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Esther Perel: Das Geheimnis des Begehrens in festen Beziehungen

  • 0:01 - 0:04
    Warum lässt guter Sex so oft nach,
  • 0:04 - 0:09
    selbst bei Paaren, die einander
    immer noch innig lieben?
  • 0:09 - 0:13
    Und warum bedeutet gute Intimität
    nicht automatisch guten Sex,
  • 0:13 - 0:15
    obwohl wir das alle glauben?
  • 0:15 - 0:17
    Oder eine weitere Frage:
  • 0:17 - 0:20
    Können wir begehren,
    was wir schon haben?
  • 0:20 - 0:23
    Das ist die Preisfrage, richtig?
  • 0:23 - 0:24
    Und warum ist Verbotenes so erotisch?
  • 0:24 - 0:29
    Warum lösen Grenzverstöße
    so großes Begehren aus?
  • 0:29 - 0:30
    Und warum führt Sex zu Babys,
  • 0:30 - 0:34
    und warum bedeuten Babys in
    Beziehungen eine erotische Katastrophe?
  • 0:34 - 0:37
    Der ultimative Erotikkiller, nicht wahr?
  • 0:37 - 0:39
    Wie fühlt sich das an, wenn man liebt?
  • 0:39 - 0:43
    Und wenn man begehrt,
    was ist der Unterschied?
  • 0:43 - 0:44
    Dies sind einige der Fragen,
  • 0:44 - 0:47
    die den Kern meiner Forschung bilden:
  • 0:47 - 0:50
    Das Wesen des erotischen Verlangens
  • 0:50 - 0:54
    und die Probleme, die es in
    modernen Beziehungen mit sich bringt.
  • 0:54 - 0:55
    Also reise ich um die Welt
  • 0:55 - 0:58
    und stelle fest, dass
  • 0:58 - 1:00
    überall, wo Romantik ins Spiel kommt,
  • 1:00 - 1:03
    das Verlangen anscheinend
    in eine Krise rutscht.
  • 1:03 - 1:08
    Eine Krise des Verlangens bzw.
    der Steuerung von Verlangen –
  • 1:08 - 1:11
    Verlangen als Ausdruck unserer Individualität,
  • 1:11 - 1:15
    unserer freien Wahl, unserer
    Vorlieben, unserer Identität.
  • 1:15 - 1:18
    Verlangen nimmt auch
    einen zentralen Platz
  • 1:18 - 1:22
    in moderner Liebe und in einer
    individualistischen Gesellschaft ein.
  • 1:22 - 1:25
    Zum ersten Mal in der
    Geschichte der Menschheit
  • 1:25 - 1:31
    versuchen wir, Sexualität
    langfristig zu erfahren,
  • 1:31 - 1:35
    nicht weil wir 14 Kinder haben wollen –
  • 1:35 - 1:39
    da müssten wir ja noch viel mehr haben,
    denn viele überleben ja nicht –
  • 1:39 - 1:43
    und nicht, weil es in der Ehe
    ausschließlich Pflicht der Frau ist.
  • 1:43 - 1:48
    Zum ersten Mal wollen wir
    Sex über lange Zeit
  • 1:48 - 1:52
    mit Lust- und Verbundenheitsgefühlen,
    die im Verlangen wurzeln.
  • 1:52 - 1:56
    Was hält Verlangen also aufrecht,
    und warum ist es so schwierig?
  • 1:56 - 2:01
    In einer festen Partnerschaft
    Verlangen aufrecht zu erhalten,
  • 2:01 - 2:07
    erfordert den Ausgleich zweier
    grundlegender menschlicher Bedürfnisse:
  • 2:07 - 2:12
    Einerseits unser Bedürfnis nach
    Sicherheit und Vorhersehbarkeit,
  • 2:12 - 2:19
    nach Geborgenheit, Verbindlichkeit,
    Verlässlichkeit, nach Dauerhaftigkeit –
  • 2:19 - 2:22
    all diese verankernden und erdenden
    Erfahrungen in unserem Leben,
  • 2:22 - 2:24
    die wir "unser Zuhause" nennen.
  • 2:24 - 2:28
    Aber andererseits haben Männer und
    Frauen auch ein ebenso großes Bedürfnis
  • 2:28 - 2:34
    nach Abenteuer, Neuem,
    Geheimnisvollem, Risiko, Gefahr,
  • 2:34 - 2:37
    nach Unbekanntem, Unerwartetem,
    Überraschungen –
  • 2:37 - 2:41
    Sie wissen, was ich meine –
    nach Reisen, Unterwegssein.
  • 2:41 - 2:43
    Unser Bedürfnis nach Sicherheit
    und unser Bedürfnis nach
  • 2:43 - 2:46
    Abenteuer in einer einzigen
    Beziehung miteinander zu vereinen,
  • 2:46 - 2:49
    oder in einer – modern ausgedrückt –
    leidenschaftlichen Ehe,
  • 2:49 - 2:52
    wurde immer als absoluter
    Widerspruch betrachtet.
  • 2:52 - 2:55
    Ehe war eine wirtschaftliche Institution,
  • 2:55 - 2:58
    durch die man eine
    lebenslange Partnerschaft
  • 2:58 - 3:01
    im Hinblick auf Kinder,
    sozialen Status,
  • 3:01 - 3:03
    Erbfolge und
    Kameradschaft einging.
  • 3:03 - 3:08
    Heutzutage soll unser Partner
    uns dies nach wie vor bieten,
  • 3:08 - 3:10
    aber zusätzlich soll er
    auch bester Freund,
  • 3:10 - 3:14
    Vertrauensperson und leidenschaftlicher
    Liebhaber sein, der uns anturnt.
  • 3:14 - 3:15
    Und wir werden doppelt
    so alt wie früher.
  • 3:15 - 3:18
    (Lachen)
  • 3:18 - 3:22
    Wir treffen also auf eine einzige Person
  • 3:22 - 3:25
    und wollen, dass sie uns all das gibt,
    was früher ein ganzes Dorf leistete:
  • 3:25 - 3:29
    Gib mir ein Zugehörigkeitsgefühl,
    gib mir Identität, gib mir Kontinuität,
  • 3:29 - 3:33
    aber gleichzeitig auch Transzendenz,
    Rätsel, beeindrucke mich.
  • 3:33 - 3:35
    Gib mir Komfort, gib mir Aufregung.
  • 3:35 - 3:37
    Gib mir Neues, gib mir Vertrautheit.
  • 3:37 - 3:39
    Gib mir Vorhersehbarkeit,
    gib mir Überraschungen.
  • 3:39 - 3:43
    Und das finden wir selbstverständlich; und
    Spielzeug und Reizwäsche sollen das bewerkstelligen.
  • 3:43 - 3:49
    (Applaus)
  • 3:49 - 3:53
    Wir kommen jetzt also zur Essenz
    dieser Geschichte, ok?
  • 3:53 - 3:59
    Denn ich glaube, irgendwie –
    und darauf komme ich noch zurück –
  • 3:59 - 4:02
    ist die Krise des Verlangens oft
    eine Krise der Fantasie.
  • 4:02 - 4:06
    Warum lässt guter Sex
    also so oft nach?
  • 4:06 - 4:08
    Welche Beziehung besteht
    zwischen Liebe und Verlangen?
  • 4:08 - 4:12
    Und warum geraten sie in Konflikt?
  • 4:12 - 4:15
    Denn darin liegt das
    Geheimnis der Erotik.
  • 4:15 - 4:19
    Für mich gibt es ein Verb für
    Liebe, und das ist "haben".
  • 4:19 - 4:23
    Und ein anderes Verb für Erotik,
    und das ist "begehren".
  • 4:23 - 4:27
    In der Liebe wollen wir haben,
    da wollen wir den Geliebten kennen,
  • 4:27 - 4:32
    die Distanz verringern,
    die Lücke schließen.
  • 4:32 - 4:36
    Wir wollen Spannungen
    neutralisieren. Wir wollen Nähe.
  • 4:36 - 4:41
    Aber beim Begehren möchten wir
    nicht die gewohnten Pfade einschlagen,
  • 4:41 - 4:44
    Vorhersehbarkeit interessiert
    uns nicht auf Dauer.
  • 4:44 - 4:49
    Beim Verlangen wollen wir jemand Fremden auf der
    anderen Straßenseite, den wir besuchen können,
  • 4:49 - 4:52
    mit dem wir ein bisschen
    Zeit verbringen können
  • 4:52 - 4:56
    und herausfinden können, was so
    in seinem "Rotlichtmilieu" passiert.
  • 4:56 - 4:59
    Beim Verlangen möchten wir
    eine Brücke überqueren können.
  • 4:59 - 5:03
    Manchmal sage ich auch:
    Feuer braucht Luft.
  • 5:03 - 5:05
    Verlangen braucht Raum.
  • 5:05 - 5:08
    So gesagt, hört sich das abstrakt an.
  • 5:08 - 5:10
    Aber ich habe eine
    Frage mitgenommen.
  • 5:10 - 5:13
    Ich war in den letzten Jahren
    in über 20 Ländern,
  • 5:13 - 5:15
    wo es "Paarung in Gefangenschaft" gibt,
    und ich fragte die Menschen:
  • 5:15 - 5:19
    Wann fühlen sich sich zu Ihrem
    Partner am meisten hingezogen?
  • 5:19 - 5:22
    Nicht nur sexuell angezogen,
    sondern zu ihm hingezogen.
  • 5:22 - 5:25
    Und die Antworten, unabhängig von
    Kultur, Religion und Geschlecht,
  • 5:25 - 5:31
    waren – bis auf eine einzige
    Ausnahme –, immer dieselben.
  • 5:31 - 5:35
    Die 1. Gruppe sagte: "Ich fühle mich zu
    meinem Partner am meisten hingezogen,
  • 5:35 - 5:42
    wenn sie weg ist, wenn wir getrennt
    sind, wenn wir uns wiedersehen.
  • 5:42 - 5:46
    Im Grunde also dann,
    wenn ich wieder in der Lage bin,
  • 5:46 - 5:49
    mich mit meinem
    Partner vorzustellen,
  • 5:49 - 5:52
    wenn wieder Fantasie ins Spiel kommt,
  • 5:52 - 5:57
    wenn diese in Abwesenheit
    oder Sehnsucht wurzelt,
  • 5:57 - 6:00
    was ein Hauptbestandteil
    des Verlangens ist.
  • 6:00 - 6:03
    Aber die 2. Gruppe ist
    noch interessanter:
  • 6:03 - 6:05
    Ich fühle mich zu meinem Partner
    am meisten hingezogen,
  • 6:05 - 6:09
    wenn ich ihn in seinem Studio sehe,
    wenn sie auf der Bühne steht,
  • 6:09 - 6:13
    wenn er in seinem Element ist,
    wenn sie etwas mit Leidenschaft angeht.
  • 6:13 - 6:16
    Wenn ich ihn auf einer Party sehe
    und andere sich zu ihm hingezogen fühlen,
  • 6:16 - 6:19
    wenn andere sie hofieren.
  • 6:19 - 6:23
    Im Grunde dann, wenn ich meinen Partner
    strahlend und selbstsicher erlebe,
  • 6:23 - 6:26
    das turnt uns alle
    wahrscheinlich am meisten an.
  • 6:26 - 6:29
    Strahlend im Sinne von souverän.
  • 6:29 - 6:32
    Ich sehe diesen Menschen
    an – übrigens, im Verlangen
  • 6:32 - 6:34
    reden Menschen selten darüber,
    wenn sie in einem Abstand von 5 cm
  • 6:34 - 6:38
    miteinander verschmelzen.
    Ich weiß nicht, wie viel das in Zoll ist. –
  • 6:38 - 6:41
    Aber die Entfernung darf
    auch nicht so groß sein,
  • 6:41 - 6:43
    dass man den anderen nicht mehr sieht.
  • 6:43 - 6:47
    Bei einer angenehmen Entfernung
    erscheint mein Partner – dieser Mensch,
  • 6:47 - 6:51
    der mir schon so
    vertraut und bekannt ist –
  • 6:51 - 6:56
    auf einmal wieder geheimnisvoll
    und nicht ganz greifbar.
  • 6:56 - 7:01
    Und in diesem Raum zwischen mir und
    dem anderen entsteht die erotische Anziehung,
  • 7:01 - 7:04
    die Bewegung zum anderen hin.
  • 7:04 - 7:06
    Denn manchmal – wie Proust sagt –
  • 7:06 - 7:08
    liegt das Geheimnisvolle
    nicht an fremden Orten,
  • 7:08 - 7:11
    sondern in einem neuen Blickwinkel.
  • 7:11 - 7:14
    Wenn ich also meinen Partner
    eigenständig erlebe und
  • 7:14 - 7:17
    und er etwas tut, das ihn vereinnahmt,
  • 7:17 - 7:22
    verschiebt sich einen Moment lang
    meine Wahrnehmung,
  • 7:22 - 7:27
    und ich bin offen für die
    Geheimnisse um mich herum.
  • 7:27 - 7:32
    Ganz besonders wichtig an dieser
    Beschreibung des anderen
  • 7:32 - 7:35
    oder meiner selbst – das ist dasselbe –
    besonders interessant ist,
  • 7:35 - 7:38
    dass es keine Bedürftigkeit
    im Begehren gibt.
  • 7:38 - 7:40
    Keiner braucht den anderen.
  • 7:40 - 7:42
    Es gibt keine Fürsorglichkeit
    beim Verlangen.
  • 7:42 - 7:48
    Fürsorglichkeit ist mächtige Liebe und
    ein starkes Anti-Aphrodisiakum.
  • 7:48 - 7:50
    Ich habe noch nie jemanden
    gesehen, der sich von jemandem
  • 7:50 - 7:52
    angeturnt fühlt, der ihn braucht.
  • 7:52 - 7:55
    Jemanden zu begehren ist eine Sache,
    jemanden zu brauchen ein Lustkiller.
  • 7:55 - 7:57
    Frauen haben das schon immer gewusst.
  • 7:57 - 8:00
    Denn alles, was mit Elternschaft zu tun hat,
  • 8:00 - 8:03
    verringert gewöhnlich
    die erotische Spannung.
  • 8:03 - 8:05
    Und das hat gute Gründe, nicht wahr?
  • 8:05 - 8:08
    Und die 3. Gruppe antwortet
    gewöhnlich wie folgt:
  • 8:08 - 8:13
    "Wenn ich überrascht bin,
    wenn wir zusammen lachen."
  • 8:13 - 8:15
    Heute sagte jemand
    zu mir im Büro:
  • 8:15 - 8:17
    Wenn er seinen Smoking trägt
  • 8:17 - 8:20
    – entweder den Smoking
    oder die Cowboystiefel.
  • 8:20 - 8:23
    Im Grunde, wenn etwas Neues passiert.
  • 8:23 - 8:28
    Dabei geht es nicht um neue Stellungen,
    nicht um ein Repertoire an Techniken.
  • 8:28 - 8:31
    Bei Neuerungen geht es darum,
    welche Seiten man hervorkehrt.
  • 8:31 - 8:34
    Welche Seiten an einem
    werden gerade gesehen?
  • 8:34 - 8:36
    Denn eigentlich kann man sagen:
  • 8:36 - 8:38
    "Sex ist nicht, was man tut.
  • 8:38 - 8:41
    Sex ist ein Ort, den man besucht.
    Einen Raum, den man
  • 8:41 - 8:45
    in sich selbst und mit einem
    oder mehreren anderen betritt.
  • 8:45 - 8:47
    Wohin gehen Sie also,
    wenn Sie Sex haben?
  • 8:47 - 8:50
    Welche Teile von sich
    verbinden Sie damit?
  • 8:50 - 8:52
    Was möchten Sie dort ausdrücken?
  • 8:52 - 8:55
    Ist es ein Ort der Transzendenz
    und spiritueller Vereinigung?
  • 8:55 - 8:59
    Ist es ein Ort für Ungezogenheit, und ein Ort,
    an dem man gefahrlos aggressiv sein kann?
  • 8:59 - 9:02
    Ist es ein Ort, wo Sie sich
    endlich hingeben können
  • 9:02 - 9:05
    und nicht ständig Verantwortung
    für alles übernehmen müssen?
  • 9:05 - 9:08
    Ist es ein Ort, wo Sie infantile
    Wünsche ausdrücken können?
  • 9:08 - 9:10
    Was kommt da heraus?
    Es ist eine Sprache.
  • 9:10 - 9:12
    Es ist nicht bloß ein Verhalten.
  • 9:12 - 9:15
    Es ist das Poetische an dieser
    Sprache, das mich interessiert.
  • 9:15 - 9:19
    Deshalb begann ich, den Begriff
    der "erotischen Intelligenz" zu erforschen.
  • 9:19 - 9:21
    Tiere haben Sex.
  • 9:21 - 9:25
    Das ist ihr Dreh- und Angelpunkt,
    das ist Biologie, der natürliche Instinkt.
  • 9:25 - 9:28
    Wir sind die einzigen,
    die ein erotisches Leben führen,
  • 9:28 - 9:34
    d.h., die menschliche Fantasie
    verwandelt unsere Sexualität.
  • 9:34 - 9:38
    Wir sind die einzigen,
    die stundenlang lieben können,
  • 9:38 - 9:41
    im Himmel schweben,
    multiple Orgasmen haben,
  • 9:41 - 9:45
    ohne dabei jemanden zu berühren,
    nur weil wir uns das vorstellen können.
  • 9:45 - 9:47
    Wir können es andeuten und
    müssen es noch nicht einmal tun.
  • 9:47 - 9:51
    Wir können starke Vorfreude empfinden,
  • 9:51 - 9:53
    eine Voraussetzung für Verlangen,
  • 9:53 - 9:57
    die Fähigkeit sich etwas vorzustellen,
    als ob es gerade geschieht,
  • 9:57 - 10:01
    es zu erleben, als ob es passiert,
    obwohl gar nichts passiert,
  • 10:01 - 10:04
    und alles gleichzeitig passiert.
  • 10:04 - 10:06
    Als ich also anfing,
    über Erotik nachzudenken,
  • 10:06 - 10:09
    begann ich, über die Poesie
    im Sex nachzudenken,
  • 10:09 - 10:12
    und wenn ich sie als Intelligenz sehe,
  • 10:12 - 10:14
    dann ist es etwas,
    das man kultiviert.
  • 10:14 - 10:18
    Was sind die Zutaten?
    Fantasie, Verspieltheit,
  • 10:18 - 10:22
    Neues, Neugierde, Geheimnisvolles.
  • 10:22 - 10:26
    Aber der Protagonist ist die Fantasie.
  • 10:26 - 10:30
    Aber noch wichtiger war für mich
    Folgendes: Um zu verstehen,
  • 10:30 - 10:32
    welche Paare den "erotischen Funken" hatten,
  • 10:32 - 10:35
    was Begehren fördert, musste ich
  • 10:35 - 10:38
    zur ursprünglichen Definition
    von Erotik zurückkehren,
  • 10:38 - 10:40
    zur mystischen Definition.
  • 10:40 - 10:44
    Dazu befasste ich mich
    näher mit Trauma –
  • 10:44 - 10:46
    das ist die andere Seite –
  • 10:46 - 10:49
    in der Gemeinde,
    in der ich aufwuchs.
  • 10:49 - 10:53
    Das war eine Gemeinde in Belgien,
    alles Überlebende des Holocaust.
  • 10:53 - 10:55
    Da gab es zwei Gruppen:
  • 10:55 - 10:59
    Die, die nicht gestorben waren, und die,
    die wieder zum Leben zurückfanden.
  • 10:59 - 11:03
    Diejenigen, die nicht gestorben waren,
    lebten wie in einem Korsett,
  • 11:03 - 11:06
    sie konnten nicht mehr
    genießen, nicht mehr vertrauen.
  • 11:06 - 11:09
    Wenn man auf der Hut ist,
    besorgt, verängstigt und
  • 11:09 - 11:12
    unsicher, kann man
    den Kopf nicht heben,
  • 11:12 - 11:17
    abheben, verspielt, geborgen
    und fantasievoll sein.
  • 11:17 - 11:20
    Diejenigen, die zum Leben zurückfanden,
  • 11:20 - 11:22
    verstanden Erotik als
    Gegenmittel zum Tod.
  • 11:22 - 11:26
    Sie wussten, wie sie sich
    am Leben erhalten konnten.
  • 11:26 - 11:30
    Und wenn ich den Paaren zuhöre,
    die keinen Sex haben,
  • 11:30 - 11:33
    höre ich sie manchmal sagen:
    "Ich möchte mehr Sex,"
  • 11:33 - 11:36
    aber im Allgemeinen,
    wollen sie "besseren Sex",
  • 11:36 - 11:39
    und das bedeutet, sich der
    Lebendigkeit wieder zuzuwenden,
  • 11:39 - 11:43
    zu vibrieren, sich zu erneuern;
    Vitalität, Eros und Energie,
  • 11:43 - 11:46
    all das, was Sex ihnen früher gab,
    oder was sie sich
  • 11:46 - 11:47
    davon erhofft haben.
  • 11:47 - 11:50
    Und dann begann ich, eine
    andere Frage zu stellen.
  • 11:50 - 11:55
    "Ich mache zu, wenn..."
    begann jetzt die Frage.
  • 11:55 - 11:59
    "Ich blockiere mein Verlangen, wenn ..."
    was nicht dasselbe ist wie:
  • 11:59 - 12:03
    "Was mich abturnt ist..." und
    "Du turnst mich ab, wenn..."
  • 12:03 - 12:06
    Und die Leute sagten:
    "Ich schalte mich ab, wenn
  • 12:06 - 12:09
    ich mich innerlich tot fühle,
    wenn ich meinen Körper nicht mag,
  • 12:09 - 12:12
    wenn ich mich alt fühle,
    wenn ich keine Zeit für mich habe,
  • 12:12 - 12:14
    wenn ich nicht einmal Zeit
    für einen Termin bei Ihnen hatte,
  • 12:14 - 12:16
    wenn ich schlecht arbeite,
  • 12:16 - 12:19
    wenn ich wenig Selbstwertgefühl habe,
    wenn ich mich wertlos fühle,
  • 12:19 - 12:22
    wenn ich glaube, kein Recht
    auf Begehren und Nehmen
  • 12:22 - 12:25
    von Genuss zu haben."
  • 12:25 - 12:27
    Und dann fragte ich
    nach dem Gegenteil:
  • 12:27 - 12:30
    "Ich komme in die Gänge, wenn..."
    Denn meistens
  • 12:30 - 12:33
    fragen Leute nach:
    "Du turnst mich an,
  • 12:33 - 12:36
    Was mich anturnt ist ...", und ich kann
    nichts mehr tun. Verstehen Sie?
  • 12:36 - 12:41
    Wenn man innerlich tot ist, kann sich der andere
    am Valentinstag die größte Mühe geben,
  • 12:41 - 12:44
    das wird nichts bewirken.
    Das steht keiner am Empfang.
  • 12:44 - 12:45
    (Lachen)
  • 12:45 - 12:47
    Also: "Ich springe an,
  • 12:47 - 12:51
    ich wecke mein Verlangen,
    ich wache auf wenn ..."
  • 12:51 - 12:56
    In diesem Paradoxon zwischen
    Liebe und Verlangen
  • 12:56 - 13:00
    ist es verblüffend, dass
    genau die Zutaten,
  • 13:00 - 13:04
    die Liebe nähren –
    Gegenseitigkeit, Wechselseitigkeit,
  • 13:04 - 13:08
    Schutz, Sorge, Verantwortung
    für den Partner –
  • 13:08 - 13:12
    manchmal genau die Zutaten sind,
    die das Verlangen ersticken.
  • 13:12 - 13:17
    Denn Verlangen geht
    oft mit Gefühlen einher,
  • 13:17 - 13:20
    die der Liebe nicht
    immer förderlich sind:
  • 13:20 - 13:25
    Eifersucht, Besitzergreifen,
    Aggression, Macht, Dominanz,
  • 13:25 - 13:26
    Unanständigkeit, Unfug.
  • 13:26 - 13:30
    Die meisten von uns werden nachts
    von genau den Sachen angeturnt,
  • 13:30 - 13:34
    die sie tagsüber ausdrücklich verpönen.
  • 13:34 - 13:37
    Der erotische Geist ist
    politisch nicht sehr korrekt.
  • 13:37 - 13:40
    Wenn jeder von uns auf einem
    Rosenbett träumen würde,
  • 13:40 - 13:43
    hätten wir darüber keine so
    interessanten Gespräche.
  • 13:43 - 13:46
    Nein, in unserem Gehirn
  • 13:46 - 13:50
    geschehen so viele Sachen,
    von denen wir nicht immer wissen,
  • 13:50 - 13:52
    wie wir sie dem geliebten Menschen
    näherbringen sollen,
  • 13:52 - 13:55
    denn wir denken,
    dass Liebe Selbstlosigkeit ist,
  • 13:55 - 13:58
    und Verlangen hat tatsächlich
    etwas mit Egoismus
  • 13:58 - 14:00
    im besten Sinne zu tun:
  • 14:00 - 14:03
    Die Fähigkeit, bei sich selbst zu sein,
  • 14:03 - 14:05
    in der Gegenwart eines anderen.
  • 14:05 - 14:08
    Ich möchte für Sie ein
    kleines Bild zeichnen,
  • 14:08 - 14:11
    denn diesen beiden Bedürfnissen
    muss man gerecht werden,
  • 14:11 - 14:13
    wir werden mit ihnen geboren.
  • 14:13 - 14:16
    Unser Bedürfnis nach Verbundenheit,
    unser Bedürfnis nach Trennung,
  • 14:16 - 14:18
    oder unser Bedürfnis nach
    Sicherheit und Abenteuer,
  • 14:18 - 14:21
    oder unser Bedürfnis nach
    Zusammensein und nach Autonomie.
  • 14:21 - 14:23
    Wenn Sie an dieses Kind
    auf Ihrem Schoß denken,
  • 14:23 - 14:28
    das sich anschmiegt und
    sich wohl und sicher fühlt,
  • 14:28 - 14:32
    und irgendwann muss jeder von
    uns einmal in die Welt hinaus,
  • 14:32 - 14:34
    um sie zu entdecken und zu erforschen.
  • 14:34 - 14:36
    Da beginnt dann das Verlangen.
  • 14:36 - 14:40
    Dieses Erforschen benötigt
    Neugierde, Entdeckerdrang.
  • 14:40 - 14:44
    Und irgendwann dreht es
    sich um und schaut dich an.
  • 14:44 - 14:47
    Wenn du ihm sagst:
  • 14:47 - 14:49
    "Hey, Kleiner, die Welt ist
    ein toller Ort. Hol sie dir.
  • 14:49 - 14:51
    Es macht so viel Spaß da draußen",
  • 14:51 - 14:53
    dann können sie sich entfernen und
  • 14:53 - 14:56
    Verbundenheit und Trennung
    gleichzeitig erleben.
  • 14:56 - 14:59
    Sie können in ihrer Fantasie
    loslegen, in ihrem Körper,
  • 14:59 - 15:02
    frei sein in ihrer Verspieltheit
    und gleichzeitig wissen,
  • 15:02 - 15:05
    dass jemand da ist,
    wenn sie zurückkehren.
  • 15:05 - 15:07
    Aber wenn ihnen jemand sagt:
  • 15:07 - 15:11
    "Ich mache mir Sorgen. Ich habe Angst.
    Ich habe Depressionen.
  • 15:11 - 15:13
    Mein Partner hat sich lange
    nicht um mich gekümmert.
  • 15:13 - 15:15
    Was ist da draußen so toll?
    Haben wir nicht alles, was wir brauchen,
  • 15:15 - 15:17
    du und ich gemeinsam?"
  • 15:17 - 15:20
    Dann kommen einige Reaktionen,
  • 15:20 - 15:23
    die alle von uns sehr gut kennen.
  • 15:23 - 15:28
    Einige von uns werden zurückkehren,
    haben es vor vielen Jahren schon getan,
  • 15:28 - 15:30
    und dieses kleine Kind, das zurückkehrt,
  • 15:30 - 15:33
    ist das Kind, das einen
    Teil von sich aufgibt,
  • 15:33 - 15:35
    um den anderen nicht zu verlieren.
  • 15:35 - 15:39
    Ich verzichte auf die Freiheit,
    um die Verbindung nicht zu verlieren.
  • 15:39 - 15:42
    Und werde lernen, auf
    eine gewisse Art zu lieben,
  • 15:42 - 15:46
    belaste Liebe mit
    übermäßiger Sorge,
  • 15:46 - 15:49
    übermäßiger Verantwortung,
    übermäßigem Schutz.
  • 15:49 - 15:52
    Und ich weiß nicht,
    wie ich dich verlassen kann,
  • 15:52 - 15:55
    um zu spielen oder
    Genuss zu empfinden,
  • 15:55 - 15:59
    um Dinge zu entdecken,
    um in mich selbst zu gehen.
  • 15:59 - 16:02
    Übersetzen wir dies in
    die Erwachsenensprache.
  • 16:02 - 16:05
    Es fängt sehr früh an und geht
    in unserem Sexualleben weiter
  • 16:05 - 16:07
    bis zum Ende.
  • 16:07 - 16:09
    Kind Nummer 2 kehrt zurück,
  • 16:09 - 16:12
    guckt aber immer über seine Schulter.
  • 16:12 - 16:14
    "Wirst du da sein?
  • 16:14 - 16:16
    Wirst du mich verfluchen?
    Wirst du schimpfen?
  • 16:16 - 16:18
    Wirst du mir böse sein?"
  • 16:18 - 16:22
    Und sie sind vielleicht gegangen,
    jedoch niemals fort.
  • 16:22 - 16:24
    Und dies sind oft die
    Menschen, die dir sagen:
  • 16:24 - 16:26
    Am Anfang war es ganz heiß.
  • 16:26 - 16:30
    Denn am Anfang war die
    wachsende Intimität
  • 16:30 - 16:31
    noch nicht groß genug,
  • 16:31 - 16:35
    um das Verlangen abzuschwächen.
  • 16:35 - 16:38
    Je enger die Beziehung wurde,
    je verantwortlicher ich mich fühlte,
  • 16:38 - 16:42
    umso weniger konnte ich
    in deiner Nähe loslassen.
  • 16:42 - 16:44
    Das dritte Kind kommt
    eigentlich gar nicht zurück.
  • 16:44 - 16:48
    Wenn man also Verlangen erhalten will,
  • 16:48 - 16:50
    ist da ein echter Widerspruch.
  • 16:50 - 16:54
    Auf der einen Seite will man
    Sicherheit, damit man gehen kann.
  • 16:54 - 16:57
    Auf der anderen Seite kann man kein
    Vergnügen finden, wenn man bleiben muss.
  • 16:57 - 17:00
    Dann kommt man nicht zum
    Höhepunkt, hat keinen Orgasmus,
  • 17:00 - 17:03
    wird nicht erregt, weil man die Zeit
  • 17:03 - 17:06
    im Körper und im Kopf des anderen verbringt
    und nicht in seinem eigenen.
  • 17:06 - 17:10
    In diesem Dilemma der Aussöhnung
  • 17:10 - 17:12
    dieser zwei grundlegenden Bedürfnisse
  • 17:12 - 17:17
    habe ich ein paar Sachen begriffen,
    die erotische Paare machen.
  • 17:17 - 17:20
    Erstens haben sie viel
    sexuelle Privatsphäre.
  • 17:20 - 17:22
    Sie wissen, dass es einen
    erotischen Raum gibt,
  • 17:22 - 17:24
    der jedem alleine gehört.
  • 17:24 - 17:27
    Sie wissen ebenfalls,
    dass man das Vorspiel
  • 17:27 - 17:29
    nicht 5 Minuten vor dem Akt macht.
  • 17:29 - 17:33
    Das Vorspiel beginnt vielmehr direkt
    nach dem vorangegangenen Orgasmus.
  • 17:33 - 17:36
    Sie wissen auch, dass der erotische Raum
  • 17:36 - 17:38
    nicht bedeutet, den anderen zu streicheln.
  • 17:38 - 17:42
    Es geht darum, einen Ort zu schaffen,
    wo man die Firma hinter sich lässt,
  • 17:42 - 17:44
    vielleicht auch sein Fitnessprogramm vergisst.
  • 17:44 - 17:46
    (Lachen)
  • 17:46 - 17:49
    Dann betritt man wirklich den Raum,
  • 17:49 - 17:51
    wo man damit aufhört,
    ein braver Bürger zu sein,
  • 17:51 - 17:54
    der sich um andere kümmert
    und verantwortungsbewusst ist.
  • 17:54 - 17:57
    Verantwortungsbewusstsein und
    Verlangen mögen sich nicht.
  • 17:57 - 18:00
    Sie können nicht gut miteinander.
  • 18:00 - 18:04
    Erotische Liebespaare wissen, dass
    Leidenschaft kommt und geht.
  • 18:04 - 18:08
    Wie der Mond mit gelegentlichen Finsternissen.
  • 18:08 - 18:10
    Aber sie wissen auch, wie sie
    sie wiederbeleben können.
  • 18:10 - 18:12
    Sie können sie sich zurückholen.
  • 18:12 - 18:13
    Und sie können das,
  • 18:13 - 18:16
    weil sie einen großen Mythos
    demystifiziert haben,
  • 18:16 - 18:19
    nämlich den Mythos der Spontaneität,
  • 18:19 - 18:22
    dass das Verlangen schon vom Himmel fallen wird,
    während man die Wäsche zusammenlegt,
  • 18:22 - 18:25
    wie ein Deus ex machina.
    Sie haben verstanden, dass
  • 18:25 - 18:28
    alles, was in einer langen
    Beziehung passieren wird,
  • 18:28 - 18:31
    schon passiert ist.
  • 18:31 - 18:34
    Verbindlicher Sex ist geplant,
  • 18:34 - 18:36
    beabsichtigt, gewollt.
  • 18:36 - 18:39
    Es geht um Fokus und Präsenz.
  • 18:39 - 18:41
    Frohen Valentinstag.
  • 18:41 - 18:49
    (Applaus)
Title:
Esther Perel: Das Geheimnis des Begehrens in festen Beziehungen
Speaker:
Esther Perel
Description:

In festen Beziehungen erwarten wir oft vom geliebten Menschen, sowohl bester Freund als auch erotischer Partner zu sein. Aber Esther Perel sagt, dass sich guter und verbindlicher Sex aus zwei widersprüchlichen Bedürfnissen nährt: unserem Bedürfnis nach Sicherheit und unserem Bedürfnis nach Überraschung. Wie kann man also Begehren aufrechterhalten? Mit Witz und Eloquenz weiht uns Perel in das Geheimnis der "erotischen Intelligenz" ein.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
19:10

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