegnehmen?
  • 14:14 - 14:19
    Nach allem, was ich Ihnen vom Hang zum Optimismus erzählt habe,
  • 14:19 - 14:23
    würden wir uns wohl bis zum Letzten daran festklammern.
  • 14:23 - 14:25
    Aber es gibt natürlich Stolperfallen,
  • 14:25 - 14:28
    und es wäre närrisch, diese einfach zu ignorieren.
  • 14:28 - 14:32
    Zum Beispiel hier eine E-Mail, die mir ein
  • 14:32 - 14:35
    Feuerwehrmann hier in Kalifornien geschickt hat.
  • 14:35 - 14:38
    Er sagt: "Die Untersuchung von Todesfällen bei Feuerwehrleuten
  • 14:38 - 14:42
    umfasst oft: 'Wir hätten nicht gedacht, dass das Feuer sich so entwickelt',
  • 14:42 - 14:44
    selbst wenn alle nötigen Informationen zur Verfügung standen,
  • 14:44 - 14:47
    um sichere Entscheidungen zu treffen."
  • 14:47 - 14:51
    Dieser Hauptmann wird unsere Erkenntnisse dazu nutzen,
  • 14:51 - 14:53
    den Feuerwehrleuten zu erklären,
  • 14:53 - 14:55
    wieso sie gewisse Dinge denken,
  • 14:55 - 15:02
    um ihnen diesen menschlichen Hang bewusst zu machen.
  • 15:02 - 15:07
    Unrealistischer Optimismus kann also zu riskantem Verhalten führen,
  • 15:07 - 15:11
    zu finanziellem Zusammenbruch, fehlerhafter Planung.
  • 15:11 - 15:13
    Die britische Regierung zum Beispiel
  • 15:13 - 15:16
    hat erkannt, dass der Hang zum Optimismus
  • 15:16 - 15:19
    dazu führen kann, dass Individuen
  • 15:19 - 15:23
    die Dauer und Kosten von Projekten eher unterschätzen.
  • 15:23 - 15:27
    Also haben sie das Budget für die Olympischen Spiele 2012
  • 15:27 - 15:29
    auf den Hang zum Optimismus angepasst.
  • 15:29 - 15:32
    Ein Freund von mir heiratet in ein paar Wochen
  • 15:32 - 15:34
    und hat dasselbe mit seiner Hochzeitsplanung gemacht.
  • 15:34 - 15:37
    Als ich ihn übrigens zu der Wahrscheinlichkeit seiner Scheidung befragte,
  • 15:37 - 15:41
    war er sich recht sicher, dass sie bei null Prozent liegt.
  • 15:41 - 15:43
    Was wir also wirklich gern tun würden,
  • 15:43 - 15:47
    ist uns vor den Gefahren des Optimismus zu schützen,
  • 15:47 - 15:50
    aber zur selben Zeit die Hoffnung zu bewahren,
  • 15:50 - 15:53
    und von den zahlreichen Vorzügen des Optimismus zehren.
  • 15:53 - 15:56
    Ich bin überzeugt, dass es so eine Lösung gibt.
  • 15:56 - 15:58
    Der Schlüssel hier ist Wissen.
  • 15:58 - 16:01
    Uns ist kein Verständnis unserer Tendenzen angeboren.
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    Sie müssen durch wissenschaftliche Arbeit identifiziert werden.
  • 16:05 - 16:09
    Doch die gute Nachricht ist, dass unsere Illusion nicht kaputt geht,
  • 16:09 - 16:11
    wenn wir uns dieses Hangs bewusst werden.
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    Es ist wie mit optischen Täuschungen:
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    Auch wenn wir sie verstehen, täuschen sie unser Auge immer noch.
  • 16:16 - 16:19
    Und das ist gut, denn es bedeutet,
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    dass wir ein Gleichgewicht erreichen können,
  • 16:21 - 16:23
    dass wir Pläne und Regeln aufstellen können,
  • 16:23 - 16:26
    um uns vor unrealistischem Optimismus zu schützen,
  • 16:26 - 16:29
    doch zur selben Zeit voller Hoffnung zu bleiben.
  • 16:29 - 16:33
    Diese Karikatur stellt es gut dar, finde ich.
  • 16:33 - 16:36
    Denn sind Sie eines der pessimistischen Pinguine hier,
  • 16:36 - 16:38
    das einfach nicht daran glaubt, fliegen zu können,
  • 16:38 - 16:41
    werden Sie es auch niemals tun.
  • 16:41 - 16:43
    Denn für jedwede Art von Fortschritt
  • 16:43 - 16:45
    müssen wir uns eine andere Realität vorstellen können,
  • 16:45 - 16:49
    und wir müssen dann daran glauben, dass sie möglich ist.
  • 16:49 - 16:52
    Sind Sie aber ein extrem optimistisches Pinguin,
  • 16:52 - 16:55
    das auf das Beste hoffend einfach den großen Sprung wagt,
  • 16:55 - 17:00
    dann haben Sie beim Aufprall vielleicht ein kleines Problem.
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    Ein optimistisches Pinguin jedoch,
  • 17:02 - 17:03
    das daran glaubt, dass es fliegen kann,
  • 17:03 - 17:06
    aber vorsichtshalber doch einen Fallschirm mitnimmt,
  • 17:06 - 17:09
    falls die Dinge nicht ganz so laufen wie geplant,
  • 17:09 - 17:11
    wird wie ein Adler fliegen können,
  • 17:11 - 17:14
    auch wenn es nur ein Pinguin ist.
  • 17:14 - 17:16
    Danke.
  • 17:16 - 17:19
    (Beifall)
Title:
Tali Sharot: Der Hang zum Optimismus
Speaker:
Tali Sharot
Description:

Sind wir zum Optimismus geboren, und nicht zum Realismus? Tali Sharot erzählt von neuen Forschungen, die darauf hindeuten, dass unsere Gehirne eher auf der Sonnenseite agieren – und wie das sowohl Vorzüge als auch Risiken birgt.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
17:40
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Anja Lehmann accepted German subtitles for The optimism bias
Anja Lehmann edited German subtitles for The optimism bias
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