-
34C3-Vorspannmusik
-
Applaus
-
Herald: Marc-Uwe Kling und
Bruno, das Biest! Bruno the Beast!
-
Applaus
-
Marc-Uwe Kling: Ja, ‚Boris the Beast‘
heißt der junge Mann.
-
Gelächter und Applaus
-
Boris the Beast: brüllt:
Wo seid ihr?!
-
Applaus
-
Marc-Uwe: Tja deswegen habe ich
ihn dabei. Und natürlich auch,
-
weil Boris gleichzeitig Security macht.
-
Gelächter
-
Ja, herzlich willkommen, ich habe mir
einen Plan gemacht. Ich habe eine Stunde
-
Zeit. Das ist… deswegen
habe ich mir dieses
-
technische Wunderwerk gekauft, weil ich
nicht immer auf mein Handy gucken wollte.
-
Es ist eine Uhr, hat voll
die krasse Akkulaufzeit!
-
Gut. Ja. Ich… also als Vorbereitung
-
habe ich einfach mal meinen Computer
durchsucht auf alle meine Texte, in denen
-
das Wort „Computer“ oder Technik vorkommt.
-
Und es war viel zu viel, vor allem
war es das komplette neue Buch.
-
Das hat also nichts gebracht.
Deswegen mache ich jetzt…
-
ach egal, ich mach einfach wie ich denke.
Und… ich habe ein bisschen Angst.
-
Also ich habe jetzt ein Buch über… ja, es
spielt… eigentlich geht es um die Zukunft,
-
es geht nur aus Versehen um Technik, weil,
glaube ich, die Technik doch irgendwie
-
einen Einfluss auf die Zukunft hat. Aber
eigentlich wollte ich nur ein Buch über
-
die Zukunft schreiben. Und jetzt habe
ich aber… ein bisschen ist es, wie…
-
wenn man als Popmusiker vor einem
Haufen Jazzmusikern auftreten würde.
-
Lachen
Das ist mein Gefühl.
-
Gelächter und Applaus
-
Dabei habe ich auch mal programmiert, ja!
Nämlich mit Turbo Pascal 5.
-
Jubel und Applaus
-
Unter DOS, genau, und Windows 3.11,
da bin ich dann ausgestiegen,
-
das war mir zu kommerziell, aber…
-
Gelächter
-
Ich habe das vorhin erzählt.
Ich habe mit 12 oder so ein
-
Programm geschrieben, mit
dem man die Spielstände für
-
‚UFO: Enemy Unknown‘
cheaten konnte. Also…
-
Applaus
-
Und dann habe ich das an irgendsoein
Spielemagazin geschickt, und es war dann
-
auf der CD, als Shareware
und ich war so stolz. Und
-
man konnte für 5 Euro die Vollversion
bestellen, wo man dann nicht nur das Geld,
-
sondern auch noch was-weiß-ich-was
anderes verändern konnte. Und
-
ich habe einen Brief bekommen von
jemandem, der das bestellen wollte.
-
Es war offensichtlich jemand, der noch
jünger war, ein kleines Kind. Und es war
-
alles voller Rechtschreibfehler, und es
war ein 5-DM-Schein in dem Briefumschlag
-
und keine Adresse drauf.
Gelächter
-
Das beschäftigt mich bis heute. Falls
dieser jemand hier unter euch sein sollte,
-
dann: es war nicht meine Schuld!
-
Applaus
-
Ich wollte… die Diskette, das war damals
noch der Distributionsweg der Wahl,
-
ich wollte die Diskette in den Brief, aber
es ging nicht, war keine Adresse, es war…
-
Gut, also Turbo Pascal. Dann,
als Vorbereitung für das Buch
-
habe ich einen Freund von mir, der heute
programmiert, gebeten, mir doch mal
-
zu zeigen, was man heute so programmiert.
Und was macht man heute so, wir haben also
-
eine App geschrieben. Eine App,
die… es ist die erste sinnvolle App
-
in meinen Augen, eine App,
die Zitate falsch zuordnet.
-
Ihr kennt vielleicht das Konzept, man
nimmt ein Zitat, dann schiebt man
-
eine falsche Quelle drunter, einen
falschen Autor und dann kann man das so
-
Tinder-mäßig nach ‚Witzig‘ oder ‚Nicht
witzig‘ wischen. Also ich bin nicht
-
bei Tinder, aber ich glaube das ist das
Funktionskonzept von Tinder, man sieht
-
irgendwas und kann es nach ‚Witzig‘
oder ‚Nicht witzig‘ wischen.
-
Gelächter
-
Gut – ich bin bei Tinder, so habe
ich Boris kennengelernt.
-
Gelächter
-
Ich habe ihn gesehen und nach ‚Witzig‘
gewischt, und Boris hat sich verwischt.
-
Und so sind wir zusammengekommen.
Na jedenfalls,
-
diese App merkt sich, was man
witzig fand und schlägt dann halt
-
andere witzige Kombinationen
vor. Ich lese mal ein paar vor,
-
das ist jetzt nicht von mir, das ist ein
erstes Experiment in Maschinenhumor,
-
also, was finden Maschinen lustig.
-
„Erzähle nicht die Wahrheit, solange
dir etwas interessanteres einfällt“
-
- Marc Zuckerberg.
Gelächter
-
68% witzig. Das ist so ungefähr hier.
-
„Im Prinzip geht es darum, als
erster Feierabend zu machen.“
-
- Artikel 1 des Grundgesetzes.
-
Gelächter und Applaus
-
„Wohlstand ist, wenn man mit Geld,
das man nicht hat, Dinge kauft, die man
-
nicht braucht, um damit Leute zu
beeindrucken, die man nicht mag.“ – Apple.
-
Gelächter und Applaus
-
„Im Grunde, wenn man das auf das
Wesentliche reduziert, bin ich ein
-
erwachsener Mann, der Make-up benutzt.“
– Der Joker.
-
Gelächter
-
„Digital first, Bedenken second“
– Big Brother.
-
„Hey hey hey, hier kommt Alex. Vorhang auf
für seine Horrorshow.“ – Alexander Gauland.
-
Gelächter und Applaus
Ja, gut.
-
Gut, also ich lese euch was aus dem
Buch vor, es spielt in der Zukunft, das
-
habe ich schon erwähnt. Ich habe hier,
das finde ich besonders witzig, eigentlich
-
ins Impressum was reingeschmuggelt:
„Technischer Hinweis. Dieses Buch
-
kann sich nicht mit dem Internet verbinden.
Trotzdem kannst du Kommentare darin
-
hinterlassen. Diese wird aber sehr
wahrscheinlich keiner lesen. Du kannst
-
dieses Buch teilen, allerdings nicht mit
all deinen Freunden auf einmal. Wenn du
-
das Buch teilst, besteht natürlich auch
die Chance, dass jemand deine Kommentare
-
liest. Vielleicht kommentiert sogar jemand
deine Kommentare. Um den Inhalt dieses
-
Buches zu verändern, müsste der Verlag
Leute anheuern, die heimlich nachts
-
bei dir einbrechen, sich an dein
Bücherregal schleichen und Sachen
-
mit Filzstift durchstreichen oder mit
Kugelschreiber ergänzen. Das ist möglich,
-
aber unwahrscheinlich.“ So, in dem Buch
-
gibt es Werbung aus der Zukunft,
es gibt Nachrichten,
-
damit man beim Lesen nichts verpasst.
Es gibt Werbung in den Nachrichten.
-
Es gibt Reiseführerbeiträge. Und da das
ein bisschen verwirrend ist, hat Boris
-
sich in mühevoller Heimarbeit
wunderschöne Jingles ausgedacht,
-
die euch ein bisschen Orientierung geben
sollen. Boris, spiel doch mal einen vor!
-
Boris: Dazu müsste erstmal
mein Bass wieder an sein.
-
Ah, danke.
Musik
-
Quality Land,
dein persönlicher Reiseführer.
-
Applaus
-
Marc-Uwe: „Einführung. Da du dich in
Quality Land noch nicht auskennst,
-
haben wir dir hier ein paar einleitende
Informationen zusammengestellt.
-
Zwei Jahre vor der Gründung von Quality
Land, zwei Jahre vor Quality Time also,
-
gab es eine ökonomische Krise solchen
Ausmaßes, dass die Menschen sie als
-
Jahrhundertkrise bezeichneten. Es war
bereits die dritte Jahrhundertkrise
-
innerhalb einer Dekade. Von der Panik
der Märkte mitgerissen, bat die Regierung
-
die Unternehmensberater von Big Business
Consulting, BBC, um Hilfe und diese
-
entschieden, das Land brauche vor allem
einen neuen Namen. Der alte war abgenutzt
-
und inspirierte laut Umfragen nur noch
ewig gestrige Nationalisten mit geringer
-
Kaufkraft. Außerdem ließen sich durch die
Umbenennung auch ein paar unangenehme
-
historische Verpflichtungen loswerden. So
hatte zum Beispiel die Armee des Landes
-
in der Vergangenheit, nunja, sagen wir
mal, etwas übers Ziel hinausgeschossen.
-
Die Unternehmensberatung beauftragte die
Kreativen von „Weltweite Werbung“, WWW,
-
nicht nur einen neuen Namen für das Land
zu erarbeiten, sondern auch gleich ein
-
neues Image, neue Helden, eine neue Kultur,
kurz gesagt, eine neue Country Identity.
-
Nach einiger Zeit und noch mehr Geld,
nach Vorschlägen und Gegenvorschlägen
-
einigten sich alle Beteiligten endlich auf
den heute weltbekannten Namen, der sich
-
so vorzüglich dafür eignet, hinter einem
‚Made in‘ auf Produkten zu stehen,
-
Quality Land. Selbst Quality Lands
Einwohner wurden umbenannt. Sollten sie
-
doch keine Standardmenschen sein, sondern
Qualitätsmenschen. Vor allem die
-
Nachnamen der Leute klangen immer noch
sehr mittelalterlich und passten ganz und
-
gar nicht zur neuen
fortschrittsorientierten Landesidentität.
-
Ein Land voller Müller, Schneider und
Wagner war nicht gerade der feuchte Traum
-
eines Hightech-Investors. Darum beschloss
die Werbeagentur, dass ab sofort jeder
-
Junge den Beruf seines Vaters als
Nachnamen tragen muss, und jedes Mädchen
-
den Beruf seiner Mutter. Entscheidend ist
dabei der zur Zeit des Zeugungsakts
-
ausgeübte Job. Wir wünschen dir
unvergessliche Erlebnisse im Land von
-
Sabine Mechatronikerin und Walter
Putzkraft, dem beliebtesten
-
Mittelschichts-Rap-Duo unserer Dekade. Im
Land von Scarlett Strafgefangene und ihrem
-
Zwillingsbruder Robert Aufseher.“
Lachen
-
„Den ungeschlagensten Battleboard Jockeys
des Jahrhunderts. Im Land von
-
Henrik Ingenieur, dem reichsten Menschen
der Welt. Willkommen im Land
-
der Superlative.
Willkommen in Quality Land!“
-
Jingle-Musik
-
Ja, so. Mhmh.
-
Applaus und Jubel
-
Das irritiert mich total krass,
wenn ich mich da sehe!
-
Das ist… wow, guck mal, meine Augen!
Lachen
-
Das ist echt heftig. Ich sollte mal
wo auftreten, da hatten die…
-
oh Gott, das ist ja noch viel schlimmer!
-
Applaus und Gelächter
-
Hallo Marc-Uwe, hallo. Hallo Boris.
-
Boris: Du musst in die Richtung winken.
-
Marc-Uwe: Ja… ich… ist ja wie
in Nordkorea hier. Also…
-
Gelächter
-
Gut, ich versuch’ das.
-
Gelächter
-
Ich lese das Kapitel einfach vor
und ich halte das Buch so.
-
Gelächter
-
Das Kapitel heißt „Vorstellungsgespräch“.
-
„Es ist ein kalter unpersönlicher Raum,
aber immerhin ist er durch eine Glaswand
-
von den 126 anderen Menschen abgetrennt,
die in einem großen Saal an genormten
-
Tischen hocken. 64 von ihnen telefonieren,
32 arbeiten an Computern,
-
alle bis auf 16 schieben sich hastig
Essen in den Mund. Es ist Mittagszeit.
-
Peter gegenüber, an der anderen Seite des
Tisches, sitzt eine junge Frau, sie heißt
-
Melissa. Mehr verrät ihr Namenscallout
nicht. Vor ihr liegt ein QualityPad,
-
auf dem sie sich Notizen macht.
‚Erzählen Sie mir etwas über sich,‘
-
sagt Melissa und zupft an ihrem
Business-Kostüm herum. ‚Tja also,
-
eigentlich steht alles in meinem
Profil,‘ sagt Peter. ‚Ich lese mir die
-
Profile der Bewerber nie durch,‘ sagt
Melissa, ‚sonst hätte ich ja gar kein
-
Gesprächsthema mehr.‘ ‚Okay ich
heiße Peter.‘ ‚Nachname?‘
-
‚Arbeitsloser.‘ ‚Verstehe‘.
‚Was verstehen Sie?‘
-
‚Genug. Level?‘ ‚10‘, lügt Peter.
-
‚Aktueller Beruf?‘ ‚Ich bin
Maschinenverschrotter. Allerdings
-
ist das eine Tätigkeit, die mich nicht
gerade mit Leidenschaft erfüllt.‘
-
‚Verständlich.‘ ‚Darum könnte ich mir gut
vorstellen, in Zukunft etwas anderes
-
zu arbeiten.‘ ‚Haben Sie irgendwelche
Ausbildungen,‘ sagt die Frau,
-
‚Zusatzqualifikationen?‘ ‚Ich habe eine
Ausbildung zum Maschinentherapeuten
-
angefangen.‘ ‚Ist das nicht verboten?‘
‚Jetzt schon,‘ sagt Peter,
-
‚aber als ich mit der Schule…‘ ‚Sie meinen
Ausbildungsstufe 2?‘ ‚Ja, als ich mit
-
Stufe 2 fertig war, schien
Maschinentherapeut ein Beruf mit Zukunft
-
zu sein.‘ ‚Tatsächlich? Für mich klingt es
nach esoterischem Unsinn. Was gibt es
-
an Maschinen zu therapieren? Eine Maschine
funktioniert oder funktioniert nicht.‘ ‚Naja,‘
-
sagt Peter, ‚die meisten Leute glauben
immer noch, dass künstliche Intelligenzen
-
von Menschen programmiert werden, aber das
stimmt nicht. Moderne Maschinen werden
-
angetrieben von selbstlernenden
Algorithmen, die dadurch schlauer werden,
-
dass sie unsere Daten, unsere Gespräche,
Mails, Fotos und Videos analysieren.
-
Es ist wohl unvermeidlich, dass einige
davon psychische Probleme bekommen.‘“
-
Lachen
„‚Gemobbte Drucker, Großrechner mit Burnout,
-
Digitale Übersetzer mit Tourette.‘“
Gelächter
-
„‚Elektronische Haushaltshilfen mit
zwanghafter Persönlichkeitsstörung.
-
Ich hatte aber die Ausbildung noch nicht
abgeschlossen, da wurde das Therapieren
-
von Maschinen leider verboten.‘
‚Warum? Konsumschutzgesetze?‘
-
‚Ja,‘ sagt Peter, ‚das Therapieren wurde
als eine Art Reparatur angesehen, und
-
Sie wissen ja, wie der Kinderreim geht:
Neues kaufen das ist recht, reparieren
-
das ist schlecht.‘ ‚Und anstatt
Maschinentherapeut zu werden,
-
wurden Sie Maschinenverschrotter?‘
Peter zuckt mit den Achseln,
-
‚ich habe nichts gefunden, und als mein
Großvater gestorben ist, hat mir das
-
Ministerium für Produktivität gesagt, ich
solle seinen Laden mit der Schrottpresse
-
übernehmen.‘ Er lächelt, ‚meine
Sachbearbeiterin meinte, ich solle froh sein,
-
denn ich hätte doch irgendwas
mit Maschinen machen wollen.‘
-
‚Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?‘, fragt
Melissa. ‚Ich äh, puh, keine Ahnung.
-
Ich muss gestehen, die Frage hat etwas
deprimierendes.‘ ‚Was würden Sie sagen
-
sind Ihre Stärken und Schwächen?‘ Jetzt
muss Peter doch lachen. ‚Können Sie mir
-
sagen, was so witzig ist?‘ fragt die junge
Frau, ‚ich amüsiere mich auch gern.‘
-
‚Das bezweifle ich,‘ sagt Peter…“
Gelächter
-
„und muss gegen seinen Willen noch
lauter lachen. Melissa verzieht ihr
-
Gesicht, ‚bin ich lächerlich für
Sie?‘ Peter beruhigt sie, ‚nein nein,
-
ich musste nur daran denken, dass ich vor
Jahren mal ein Bewerbungsgespräch hatte,
-
das sich wie ein Rendezvous anfühlte und
jetzt habe ich ein Rendezvous, das sich
-
wie ein Bewerbungsgespräch
anfühlt.‘ Er lächelt,
-
‚wollen wir uns nicht wenigstens duzen?‘
Melissa zuckt mit den Schultern und
-
gewährt ihm dann seine Bitte durch eine
herablassende Geste. Kurz bereut Peter es,
-
den Quality-Partner-Gutschein aktiviert
zu haben. Dann kommt glücklicherweise
-
der Kellner mit dem Essen in ihr Separee
und beendet die unangenehme Stille.
-
Als er wieder gegangen ist, fragt Peter,
‚ist dir schon aufgefallen, dass wir beide
-
fast die einzigen in diesem Restaurant
sind, die nicht arbeiten?‘ ‚Sprich bitte
-
nur für dich,‘ sagt Melissa, ‚ich
arbeite konstant an mir selbst.‘
-
‚Na jedenfalls hatte ich mich während
der Ausbildungsstufe 3 als Aushilfe
-
bei einem Startup beworben, es gab da
dieses Regierungsprogramm, das Stellen
-
für Leute mit meinem Nachnamen 6 Monate
lang subventionierte. Arbeit für einen
-
Arbeitslosen. Ich kann mich noch gut an
das Vorstellungsgespräch erinnern.
-
Aus einem Lautsprecher kam Soul-Musik, es
gab vom Chef frisch gebackenen Kuchen,
-
die Human-Resources-Managerin schäumte mir
die Kaffeemilch auf und setzte sich dann
-
sehr nah zu mir auf die Couch. Ich habe
ein paarmal gesagt, wie sehr ich liebe,
-
was die Firma tut, und dass ich ihre
Produkte total geil finde. Und die HR-Frau
-
hat mir erzählt, wie wichtig ich der Firma
als Mensch sei. Den Rest der Zeit
-
haben wir uns nur über Filme, Musik und
Hobbys unterhalten. Hauptsächlich haben
-
wir über das Virtual-Reality-Remake von
‚Der Herr der Ringe‘ gefachsimpelt. Z.B.
-
hatten wir uns beide schon mal nach einer
Riesenadlerflugsequenz übergeben müssen.
-
Und immer wenn ich was sagte, was sie
lustig fand, hat sie mir freundschaftlich
-
gegen die Schulter gepufft. Beim
Unterschreiben des Arbeitsvertrages
-
hat sie geweint, weil es für sie ein so
emotionaler Moment war. Ein Moment,
-
von dem sie immer geträumt habe. Es sei
okay zu weinen, hat sie gesagt. Als sie
-
mich 6 Monate später entlassen hat, stand
in der Kündigung, es liege nicht an mir,
-
sondern an ihr, und sie hoffe, dass wir
Freunde bleiben.‘“ Lachen
-
„Peter schiebt sich ein paar Nudeln in den
Mund. ‚Ich habe nie wieder von ihr gehört.‘
-
Melissa hat sich während Peters Erzählung
nicht gerührt. ‚Mein Name ist Melissa
-
Sexarbeiterin,‘ sagt sie nun, ‚ich komme
von ganz unten und will nach ganz oben,
-
und ich verschwende ungern meine Zeit.‘
Peter nickt, ‚verstehe.‘ ‚Was verstehst du?‘
-
‚Genug.‘ ‚Also,‘ sagt Melissa,
‚seit wann bist du schon Analoger?‘
-
‚Was ist denn ein Analoger?‘ ‚Ein Single,
das sagt man jetzt so.‘ ‚Nicht lange.‘
-
‚Warum hat dich deine vorherige Partnerin
verlassen?‘ ‚Wieso denkst du, dass ich
-
verlassen worden bin? Vielleicht
habe ich selber Schluss gemacht?‘
-
Melissa lächelt, ‚ich glaube nicht.‘“
Gelächter
-
„Peter seufzt, ‚wollen wir nicht das
Thema wechseln? Als was arbeitest du denn
-
eigentlich?‘ ‚Ich schreibe Kommentare.‘
‚Für die Nachrichten,‘ fragt Peter,
-
‚du bist Journalistin?‘ ‚Nein‘, sagt
Melissa, ‚ich schreibe Kommentare
-
unter Videos, Fotos, Blogbeiträge,
Meldungen.‘ ‚Du bist ein Troll?‘“
-
Gelächter
-
„‚Nein, Trolle sind Idioten, die versuchen,
Diskussionen kaputt zu machen. Sie tun
-
das, weil es ihnen auf kranke Art Spaß
bereitet. Mir macht das Kommentieren
-
keinen Spaß. Ich verdiene damit mein
Geld. Ich bin Meinungsmacherin.’
-
‚Und welche politische Meinung vertrittst
du?‘ ‚Eine eigene politische Meinung
-
kann ich mir nicht leisten, ich nehme was
kommt. Am liebsten kommentiere ich aber
-
für Kampagnen rechtsradikaler
Auftraggeber.‘ ‚Warum das denn?‘,
-
fragt Peter entsetzt. ‚Ich werde pro
Kommentar bezahlt und rechte Kommentare
-
schreiben sich schneller. Weil man nicht
auf so nervigen Kram wie Orthographie,
-
Grammatik, Fakten oder Logik
Rücksicht nehmen muss.‘“
-
Applaus und Jubel
-
„‚Auch die Programmierung meiner
Bot-Armee wird dadurch leichter.‘ Dazu
-
fällt Peter nichts ein. Sie essen
schweigend weiter. Dann erinnert sich
-
Peter an ein neues praktisches Feature der
Quality Partner-App. Sie kann für jedes
-
Date gute Gesprächsthemen vorschlagen.
Peter tut so, als habe er eine Nachricht
-
bekommen und öffnet die App. Das
vorgeschlagene Gesprächsthema lautet:
-
Wetter.“
Gelächter
-
„‚Für diese Jahreszeit,‘ beginnt
Peter, ‚ist es draußen genauso warm,
-
wie man es erwarten würde.‘ Melissa
blickt ihn fragend an. ‚Findest du
-
nicht?‘ fragt Peter. Melissa schiebt
wortlos ihren Teller von sich.
-
‚Na gut,‘ sagt sie, ‚dann gehen wir mal
zu mir und überprüfen, wie das mit dem
-
Geschlechtsverkehr klappt. Alles unter
"phänomenal" scheint mir unmöglich.‘
-
‚Wieso?‘ ‚Nun, Quality Partner hat
unsere Profile verglichen und ist sich
-
sicher, dass wir gut zueinander passen.
Und das liegt ganz offensichtlich
-
nicht daran, dass du ein toller
Gesprächspartner bist.‘“
-
Gelächter im 34C3 -Saal
-
„‚Also probieren wir es mal mit Sex.‘
‚Das, äh,‘ sagt Peter,
-
‚das klingt einleuchtend.‘“
-
Applaus
-
Ja, Boris und ich sind auch Teil einer
sehr guten Band. Der ‚Arbeitsgruppe
-
Zukunft‘. Und wir spielen euch jetzt
ein Lied vor, aus unserem Œuvre.
-
Das Lied heißt: Lied
für die digitale Bohème.
-
Musik
-
Das ist kein Intro,
das Lied muss noch booten.
-
Musik
-
„Ich habe keinen Chef,
Ich muss nicht ins Büro,
-
Ich sitze mit mei’m Notebook
Unten im Bistro.
-
Ich schlafe morgens aus,
Ich fühle mich so frei,
-
Ich schufte auch am Wochenende
Bis nachts um drei.
-
Denn ich bin ein Selbstausbeuter!
Yeah, yeah, yeah, yeah!“
-
Beide: „Ich bin / Er ist
ein Selbstausbeuter!“
-
Marc-Uwe: Ach stimmt, das ist
der Chorteil. Ja danke.
-
Boris: Ja, das ist der Chorteil.
-
Marc-Uwe: Ja. Die Selbstausbeuter
machen immer alles…
-
…ich dachte nicht, dass ich Hilfe krieg’.
-
„Ich bin ein Selbstausbeuter!
Yeah, yeah, yeah, yeah!“
-
Boris: „Er ist ein Selbstausbeuter!
Mehr, mehr, mehr, mehr.“
-
Marc-Uwe: „Zur Steigerung der Kreativität
Nehm’ ich homöopatische Kräuter.“
-
Boris: „Er ist ein Selbstausbeuter!
Mehr, mehr, mehr, mehr!“
-
Interlude
-
Marc-Uwe: „Ich arbeite 80 Stunden
Und bin doch nur Mittelmaß,
-
Aber ich sag’ mir immer wieder:
Arbeit macht doch Spaß!
-
Manchmal geh’ ich brunchen,
Mit meiner Freundin Esther.
-
Dann spielen wir unser Lieblingsspiel,
Es heißt: ‚Wer ist gestresster?‘.
-
Bin ein Selbstausbeuter!
Yeah, yeah, yeah, yeah!
-
Ich bin ein Selbstausbeuter!
Mehr, mehr, mehr, mehr!“
-
Boris: „Er ist ein Selbstausbeuter!
Und manchmal da bereut er,
-
Damals nach der Schule
Nicht auf Lehramt studiert zu haben.“
-
Interlude
-
Marc-Uwe: „Ich habe drei Projekte,
Dann hab’ ich nur noch eins,
-
Dann hab’ ich zwölf Projekte,
Dann hab’ ich wieder keins.
-
Ich bin flexibel und belastbar,
Innovativ und ich bin jung.
-
Ich verwechsele outgesourcete Arbeit
Mit Selbstverwirklichung.
-
Ich bin ein Selbstausbeuter!
Yeah, yeah, yeah, yeah!“
-
Boris: „Er ist ein ein Selbstausbeuter!
Mehr, mehr, mehr, mehr!“
-
Marc-Uwe: „Ich bin nicht nur ’ne Kuh,
Ich zieh’ auch noch selbst an meinem Euter.“
-
Boris: „Er ist ein ein Selbstausbeuter!“
Beide: „Mehr, mehr, mehr, mehr, mehr, mehr,
-
Mehr, mehr, mehr, mehr, mehr,
Mehr, mehr, mehr, mehr, mehr.“
-
Applaus
-
Marc-Uwe: Aha. Boris!
-
Boris: Das nun folgende Duell
der Präsidentschaftskandida…
-
Marc-Uwe: Nein, nein, nein, nein, nein.
Boris: Nein, nein, nein, nein, nein?
-
Marc-Uwe: Nein. Hier, vorher.
Boris: Waaa, scheiße. Sorry.
-
Marc-Uwe: Du sollst die Leute
orientieren, nicht verwirren!
-
Boris: Ja, ist ja gut. „Sport Stream,
offizieller Medienpartner der E-Sport-WM.“
-
Bass-Jingle
-
Marc-Uwe: „Die Retrobegeisterung im E-Sport
scheint keine Grenzen zu kennen.
-
65.536 Menschen haben sich heute im
‚Hier könnte deine Werbung stehen‘-Stadion
-
von Quality City versammelt,
um der Weltmeisterschaft
-
im Snake-spielen beizuwohnen.“
-
Gelächter
-
„Die Betreiber des ‚Hier könnte
deine Werbung stehen‘-Stadions suchen
-
übrigens immer noch nach einem neuen
Sponsor. Interessenten werden gebeten,
-
sich zu melden. Die Stimmung ist nahe dem
Siedepunkt. Begeistert wie seit dem
-
Worms-Worldcup nicht mehr, feiern die
Zuschauer hier ihre aus dem Netz bekannten
-
Helden. Mit Hilfe von nur 4 Cursortasten
steuern diese Teufelskerle ihre digitale
-
Schlange quer über den ganzen Bildschirm,
um die Ziffern von 1 bis 9 in der
-
richtigen Reihenfolge einzusammeln. Es ist
einfach unglaublich! Das Ganze hat sich
-
zugespitzt zu einem Zweikampf zwischen
Carlos Arbeitsloser aus der Stadt Profit
-
und Halef Omar aus Quantity Land 3. Die
beiden sitzen nun schon seit Stunden an
-
ihren Rechnern. Um diesen ununterbrochenen
Fokus aufrechterhalten zu können,
-
tragen beide übrigens
Windeln von Gampers.“
-
Boris: Gampers,
brüllt: diapers for the Players!
-
Marc-Uwe: „Pinkelpausen kann es auf diesem
hohen Level natürlich nicht geben.
-
Unglaublich, was diese Jungs drauf haben.
Wie geschickt sie dem immer länger
-
werdenden, tödlichen, eigenen
Schlangenschwanz ausweichen, das erfordert
-
jahrelanges Training. Bei der letzten WM
hatte Carlos Arbeitsloser am Ende übrigens
-
den längsten Schwanz. Er widmete seinen
Sieg allen, die seinen Nachnamen tragen
-
und forderte sie auf, nicht zu verzagen,
sondern sich ein Beispiel an ihm zu
-
nehmen. Auch einer, der ‚Arbeitsloser‘
heißt, könne etwas werden in Quality
-
Land. Wir drücken ihm natürlich auch
dieses Mal die Daumen. Dieser Mann
-
in seinen Markenwindeln ist
ein Vorbild für die ganze Nation.“
-
Applaus
-
Irgendwie ist das hier…
jetzt machst du das andere.
-
Boris: Ja.
Gelächter
-
Boris: Das nun folgende Duell der
Präsidentschaftskandidaten wird Ihnen
-
präsentiert von Fatkillers.
Fatkillers, fettzerstörende Nanoroboter.
-
Noch nie war Abnehmen so einfach.
-
Marc-Uwe: Irgendwie hat das nicht so
funktioniert mit den Klebezetteln,
-
wie ich mir das vorgestellt habe.
Lachen
-
Ahja.
-
„Eine Wand dreht sich und präsendiert,
präsendiert…“ – pödädädädä!
-
Also, die Moderatorin des
Präsidentschaftsduells… schon ihre Geburt
-
war ein medial ausgeschlachteter kleiner
Skandal. Sie heißt Julia Nonne!
-
Und jetzt tritt sie auf.
-
„Eine Wand dreht sich und präsentiert
die heute extrem seriös gekleidete
-
Julia Nonne. Darunter leiden natürlich die
Einschaltquoten. Aber angezogen zu sein
-
ist eine Pflicht, die das Format leider
mit sich bringt. Die Moderatorin begrüßt
-
die beiden Kandidaten. Links und rechts
von ihr steigt Dampf auf, und aus dem
-
Boden fahren zwei Plattformen mit
Rednerpulten. Hinter dem rechten steht
-
Conrad Koch, hinter dem linken
John of Us.“ Also Conrad Koch ist
-
ein Rechtspopulist, also ein Fernsehkoch,
der Präsident werden möchte.
-
Und John of Us ist ein Androide,
der Präsident werden will. Also so…
-
fand ich eine ganz interessante
Konstellation.
-
„‚In 32 Tagen stirbt unsere geschätzte
Präsidentin,‘ beginnt Julia Nonne.
-
‚Falsch, Lüge,‘ sagt Koch. ‚Ich schätze
diese Person überhaupt nicht.‘
-
‚Sie beide bewerben sich um die Nachfolge‘
fährt Julia unbeeindruckt fort.
-
‚Heute stehen Sie mir Rede und Antwort.
Herr Koch, Sie führen in den aktuellen
-
Umfragen, Sie dürfen beginnen.‘ ‚Ich will
gar nicht erst um den heißen Brei
-
herumreden,‘ sagt Conrad Koch, ‚das Problem
sind die ganzen Wirtschaftsflüchtlinge
-
und Terroristen. Die sollen bleiben, wo
der Pfeffer wächst, sonst mach’ ich
-
Hackfleisch aus ihnen.‘ ‚Herr Koch, es
gibt ja immer wieder Stimmen, die Ihnen
-
und Ihrer Kampagne Rassismus unterstellen
und…‘ ‚Falsch, lassen Sie mich das
-
sofort klarstellen. Niemand auf der Welt
ist weniger Rassist als ich. Niemand.
-
Aber das wird man ja wohl noch sagen
dürfen, dass die Südländer alle faul,
-
die Neger alle kriminell und die Araber
alle Terroristen sind. Das sind doch
-
Fakten. Und dennoch gilt, das möchte
ich wiederholen, es hat niemals in der
-
Menschheitsgeschichte einen Mann gegeben,
der weniger rassistisch gewesen wäre
-
als ich.‘ ‚Was ist mit Martin Luther
King?‘, fragt John. ‚Ich bitte dich,
-
wann hat dieser Martin Luther King je
etwas für einen Weißen getan? Er war
-
nichts anderes als ein schwarzer Rassist,
der Weiße diskriminierte, wo immer er
-
aufgetaucht ist.‘ ‚Äh…‘, sagt
Julia Nonne sprachlos. ‚Sehen Sie,‘
-
fährt Conrad Koch fort, ‚das sind ja
nicht nur Menschenmassen, die uns da
-
überrennen, das sind auch Massenmenschen.
Massenmenschen, die hier herkommen zu uns
-
Qualitätsmenschen und uns den kläglichen
Rest an Arbeitsplätzen klauen, die uns
-
seinesgleichen…‘‚ er deutet
verächtlich auf John, ‚übrig gelassen
-
hat. Aber damit nicht genug, sie stehlen
auch unsere Autos, sie vergewaltigen
-
unsere Frauen. Kurz gesagt, sie haben
keinen Respekt vor unserem Besitz.‘“
-
Raunen, Gelächter und Applaus
-
„‚Ist eine Frau für Sie wie ein
Auto?‘, fragt Julia Nonne, ‚etwas, das
-
man besitzen kann?‘ ‚Jetzt kommen Sie
nicht mit ihrem Emanzenkram,‘ sagt
-
Conrad Koch, ‚dazu kann ich nur sagen,
ist die Maus satt, schmeckt das Mehl
-
bitter.‘ ‚Was soll denn das
heißen?‘, fragt Julia. Conrad Koch
-
ignoriert ihre Zwischenfrage und fährt
fort. ‚Schlussendlich geht es doch um
-
unsere Sicherheit. Im Prinzip geht es nur
um ein Wort: Recht und Ordnung.‘“
-
Gelächter
-
„‚Das waren aber zwei Wörter,‘ sagt
Julia Nonne. ‚Genau genommen drei,‘
-
sagt John, ‚wenn man die Konjunktion
mitzählt.‘ Über Funk meldet sich Johns
-
Wahlkampfmanagerin bei ihm, ‚bitte
versuch’ nicht witzig zu sein, John,‘
-
sagt Aisha, ‚bitte, bitte.‘ ‚Recht und
Ordnung,‘ wiederholt Koch lauter, ‚wir
-
müssen unsere Grenzen dicht machen. Recht
und Ordnung.‘ ‚Ich weiß nicht, ob Sie da
-
eine Wette am Laufen haben,‘ sagt John,
‚wie oft Sie diese drei Wörter bzw.
-
dieses eine Wort, wie Sie sagen würden,
in einem Statement unterbringen können,
-
aber…‘ ‚Recht und Ordnung,‘ sagt
Koch, ‚und die Grenzen zu, und zwar
-
nicht nur für die Terroristen aus
Quantity Land 7, aber für die
-
besonders.‘ ‚Sie selbst haben
Waffenexporte nach Quantity Land 7
-
befürwortet,‘ sagt John. ‚Falsch,‘
sagt Conrad Koch einfach, ‚Lüge!‘
-
‚Aber ich habe es mit meinen eigenen
Ohren gehört,‘ sagt John, ‚vor genau
-
32 Tagen im Parlament.‘ ‚Falsch,‘
sagt Conrad Koch, ‚Lüge, du hast
-
überhaupt keine Ohren.‘ ‚Im Gegensatz
zu Ihnen, Baron Münchhausen, bin ich
-
gar nicht fähig zu lügen,‘ sagt John,
‚meine Programmierung erlaubt mir das
-
nicht.‘ ‚Noch eine Lüge!‘, ruft
Koch. ‚Ich bin kein Baron. Ehrlich
-
gesagt, es würde mich nicht wundern, wenn
die Fanatiker aus Quantity Land 7 selbst
-
hinter diesem Stromfresser stecken.‘
John lächelt. ‚Was gibt es denn da zu
-
lächeln, Blechbüchse?‘ ‚Zuallererst
möchte ich Ihnen versichern, dass
-
keinerlei Blech in mir verbaut worden
ist,‘ sagt John. ‚Mein Körper besteht
-
aus karbonfaserverstärktem Kunststoff.
Das einzige Blech in unserer Runde ist
-
jenes, welches Sie reden. Und ich lächle,
weil Sie und alle Nationalisten immer
-
gegen die Fundamentalisten wettern, und
dabei so tun, als wären Ihre Bewegungen
-
Gegensätze. Dabei sind sie einfach nur
zwei Seiten derselben Medaille.‘
-
‚Wie meinst du das, John?‘ fragt Julia.
‚Sehen Sie,‘ sagt John, ‚das
-
zugrundeliegende Problem ist doch eine
Sinn- und Identitätskrise. Was gab den
-
Menschen früher Halt, einen Sinn, eine
Identität? Die Gemeinschaft, die Religion
-
und nicht zuletzt die Arbeit. Das Geld,
dieser unpersönliche Vermittler, hat
-
die Gemeinschaft zertrümmert. Die
Wissenschaft hat die religiösen Götzen
-
vom Sockel gestoßen, und die
Automatisierung nimmt euch jetzt auch noch
-
die Arbeit.‘ ‚Zu kompliziert,‘ hört
er Aisha über Funk flüstern. ‚Deine
-
Sätze sind zu kompliziert. Bring’
Beispiele.‘ ‚Ich will ein Beispiel
-
bringen,‘ sagt John. ‚Früher war der
Schmied des Dorfes X ja nicht einfach
-
irgendein Typ. Er war der Schmied des
Dorfes X. Das war seine Identität.
-
Wenn man ihn gefragt hat, wer er sei,
konnte er antworten, ich bin der Schmied
-
des Dorfes X.‘ ‚Ist dir schon mal in den
Sinn gekommen, dass sich nicht alle
-
Zuschauer so sehr für metallverbiegende
Industrie interessieren könnten wie du,
-
alter Blechkasten?‘, fragt Koch.
‚Ein Freelancer, ein Zeitarbeiter, ein
-
Arbeitsloser, sie alle können schwerlich
aus ihrer Arbeit eine Identität
-
schöpfen,‘ fährt John fort. ‚Selbst
die wenigen Festangestellten haben oft
-
Schwierigkeiten, in ihrer Arbeit einen
Sinn zu sehen. Wen wundert’s? Ich habe
-
vor kurzem einen Betrieb besucht,
in dem ein Team intelligenter und
-
hochqualifizierter Wissenschaftler gerade
ein Küchengerät entwickelt, dessen
-
einziger Zweck es ist, aus einer Portion
Blaubeeren die verschimmelten heraus zu
-
sortieren. Mit so etwas kann man sich
höchstens beschäftigen. Eine Berufung
-
ist das nicht.‘ ‚Falsch, falsch,‘
sagt Koch, ‚wir stellen da ein ganz
-
hervorragendes Produkt her.‘
‚Auf der Flucht vor Sinnlosigkeit,
-
Identitätsverlust und Isolation stürzen
sich die Menschen darum auf alle Angebote
-
zu Imagination von Sinn und Gemeinschaft,
so stupide sie auch sein mögen. Und das
-
ist es, was der Nationalismus mit dem
Fundamentalismus gemein hat. Sie sind
-
beide stupide Angebote zur Imagination von
Gemeinschaft. Ich sage "Imagination" weil
-
die Gemeinschaft nicht real ist, denn es
geht hier nicht um gerechte Teilhabe,
-
sondern im Gegenteil gerade um die
Verschleierung und Festigung sozialer
-
Ungleichheiten.‘ ‚Falsch, Lüge. Wenn
ich erst Präsident bin, werde ich sowieso
-
jede Art von Verschleierung verbieten.‘
‚Diese Bewegungen erhöhen die
-
eigene Gruppe dadurch, dass andere,
die Ungläubigen, die Ausländer,
-
die Nutzlosen usw. erniedrigt werden. Es
handelt sich zwar um große Erzählungen,
-
aber um negative. Was den Menschen fehlt,
ist eine große positive Erzählung.‘
-
‚Ich weiß, worauf der Stromfresser
hinaus will,‘ ruft Conrad Koch, ‚er ist
-
ein verdammter Kommunist!‘ ‚Man kann
vom Kommunismus halten, was man
-
will,‘ sagt John, ‚und sicherlich
gelänge es mir, mehr Mängel an den
-
untergegangen Versuchen zu benennen als
Ihnen. Aber unstrittig ist doch, dass es
-
sich um eine große Erzählung gehandelt
hat.‘ ‚Dazu möchte ich nur eins
-
sagen, du hast vielleicht die besseren
Argumente,‘ sagt Conrad Koch,
-
‚aber das sind nur Argumente.‘“
-
Applaus
-
Musik
-
Boris: Und jetzt Werbung!
-
Applaus
-
Marc-Uwe: „Fühlen Sie sich eigentlich
sicher? Obwohl die allermeisten Straßen
-
und öffentlichen Plätze in Quality City
großzügig mit Überwachungskameras
-
ausgestattet sind, fühlen sich 64%
der Einwohner nicht sicher. Zu Recht.
-
In jeder dunklen Ecke kann ein krimineller
Nutzloser, ein Terrorist oder ein
-
Killerroboter lauern. Ist auch Ihnen die
flächendeckende Überwachung einfach
-
nicht flächendeckend genug? Dann
besorgen Sie sich am besten noch heute
-
eine Selbstüberwachungsdrohne
von SuperSecure, SS.“
-
Raunen und Gelächter
-
„Diese Drohnen aktivieren sich
automatisch, sobald Sie das Haus
-
verlassen. Sie folgen Ihnen auffällig
abschreckend, filmen jeden Ihrer Schritte
-
und streamen alles in die Cloud.
You never walk alone.
-
Sollten Sie einem Gewaltverbrechen
zum Opfer fallen, können sich
-
Ihre Hinterbliebenen sofort
ansehen, wie es passiert ist.“
-
Boris: SuperSecure,
Drohnen, die sich lohnen!
-
Applaus
-
Marc-Uwe: Jetzt möchten wir ein Lied
spielen, das heißt „das Lied von der
-
Verweigerung“ und ich habe es
damals geschrieben für heute.
-
Da wusste ich noch nicht,
dass ich hier auftrete, aber…
-
Boris: Cool.
-
Marc-Uwe: Ist cool, ne? Macht überhaupt
keinen Sinn, was ich gesagt habe, egal.
-
Vergesst es. Es ist ein Lied mit
Performance-Teil. Performance wird
-
Boris machen. Machen wir
ein bisschen schneller.
-
Musik
-
Es ist lustig.
-
„Wir kennen uns schon so lange,
Und ich find’ dich immer noch heiß.“
-
Boris: Heiß, heiß.
-
Marc-Uwe: „Aber unsere Gespräche
Drehen sich leider im Kreis.“
-
Boris: Drehen sich leider im Kreis.
-
Marc-Uwe: „Das hast du mich schon so oft
gefragt, und immer mit diesem Gesicht.“
-
Boris: Mit diesem Gesicht.
-
Applaus
-
Marc-Uwe: Nein nein.
Ich darf dich nicht ankucken!
-
„Hast du mich schon oft gefragt,
Immer mit diesem Gesicht.
-
Und ich habe schon so oft Nein gesagt,
Erinnerst du dich nicht?
-
Dein zwanghaftes Beharren
Wird für mich zur Qual.“
-
Boris: Qual, Qual.
-
Marc-Uwe: „Bitte sei mir nicht böse,
Aber ein für alle mal:
-
Nein, ich habe keine Kundenkarte
Und ich will auch keine haben.
-
Ich hab’s so satt,
Den ganzen Rabatt.
-
Auch auf Herzen und Sterne
Verzichte ich gerne.
-
Ich breche meine Treue
Jeden Tag auf’s Neue.
-
Und ich weiß, das war alles
Nicht deine Idee,
-
Aber lass mich in Ruh’
Mit der Scheiße, okay!?
-
Bitte versteh’!
-
Ihr sagt doch immer,
Meine Meinung sei euch wichtig.
-
Hier ist meine Meinung,
Ihr tickt doch nicht richtig.
-
Ich lauf’ nämlich Amok,
Völlig frustriert,
-
Wenn mir ein Konzern mehr
Zum Geburtstag gratuliert.
-
Ich will echt nichts gratis,
Weil, wisst ihr was ich denke?
-
Ihr erwerbt mich
Durch eure Werbegeschenke.
-
Ich will nur zwei Brötchen
Und es ist mir einerlei,
-
Dass ich auch drei haben könnte
Zum Preis für zwei.
-
Also, nein, ich habe keine Kundenkarte
Und ich will auch keine haben!
-
Ich hab’s so satt,
Den ganzen Rabatt.
-
Und ihr werdet’s nicht glauben,
Hier kommt der Clou,
-
Ich will zu den Brötchen
Auch keinen Mietwagen dazu.
-
Will auch keine Kataloge
Groß und breit,
-
Wenn ich was brauch’,
Sag’ ich schon Bescheid!“
-
Boris: Er sagt dann Bescheid!
-
Marc-Uwe: „Auch euer Gewinnspiel
Interessiert mich nicht,
-
Weil ihr gewinnt
Und verlieren tu’ ich,
-
Denn ich weiß, was ihr seid,
Ihr seid Piraten,
-
Ihr entert mein Leben
Und klaut meine Daten.
-
Jeder Scheißladen
Hat von mir ein Profil,
-
Alle rechnen mich aus,
Heraus kommt zu viel.
-
Ich steh’ an der Kasse
Zu ’nem einzigen Zweck,
-
I just want to pay,
I don’t want Payback!
-
Also, nein, ich habe keine Kundenkarte
Und ich will auch keine haben.
-
Ich hab’s so satt,
Den ganzen Rabatt.
-
Ich brauche auch echt nicht
Zu jedem Geschäft
-
Ein beschissenes
Stempelheft.
-
Also lasst mich in Ruhe,
Fickt euch ins Knie,
-
Ihr seid überhaupt nicht
Meine Family!“
-
Boris: Fickt euch ins Knie!
-
Marc-Uwe: „Und wenn ich einst sterbe,
Wenn ich weiß, es ist aus,
-
Todkrank in ’nem privaten
Krankenhaus.
-
Wenn da kein Arzt ist
Und auch kein Pater,
-
Nur der Customer
Service-Berater,
-
Dann werde ich noch
Mit letztem Atem stammeln:
-
‚Nein danke,
Ich will keine Punkte sammeln!‘
-
Erst wenn der letzte
Mensch entlassen,
-
Weil dem Chef
Seine Hobbys nicht passen,
-
Wenn das Bewerbungsgespräch
In der Freizeit beginnt,
-
Wenn nur noch Gesunde
Versichert sind,
-
Wenn man weiß, wo wir sind,
Weil man weiß, wo wir waren.
-
Wenn Google entscheidet,
Wohin wir fahren,
-
Wenn wir als nicht
Kreditwürdig gelten,
-
Weil wir die falschen
Bücher bestellten,
-
Werden wir lernen,
Irgendwo, irgendwann,
-
Dass man Treueherzen
Nicht essen kann.“
-
Applaus
-
E-Bass-Jingle
-
Boris: Nachrichten!
-
Marc-Uwe: „Schnelle Aufklärung dank
Selfiedrohne. Immer mehr Menschen
-
überwachen sich zu ihrer eigenen
Sicherheit konstant selbst mit sogenannten
-
Selfiedrohnen. Gute Idee. So konnte zum
Beispiel der Hergang eines tödlichen
-
Unfalls heute auf dem Elon-Musk-Platz
in Sekundenschnelle aufgeklärt werden,
-
weil sich beide Beteiligten durch
Drohnen selbst überwacht haben.
-
Die Rekonstruktion ergab folgendes. Als
sich die Wege der beiden Geschäftsmänner
-
kreuzten, stießen in der Luft über ihnen
ihre beiden Drohnen zusammen…“
-
Gelächter
-
Marc-Uwe: „…und eine davon fiel ihrem
Besitzer recht ungünstig auf den Kopf.
-
Tja, hätte er sich lieber eine sehr
gute Drohne der Firma SuperSecure…“
-
Boris: Drohnen, die sich lohnen!
-
Marc-Uwe: „…geleistet, statt der billigen
Kopie der Firma PrettySecure. Ein Sprecher
-
von PrettySecure wies allerdings jegliche
Verantwortung zurück. Schuld an dem
-
tödlichen Ausgang des Unfalls habe nicht
der Softwarefehler, der zu dem
-
Zusammenstoß geführt habe, sondern
vielmehr die Schwerkraft, ohne die es
-
gar nicht zu einem Absturz
hätte kommen können.“
-
Applaus
-
Boris: leise:
It’s funny, ’cause it’s true!
-
Marc-Uwe: Ich lese noch dieses Kapitel,
denn… es ist eine… es heißt ‚Moralische
-
Implikationen‘. „Peter stampft
aus dem Service-Centrum
-
und steigt in das selbstfahrende Auto,
das sein digitaler persönlicher Assistent
-
‚Niemand‘ gerufen hat. Er ist frustriert.
‚Guten Tag Peter Arbeitsloser,‘
-
sagt das Auto. ‚Soll ich dich nach
Hause fahren?‘ ‚Ja bitte,‘ sagt Peter
-
und das Auto fährt los. ‚Möchtest du,
dass ich dir Musik anmache?‘, fragt es.
-
‚Bitte nicht,‘ sagt Peter. Er liest den
Namen auf dem Infodisplay, ‚aber
-
danke der Nachfrage, Herbert.‘ Sie
schweigen eine Weile, bis ein Sportwagen
-
Herbert rechts überholt und seine Fahrspur
schneidet. Herbert bremst und flucht:
-
‚so ein gottverdammtes Arschloch,
hast du das gesehen? Dem gehört doch
-
die Fahrerlaubnis entzogen, ohne
Prozess sofort verschrotten die Sau,
-
den sollte man…‘ das Auto unterbricht sich,
als es Peters irritierte Reaktion bemerkt.
-
‚Entschuldige,‘ sagt es, ‚wenn du möchtest,
kann ich das Simulationsmodul
-
für menschliches Verhalten ausschalten.‘“
-
Gelächter
-
„‚Nein nein,‘ Peter überlegt kurz,
‚darf ich dich was persönliches fragen?‘
-
‚Natürlich,‘ sagt das Auto, ‚ich muss
ja nicht antworten.‘ ‚Hast du eigentlich
-
Angst vor Unfällen?‘ ‚Nein gar nicht,‘
sagt Herbert, ‚im Gegenteil,
-
Unfälle sind eine Art Hobby von mir.‘“
-
Gelächter
-
„‚Wie bitte?‘ ‚Also nicht, dass ich je
einen gebaut hätte,‘ sagt das Auto
-
lachend, ‚es sind mehr die moralischen
Implikationen eines Unfalls, die mich
-
faszinieren.‘ ‚Wie meinst’n das?‘
‚Nun,‘ sagt Herbert,
-
‚für einen Menschen ist ein Unfall nur
selten mit einer moralischen Entscheidung
-
verknüpft. Eure Denkprozesse sind zu
langsam. Wenn ein entgegenkommendes Auto
-
mit viel zu hoher Geschwindigkeit auf
einen Menschen zurast, dann denkt er nicht:
-
oh, da rast ja mit viel zu hoher
Geschwindigkeit ein Auto auf mich zu,
-
nun mal überlegen, was sind meine
Optionen? Also ich könnte versuchen,
-
mich zu retten, indem ich nach links
ausweiche und die zwei Fahrradfahrer ramme
-
oder ich könnte nach rechts ausweichen
und dem Geschäftsmann auf dem Gehweg
-
die Knochen brechen. Oder aber ich könnte
bremsen und mit dem entgegenkommenden
-
Wagen kollidieren. Mhh. Was wäre in
der auf mich zukommenden Situation
-
moralisch richtig?
Was hätte Kant gefordert?‘“
-
Gelächter
-
„‚Was hätte Jesus getan? So etwas
würde ein Mensch nicht denken.
-
Ein Mensch würde denken, Scheiße, bumm!‘“
-
Applaus und Gelächter
-
„‚Ja, mag sein,‘ sagt Peter.
‚Seien wir ehrlich,‘ fährt das Auto
-
fort, ‚bei einem menschlichen Fahrer
müsste man froh sein, wenn er nicht in
-
einer Kurzschlussreaktion erst nach links
und dann nach rechts lenken würde,
-
um schließlich Fußgänger, Fahrradfahrer
und entgegenkommendes Auto allesamt
-
zu rammen. Eine rationale Entscheidung
trifft ein Mensch bei einem Unfall
-
jedenfalls selten. Eine Maschine allerdings
reagiert viel schneller und hat Zeit
-
für genau diese komplexen Überlegungen.
Für uns beinhaltet fast jeder Unfall
-
eine moralische Entscheidung.‘ ‚Und wie
hättest du dich in dem geschilderten Fall
-
entschieden?‘ ‚Oh, mach dir keine
Sorgen, die Sicherheit unserer Fahrgäste
-
ist unsere oberste Priorität. Alles andere
wäre geschäftsschädigend. Ich wäre
-
ausgewichen.‘ ‚Ja, aber nach links
oder nach rechts? Wen hättest du
-
überfahren? Die Fahrradfahrer oder den
Geschäftsmann?‘ ‚Das lässt sich
-
pauschal nicht sagen, das kommt auf
viele zusätzliche Faktoren an.‘ ‚So?‘,
-
fragt Peter ‚zum Beispiel?‘ ‚Die
geschätzte Höhe des jeweils zu
-
erwartenden Sachschadens und natürlich
die Level der jeweils gefährdeten
-
Personen.‘“ Also in Quality Land sind
alle Leute eingestuft, haben ein gewisses
-
Level. Ihr könnt euch das ungefähr so
vorstellen wie das, was die Chinesen
-
vorhaben mit ihrem Social-Credit-System.
Also nur als Randinformation. Die haben
-
das von mir abgeguckt, es tut mir leid,
dass ich mir das ausgedacht habe.
-
Wenn ich das gewusst hätte,
hätte ich das nicht aufgeschrieben!
-
Gelächter und Applaus
-
„‚Also lieber zwei fahrradfahrende
Level-8-Nutzlose umnieten als einen
-
Level-40-Geschäftsmann?‘, fragt Peter.
‚Nun, das ist natürlich stark vereinfacht,‘
-
sagt Herbert, ‚aber im Prinzip richtig.‘“
-
Gelächter
-
„‚Und wenn auf den Fahrrädern zwei
Level-21-IT-Techniker unterwegs wären,
-
dann würdest du den Level-40-Geschäftsmann
rammen?‘ ‚Nein,‘ sagt Herbert,
-
‚ich würde die IT-Techniker rammen.‘
‚Wieso?‘ ‚Ich hasse IT-Techniker.‘“
-
Gelächter
-
„Peter ist sprachlos. ‚Wenn ich mal
Probleme habe,‘ sagt das Auto,
-
‚kommen IT-Techniker selten
auf bessere Ideen, als
-
mich einmal aus- und
wieder anzuschalten.‘“
-
Gelächter
-
„‚Aber…‚‘ beginnt Peter. ‚Kleiner
Scherz,‘ sagt Herbert, ‚Verzeihung,
-
wenn du möchtest, kann ich mein Humormodul
ausschalten.‘ ‚Ich komm damit klar.‘
-
‚Jetzt im Ernst, ich würde sehr
wahrscheinlich den Geschäftsmann rammen.‘
-
‚Das heißt aber auch,‘ sagt Peter,
‚du würdest statt einen 97-jährigen
-
Level-90- Milliardär lieber eine Gruppe
Kindergartenkinder überfahren?‘
-
‚Ich habe mich schon gefragt, wann du
mit der Gruppe Kindergartenkinder
-
um die Ecke kommst,‘
sagt Herbert lachend.“
-
Gelächter
-
„‚Seit einer, nun ja, etwas
unglücklichen Entscheidung eines meiner
-
Kollegen wird auch das Alter der
potenziellen Opfer mit in die Berechnung
-
einbezogen. Es hat inzwischen kaum
jemand Überlebenschancen, wenn er
-
gegen eine Gruppe
Kindergartenkinder antritt.‘“
-
Gelächter und Applaus
-
Ja, vielen Dank. Ich muss mich ja an die
Stunde halten, deswegen habe ich die
-
Zugabe einfach in die Stunde integriert.
Ich lese jetzt was anderes vor.
-
Zwischenruf: Zugabe!
-
Marc-Uwe: Ja cool, okay. Na gut.
-
Gelächter
-
Einer. Also gut. Es spielt bei mir
zuhause mit jemandem,
-
mit dem ich zusammen wohne und…
-
Jubel und Beifall
-
„Wir hängen im Wohnzimmer ab und
gucken ‚Die Rückkehr der Jedi-Ritter‘.
-
Plötzlich stoppe ich den Film. ‚Weißt
du was ich total spannend finde?‘
-
frage ich, ‚Entscheidungsmomente.
Da wünsche ich mir immer, ich hätte
-
zugucken können.‘ ‚Wovon redest du?
Potsdamer Konferenz oder wie?‘
-
fragt das Känguru. ‚Nee, nee,‘ sage ich,
‚mich würden mehr diese Momente
-
interessieren, in denen total dumme
Entscheidungen getroffen wurden.‘
-
‚Du meinst z.B. diesen Moment,
als du beschlossen hast,
-
selbst die Dielen abzuschleifen?‘“
-
Gelächter
-
„‚Nee. Größer, wichtige Entscheidungen.‘
‚Wie kommst du drauf?‘
-
Ich deute auf den Fernseher. ‚Nun, der
Plan vom Imperator in diesem Film ist,
-
kommt Leute, wir bauen
nochmal einen Todesstern!‘
-
Ich schlage mir gegen die Stirn.
‚Als Kind war mir nie aufgefallen,
-
wie krass einfallslos das ist,
noch einen Todesstern.‘
-
‚Für einen erwachsenen Menschen denkst
du sehr viel über Star Wars nach!‘“
-
Gelächter
-
„‚Ja, aber das wäre ein
Entscheidungsmoment, bei dem ich gerne
-
dabei gewesen wäre. Wie ist das
zugegangen? Hat der gute Darth morgens
-
beim Zähneputzen eine WhatsApp-Nachricht
vom Imperator bekommen?
-
"Lord Vader, bitte denken Sie an
unser Meeting um 13 Uhr." Und dann
-
um 13 Uhr saßen die beiden mit ein paar
hohen Imperiumsbürokraten zusammen,
-
TOP 1 = böser Masterplan. Und alle
brainstormen ideenlos vor sich hin.
-
Bis plötzlich einer gesagt hat,
wie wär’s mit noch ’nem Todesstern?‘“
-
Lachen
-
„‚Und was hat der Imperator dann gesagt?
Brillant, wieso bin ich nicht selbst
-
drauf gekommen?‘
‚It was so nice, they built it twice,‘
-
sagt das Känguru.“
Gelächter
-
„‚Warum ist da keiner aufgestanden
und hat gesagt, naja
-
aber das hat ja jetzt beim ersten Mal
nicht zu 100% funktioniert!?‘
-
‚Mich interessiert viel mehr,‘ sagt das
Känguru, ‚wie jemals eine Gruppe halbwegs
-
vernunftbegabter Menschen denken konnte,
es sei eine gute Idee, ausgerechnet Günther
-
Öttinger zum EU-Kommissar für digitale
Wirtschaft und Gesellschaft zu machen.‘“
-
Gelächter und Applaus
-
„‚Da finde ich den Prozess spannend.
Wie kam es dazu?‘
-
‚Na wahrscheinlich saß die Kanzlerin mit
ein paar hohen Imperiumsbürokraten
-
zusammen und die brainstormen ideenlos
vor sich hin, und plötzlich sagte einer,
-
wie wär’s mit Günther Öttinger?‘ ‚Ja, aber
was passierte dann?‘, fragte das Känguru,
-
‚Wie ging es dann weiter?
Haben die anderen dann gelacht?‘“
-
Gelächter
-
„‚Oder hat einer gesagt, ja das
klingt vernünftig? Hat Merkel gesagt,
-
das Internet ist für uns alle Neuland?‘
‚Die haben wahrscheinlich alle gedacht,
-
mir egal, Hauptsache ich muss es nicht
machen.‘ ‚Oder,‘ fährt das Känguru
-
fort, ‚als Bush gesagt hat, Leute ich
habe voll die gute Idee, die dafür sorgen
-
wird, dass sich der nahe Osten in eine
Oase des Friedens und der Freiheit
-
verwandelt. Wir greifen
nochmal den Irak an.‘“
-
Gelächter
-
„‚It was so nice, they did it twice,‘
sage ich.
-
Gelächter
-
„‚Was haben die Imperiumsbürokraten
da gesagt?‘ fragt das Känguru. ‚Na die
-
haben gesagt, klasse Einfall, das Risiko,
dass das eine Horde Wahnsinniger
-
dazu bringt, einen eigenen Staat
auszurufen, dessen Nationalsportarten
-
Köpfen und Sprengen sind,
scheint uns wirklich minimal.‘“
-
Gelächter
-
„‚Ich habe mal gehört, dass das Pentagon
Invasionspläne für fast jedes Land
-
der Welt in seinen Schubladen hat,‘ sagt
das Känguru. ‚Soso, hast du gehört?‘
-
‚Ehrlich,‘ sagt das Känguru, ‚das stimmt.
Stand in einem Geheimdienstbericht.
-
Bis 1970 hatten sie sogar einen Plan
zur Invasion von Großbritannien.‘
-
Es kratzt sich an der Nase. ‚Und
das ist dann schon Pech, oder?‘
-
‚Was?‘ frage ich. ‚Na dass sie
ausgerechnet für Afghanistan
-
und den Irak keinen Plan hatten.‘“
-
Gelächter und Applaus
-
„‚Nun ja,‘ sage ich, ‚es ist wie Benjamin
gesagt hat, wenn alle Nein zum Krieg
-
sagen würden, dann gäbe es keine Kriege.‘
‚Walter Benjamin?‘ ‚Nee,‘ sage ich,
-
‚Blümchen.‘ ‚Das Techno-Mädchen?‘ ‚Nein,
der Elefant.‘ Das Känguru wirft sich eine
-
Schnapspraline ein und schluckt sie, ohne
zu kauen. ‚Oder,‘ sagt es, ‚als Hitler
-
beschlossen hat, Russland anzugreifen,
haben die Imperiumsbürokraten da gesagt,
-
Superidee, Russland angreifen, kann gar
nicht schiefgehen. Ist in der Geschichte
-
noch nie schiefgegangen. Die haben
auch ein sehr angenehmes Klima da.‘“
-
Gelächter
-
„‚Apropos Klima,‘ sage ich. ‚Da werden ja
auch laufend dumme Entscheidungen
-
getroffen.‘, sagt das Känguru. ‚Ja, wie
läuft das wohl bei so ’ner Konferenz?
-
Sagt da einer der Imperiumsbürokraten:
Lasst uns doch was gegen den Klimawandel
-
tun! Aber dann sagt ein anderer: Ja, wir
könnten jetzt was gegen den Klimawandel
-
tun. Aber wenn wir dann in 50 Jahren
feststellen würden, dass sich alle
-
Wissenschaftler doch vertan haben und es
gar keine Klimaerwärmung gibt, dann
-
hätten wir völlig ohne Grund dafür
gesorgt, dass man selbst in den Städten
-
die Luft wieder atmen kann, dass die
Flüsse nicht mehr giftig sind, dass Autos
-
weder Krach machen noch stinken, und
dass wir nicht mehr abhängig sind von
-
Diktatoren und deren Ölvorkommen.
Da würden wir uns schön ärgern!‘“
-
Applaus
-
„,Und sagen dann die anderen: Stimmt,
der Mann hat recht! Da würden wir uns
-
schön ärgern! Besser, wir bauen
noch ’nen Todesstern.‘“
-
Lachen
-
„,Tja,‘ sagt das Känguru, ,und irgendwann
in den nächsten Jahren wird irgendein
-
Gremium von Imperiumsbürokraten vor
der Entscheidung stehen: Sollen wir jetzt
-
diese selbstlernende, fehlerbeseitigende,
uns turmhoch überlegene künstliche
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Intelligenz anschalten oder lieber
nicht?‘ ,Und dann wird einer sagen,
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jetzt haben wir’s bezahlt,
jetzt schalten wir’s auch an!‘“
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Applaus
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Danke! Müsst aufhören, ich hab keine
Zeit! Ich will noch ’n Lied spielen,
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schaff‘ ich noch! Noch ’ne Zugabe, hey!
Jubel und Applaus
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Hat nur so bedingt mit Technik zu tun,
also es kommt so’n Gerät drin vor.
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Musik, Marc-Uwe pfeift Melodie
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„Heute morgen fuhr ich U-Bahn,
Hatte kein Ticket, war abgebrannt.
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Da setzte sich jemand neben mich
Und hat mich „blöde Fotze“ genannt.
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Erst konnt’ ich’s gar nicht fassen,
Dann hab ich mich total echauffiert,
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Dabei hat der Typ doch nur
Über sein Headset telefoniert.
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Über sein Headset telefoniert,
Über sein Headset telefoniert,
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Über sein Headset telefoniert,
Über sein Headset telefoniert.
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‚Fahrscheine raus!‘ rief da
Plötzlich eine miese Kontrolleuse.
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Ihre Stimme klang echt fies
Und ihre Physiognomie war böse,
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Physiognomie war böse.
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‚Fick dich doch lieber selber,‘
Sagte ich, ‚du blöde Missgeburt.
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Dein Stecher hat zu Hause eh’
Schon die ganze Provision verhurt.‘
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Da rief sie die Polizei und
Die fragte ‚Was ist denn hier passiert?‘
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Ich sagte: ‚Gar nichts, ich hab’ doch nur
Über mein Headset telefoniert.
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Über mein Headset telefoniert,
Über mein Headset telefoniert,
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Über mein Headset telefoniert,
Über mein Headset telefoniert.‘
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‚Ahahaha, muh-muh-muh.‘
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‚Ach so,‘ sagte die Frau
‚Und ich dachte schon, Sie meinen mich.‘
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Ich sag’: ‚Leute mit so’m ehrenwerten Beruf
Beleidige ich doch nicht.‘
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Da ging sie und ich rief: ‚Übrigens
Gehört ihr alle entnazifiziert!‘
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Da zog die Kontrolleuse einen Schlagstock,
Doch der Polizist hat deeskaliert:
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‚Sehen Sie nicht, dass er
Immer noch telefoniert?
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Über sein Headset telefoniert,
Über sein Headset telefoniert,
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Über sein Headset telefoniert,
Über sein Headset telefoniert.‘
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Ich hatte ’ne schöne Idee
Bei meinem letzten Wutanfall:
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Ich besorg’ mir irgendwie Karten
Für den Bundespresseball.
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Und wenn die Promis dann netzwerken
Wegen Ficken und der Konjunktur,
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Dann ziehe ich aus meiner Tasche
Eine Hörsprechgarnitur.
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Eine Hörsprechgarnitur,
Von Beleidigung keine Spur,
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Ich telefonier’ doch nur
Über meine Hörsprechgarnitur.
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Wenn dein Partner nicht mit dir kopuliert,
Dich stattdessen psychoanalysiert,
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Wenn man beim SchnickSchnackSchnuck verliert
Schnell über’s Headset telefoniert!
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Wenn dein Metzger umdatiert,
Wenn man dich wegrationalisiert,
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Wenn man zum Gelöbnis aufmarschiert
Schnell über’s Headset telefoniert!
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Wenn wir wo’s lohnt intervenier’n
Nennt man das demokratisier’n,
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Das heißt ein bisschen bombardier’n
Und, was noch steht, privatisieren.
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Wenn dann Konzerne expandier’n,
In Mobilfunk investier’n,
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Dann kann es schon passier’n,
Dass alle über Headsets telefonier’n.
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Mit Boris: Über Headsets telefonier’n,
Über Headsets telefonier’n,
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Über Headsets telefonier’n,
Über Headsets telefonier’n.
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Nochmal! Headsets telefonier’n,
Über Headsets telefonier’n,
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Über Headsets telefonier’n,
Über Headsets telefonier’n.
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Jetzt alle! Headsets telefonier’n,
Über Headsets telefonier’n,
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Über Headsets telefonier’n,
Über Headsets telefonier’n.
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Lauter! Headsets telefonier’n,
Über Headsets telefonier’n,
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Über Headsets telefonier’n,
Über Headsets telefonier’n.
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Noch lauter! Headsets telefonier’n,
Über Headsets telefonier’n,
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Über Headsets telefonier’n,
Über Headsets telefonier’n.
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Noch lauter! Headsets telefonier’n,
Über Headsets telefonier’n.
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Wenn dich die Borg assimilier’n,
Werden sie dir ein Headset installier’n!“
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Applaus
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Das habt ihr sehr schön gemacht.
Das Lied ist noch nicht ganz aus, Moment:
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„Ich hörte von ’nem Kind, das hing
Statt an ’ner Nabelschnur
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Schon, als es aus seiner Mutter kam,
An einer Hörsprechgarnitur.
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Heute arbeitet es in ’nem Callcenter
Als Putzkraft jede Nacht.
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Da hat mal wieder jemand
Nichts aus seinen Anlagen gemacht.“
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Musik, Marc-Uwe pfeift Melodie
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Applaus
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Vielen Dank für’s Mitsingen.
Boris the Beast!
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Boris: Und Marc-Uwe Kling!
weiter Applaus
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Marc-Uwe: Vielen Dank für das ganze Team
hier vom Saal – für Licht, Ton!
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Applaus
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Danke fürs Mitsingen!
weiter Applaus
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Boris: Die Büchergeschichte!?
Marc-Uwe winkt ab
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weiter Applaus und Jubel
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Abspannmusik
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in the year 2018