Tali Sharot: Der Hang zum Optimismus
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0:00 - 0:04ich werde über Optimismus sprechen –
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0:04 - 0:06beziehungsweise über den Hang zum Optimismus.
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0:06 - 0:08Das ist eine kognitive Täuschung,
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0:08 - 0:10die wir in den letzten paar Jahren in meinem Labor studiert haben,
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0:10 - 0:12und 80 Prozent von uns weisen ihn auf.
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0:12 - 0:15Es ist unsere Tendenz dazu, die Wahrscheinlichkeit
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0:15 - 0:18guter Ereignisse in unserem Leben zu überschätzen,
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0:18 - 0:22und die Wahrscheinlichkeit, schlechte Dinge zu erleben, zu unterschätzen.
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0:22 - 0:25Also unterschätzen wir die Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken,
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0:25 - 0:26in einen Unfall verwickelt zu sein.
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0:26 - 0:30Wir überschätzen unsere Langlebigkeit, unsere Karrierechancen.
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0:30 - 0:33Kurz gesagt, wir sind eher optimistisch als realistisch,
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0:33 - 0:35und das ist uns völlig unklar.
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0:35 - 0:37Nehmen wir Ehe als Beispiel.
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0:37 - 0:41In der westlichen Welt liegen die Scheidungsraten bei 40 %.
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0:41 - 0:44Das bedeutet, dass von fünf verheirateten Paaren
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0:44 - 0:47zwei ihren Besitz aufteilen werden müssen.
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0:47 - 0:51Doch fragt man Frischverheiratete nach einer Wahrscheinlichkeit ihrer Scheidung,
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0:51 - 0:54schätzen sie sie mit null Prozent ein.
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0:54 - 0:58Und selbst Scheidungsanwälte, die es wirklich besser wissen sollten,
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0:58 - 1:02unterschätzen ihre eigene Wahrscheinlichkeit einer Scheidung massiv.
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1:02 - 1:05Die Wahrscheinlichkeit für die Scheidung eines Optimisten ist also nicht geringer,
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1:05 - 1:07aber die einer Wiederheirat ist größer.
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1:07 - 1:10Samuel Johnson bezeichnet die Wiederheirat
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1:10 - 1:14als den "Triumph der Hoffnung über die Erfahrung".
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1:14 - 1:16(Lachen)
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1:16 - 1:20Wenn wir verheiratet sind, haben wir eher Kinder.
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1:20 - 1:24Und wir alle glauben, unsere Kinder werden besonders talentiert sein.
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1:24 - 1:26Das ist übrigens mein zweijähriger Neffe Guy.
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1:26 - 1:29Und ich möchte hier klarstellen,
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1:29 - 1:31dass er ein wirklich schlechtes Beispiel für den Hang zum Optimismus ist,
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1:31 - 1:34denn er ist so talentiert wie niemand sonst.
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1:34 - 1:36(Lachen)
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1:36 - 1:37Und ich bin da nicht allein.
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1:37 - 1:40Von vier Briten sagten drei,
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1:40 - 1:43dass sie optimistisch in die Zukunft ihrer Familien blickten.
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1:43 - 1:45Das sind 75 Prozent.
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1:45 - 1:47Aber nur 30 Prozent sagten,
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1:47 - 1:50dass sie allgemein fänden, dass es Familien
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1:50 - 1:52heute besser geht als vor ein paar Generationen.
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1:52 - 1:54Und das ist ein sehr wichtiger Punkt,
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1:54 - 1:56denn wir sind über uns selbst optimistisch,
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1:56 - 1:58über unsere Kinder,
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1:58 - 2:00über unsere Familien,
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2:00 - 2:03aber nicht so sehr, wenn es um den Typen geht, der neben uns sitzt,
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2:03 - 2:05und wir sind etwas pessimistisch,
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2:05 - 2:09wenn es um das Schicksal unserer Mitbürger und unseres Landes geht.
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2:09 - 2:13Aber der private Optimismus über unsere persönliche Zukunft
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2:13 - 2:15besteht weiter.
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2:15 - 2:19Das heißt aber nicht, wir hoffen, dass sich alles irgendwie einrenkt,
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2:19 - 2:23sondern dass wir die einzigartige Fähigkeit haben, genau das zu tun.
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2:23 - 2:26Ich bin eine Wissenschaftlerin, ich experimentiere.
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2:26 - 2:28Um Ihnen zu zeigen, was ich damit meine,
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2:28 - 2:31werde ich hier ein Experiment mit Ihnen veranstalten.
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2:31 - 2:34Ich werde Ihnen eine Liste von Fähigkeiten und Eigenschaften geben,
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2:34 - 2:37und möchte, dass Sie über jede dieser Fähigkeiten nachdenken,
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2:37 - 2:42und wie Sie sich dabei relativ zum Rest der Bevölkerung einordnen.
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2:42 - 2:45Die erste ist das gute Auskommen mit anderen.
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2:45 - 2:51Wer hier denkt, sie sind da in den unteren 25 Prozent?
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2:51 - 2:55Ok, das sind um die 10 Leute von 1.500.
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2:55 - 2:59Wer hier ordnet sich in den oberen 25 Prozent ein?
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2:59 - 3:02Das sind die meisten von uns hier.
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3:02 - 3:07Okay, nun tun Sie dasselbe mit Ihren Fähigkeiten als Autofahrer.
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3:07 - 3:10Wie interessant sind Sie?
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3:10 - 3:13Wie attraktiv sind Sie?
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3:13 - 3:15Wie ehrlich sind Sie?
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3:15 - 3:20Und als letztes: Wie bescheiden sind Sie?
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3:20 - 3:23Die meisten von uns haben uns für die meisten dieser
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3:23 - 3:25Fähigkeiten überdurchschnittlich eingeordnet.
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3:25 - 3:27Das ist statistisch unmöglich.
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3:27 - 3:31Wir können nicht alle besser als alle anderen sein.
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3:31 - 3:32(Lachen)
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3:32 - 3:35Aber wenn wir glauben, dass wir besser als der andere sind,
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3:35 - 3:39dann heißt das, wir bekommen eher die Promotion, wir bleiben eher verheiratet,
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3:39 - 3:42denn wir sind sozialer, interessanter.
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3:42 - 3:44Und das ist ein globales Phänomen.
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3:44 - 3:46Der Hang zum Optimismus ist in vielen
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3:46 - 3:48verschiedenen Ländern beobachtet worden –
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3:48 - 3:51in westlichen Kulturen, nicht-westlichen Kulturen,
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3:51 - 3:53bei Frauen und Männern,
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3:53 - 3:54bei Kindern, bei Senioren.
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3:54 - 3:56Er ist ziemlich weitverbreitet.
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3:56 - 4:00Aber die Frage ist: Ist er gut für uns?
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4:00 - 4:02Einige Leute bestreiten das.
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4:02 - 4:04Einige Leute sagen, das Geheimnis zum Glück
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4:04 - 4:07seien niedrige Erwartungen.
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4:07 - 4:10Ich glaube, die Logik geht ungefähr so:
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4:10 - 4:12Wenn wir nichts Großartiges erwarten,
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4:12 - 4:16dann erwarten wir nicht, Liebe zu finden, gesund und erfolgreich zu sein,
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4:16 - 4:19dann sind wir auch nicht enttäuscht, wenn nichts davon eintritt.
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4:19 - 4:22Und wenn wir nicht enttäuscht sind, weil Gutes nicht passiert,
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4:22 - 4:24dann sind wir angenehm überrascht, wenn sie es doch tun,
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4:24 - 4:26dann sind wir glücklich.
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4:26 - 4:28Das ist also eine sehr gute Theorie,
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4:28 - 4:31aber sie stellt sich aus drei Gründen für falsch heraus.
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4:31 - 4:36Nummer eins: Was auch immer passiert, ob Erfolg oder Versagen,
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4:36 - 4:39die Leute mit hohen Erwartungen fühlen sich immer besser.
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4:39 - 4:43Denn so, wie wir uns fühlen, wenn wir verlassen werden oder Angestellter des Monats werden,
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4:43 - 4:46hängt davon ab, wie wir dieses Ereignis interpretieren.
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4:46 - 4:50Die Psychologen Margaret Marshall und John Brown
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4:50 - 4:53untersuchten Studenten mit hohen und niedrigen Erwartungen.
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4:53 - 4:58Und sie fanden heraus, wenn Leute mit hohen Erwartungen Erfolg haben,
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4:58 - 5:00dann schreiben sie diesen Erfolg ihren Eigenschaften zu.
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5:00 - 5:03"Ich bin ein Genie, daher habe ich eine Eins bekommen,
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5:03 - 5:05daher bekomme ich in der Zukunft wieder und wieder Einsen."
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5:05 - 5:08Wenn sie scheiterten, lag es nicht daran, dass sie dumm sind,
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5:08 - 5:11sondern dass die Prüfung eben unfair war.
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5:11 - 5:14Das nächste Mal werden sie besser abschneiden.
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5:14 - 5:17Menschen mit niedrigen Erwartungen tun das Gegenteil.
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5:17 - 5:20Wenn sie scheiterten, geschah es, weil sie dumm sind,
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5:20 - 5:21und wenn sie Erfolg hatten,
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5:21 - 5:24lag es daran, dass die Prüfung zufällig sehr einfach war.
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5:24 - 5:27Das nächste Mal würde die Realität sie einholen
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5:27 - 5:29und sie würden sich noch schlechter fühlen.
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5:29 - 5:32Nummer zwei: Unabhängig vom Endergebnis
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5:32 - 5:36macht uns allein die Vorfreude schon glücklich.
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5:36 - 5:39Der Verhaltensökonom George Lowenstein
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5:39 - 5:41bat Studenten an seiner Universität,
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5:41 - 5:46sich einen leidenschaftlichen Kuss von einer prominenten Person ihrer Wahl vorzustellen.
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5:46 - 5:48Dann sagte er: "Wie viel würdet ihr bezahlen,
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5:48 - 5:50um einen Kuss von einer prominenten Person
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5:50 - 5:53zu erhalten, wenn der Kuss unmittelbar,
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5:53 - 5:58in drei Stunden, 24 Stunden, 3 Tagen,
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5:58 - 6:00einem Jahr oder 10 Jahren erfolgen würde?
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6:00 - 6:03Er fand heraus, dass die meisten Studenten das meiste bezahlen würden,
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6:03 - 6:05wenn der Kuss nicht unmittelbar erfolgte,
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6:05 - 6:08sondern in drei Tagen.
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6:08 - 6:12Sie würden draufzahlen, um darauf zu warten.
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6:12 - 6:15Sie wollten allerdings nicht ein Jahr oder zehn warten,
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6:15 - 6:17niemand möchte einen alternden Star küssen.
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6:17 - 6:22Aber drei Tage schienen die optimale Zeitspanne.
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6:22 - 6:24Wieso ist das so?
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6:24 - 6:27Tja, wenn man den Kuss jetzt bekommt, ist er vorbei.
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6:27 - 6:29Aber wenn man ihn in drei Tagen erhält,
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6:29 - 6:33dann sind das drei Tage der Vorfreude, der Nervenkitzel beim Warten.
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6:33 - 6:35Die Studenten wollten sich in dieser Zeit vorstellen,
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6:35 - 6:38wo es passieren würde,
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6:38 - 6:39wie es passieren würde.
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6:39 - 6:42Die Vorfreude machte sie glücklich.
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6:42 - 6:45Daher bevorzugen die Leute den Freitag dem Sonntag.
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6:45 - 6:48Es ist ein sehr seltsamer Umstand,
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6:48 - 6:51denn Freitag ist ein Arbeitstag und Sonntag ein freier Tag,
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6:51 - 6:54also könnte man annehmen, dass die Leute Sonntag eher mögen.
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6:54 - 6:56Aber sie tun es nicht.
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6:56 - 6:58Das liegt nicht daran, dass sie wirklich gerne im Büro sind,
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6:58 - 7:00und diese Spaziergänge im Park oder
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7:00 - 7:02das ausgedehnte Brunch nicht ausstehen können.
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7:02 - 7:04Wir wissen das, weil Leute, wenn man sie nach ihrem
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7:04 - 7:07absoluten Lieblingswochentag fragt –
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7:07 - 7:10Überraschung! – den Samstag zuerst nennen,
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7:10 - 7:13dann Freitag, dann der Sonntag.
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7:13 - 7:14Die Leute bevorzugen Freitag,
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7:14 - 7:18weil der Freitag die Vorfreude auf das Wochenende mit sich bringt,
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7:18 - 7:20alle Pläne, die man hat.
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7:20 - 7:23Am Sonntag kann man sich höchstens
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7:23 - 7:25auf die Arbeitswoche freuen.
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7:25 - 7:30Optimisten sind also Leute, die mehr Küsse in ihrer Zukunft erwarten,
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7:30 - 7:32mehr Spaziergänge im Park.
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7:32 - 7:36Und diese Vorfreude verbessert ihr Wohlbefinden.
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7:36 - 7:39Ohne den Hang zum Optimismus
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7:39 - 7:42wären wir alle ein bisschen deprimiert.
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7:42 - 7:44Leute mit leichter Depression
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7:44 - 7:47haben diesen Hang nicht, wenn sie in die Zukunft schauen.
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7:47 - 7:51Sie sind sogar realistischer als gesunde Individuen.
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7:51 - 7:53Aber Individuen mit ernsthafter Depression
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7:53 - 7:55haben einen Hang zum Pessimismus.
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7:55 - 7:58Sie erwarten also, dass die Zukunft
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7:58 - 8:00schlechter sein wird, als sie tatsächlich ist.
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8:00 - 8:03Optimismus ändert also die subjektive Realität.
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8:03 - 8:07Unsere Erwartung gegenüber der Welt ändert unsere Betrachtungsweise.
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8:07 - 8:10Sie verändert aber auch die objektive Realität.
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8:10 - 8:13Sie funktioniert wie eine selbsterfüllende Prophezeiung.
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8:13 - 8:15Und das ist der dritte Grund,
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8:15 - 8:18wieso eine niedrige Erwartungshaltung uns nicht glücklich macht.
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8:18 - 8:20Kontrollierte Experimente beweisen,
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8:20 - 8:23dass Optimismus nicht nur mit Erfolg verbunden ist:
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8:23 - 8:25Er führt zum Erfolg.
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8:25 - 8:30Optimismus führt zu akademischem, sportlichem und politischem Erfolg.
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8:30 - 8:34Und der vielleicht überraschendste Vorteil von Optimismus ist Gesundheit.
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8:34 - 8:38Wenn wir die Zukunft als rosig wahrnehmen,
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8:38 - 8:40dann werden Stress und Sorgen reduziert.
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8:40 - 8:44Zusammengefasst hat Optimismus also viele Vorzüge.
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8:44 - 8:48Doch die Frage, die mich wirklich verwirrte, war diese:
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8:48 - 8:52Wie können wir im Angesicht der Realität Optimismus bewahren?
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8:52 - 8:55Als Neurowissenschaftlerin war das besonders verwirrend,
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8:55 - 8:58denn laut all den existierenden Theorien
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8:58 - 9:02sollte man die Erwartungen verändern, wenn sie nicht eintreten.
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9:02 - 9:04Doch unsere Funde sehen anders aus.
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9:04 - 9:07Wir baten Leute, in unser Labor zu kommen,
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9:07 - 9:10denn wir wollten herausfinden, was vor sich ging.
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9:10 - 9:13Wir baten sie, die Wahrscheinlichkeit zu schätzen,
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9:13 - 9:15mit der ihnen schwierige Ereignisse in ihrem Leben bevorstünden.
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9:15 - 9:20Zum Beispiel: "Was ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie an Krebs erkranken?"
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9:20 - 9:22Und dann verrieten wir ihnen die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit,
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9:22 - 9:25mit der jemand wie sie solch ein Unglück erleben würde.
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9:25 - 9:28Zum Beispiel liegt die Krebsrate bei circa 30 Prozent.
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9:28 - 9:31Und wir fragten sie noch einmal:
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9:31 - 9:34"Wie wahrscheinlich werden Sie an Krebs leiden?"
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9:34 - 9:36Wir wollten wissen, ob die Leute
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9:36 - 9:39die von uns gegebenen Informationen nehmen würden,
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9:39 - 9:41um ihre Überzeugung zu ändern.
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9:41 - 9:44Und sie taten das tatsächlich –
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9:44 - 9:46aber meist, wenn die Information, die wir ihnen gegeben hatten,
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9:46 - 9:49besser war, als sie angenommen hatten.
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9:49 - 9:50Zum Beispiel
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9:50 - 9:53sagte jemand: "Die Wahrscheinlichkeit, dass ich an Krebs erkranke,
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9:53 - 9:56liegt bei 50 Prozent",
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9:56 - 9:58und wir antworteten: "Wir haben gute Neuigkeiten.
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9:58 - 10:01Der Durchschnitt liegt bei 30 Prozent",
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10:01 - 10:03dann würde die Person das nächste Mal sagen,
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10:03 - 10:06"Vielleicht liegt meine Krebswahrscheinlichkeit nur bei 35 %."
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10:06 - 10:08Sie lernten also schnell und effektiv.
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10:08 - 10:11Aber wenn jemand zuerst sagte:
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10:11 - 10:14"Die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung bei mir liegt bei 10 %",
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10:14 - 10:17und wir sagten: "Tut uns ja leid,
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10:17 - 10:20aber die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit liegt bei 30 Prozent",
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10:20 - 10:22dann sagte die Person das nächste Mal:
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10:22 - 10:25"Jupp, ich glaube immer noch, dass es um die 11 Prozent ist."
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10:25 - 10:27(Lachen)
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10:27 - 10:30Sie hatten also durchaus unsere Antwort berücksichtigt,
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10:30 - 10:32aber viel, viel weniger, als wenn wir ihnen
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10:32 - 10:35positive Informationen über die Zukunft gegeben hatten.
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10:35 - 10:38Sie hatten auch nicht die Zahlen vergessen, die wir genannt hatten –
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10:38 - 10:41niemand vergisst, dass die Durchschnittswahrscheinlichkeit von Krebs
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10:41 - 10:43bei etwa 30 Prozent liegt,
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10:43 - 10:45und die durchschnittlichen Scheidungsraten bei etwa 40 Prozent.
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10:45 - 10:50Doch sie empfanden nicht, dass die Zahlen auf sie zutrafen.
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10:50 - 10:54Das bedeutet, dass solche Warnsignale möglicherweise
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10:54 - 10:57nur begrenzte Wirkung haben.
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10:57 - 11:01Ja, Rauchen tötet, aber hauptsächlich tötet es die anderen.
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11:01 - 11:03Ich wollte wissen,
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11:03 - 11:06was in einem menschlichen Gehirn vor sich geht,
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11:06 - 11:10das uns davon abhält, diese Warnsignale persönlich zu nehmen.
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11:10 - 11:11Doch zur selben Zeit hören wir,
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11:11 - 11:13dass es auf dem Immobilienmarkt gut läuft, und denken:
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11:13 - 11:18"Oh, mein Haus wird sich im Preis definitiv verdoppeln!"
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11:18 - 11:20Um dem auf den Grund zu kommen,
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11:20 - 11:22bat ich die Teilnehmer an unserem Experiment,
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11:22 - 11:24sich in einen Gehirnbild-Scanner zu legen.
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11:24 - 11:26Das sieht so aus.
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11:26 - 11:29Und mit einer Methode namens funktionelles MRT
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11:29 - 11:32konnten wir Regionen im Gehirn identifizieren,
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11:32 - 11:35die auf positive Informationen reagierten.
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11:35 - 11:39Eine dieser Regionen ist der linke Gyrus frontalis inferior.
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11:39 - 11:43Wenn jemand also sagte: "Ich bekomme mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % Krebs",
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11:43 - 11:44und wir sagten: "Gute Nachrichten!
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11:44 - 11:47Der Durchschnitt liegt bei 30 Prozent.",
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11:47 - 11:50dann würde der linke Gyrus frontalis inferior stark ausschlagen.
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11:50 - 11:55Dabei war es egal, ob man ein extremer oder milder Optimist
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11:55 - 11:57oder leicht pessimistisch war,
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11:57 - 12:00der linke Gyrus frontalis inferior funktionierte
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12:00 - 12:01bei jedem gleich gut,
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12:01 - 12:04ob man nun Barack Obama ist oder Woody Allen.
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12:04 - 12:06Auf der anderen Seite des Gehirns
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12:06 - 12:11reagierte der rechte Gyrus frontalis inferior auf die schlechten Nachrichten.
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12:11 - 12:14Und hier ist der Clou: Er tat das nicht sonderlich gut.
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12:14 - 12:16Je optimistischer man war,
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12:16 - 12:19umso weniger würde diese Region auf
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12:19 - 12:22unerwartete negative Informationen reagieren.
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12:22 - 12:25Und wenn Ihr Gehirn dabei versagt,
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12:25 - 12:28schlechte Neuigkeiten über die Zukunft zu verarbeiten,
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12:28 - 12:33dann behält man ständig die rosarote Brille auf.
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12:33 - 12:38Wir wollten also wissen: Können wir das ändern?
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12:38 - 12:41Können wir den Hang zum Optimismus verändern,
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12:41 - 12:45indem wir in die entsprechende Hirnaktivität eingreifen?
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12:45 - 12:48Und es gab tatsächlich eine Möglichkeit.
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12:48 - 12:50Das ist mein Mitarbeiter Ryota Kanai.
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12:50 - 12:54Er schickt gerade einen kleinen magnetischen Impuls
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12:54 - 12:56durch den Schädel unseres Untersuchungsteilnehmers,
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12:56 - 12:59in ihren Gyrus frontalis inferior.
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12:59 - 13:00Und auf diese Weise
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13:00 - 13:03kann er in die Aktivität dieser Gehirnregion eingreifen,
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13:03 - 13:05ungefähr eine halbe Stunde lang.
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13:05 - 13:07Danach ist alles wieder wie vorher, versprochen.
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13:07 - 13:09(Lachen)
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13:09 - 13:13Also schauen wir mal, was passiert.
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13:13 - 13:15Zuerst werde ich Ihnen die Durchschnittswerte
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13:15 - 13:17für den Hang zum Optimismus zeigen.
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13:17 - 13:20Wenn ich Sie alle jetzt testen würde,
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13:20 - 13:22dann wäre das die Menge, die Sie mehr aus
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13:22 - 13:25guten als aus schlechten Nachrichten lernen würden.
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13:25 - 13:28Jetzt greifen wir in die Region ein,
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13:28 - 13:32die laut unseren Erkenntnissen negative Informationen integriert,
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13:32 - 13:36und der Hang zum Optimismus wurde noch größer.
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13:36 - 13:41Wir vergrößerten also den Hang zum Optimismus bei der Informationsverarbeitung.
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13:41 - 13:44Dann griffen wir in die Gehirnregion ein,
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13:44 - 13:48in der die guten Nachrichten verarbeitet werden,
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13:48 - 13:52und der Hang zum Optimismus verschwand.
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13:52 - 13:54Diese Ergebnisse waren verblüffend,
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13:54 - 13:56denn wir konnten diesen tief in uns Menschen
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13:56 - 13:59verwurzelten Hang eliminieren.
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13:59 - 14:04Und an diesem Punkt hielten wir inne und fragten uns,
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14:04 - 14:09ob wir wirklich die Optimismustäuschung zerschmettern wollten?
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14:09 - 14:14Wenn wir es tun könnten, würden wir Leuten den Hang zum Optimismus wegnehmen?
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14:14 - 14:19Nach allem, was ich Ihnen vom Hang zum Optimismus erzählt habe,
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14:19 - 14:23würden wir uns wohl bis zum Letzten daran festklammern.
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14:23 - 14:25Aber es gibt natürlich Stolperfallen,
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14:25 - 14:28und es wäre närrisch, diese einfach zu ignorieren.
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14:28 - 14:32Zum Beispiel hier eine E-Mail, die mir ein
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14:32 - 14:35Feuerwehrmann hier in Kalifornien geschickt hat.
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14:35 - 14:38Er sagt: "Die Untersuchung von Todesfällen bei Feuerwehrleuten
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14:38 - 14:42umfasst oft: 'Wir hätten nicht gedacht, dass das Feuer sich so entwickelt',
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14:42 - 14:44selbst wenn alle nötigen Informationen zur Verfügung standen,
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14:44 - 14:47um sichere Entscheidungen zu treffen."
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14:47 - 14:51Dieser Hauptmann wird unsere Erkenntnisse dazu nutzen,
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14:51 - 14:53den Feuerwehrleuten zu erklären,
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14:53 - 14:55wieso sie gewisse Dinge denken,
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14:55 - 15:02um ihnen diesen menschlichen Hang bewusst zu machen.
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15:02 - 15:07Unrealistischer Optimismus kann also zu riskantem Verhalten führen,
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15:07 - 15:11zu finanziellem Zusammenbruch, fehlerhafter Planung.
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15:11 - 15:13Die britische Regierung zum Beispiel
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15:13 - 15:16hat erkannt, dass der Hang zum Optimismus
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15:16 - 15:19dazu führen kann, dass Individuen
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15:19 - 15:23die Dauer und Kosten von Projekten eher unterschätzen.
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15:23 - 15:27Also haben sie das Budget für die Olympischen Spiele 2012
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15:27 - 15:29auf den Hang zum Optimismus angepasst.
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15:29 - 15:32Ein Freund von mir heiratet in ein paar Wochen
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15:32 - 15:34und hat dasselbe mit seiner Hochzeitsplanung gemacht.
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15:34 - 15:37Als ich ihn übrigens zu der Wahrscheinlichkeit seiner Scheidung befragte,
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15:37 - 15:41war er sich recht sicher, dass sie bei null Prozent liegt.
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15:41 - 15:43Was wir also wirklich gern tun würden,
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15:43 - 15:47ist uns vor den Gefahren des Optimismus zu schützen,
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15:47 - 15:50aber zur selben Zeit die Hoffnung zu bewahren,
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15:50 - 15:53und von den zahlreichen Vorzügen des Optimismus zehren.
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15:53 - 15:56Ich bin überzeugt, dass es so eine Lösung gibt.
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15:56 - 15:58Der Schlüssel hier ist Wissen.
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15:58 - 16:01Uns ist kein Verständnis unserer Tendenzen angeboren.
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16:01 - 16:05Sie müssen durch wissenschaftliche Arbeit identifiziert werden.
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16:05 - 16:09Doch die gute Nachricht ist, dass unsere Illusion nicht kaputt geht,
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16:09 - 16:11wenn wir uns dieses Hangs bewusst werden.
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16:11 - 16:13Es ist wie mit optischen Täuschungen:
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16:13 - 16:16Auch wenn wir sie verstehen, täuschen sie unser Auge immer noch.
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16:16 - 16:19Und das ist gut, denn es bedeutet,
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16:19 - 16:21dass wir ein Gleichgewicht erreichen können,
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16:21 - 16:23dass wir Pläne und Regeln aufstellen können,
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16:23 - 16:26um uns vor unrealistischem Optimismus zu schützen,
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16:26 - 16:29doch zur selben Zeit voller Hoffnung zu bleiben.
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16:29 - 16:33Diese Karikatur stellt es gut dar, finde ich.
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16:33 - 16:36Denn sind Sie eines der pessimistischen Pinguine hier,
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16:36 - 16:38das einfach nicht daran glaubt, fliegen zu können,
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16:38 - 16:41werden Sie es auch niemals tun.
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16:41 - 16:43Denn für jedwede Art von Fortschritt
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16:43 - 16:45müssen wir uns eine andere Realität vorstellen können,
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16:45 - 16:49und wir müssen dann daran glauben, dass sie möglich ist.
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16:49 - 16:52Sind Sie aber ein extrem optimistisches Pinguin,
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16:52 - 16:55das auf das Beste hoffend einfach den großen Sprung wagt,
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16:55 - 17:00dann haben Sie beim Aufprall vielleicht ein kleines Problem.
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17:00 - 17:02Ein optimistisches Pinguin jedoch,
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17:02 - 17:03das daran glaubt, dass es fliegen kann,
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17:03 - 17:06aber vorsichtshalber doch einen Fallschirm mitnimmt,
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17:06 - 17:09falls die Dinge nicht ganz so laufen wie geplant,
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17:09 - 17:11wird wie ein Adler fliegen können,
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17:11 - 17:14auch wenn es nur ein Pinguin ist.
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17:14 - 17:16Danke.
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17:16 - 17:19(Beifall)
- Title:
- Tali Sharot: Der Hang zum Optimismus
- Speaker:
- Tali Sharot
- Description:
-
Sind wir zum Optimismus geboren, und nicht zum Realismus? Tali Sharot erzählt von neuen Forschungen, die darauf hindeuten, dass unsere Gehirne eher auf der Sonnenseite agieren – und wie das sowohl Vorzüge als auch Risiken birgt.
- Video Language:
- English
- Team:
- closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 17:40
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