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Ist Religion gut oder schlecht? (Achtung Fangfrage)

  • 0:01 - 0:05
    Die Menschen haben zum Thema Religion
    immer etwas zu sagen.
  • 0:05 - 0:07
    (Gelächter)
  • 0:07 - 0:09
    Der grandiose Christopher Hitchens
  • 0:09 - 0:11
    schrieb das Buch "Der Herr ist kein Hirte"
  • 0:11 - 0:14
    mit dem Untertitel
    "Wie Religion die Welt vergiftet."
  • 0:14 - 0:15
    (Gelächter)
  • 0:15 - 0:18
    Aber letzten Monat las man
    im Time Magazine
  • 0:18 - 0:21
    die Aussage von Rabbi David Wolpe,
  • 0:21 - 0:23
    der offenbar "Amerikas Rabbi"
    genannt wird,
  • 0:23 - 0:28
    -- um es dieser negativen
    Charakterisierung entgegenzuhalten --
  • 0:28 - 0:31
    dass jede wichtige Form
    sozialer Veränderung
  • 0:31 - 0:35
    nur durch organisierte Religion
    erreicht werden kann.
  • 0:35 - 0:37
    Solche Äußerungen auf negativer
  • 0:37 - 0:40
    und positiver Seite sind schon alt.
  • 0:40 - 0:42
    Ich habe hier ein Zitat in der Hosentasche
  • 0:42 - 0:48
    von Lukrez aus dem 1. Jahrhundert v. Chr.
  • 0:48 - 0:51
    Er schrieb in seinem Werk
    "Über die Natur der Dinge":
  • 0:51 - 0:56
    "Tantum religio potuit suadere malorum" --
  • 0:56 - 0:58
    das hätte ich auswendig lernen können --
  • 0:58 - 1:01
    was bedeutet,
    so einfach ist es für die Religion,
  • 1:01 - 1:04
    Menschen zu schlechten Taten zu bewegen.
  • 1:04 - 1:07
    Dabei meinte er
    Agamemnons Entscheidung,
  • 1:07 - 1:11
    seine Tochter Iphigenie
    auf einem Altar zu opfern,
  • 1:11 - 1:14
    um damit die Chancen
    seiner Armee zu steigern.
  • 1:14 - 1:16
    Diese langen Debatten
    über Religion werden schon
  • 1:16 - 1:18
    seit Jahrhunderten geführt,
  • 1:18 - 1:20
    eigentlich schon seit Jahrtausenden.
  • 1:20 - 1:22
    Die Menschen sprachen viel darüber,
  • 1:22 - 1:24
    sagten Gutes und Schlechtes
  • 1:24 - 1:27
    und manchen war es auch gleichgültig.
  • 1:27 - 1:30
    Ich möchte Sie heute davon überzeugen,
  • 1:30 - 1:35
    dass diese Debatten
    gewissermaßen unsinnig sind,
  • 1:35 - 1:39
    weil es so etwas wie Religion nicht gibt
  • 1:39 - 1:41
    und diese Behauptungen
    damit hinfällig sind.
  • 1:41 - 1:43
    Diese Sache namens "Religion"
    existiert nicht
  • 1:43 - 1:46
    und kann deswegen
    weder gut noch schlecht sein.
  • 1:46 - 1:48
    Sie kann auch nicht egal sein.
  • 1:48 - 1:50
    Mit manchen Behauptungen wird versucht,
  • 1:50 - 1:54
    die Existenz von Dingen zu widerlegen.
  • 1:54 - 1:57
    Dabei wird oft wie folgt vorgegangen:
  • 1:57 - 2:01
    Zunächst bietet man eine Definition
    einer bestimmten Sache an und sieht,
  • 2:01 - 2:04
    ob sie mit irgendetwas übereinstimmt.
  • 2:04 - 2:07
    Und genau mit diesem Punkt
  • 2:07 - 2:08
    werde ich nun beginnen.
  • 2:08 - 2:11
    Wenn Sie also in
    Wörterbüchern nachschlagen
  • 2:11 - 2:12
    oder darüber nachdenken,
  • 2:12 - 2:15
    ist eine sehr natürliche
    Definition von Religion,
  • 2:15 - 2:20
    dass sie den Glauben an Gott
    oder spirituelle Wesen beinhaltet.
  • 2:20 - 2:23
    Wie gesagt, findet man dies
    in vielen Wörterbüchern,
  • 2:23 - 2:26
    aber auch im Werk von Sir Edward Tylor,
  • 2:26 - 2:28
    dem ersten Professor für
    Anthropologie in Oxford
  • 2:28 - 2:30
    und einem der ersten
    modernen Anthropologen.
  • 2:30 - 2:33
    In seinem Buch über primitive Kultur
  • 2:33 - 2:36
    nennt er als Kernstück der Religion
    den "Animismus",
  • 2:36 - 2:40
    der Glaube an ein höheres
    spirituelles Wesen, der Glaube an Geister.
  • 2:40 - 2:42
    Das erste Problem dieser Definition
  • 2:42 - 2:44
    stammt aus dem aktuellen
    Roman "Tuff" von Paul Beatty.
  • 2:44 - 2:46
    Ein Mann spricht mit einem Rabbi.
  • 2:46 - 2:48
    Der Rabbi sagt, er glaube nicht an Gott.
  • 2:48 - 2:51
    Der Mann fragt: "Wie kannst
    du nicht an Gott glauben?"
  • 2:51 - 2:54
    Die Antwort: "Das ist ja gerade
    das Tolle am Judentum.
  • 2:54 - 2:56
    Du musst nicht an einen Gott glauben,
  • 2:56 - 2:59
    nur daran, ein Jude zu sein." (Gelächter)
  • 2:59 - 3:02
    Wenn dieser Mann also
    ein jüdischer Rabbi ist
  • 3:02 - 3:05
    und man an Gott glauben muss,
    um religiös zu sein,
  • 3:05 - 3:08
    dann kommen wir zu der eher
    abwegigen Schlussfolgerung,
  • 3:08 - 3:10
    dass, wenn man als jüdischer Rabbi
  • 3:10 - 3:12
    nicht an Gott glauben muss,
  • 3:12 - 3:15
    das Judentum keine Religion sei.
  • 3:15 - 3:18
    Und das scheint nun wirklich sehr abwegig.
  • 3:18 - 3:21
    Hier ist ein anderes Argument dagegen.
  • 3:21 - 3:23
    Ein Freund von mir, ein Inder,
  • 3:23 - 3:26
    ging als kleines Kind zu seinem Großvater
  • 3:26 - 3:27
    und sagte zu ihm:
  • 3:27 - 3:29
    "Ich möchte mit dir über
    Religion sprechen."
  • 3:29 - 3:30
    Die Antwort: "Du bist zu jung,
  • 3:30 - 3:32
    komm wieder, wenn du älter bist."
  • 3:32 - 3:33
    Also kam er als Teenager wieder
  • 3:33 - 3:35
    und sagte zu seinem Großvater:
  • 3:35 - 3:36
    "Jetzt ist es zu spät,
  • 3:36 - 3:40
    denn ich habe gemerkt,
    dass ich nicht an die Götter glaube."
  • 3:40 - 3:42
    Und sein Großvater,
    ein weiser Mann, sagte:
  • 3:42 - 3:44
    "Ah, also gehörst du
    zum atheistischen Teil
  • 3:44 - 3:48
    der Hindu-Tradition." (Gelächter)
  • 3:48 - 3:51
    Zu guter Letzt, gibt es diesen Mann,
  • 3:51 - 3:54
    der bekanntermaßen nicht an Gott glaubt.
  • 3:54 - 3:55
    Es ist der Dalai Lama.
  • 3:55 - 3:58
    Er scherzt oft, er sei einer
    der weltweit führenden Atheisten
  • 3:58 - 4:01
    und das stimmt sogar,
    denn Dalai Lamas Religion
  • 4:01 - 4:04
    beinhaltet keinen Glauben an Gott.
  • 4:04 - 4:06
    Vielleicht denken Sie jetzt,
  • 4:06 - 4:09
    dass ich Ihnen einfach
    die falsche Definition gegeben habe
  • 4:09 - 4:11
    und dass ich mir eine
    neue überlegen sollte,
  • 4:11 - 4:13
    um sie wieder mit
    diesen Fällen zu vergleichen
  • 4:13 - 4:15
    und etwas zu finden,
  • 4:15 - 4:18
    das atheistisches Judentum,
    atheistischen Hinduismus
  • 4:18 - 4:21
    und atheistischen Buddhismus
    als Arten von Religiosität versteht.
  • 4:21 - 4:23
    Ich halte das für keine gute Idee,
  • 4:23 - 4:25
    weil ich glaube,
  • 4:25 - 4:27
    dass unsere Vorstellung von Religion
  • 4:27 - 4:29
    so nicht funktioniert.
  • 4:29 - 4:30
    Ich denke, unser Konzept besteht
  • 4:30 - 4:35
    aus einer Art Liste
    mit allen Musterreligionen
  • 4:35 - 4:38
    und ihren Unterformen
  • 4:38 - 4:41
    und wenn etwas Neues auftaucht,
  • 4:41 - 4:43
    das angeblich eine Religion ist,
    fragen wir uns:
  • 4:43 - 4:45
    "Ähnelt es einer von den anderen?"
  • 4:45 - 4:47
    Nicht wahr?
  • 4:47 - 4:49
    Und ich glaube, wir denken
  • 4:49 - 4:51
    nicht nur über Religion so.
  • 4:51 - 4:53
    Aus unserer Sicht sollte auch alles
  • 4:53 - 4:55
    auf der Liste wirklich eine Religion sein.
  • 4:55 - 4:57
    Darum denke ich, eine Definition,
  • 4:57 - 4:59
    die Buddhismus und das Judentum auslässt,
  • 4:59 - 5:01
    ist kein guter Ausgangspunkt,
  • 5:01 - 5:04
    denn die sind ja auf unserer Liste.
  • 5:04 - 5:06
    Aber warum haben wir so eine Liste?
  • 5:06 - 5:08
    Was ist los? Wie kam es dazu,
  • 5:08 - 5:10
    dass wir diese Liste haben?
  • 5:10 - 5:13
    Ich glaube, die Antwort ist einfach,
  • 5:13 - 5:15
    und gleichzeitig derb und kontrovers.
  • 5:15 - 5:17
    Sicherlich sind viele anderer Meinung,
  • 5:17 - 5:19
    aber dies ist meine Version
  • 5:19 - 5:21
    und egal ob sie stimmt,
  • 5:21 - 5:24
    diese Geschichte gibt Ihnen
    ein gutes Gefühl dafür,
  • 5:24 - 5:25
    wie die Liste entstanden sein kann
  • 5:25 - 5:27
    und hilft Ihnen eventuell,
  • 5:27 - 5:28
    ihren Nutzen zu verstehen.
  • 5:28 - 5:31
    Ich denke die Antwort sind Europäer,
  • 5:31 - 5:34
    die ungefähr zu Kolumbus' Zeiten begannen,
  • 5:34 - 5:35
    um die Welt zu reisen.
  • 5:35 - 5:37
    Sie kamen aus einer christlichen Kultur
  • 5:37 - 5:39
    und als sie an den
    neuen Orten ankamen,
  • 5:39 - 5:42
    bemerkten sie, dass manche
    Menschen keine Christen waren
  • 5:42 - 5:44
    und so stellten sie sich
    die folgende Frage:
  • 5:44 - 5:47
    Was haben sie anstelle des Christentums?
  • 5:47 - 5:51
    Und so kam die Liste zustande.
  • 5:51 - 5:52
    Sie besteht aus den Dingen,
  • 5:52 - 5:55
    die andere anstelle
    des Christentums hatten.
  • 5:55 - 5:59
    Es ist schwierig, auf diese
    Weise weiterzumachen,
  • 5:59 - 6:01
    denn das Christentum ist,
  • 6:01 - 6:06
    sogar auf dieser Liste,
    eine sehr spezifische Tradition.
  • 6:06 - 6:07
    Es hat viele Aspekte,
  • 6:07 - 6:10
    die sehr, sehr speziell sind,
  • 6:10 - 6:12
    und das Ergebnis der Besonderheiten
  • 6:12 - 6:14
    der christlichen Geschichte sind.
  • 6:14 - 6:16
    Das Wichtigste dabei ist --
  • 6:16 - 6:19
    der Kern der allgemeinen
    Sichtweise auf das Christentum --
  • 6:19 - 6:21
    ein Resultat der spezifischen Geschichte:
  • 6:21 - 6:24
    Es ist eine sehr gläubige Religion.
  • 6:24 - 6:27
    Eine Religion, in der Menschen
    sehr darauf bedacht sind,
  • 6:27 - 6:30
    dass man an die richtigen Dinge glaubt.
  • 6:30 - 6:32
    Die interne Geschichte des Christentums
  • 6:32 - 6:34
    ist größtenteils die von Menschen,
  • 6:34 - 6:37
    die sich gegenseitig töten,
    weil sie an das Falsche glaubten
  • 6:37 - 6:40
    und dies bezieht Kämpfe
    mit anderen Religionen mit ein,
  • 6:40 - 6:43
    die eindeutig schon
    im Mittelalter beginnen.
  • 6:43 - 6:45
    Ein Kampf mit dem Islam,
  • 6:45 - 6:48
    in dem erneut die Ungläubigkeit,
  • 6:48 - 6:50
    die Tatsache, dass sie
    an das Falsche glaubten,
  • 6:50 - 6:53
    die christliche Welt
    sehr zu kränken schien.
  • 6:53 - 6:58
    Das Christentum hat eine sehr
    spezifische und besondere Geschichte
  • 6:58 - 7:01
    und nicht überall ist alles,
  • 7:01 - 7:05
    was auf dieser Liste steht, genau so.
  • 7:05 - 7:08
    Es gibt ein weiteres Problem.
    Etwas Besonderes geschah.
  • 7:08 - 7:10
    Ich habe früher darauf hingewiesen.
  • 7:10 - 7:12
    Etwas Besonderes ereignete sich
  • 7:12 - 7:14
    in der Geschichte der Art von Christentum,
  • 7:14 - 7:17
    die wir heute vor allem
    in den USA um uns herum sehen.
  • 7:17 - 7:20
    Es geschah im späten 19. Jahrhundert
  • 7:20 - 7:22
    und diese besondere Sache,
  • 7:22 - 7:25
    die sich im 19. Jh. ereignete,
    war eine Art Abmachung
  • 7:25 - 7:28
    zwischen der Wissenschaft --
  • 7:28 - 7:33
    der neuen Art, geistige
    Instanzen zu organisieren --
  • 7:33 - 7:35
    und der Religion.
  • 7:35 - 7:37
    Denken Sie an das 18. Jahrhundert,
  • 7:37 - 7:39
    oder vielmehr an das intellektuelle Leben
  • 7:39 - 7:41
    vor dem späten 19. Jahrhundert:
  • 7:41 - 7:44
    Alles was man tat,
    alles worüber man nachdachte,
  • 7:44 - 7:48
    ob es die physische Welt,
    die menschliche Welt,
  • 7:48 - 7:50
    die natürliche Welt
    neben der menschlichen,
  • 7:50 - 7:52
    oder gar Moral war, alles was man tat,
  • 7:52 - 7:55
    war umrahmt von
    einem Gebilde aus Annahmen,
  • 7:55 - 7:58
    nämlich religiöser, christlicher Annahmen.
  • 7:58 - 7:59
    Man konnte keine Aussage
  • 7:59 - 8:01
    über die natürliche Welt treffen,
  • 8:01 - 8:04
    die nicht auch etwas über ihr Verhältnis,
  • 8:04 - 8:06
    zum Beispiel zur Schöpfungsgeschichte
  • 8:06 - 8:07
    in der abrahamitischen Tradition,
  • 8:07 - 8:10
    zur Schöpfungsgeschichte im
    ersten Buch der Tora, aussagte.
  • 8:10 - 8:14
    Alles war also auf
    diese Weise beeinflusst.
  • 8:14 - 8:16
    Das ändert sich aber
    im späten 19. Jahrhundert
  • 8:16 - 8:18
    und zum ersten Mal
    ist es den Menschen möglich,
  • 8:18 - 8:21
    einen ernsthaften
    intellektuellen Beruf zu haben,
  • 8:21 - 8:23
    als z. B. Naturforscher, wie Darwin.
  • 8:23 - 8:25
    Darwin sorgte sich über das Verhältnis
  • 8:25 - 8:27
    seiner Aussagen zu
    den Wahrheiten der Religion,
  • 8:27 - 8:29
    aber er konnte weiterforschen
  • 8:29 - 8:31
    und Bücher über sein Thema schreiben,
  • 8:31 - 8:33
    ohne genau sagen zu müssen,
  • 8:33 - 8:35
    wie sie zu den religiösen
    Behauptungen passten,
  • 8:35 - 8:38
    und auch Geologen konnten
    zunehmend darüber reden.
  • 8:38 - 8:40
    Ein Geologe im frühen 19. Jahhundert
  • 8:40 - 8:42
    musste seine Thesen zum Erdalter entweder
  • 8:42 - 8:45
    entweder im Einklang mit
    den Aussagen der Genesis halten
  • 8:45 - 8:47
    oder erklären, warum dem nicht so war.
  • 8:47 - 8:49
    Ende des 19. Jahrhunderts
  • 8:49 - 8:50
    konnte man in einem Geologielehrbuch
  • 8:50 - 8:53
    einfach Thesen zum Erdalter anstellen.
  • 8:53 - 8:55
    Es gab also eine große Veränderung
  • 8:55 - 8:58
    und die intellektuelle
    Aufteilung der Arbeit
  • 8:58 - 9:00
    festigt sich meiner Meinung nach,
  • 9:00 - 9:03
    sodass zum Ende
    des 19. Jahhunderts in Europa
  • 9:03 - 9:06
    eine echte intellektuelle Trennung
    der Arbeit existiert
  • 9:06 - 9:08
    und man allerlei
    ernsthafte Berufe ergreifen kann.
  • 9:08 - 9:11
    Sogar zunehmend philosophische Berufe,
  • 9:11 - 9:14
    ohne sich dabei von dem
    Gedanken einschränken zu lassen:
  • 9:14 - 9:18
    "Alles, was ich sage, muss mit
    den Wahrheiten übereinstimmen,
  • 9:18 - 9:22
    die unsere religiösen
    Traditionen mir gegeben haben."
  • 9:22 - 9:25
    Ich kann mir vorstellen,
    dass jemand, der aus der Welt
  • 9:25 - 9:28
    des späten 19. Jahrhunderts
  • 9:28 - 9:31
    in mein Heimatland Ghana kommt,
  • 9:31 - 9:34
    in die Gemeinde Asante,
    in der in aufgewachsen bin.
  • 9:34 - 9:36
    Ende des 19. beziehungsweise
    Anfang des 20. Jahrhunderts
  • 9:36 - 9:40
    kommt also jemand mit der Frage,
    die die Liste hat entstehen lassen:
  • 9:40 - 9:43
    Was haben sie anstelle des Christentums?
  • 9:43 - 9:46
    Hier ist eine Sache,
    die der Person aufgefallen wäre.
  • 9:46 - 9:48
    Übrigens gab es diese Person wirklich.
  • 9:48 - 9:51
    Captain Rattray wurde
    von der britischen Regierung
  • 9:51 - 9:54
    als Anthropologe geschickt und
    schrieb über die Asante-Religion.
  • 9:54 - 9:56
    Dies ist eine "Seelenscheibe".
  • 9:56 - 9:58
    Man findet davon viele im British Museum.
  • 9:58 - 10:00
    Ich könnte eine andere
    Geschichte erzählen,
  • 10:00 - 10:02
    wie es dazu kommt,
  • 10:02 - 10:05
    dass viele Dinge aus meiner Gemeinde
    im British Museum landen,
  • 10:05 - 10:07
    aber dafür haben wir keine Zeit.
  • 10:07 - 10:08
    Das ist also eine Seelenscheibe.
  • 10:08 - 10:10
    Was ist das?
  • 10:10 - 10:14
    Die Seelenreiniger des Asante-Königs
    trugen sie um den Hals.
  • 10:14 - 10:18
    Was war ihre Aufgabe?
    Die Reinigung der Seele des Königs.
  • 10:18 - 10:19
    Es würde zu lange dauern, zu erklären,
  • 10:19 - 10:23
    wie eine Seele gereinigt werden kann,
  • 10:23 - 10:26
    aber Rattray wusste,
    dass es um Religion ging,
  • 10:26 - 10:29
    denn es waren Seelen involviert.
  • 10:29 - 10:31
    Gleichzeitig gab es noch
  • 10:31 - 10:33
    viele andere Dinge, viele andere Sitten.
  • 10:33 - 10:36
    Zum Beispiel, jedes Mal,
    wenn man etwas trank,
  • 10:36 - 10:38
    schüttete man etwas davon auf den Boden,
  • 10:38 - 10:39
    das nannte man Trankopfer,
  • 10:39 - 10:41
    und gab so den Vorfahren etwas ab.
  • 10:41 - 10:43
    Mein Vater tat das.
    Bei jeder Flasche Whiskey,
  • 10:43 - 10:45
    die er öffnete, das kam häufig vor,
  • 10:45 - 10:49
    schraubte er den Deckel ab und schüttete
    ein bisschen davon auf den Boden,
  • 10:49 - 10:50
    er sprach dabei auch,
  • 10:50 - 10:54
    er trank auf Akroma-Ampim,
    den Gründer unseres Volkes,
  • 10:54 - 10:55
    oder Yao Antony,
    meinen Großonkel,
  • 10:55 - 10:59
    er sprach mit ihnen und
    bot ihnen etwas Whiskey an.
  • 10:59 - 11:02
    Zu guter Letzt gab es noch
    große öffentliche Zeremonien.
  • 11:02 - 11:05
    Dies ist eine Zeichnung
    aus dem frühen 19. Jahrhundert
  • 11:05 - 11:07
    von einem britischen Militäroffizier.
  • 11:07 - 11:10
    Der König nahm teil. Seine Aufgabe dabei,
  • 11:10 - 11:12
    einer wichtiger Teil davon,
  • 11:12 - 11:15
    neben der Organisation
    von Kriegen etc., war es,
  • 11:15 - 11:18
    über die Gräber seiner Vorfahren zu wachen
  • 11:18 - 11:22
    und wenn ein König starb, wurde
    der Stuhl auf dem er saß, geschwärzt
  • 11:22 - 11:24
    und in den königlichen
    Ahnentempel gebracht.
  • 11:24 - 11:27
    Alle 40 Tage muss der König von Asante
  • 11:27 - 11:30
    dort hingehen und Rituale
    für seine Vorfahren durchführen.
  • 11:30 - 11:31
    Das ist Teil seiner Aufgabe
  • 11:31 - 11:34
    und die Menschen glauben,
    wenn er das nicht tut,
  • 11:34 - 11:35
    gäbe es Chaos.
  • 11:35 - 11:37
    Er ist also sowohl eine religiöse Gestalt,
  • 11:37 - 11:41
    so hätte es Rattray genannt,
    als auch eine politische.
  • 11:41 - 11:46
    Für Rattray würde
    all dies als Religion zählen,
  • 11:46 - 11:47
    aber mein Punkt ist,
  • 11:47 - 11:49
    wenn Sie das Leben
    dieser Menschen ansehen,
  • 11:49 - 11:52
    merken Sie, dass sie
    bei allem, was sie tun,
  • 11:52 - 11:54
    an ihre Vorfahren denken.
  • 11:54 - 11:56
    Jeden Morgen beim Frühstück
  • 11:56 - 11:58
    geht man nach draußen vor das Haus
  • 11:58 - 12:01
    und bietet dem Gottesbaum,
    dem "nyame dua" vor dem Haus,
  • 12:01 - 12:03
    eine Opfergabe und wieder
    spricht man zu den Göttern,
  • 12:03 - 12:06
    hohen und niederen,
    zu den Vorfahren und so weiter.
  • 12:06 - 12:09
    In dieser Welt hat die Trennung
  • 12:09 - 12:12
    zwischen Wissenschaft und Religion
    nicht stattgefunden.
  • 12:12 - 12:16
    Religion wurde nicht von den
    anderen Teilen des Lebens abgegrenzt.
  • 12:16 - 12:19
    In dieser Welt -- und das ist
    für ihr Verständnis wichtig --
  • 12:19 - 12:21
    werden die Aufgaben der Wissenschaft
  • 12:21 - 12:24
    von dem erledigt, was Rattray
    später Religion nennen wird.
  • 12:24 - 12:27
    Denn wenn sie eine Erklärung dafür suchen,
  • 12:27 - 12:28
    warum die Ernte schwach war,
  • 12:28 - 12:29
    warum es regnet,
  • 12:29 - 12:32
    oder nicht regnet,
    wenn sie Regen brauchen,
  • 12:32 - 12:34
    wenn sie wissen wollen,
  • 12:34 - 12:36
    warum ihr Großvater gestorben ist,
  • 12:36 - 12:39
    wenden sie sich immer
    an die gleichen Geister,
  • 12:39 - 12:43
    und sprechen in derselben Sprache
    mit denselben Göttern darüber.
  • 12:43 - 12:45
    Mit anderen Worten, es gibt keine Trennung
  • 12:45 - 12:47
    zwischen Religion und Wissenschaft.
  • 12:47 - 12:52
    Dies könnte ja eine
    historische Seltenheit sein,
  • 12:52 - 12:55
    allerdings ist es
    in großen Teilen der Welt
  • 12:55 - 12:58
    noch die Realität.
  • 12:58 - 12:59
    Ich hatte neulich die Ehre,
  • 12:59 - 13:02
    einer Hochzeit im Norden
    Namibias beizuwohnen,
  • 13:02 - 13:04
    etwa 30 km südlich
    der angolanischen Grenze
  • 13:04 - 13:06
    in einem Dorf mit 200 Einwohnern.
  • 13:06 - 13:07
    Es sind moderne Menschen.
  • 13:07 - 13:11
    Oona Chaplin war dabei,
    einige kennen sie vielleicht.
  • 13:11 - 13:13
    Ein Bewohner kam zu ihr und sagte:
  • 13:13 - 13:15
    "Ich kenne Sie aus Game of Thrones."
  • 13:15 - 13:19
    Diese Menschen waren also
    nicht von unserer Welt isoliert,
  • 13:19 - 13:21
    aber trotzdem sind Götter und Geister
  • 13:21 - 13:23
    für diese Menschen noch sehr wichtig.
  • 13:23 - 13:25
    Während unseren Busfahrten
  • 13:25 - 13:27
    zu den diversen Orten des [Festes]
  • 13:27 - 13:29
    haben sie nicht einfach nur gebetet,
  • 13:29 - 13:31
    nein, sie haben für
    Sicherheit der Reise gebetet
  • 13:31 - 13:32
    und es war so gemeint.
  • 13:32 - 13:34
    Als sie mir sagten,
  • 13:34 - 13:37
    dass die Großmutter
    des Bräutigams bei uns sei,
  • 13:37 - 13:39
    meinten sie das nicht nur bildlich.
  • 13:39 - 13:42
    Sie meinten, obwohl sie bereits tot war,
  • 13:42 - 13:45
    sei sie immer noch da.
  • 13:45 - 13:47
    In großen Teilen der heutigen
    Welt hat die Trennung
  • 13:47 - 13:51
    von Wissenschaft und Religion
    einfach nicht stattgefunden
  • 13:51 - 13:55
    und wie gesagt, sie sind nicht ...
  • 13:55 - 13:59
    Dieser Mann hat für die Chase Bank
    und die Weltbank gearbeitet.
  • 13:59 - 14:02
    Die Menschen sind wie Sie
    Bewohner dieser Welt,
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    nur kommen sie aus einem Teil,
  • 14:04 - 14:06
    in dem Religion eine
    andere Rolle einnimmt.
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    Ich möchte, dass Sie das nächste Mal,
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    wenn jemand Religion verallgemeinert,
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    daran denken, dass es so etwas
    wie Religion vielleicht gar nicht gibt
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    und dass das, was da gesagt wird,
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    überhaupt nicht wahr sein kann.
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    (Applaus)
Title:
Ist Religion gut oder schlecht? (Achtung Fangfrage)
Speaker:
Kwame Anthony Appiah
Description:

Viele gute Taten werden im Namen der Religion vollbracht, genauso leider auch viel Schlechtes. Aber was ist Religion eigentlich genau – ist sie gut oder schlecht, in sich, oder aus sich selbst heraus? Der Philosoph Kwame Anthony Appiah bietet eine umfassende und auch überraschende Erklärung.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
14:40

German subtitles

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