Dieses Instrument entschärft einen der gefährlichsten Momente in einer Operation
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0:01 - 0:03Als ich das erste Mal
im Operationssaal stand -
0:03 - 0:05und eine richtige Operation beobachtete,
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0:05 - 0:07ahnte ich nicht, was mich erwarten würde.
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0:07 - 0:09Ich studierte Ingenieurwissenschaften.
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0:09 - 0:11Ich dachte, es würde
wie im Film ablaufen. -
0:11 - 0:13Unheilvolle Musik im Hintergrund,
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0:13 - 0:16Schweißperlen auf der Stirn des Chirurgen.
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0:16 - 0:19Aber so war es ganz und gar nicht.
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0:19 - 0:20Es lief Musik an diesem Tag.
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0:20 - 0:23Ich glaube, es waren Hits von Madonna.
(Lachen) -
0:23 - 0:25Und es wurde viel geredet,
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0:25 - 0:27nicht nur über die Herzfrequenz
des Patienten, -
0:27 - 0:30sondern auch über Sport
und die Wochenendpläne. -
0:30 - 0:31Je mehr Operationen ich sah,
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0:31 - 0:34desto klarer wurde mir,
dass das ganz normal ist. -
0:34 - 0:36Auf eine seltsame Weise
ist es ein normaler Arbeitstag. -
0:36 - 0:38Aber von Zeit zu Zeit
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0:38 - 0:40wird die Musik leiser gedreht,
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0:40 - 0:42alle Gespräche verstummen
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0:42 - 0:45und alle schauen auf das Gleiche.
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0:45 - 0:46In dem Moment weiß man,
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0:46 - 0:49dass gerade etwas äußerst Wichtiges
und Gefährliches passiert. -
0:49 - 0:54So einen Moment erlebte ich das erste Mal
während einer laparoskopischen Operation. -
0:54 - 0:56Für diejenigen,
die sich nicht damit auskennen: -
0:56 - 0:58Bei einer laparoskopischen Operation
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0:58 - 1:00wird kein großer Schnitt gemacht,
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1:00 - 1:03wie Sie es vielleicht
von anderen Eingriffen kennen, -
1:03 - 1:07stattdessen macht der Chirurg
drei oder mehr kleine Schnitte. -
1:07 - 1:09Danach führt er diese langen,
dünnen Instrumente -
1:09 - 1:10sowie eine Kamera ein
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1:10 - 1:14und nimmt den gesamten Eingriff
im Inneren des Patienten vor. -
1:14 - 1:17Die Vorteile sind
ein viel kleineres Infektionsrisiko, -
1:17 - 1:20weniger Schmerzen
und eine schnellere Genesung. -
1:20 - 1:23Es gibt jedoch auch Gefahren:
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1:23 - 1:25Der Chirurg macht die kleinen Einschnitte
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1:25 - 1:27mit einem langen, spitzen Instrument,
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1:27 - 1:28einem sogenannten Trokar.
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1:28 - 1:31Das funktioniert wie folgt:
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1:31 - 1:32Der Chirurg nimmt das Instrument
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1:32 - 1:34und drückt es so lange in den Bauch,
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1:34 - 1:37bis es die Bauchdecke durchstößt.
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1:37 - 1:40Dies ist auch der Grund,
wieso damals im Operationssaal -
1:40 - 1:43alle dieses Gerät angestarrt hatten.
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1:43 - 1:46Der Chirurg musste
unglaublich vorsichtig sein, -
1:46 - 1:48um nicht zu weit zu stoßen
-
1:48 - 1:52und somit Organe und Blutgefäße
zu verletzen, die darunter liegen. -
1:52 - 1:54Aber ich wette,
dass Sie dieses Problem gut kennen, -
1:54 - 1:56da Sie es sicher schon
anderswo angetroffen haben. -
1:56 - 1:58(Lachen)
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1:58 - 2:00Wissen Sie noch?
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2:00 - 2:04(Applaus)
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2:04 - 2:05Sie wussten, dass dieser Strohhalm
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2:05 - 2:07jeden Moment durchstoßen wird,
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2:07 - 2:10aber Sie wussten nicht,
ob er auf der anderen Seite durchbricht -
2:10 - 2:11und Sie sich in die Hand pieksen
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2:11 - 2:14oder ob Sie sich überall
mit Saft bekleckern, -
2:14 - 2:16aber Sie zitterten vor Angst, nicht wahr?
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2:16 - 2:20Bei jedem einzelnen Mal erlebten Sie
dieselben Vorgänge und Kräfte, -
2:20 - 2:23die ich an jenem Tag
im OP-Saal beobachtete. -
2:23 - 2:25Und das ist tatsächlich ein Problem.
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2:25 - 2:292003 verkündete die FDA,
[Arzneimittelzulassungsbehörde der USA], -
2:29 - 2:30dass der Schnitt mit dem Trokar
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2:30 - 2:34möglicherweise der gefährlichste Vorgang
bei minimal-invasiven Verfahren sei. -
2:34 - 2:362009 wurde ein Artikel veröffentlicht,
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2:36 - 2:39laut dem Trokars für über die Hälfte
aller schweren Komplikationen -
2:39 - 2:42während laparoskopischen Eingriffen
verantwortlich sind. -
2:42 - 2:43Ach und übrigens,
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2:43 - 2:47seit 25 Jahren
hat sich daran nichts geändert. -
2:47 - 2:49Als ich also meinen Master begann,
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2:49 - 2:50wollte ich an diesem Problem arbeiten.
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2:50 - 2:52Ich versuchte einem Freund zu erklären,
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2:52 - 2:54wie ich eigentlich meine Zeit verbringe.
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2:54 - 2:56Ich sagte:
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2:56 - 2:58"Es ist, als ob du
ein Loch in die Wand bohrst, -
2:58 - 3:01um etwas in deiner Wohnung aufzuhängen.
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3:01 - 3:05In dem Moment,
wenn der Bohrer die Wand durchstößt, -
3:05 - 3:09gibt es einen Ruck. Stimmt's?
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3:11 - 3:14Er sah mich an und fragte:
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3:14 - 3:17"Meinst du, wie wenn sie Menschen
in den Kopf bohren?" -
3:17 - 3:19Und ich sagte nur: "Wie bitte?"
(Lachen) -
3:19 - 3:22Ich schaute nach und tatsächlich wird
Menschen in den Kopf gebohrt. -
3:22 - 3:25Viele neurochirurgische Eingriffe
beginnen tatsächlich damit, -
3:25 - 3:28dass Löcher in den Schädel gebohrt werden.
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3:28 - 3:30Wenn der Chirurg unvorsichtig ist,
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3:30 - 3:33kann er direkt in das Gehirn bohren.
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3:33 - 3:35In dem Moment dachte ich:
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3:35 - 3:38"Okay, Schädelbohrungen,
laparoskopische Eingriffe -
3:38 - 3:41und wieso nicht noch
weitere Gebiete der Medizin?" -
3:41 - 3:42Überlegen Sie einmal:
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3:42 - 3:45Wann wurden Sie das letzte Mal
nicht gestochen, als Sie beim Arzt waren? -
3:45 - 3:49Die Wahrheit ist, dass es überall
in der Medizin Einstiche gibt. -
3:49 - 3:55Diese Liste zeigt nur ein paar Eingriffe,
bei denen ein Einstich vorkommt. -
3:55 - 3:57Wenn wir nur drei davon auswählen,
-
3:57 - 4:01laparoskopische Eingriffe,
Epiduralanästhesie und Schädelbohrungen, -
4:01 - 4:05dann sind diese Eingriffe
jedes Jahr alleine in den USA -
4:05 - 4:08für mehr als 30 000
Komplikationen verantwortlich. -
4:08 - 4:11Das nenne ich ein Problem,
das es zu lösen gilt. -
4:11 - 4:13Ich zeige Ihnen
einmal einige Instrumente, -
4:13 - 4:16die für diese Art Eingriffe
verwendet werden. -
4:16 - 4:18Diese Nadel wird
für Epiduralanästhesien verwendet. -
4:18 - 4:21Damit werden Bänder
in der Wirbelsäule durchstochen -
4:21 - 4:24und bei einer Entbindung
eine Narkose verabreicht. -
4:24 - 4:27Das hier sind Instrumente
für eine Knochenmarkbiopsie. -
4:27 - 4:29Damit entnimmt man Knochenmark
-
4:29 - 4:32oder untersucht Knochenverletzungen.
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4:32 - 4:34Das ist ein Bajonett
aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg. -
4:34 - 4:36(Lachen)
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4:36 - 4:40Wenn ich behauptet hätte,
dass das ein medizinisches Instrument ist, -
4:40 - 4:42hätten Sie mir wahrscheinlich geglaubt.
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4:42 - 4:44Denn wo liegt der Unterschied?
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4:44 - 4:46Je mehr ich dieses Thema erforschte,
-
4:46 - 4:49desto mehr war ich davon überzeugt,
dass es einen besseren Weg geben muss. -
4:49 - 4:53Meiner Meinung nach liegt die Lösung
bei den physikalischen Gesetzen, -
4:53 - 4:58die bei Einstichen mit all
diesen Instrumenten angewendet werden. -
4:58 - 4:59Welche Gesetze sind das also?
-
4:59 - 5:01Gehen wir zurück
zum Bohrer und der Wand. -
5:01 - 5:05Mit dem Bohrer wird eine Kraft
in Richtung der Wand ausgeübt. -
5:05 - 5:09Laut Newton wird die Wand dieselbe Kraft
in entgegengesetzter Richtung ausüben. -
5:09 - 5:11Solange man also bohrt,
-
5:11 - 5:13befinden sich diese Kräfte
im Gleichgewicht. -
5:13 - 5:17Sobald man jedoch mit dem Bohrer
die Wand durchbrochen hat, -
5:17 - 5:20kann die Wand nicht mehr zurückdrücken.
-
5:20 - 5:24Das Gehirn hatte aber noch keine Zeit
sich auf die neuen Umstände einzustellen. -
5:24 - 5:27Während dieser Reaktionszeit
drückt man also immer noch. -
5:27 - 5:30Dieses Kräfte-Ungleichgewicht führt
zu einer Beschleunigung, -
5:30 - 5:32durch die dieser Ruck entsteht.
-
5:32 - 5:36Aber was wäre, wenn man genau
im Moment des Durchstoßes -
5:36 - 5:38die Spitze zurückziehen
-
5:38 - 5:41und so der Vorwärtsbewegung
entgegenwirken könnte? -
5:41 - 5:43Genau das wollte ich erreichen.
-
5:43 - 5:45Stellen Sie sich ein Instrument vor,
-
5:45 - 5:48das eine scharfe Spitze hat,
um Gewebe zu punktieren. -
5:48 - 5:51Wie kann man die Spitze
möglichst einfach zurückziehen? -
5:51 - 5:53Ich entschied mich für eine Feder.
-
5:53 - 5:54Wenn die Feder gedehnt wird,
-
5:54 - 5:56wird die Spitze ausgefahren,
um Gewebe zu punktieren, -
5:56 - 5:59gleichzeitig will die Feder
die Spitze zurückziehen. -
5:59 - 6:03Wie kann man also die Spitze
bis zum Moment des Durchstoßes fixieren? -
6:03 - 6:05Ich wählte diese Vorrichtung.
-
6:05 - 6:09Wenn die Spitze des Instruments
gegen ein Gewebe gedrückt wird, -
6:09 - 6:12dehnt sich die Vorrichtung aus
und wird gegen die Wände gepresst. -
6:12 - 6:14Die Spannung klemmt die Vorrichtung ein
-
6:14 - 6:17und hindert die Feder daran,
die Spitze wieder zurückzuziehen. -
6:17 - 6:19Doch genau wenn die Spitze
das Gewebe durchstoßen hat, -
6:19 - 6:21fällt der Druck weg.
-
6:21 - 6:24Die Vorrichtung wird gelöst
und die Feder zieht die Spitze zurück. -
6:24 - 6:26Hier das Gleiche nochmal in Zeitlupe.
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6:26 - 6:27Das sind etwa 2000 Bilder pro Sekunde.
-
6:27 - 6:30Achten Sie auf die Spitze unten im Bild,
-
6:30 - 6:32die kurz davor ist,
das Gewebe zu durchstoßen. -
6:32 - 6:35Sie werden sehen,
dass genau nach dem Durchstoß, -
6:36 - 6:40genau jetzt, die Vorrichtung gelöst
und die Spitze zurückgezogen wird. -
6:40 - 6:42Ich zeige es Ihnen
noch einmal aus der Nähe. -
6:42 - 6:44Sie sehen die scharfe Klinge
-
6:44 - 6:47und sobald sie die Gummimembran
durchstoßen hat, -
6:47 - 6:51verschwindet sie
in dieser weißen stumpfen Schutzhülle. -
6:51 - 6:52Genau jetzt.
-
6:52 - 6:57Dies geschieht innerhalb von
4 Hunderstelsekunden nach dem Durchstoß. -
6:57 - 7:01Da sich das Instrument allgemein auf
den Durchstoßvorgang konzentriert, -
7:01 - 7:03und nicht auf die Besonderheiten
von Schädelbohrungen, -
7:03 - 7:06laparaoskopischen Eingriffen
oder anderen Operationen, -
7:06 - 7:08ist es in all diesen
medizinischen Disziplinen -
7:08 - 7:11sowie in verschiedenen Größen anwendbar.
-
7:11 - 7:13Es hat jedoch nicht immer so ausgesehen.
-
7:13 - 7:15Das war mein erster Prototyp.
-
7:15 - 7:18Ja, das sind Eisstiele
-
7:18 - 7:19und oben ist ein Gummiband.
-
7:19 - 7:23Ich brauchte etwa 30 Minuten,
um das zu basteln, aber es funktionierte. -
7:23 - 7:25Es zeigte mir,
dass meine Idee funktioniert. -
7:25 - 7:28Damit war meine Arbeit am Projekt
für die nächsten Jahre gerechtfertigt. -
7:28 - 7:31Ich arbeitete an diesem Projekt,
weil es mich absolut faszinierte. -
7:31 - 7:34Es raubte mir den Schlaf.
-
7:34 - 7:37Dieses Thema sollte Sie
jedoch auch faszinieren, -
7:37 - 7:38da es ein alltägliches Problem betrifft.
-
7:38 - 7:42Das heißt, dass es
irgendwann auch Sie betreffen wird. -
7:42 - 7:44Am ersten Tag im OP
hätte ich nie gedacht, -
7:44 - 7:47dass ich mich selbst einmal
unter einem Trokar befinden würde. -
7:47 - 7:51Letztes Jahr hatte ich jedoch
in Griechenland eine Blinddarmentzündung. -
7:51 - 7:53Ich lag im Krankenhaus in Athen
-
7:53 - 7:54und der Chirurg erklärte mir,
-
7:54 - 7:57dass er einen laparoskopischen
Eingriff machen werde. -
7:57 - 8:00Er würde meinen Blinddarm
durch kleine Einschnitte entfernen. -
8:00 - 8:02Er erklärte mir, was ich
von der Genesung erwarten konnte -
8:02 - 8:03und was passieren würde.
-
8:03 - 8:06Zum Schluss fragte er mich,
ob ich noch Fragen hätte. -
8:06 - 8:09Ich sagte: "Nur eine. Welche Art
von Trokar werden Sie verwenden?" -
8:09 - 8:13Mein Lieblingszitat
zu laporoskopischen Eingriffen -
8:13 - 8:16stammt von Hans-Christian Jacobaeus:
-
8:16 - 8:19"Die Punktion selbst
ist die eigentliche Gefahr." -
8:19 - 8:23Das ist mein Lieblingszitat,
da Hans-Christian Jacobaeus -
8:23 - 8:26als erster einen laporoskopischen Eingriff
an einem Menschen vorgenommen hatte. -
8:26 - 8:30Das schrieb er 1912.
-
8:30 - 8:35Dieses Problem verletzt oder tötet sogar
Menschen seit mehr als 100 Jahren. -
8:35 - 8:38Man würde denken, dass es
für alle großen Probleme da draußen -
8:38 - 8:42ein Experten-Team gibt, das rund
um die Uhr an der Lösung arbeitet. -
8:42 - 8:45Das ist aber nicht immer der Fall.
-
8:45 - 8:48Wir müssen lernen,
diese Probleme besser zu erkennen -
8:48 - 8:50und Wege zu finden, sie auch zu lösen.
-
8:50 - 8:53Falls Sie also über ein Problem stolpern,
das Sie fasziniert, -
8:53 - 8:55lassen Sie es zu,
dass es Ihnen den Schlaf raubt. -
8:55 - 8:58Lassen Sie sich davon faszinieren,
-
8:58 - 9:01denn es gibt sehr viele Leben zu retten.
-
9:01 - 9:04(Applaus)
- Title:
- Dieses Instrument entschärft einen der gefährlichsten Momente in einer Operation
- Speaker:
- Nikolai Begg
- Description:
-
Täglich müssen Chirurgen während Operationen die menschliche Haut durchstoßen und riskieren damit, das zu verletzen, was darunter liegt. In seinem faszinierenden Vortrag erzählt der Maschinenbauingenieur Nikolai Begg, wie er mithilfe der Physik ein wichtiges medizinisches Instrument, den Trokar, verbessert und somit einen der gefährlichsten Momente in vielen alltäglichen Operationen entschärft hat.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 09:21
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