34C3-Vorspannmusik Applaus Herald: Marc-Uwe Kling und Bruno, das Biest! Bruno the Beast! Applaus Marc-Uwe Kling: Ja, ‚Boris the Beast‘ heißt der junge Mann. Gelächter und Applaus Boris the Beast: brüllt: Wo seid ihr?! Applaus Marc-Uwe: Tja deswegen habe ich ihn dabei. Und natürlich auch, weil Boris gleichzeitig Security macht. Gelächter Ja, herzlich willkommen, ich habe mir einen Plan gemacht. Ich habe eine Stunde Zeit. Das ist… deswegen habe ich mir dieses technische Wunderwerk gekauft, weil ich nicht immer auf mein Handy gucken wollte. Es ist eine Uhr, hat voll die krasse Akkulaufzeit! Gut. Ja. Ich… also als Vorbereitung habe ich einfach mal meinen Computer durchsucht auf alle meine Texte, in denen das Wort „Computer“ oder Technik vorkommt. Und es war viel zu viel, vor allem war es das komplette neue Buch. Das hat also nichts gebracht. Deswegen mache ich jetzt… ach egal, ich mach einfach wie ich denke. Und… ich habe ein bisschen Angst. Also ich habe jetzt ein Buch über… ja, es spielt… eigentlich geht es um die Zukunft, es geht nur aus Versehen um Technik, weil, glaube ich, die Technik doch irgendwie einen Einfluss auf die Zukunft hat. Aber eigentlich wollte ich nur ein Buch über die Zukunft schreiben. Und jetzt habe ich aber… ein bisschen ist es, wie… wenn man als Popmusiker vor einem Haufen Jazzmusikern auftreten würde. Lachen Das ist mein Gefühl. Gelächter und Applaus Dabei habe ich auch mal programmiert, ja! Nämlich mit Turbo Pascal 5. Jubel und Applaus Unter DOS, genau, und Windows 3.11, da bin ich dann ausgestiegen, das war mir zu kommerziell, aber… Gelächter Ich habe das vorhin erzählt. Ich habe mit 12 oder so ein Programm geschrieben, mit dem man die Spielstände für ‚UFO: Enemy Unknown‘ cheaten konnte. Also… Applaus Und dann habe ich das an irgendsoein Spielemagazin geschickt, und es war dann auf der CD, als Shareware und ich war so stolz. Und man konnte für 5 Euro die Vollversion bestellen, wo man dann nicht nur das Geld, sondern auch noch was-weiß-ich-was anderes verändern konnte. Und ich habe einen Brief bekommen von jemandem, der das bestellen wollte. Es war offensichtlich jemand, der noch jünger war, ein kleines Kind. Und es war alles voller Rechtschreibfehler, und es war ein 5-DM-Schein in dem Briefumschlag und keine Adresse drauf. Gelächter Das beschäftigt mich bis heute. Falls dieser jemand hier unter euch sein sollte, dann: es war nicht meine Schuld! Applaus Ich wollte… die Diskette, das war damals noch der Distributionsweg der Wahl, ich wollte die Diskette in den Brief, aber es ging nicht, war keine Adresse, es war… Gut, also Turbo Pascal. Dann, als Vorbereitung für das Buch habe ich einen Freund von mir, der heute programmiert, gebeten, mir doch mal zu zeigen, was man heute so programmiert. Und was macht man heute so, wir haben also eine App geschrieben. Eine App, die… es ist die erste sinnvolle App in meinen Augen, eine App, die Zitate falsch zuordnet. Ihr kennt vielleicht das Konzept, man nimmt ein Zitat, dann schiebt man eine falsche Quelle drunter, einen falschen Autor und dann kann man das so Tinder-mäßig nach ‚Witzig‘ oder ‚Nicht witzig‘ wischen. Also ich bin nicht bei Tinder, aber ich glaube das ist das Funktionskonzept von Tinder, man sieht irgendwas und kann es nach ‚Witzig‘ oder ‚Nicht witzig‘ wischen. Gelächter Gut – ich bin bei Tinder, so habe ich Boris kennengelernt. Gelächter Ich habe ihn gesehen und nach ‚Witzig‘ gewischt, und Boris hat sich verwischt. Und so sind wir zusammengekommen. Na jedenfalls, diese App merkt sich, was man witzig fand und schlägt dann halt andere witzige Kombinationen vor. Ich lese mal ein paar vor, das ist jetzt nicht von mir, das ist ein erstes Experiment in Maschinenhumor, also, was finden Maschinen lustig. „Erzähle nicht die Wahrheit, solange dir etwas interessanteres einfällt“ - Marc Zuckerberg. Gelächter 68% witzig. Das ist so ungefähr hier. „Im Prinzip geht es darum, als erster Feierabend zu machen.“ - Artikel 1 des Grundgesetzes. Gelächter und Applaus „Wohlstand ist, wenn man mit Geld, das man nicht hat, Dinge kauft, die man nicht braucht, um damit Leute zu beeindrucken, die man nicht mag.“ – Apple. Gelächter und Applaus „Im Grunde, wenn man das auf das Wesentliche reduziert, bin ich ein erwachsener Mann, der Make-up benutzt.“ – Der Joker. Gelächter „Digital first, Bedenken second“ – Big Brother. „Hey hey hey, hier kommt Alex. Vorhang auf für seine Horrorshow.“ – Alexander Gauland. Gelächter und Applaus Ja, gut. Gut, also ich lese euch was aus dem Buch vor, es spielt in der Zukunft, das habe ich schon erwähnt. Ich habe hier, das finde ich besonders witzig, eigentlich ins Impressum was reingeschmuggelt: „Technischer Hinweis. Dieses Buch kann sich nicht mit dem Internet verbinden. Trotzdem kannst du Kommentare darin hinterlassen. Diese wird aber sehr wahrscheinlich keiner lesen. Du kannst dieses Buch teilen, allerdings nicht mit all deinen Freunden auf einmal. Wenn du das Buch teilst, besteht natürlich auch die Chance, dass jemand deine Kommentare liest. Vielleicht kommentiert sogar jemand deine Kommentare. Um den Inhalt dieses Buches zu verändern, müsste der Verlag Leute anheuern, die heimlich nachts bei dir einbrechen, sich an dein Bücherregal schleichen und Sachen mit Filzstift durchstreichen oder mit Kugelschreiber ergänzen. Das ist möglich, aber unwahrscheinlich.“ So, in dem Buch gibt es Werbung aus der Zukunft, es gibt Nachrichten, damit man beim Lesen nichts verpasst. Es gibt Werbung in den Nachrichten. Es gibt Reiseführerbeiträge. Und da das ein bisschen verwirrend ist, hat Boris sich in mühevoller Heimarbeit wunderschöne Jingles ausgedacht, die euch ein bisschen Orientierung geben sollen. Boris, spiel doch mal einen vor! Boris: Dazu müsste erstmal mein Bass wieder an sein. Ah, danke. Musik Quality Land, dein persönlicher Reiseführer. Applaus Marc-Uwe: „Einführung. Da du dich in Quality Land noch nicht auskennst, haben wir dir hier ein paar einleitende Informationen zusammengestellt. Zwei Jahre vor der Gründung von Quality Land, zwei Jahre vor Quality Time also, gab es eine ökonomische Krise solchen Ausmaßes, dass die Menschen sie als Jahrhundertkrise bezeichneten. Es war bereits die dritte Jahrhundertkrise innerhalb einer Dekade. Von der Panik der Märkte mitgerissen, bat die Regierung die Unternehmensberater von Big Business Consulting, BBC, um Hilfe und diese entschieden, das Land brauche vor allem einen neuen Namen. Der alte war abgenutzt und inspirierte laut Umfragen nur noch ewig gestrige Nationalisten mit geringer Kaufkraft. Außerdem ließen sich durch die Umbenennung auch ein paar unangenehme historische Verpflichtungen loswerden. So hatte zum Beispiel die Armee des Landes in der Vergangenheit, nunja, sagen wir mal, etwas übers Ziel hinausgeschossen. Die Unternehmensberatung beauftragte die Kreativen von „Weltweite Werbung“, WWW, nicht nur einen neuen Namen für das Land zu erarbeiten, sondern auch gleich ein neues Image, neue Helden, eine neue Kultur, kurz gesagt, eine neue Country Identity. Nach einiger Zeit und noch mehr Geld, nach Vorschlägen und Gegenvorschlägen einigten sich alle Beteiligten endlich auf den heute weltbekannten Namen, der sich so vorzüglich dafür eignet, hinter einem ‚Made in‘ auf Produkten zu stehen, Quality Land. Selbst Quality Lands Einwohner wurden umbenannt. Sollten sie doch keine Standardmenschen sein, sondern Qualitätsmenschen. Vor allem die Nachnamen der Leute klangen immer noch sehr mittelalterlich und passten ganz und gar nicht zur neuen fortschrittsorientierten Landesidentität. Ein Land voller Müller, Schneider und Wagner war nicht gerade der feuchte Traum eines Hightech-Investors. Darum beschloss die Werbeagentur, dass ab sofort jeder Junge den Beruf seines Vaters als Nachnamen tragen muss, und jedes Mädchen den Beruf seiner Mutter. Entscheidend ist dabei der zur Zeit des Zeugungsakts ausgeübte Job. Wir wünschen dir unvergessliche Erlebnisse im Land von Sabine Mechatronikerin und Walter Putzkraft, dem beliebtesten Mittelschichts-Rap-Duo unserer Dekade. Im Land von Scarlett Strafgefangene und ihrem Zwillingsbruder Robert Aufseher.“ Lachen „Den ungeschlagensten Battleboard Jockeys des Jahrhunderts. Im Land von Henrik Ingenieur, dem reichsten Menschen der Welt. Willkommen im Land der Superlative. Willkommen in Quality Land!“ Jingle-Musik Ja, so. Mhmh. Applaus und Jubel Das irritiert mich total krass, wenn ich mich da sehe! Das ist… wow, guck mal, meine Augen! Lachen Das ist echt heftig. Ich sollte mal wo auftreten, da hatten die… oh Gott, das ist ja noch viel schlimmer! Applaus und Gelächter Hallo Marc-Uwe, hallo. Hallo Boris. Boris: Du musst in die Richtung winken. Marc-Uwe: Ja… ich… ist ja wie in Nordkorea hier. Also… Gelächter Gut, ich versuch’ das. Gelächter Ich lese das Kapitel einfach vor und ich halte das Buch so. Gelächter Das Kapitel heißt „Vorstellungsgespräch“. „Es ist ein kalter unpersönlicher Raum, aber immerhin ist er durch eine Glaswand von den 126 anderen Menschen abgetrennt, die in einem großen Saal an genormten Tischen hocken. 64 von ihnen telefonieren, 32 arbeiten an Computern, alle bis auf 16 schieben sich hastig Essen in den Mund. Es ist Mittagszeit. Peter gegenüber, an der anderen Seite des Tisches, sitzt eine junge Frau, sie heißt Melissa. Mehr verrät ihr Namenscallout nicht. Vor ihr liegt ein QualityPad, auf dem sie sich Notizen macht. ‚Erzählen Sie mir etwas über sich,‘ sagt Melissa und zupft an ihrem Business-Kostüm herum. ‚Tja also, eigentlich steht alles in meinem Profil,‘ sagt Peter. ‚Ich lese mir die Profile der Bewerber nie durch,‘ sagt Melissa, ‚sonst hätte ich ja gar kein Gesprächsthema mehr.‘ ‚Okay ich heiße Peter.‘ ‚Nachname?‘ ‚Arbeitsloser.‘ ‚Verstehe‘. ‚Was verstehen Sie?‘ ‚Genug. Level?‘ ‚10‘, lügt Peter. ‚Aktueller Beruf?‘ ‚Ich bin Maschinenverschrotter. Allerdings ist das eine Tätigkeit, die mich nicht gerade mit Leidenschaft erfüllt.‘ ‚Verständlich.‘ ‚Darum könnte ich mir gut vorstellen, in Zukunft etwas anderes zu arbeiten.‘ ‚Haben Sie irgendwelche Ausbildungen,‘ sagt die Frau, ‚Zusatzqualifikationen?‘ ‚Ich habe eine Ausbildung zum Maschinentherapeuten angefangen.‘ ‚Ist das nicht verboten?‘ ‚Jetzt schon,‘ sagt Peter, ‚aber als ich mit der Schule…‘ ‚Sie meinen Ausbildungsstufe 2?‘ ‚Ja, als ich mit Stufe 2 fertig war, schien Maschinentherapeut ein Beruf mit Zukunft zu sein.‘ ‚Tatsächlich? Für mich klingt es nach esoterischem Unsinn. Was gibt es an Maschinen zu therapieren? Eine Maschine funktioniert oder funktioniert nicht.‘ ‚Naja,‘ sagt Peter, ‚die meisten Leute glauben immer noch, dass künstliche Intelligenzen von Menschen programmiert werden, aber das stimmt nicht. Moderne Maschinen werden angetrieben von selbstlernenden Algorithmen, die dadurch schlauer werden, dass sie unsere Daten, unsere Gespräche, Mails, Fotos und Videos analysieren. Es ist wohl unvermeidlich, dass einige davon psychische Probleme bekommen.‘“ Lachen „‚Gemobbte Drucker, Großrechner mit Burnout, Digitale Übersetzer mit Tourette.‘“ Gelächter „‚Elektronische Haushaltshilfen mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung. Ich hatte aber die Ausbildung noch nicht abgeschlossen, da wurde das Therapieren von Maschinen leider verboten.‘ ‚Warum? Konsumschutzgesetze?‘ ‚Ja,‘ sagt Peter, ‚das Therapieren wurde als eine Art Reparatur angesehen, und Sie wissen ja, wie der Kinderreim geht: Neues kaufen das ist recht, reparieren das ist schlecht.‘ ‚Und anstatt Maschinentherapeut zu werden, wurden Sie Maschinenverschrotter?‘ Peter zuckt mit den Achseln, ‚ich habe nichts gefunden, und als mein Großvater gestorben ist, hat mir das Ministerium für Produktivität gesagt, ich solle seinen Laden mit der Schrottpresse übernehmen.‘ Er lächelt, ‚meine Sachbearbeiterin meinte, ich solle froh sein, denn ich hätte doch irgendwas mit Maschinen machen wollen.‘ ‚Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?‘, fragt Melissa. ‚Ich äh, puh, keine Ahnung. Ich muss gestehen, die Frage hat etwas deprimierendes.‘ ‚Was würden Sie sagen sind Ihre Stärken und Schwächen?‘ Jetzt muss Peter doch lachen. ‚Können Sie mir sagen, was so witzig ist?‘ fragt die junge Frau, ‚ich amüsiere mich auch gern.‘ ‚Das bezweifle ich,‘ sagt Peter…“ Gelächter „und muss gegen seinen Willen noch lauter lachen. Melissa verzieht ihr Gesicht, ‚bin ich lächerlich für Sie?‘ Peter beruhigt sie, ‚nein nein, ich musste nur daran denken, dass ich vor Jahren mal ein Bewerbungsgespräch hatte, das sich wie ein Rendezvous anfühlte und jetzt habe ich ein Rendezvous, das sich wie ein Bewerbungsgespräch anfühlt.‘ Er lächelt, ‚wollen wir uns nicht wenigstens duzen?‘ Melissa zuckt mit den Schultern und gewährt ihm dann seine Bitte durch eine herablassende Geste. Kurz bereut Peter es, den Quality-Partner-Gutschein aktiviert zu haben. Dann kommt glücklicherweise der Kellner mit dem Essen in ihr Separee und beendet die unangenehme Stille. Als er wieder gegangen ist, fragt Peter, ‚ist dir schon aufgefallen, dass wir beide fast die einzigen in diesem Restaurant sind, die nicht arbeiten?‘ ‚Sprich bitte nur für dich,‘ sagt Melissa, ‚ich arbeite konstant an mir selbst.‘ ‚Na jedenfalls hatte ich mich während der Ausbildungsstufe 3 als Aushilfe bei einem Startup beworben, es gab da dieses Regierungsprogramm, das Stellen für Leute mit meinem Nachnamen 6 Monate lang subventionierte. Arbeit für einen Arbeitslosen. Ich kann mich noch gut an das Vorstellungsgespräch erinnern. Aus einem Lautsprecher kam Soul-Musik, es gab vom Chef frisch gebackenen Kuchen, die Human-Resources-Managerin schäumte mir die Kaffeemilch auf und setzte sich dann sehr nah zu mir auf die Couch. Ich habe ein paarmal gesagt, wie sehr ich liebe, was die Firma tut, und dass ich ihre Produkte total geil finde. Und die HR-Frau hat mir erzählt, wie wichtig ich der Firma als Mensch sei. Den Rest der Zeit haben wir uns nur über Filme, Musik und Hobbys unterhalten. Hauptsächlich haben wir über das Virtual-Reality-Remake von ‚Der Herr der Ringe‘ gefachsimpelt. Z.B. hatten wir uns beide schon mal nach einer Riesenadlerflugsequenz übergeben müssen. Und immer wenn ich was sagte, was sie lustig fand, hat sie mir freundschaftlich gegen die Schulter gepufft. Beim Unterschreiben des Arbeitsvertrages hat sie geweint, weil es für sie ein so emotionaler Moment war. Ein Moment, von dem sie immer geträumt habe. Es sei okay zu weinen, hat sie gesagt. Als sie mich 6 Monate später entlassen hat, stand in der Kündigung, es liege nicht an mir, sondern an ihr, und sie hoffe, dass wir Freunde bleiben.‘“ Lachen „Peter schiebt sich ein paar Nudeln in den Mund. ‚Ich habe nie wieder von ihr gehört.‘ Melissa hat sich während Peters Erzählung nicht gerührt. ‚Mein Name ist Melissa Sexarbeiterin,‘ sagt sie nun, ‚ich komme von ganz unten und will nach ganz oben, und ich verschwende ungern meine Zeit.‘ Peter nickt, ‚verstehe.‘ ‚Was verstehst du?‘ ‚Genug.‘ ‚Also,‘ sagt Melissa, ‚seit wann bist du schon Analoger?‘ ‚Was ist denn ein Analoger?‘ ‚Ein Single, das sagt man jetzt so.‘ ‚Nicht lange.‘ ‚Warum hat dich deine vorherige Partnerin verlassen?‘ ‚Wieso denkst du, dass ich verlassen worden bin? Vielleicht habe ich selber Schluss gemacht?‘ Melissa lächelt, ‚ich glaube nicht.‘“ Gelächter „Peter seufzt, ‚wollen wir nicht das Thema wechseln? Als was arbeitest du denn eigentlich?‘ ‚Ich schreibe Kommentare.‘ ‚Für die Nachrichten,‘ fragt Peter, ‚du bist Journalistin?‘ ‚Nein‘, sagt Melissa, ‚ich schreibe Kommentare unter Videos, Fotos, Blogbeiträge, Meldungen.‘ ‚Du bist ein Troll?‘“ Gelächter „‚Nein, Trolle sind Idioten, die versuchen, Diskussionen kaputt zu machen. Sie tun das, weil es ihnen auf kranke Art Spaß bereitet. Mir macht das Kommentieren keinen Spaß. Ich verdiene damit mein Geld. Ich bin Meinungsmacherin.’ ‚Und welche politische Meinung vertrittst du?‘ ‚Eine eigene politische Meinung kann ich mir nicht leisten, ich nehme was kommt. Am liebsten kommentiere ich aber für Kampagnen rechtsradikaler Auftraggeber.‘ ‚Warum das denn?‘, fragt Peter entsetzt. ‚Ich werde pro Kommentar bezahlt und rechte Kommentare schreiben sich schneller. Weil man nicht auf so nervigen Kram wie Orthographie, Grammatik, Fakten oder Logik Rücksicht nehmen muss.‘“ Applaus und Jubel „‚Auch die Programmierung meiner Bot-Armee wird dadurch leichter.‘ Dazu fällt Peter nichts ein. Sie essen schweigend weiter. Dann erinnert sich Peter an ein neues praktisches Feature der Quality Partner-App. Sie kann für jedes Date gute Gesprächsthemen vorschlagen. Peter tut so, als habe er eine Nachricht bekommen und öffnet die App. Das vorgeschlagene Gesprächsthema lautet: Wetter.“ Gelächter „‚Für diese Jahreszeit,‘ beginnt Peter, ‚ist es draußen genauso warm, wie man es erwarten würde.‘ Melissa blickt ihn fragend an. ‚Findest du nicht?‘ fragt Peter. Melissa schiebt wortlos ihren Teller von sich. ‚Na gut,‘ sagt sie, ‚dann gehen wir mal zu mir und überprüfen, wie das mit dem Geschlechtsverkehr klappt. Alles unter "phänomenal" scheint mir unmöglich.‘ ‚Wieso?‘ ‚Nun, Quality Partner hat unsere Profile verglichen und ist sich sicher, dass wir gut zueinander passen. Und das liegt ganz offensichtlich nicht daran, dass du ein toller Gesprächspartner bist.‘“ Gelächter im 34C3 -Saal „‚Also probieren wir es mal mit Sex.‘ ‚Das, äh,‘ sagt Peter, ‚das klingt einleuchtend.‘“ Applaus Ja, Boris und ich sind auch Teil einer sehr guten Band. Der ‚Arbeitsgruppe Zukunft‘. Und wir spielen euch jetzt ein Lied vor, aus unserem Œuvre. Das Lied heißt: Lied für die digitale Bohème. Musik Das ist kein Intro, das Lied muss noch booten. Musik „Ich habe keinen Chef, Ich muss nicht ins Büro, Ich sitze mit mei’m Notebook Unten im Bistro. Ich schlafe morgens aus, Ich fühle mich so frei, Ich schufte auch am Wochenende Bis nachts um drei. Denn ich bin ein Selbstausbeuter! Yeah, yeah, yeah, yeah!“ Beide: „Ich bin / Er ist ein Selbstausbeuter!“ Marc-Uwe: Ach stimmt, das ist der Chorteil. Ja danke. Boris: Ja, das ist der Chorteil. Marc-Uwe: Ja. Die Selbstausbeuter machen immer alles… …ich dachte nicht, dass ich Hilfe krieg’. „Ich bin ein Selbstausbeuter! Yeah, yeah, yeah, yeah!“ Boris: „Er ist ein Selbstausbeuter! Mehr, mehr, mehr, mehr.“ Marc-Uwe: „Zur Steigerung der Kreativität Nehm’ ich homöopatische Kräuter.“ Boris: „Er ist ein Selbstausbeuter! Mehr, mehr, mehr, mehr!“ Interlude Marc-Uwe: „Ich arbeite 80 Stunden Und bin doch nur Mittelmaß, Aber ich sag’ mir immer wieder: Arbeit macht doch Spaß! Manchmal geh’ ich brunchen, Mit meiner Freundin Esther. Dann spielen wir unser Lieblingsspiel, Es heißt: ‚Wer ist gestresster?‘. Bin ein Selbstausbeuter! Yeah, yeah, yeah, yeah! Ich bin ein Selbstausbeuter! Mehr, mehr, mehr, mehr!“ Boris: „Er ist ein Selbstausbeuter! Und manchmal da bereut er, Damals nach der Schule Nicht auf Lehramt studiert zu haben.“ Interlude Marc-Uwe: „Ich habe drei Projekte, Dann hab’ ich nur noch eins, Dann hab’ ich zwölf Projekte, Dann hab’ ich wieder keins. Ich bin flexibel und belastbar, Innovativ und ich bin jung. Ich verwechsele outgesourcete Arbeit Mit Selbstverwirklichung. Ich bin ein Selbstausbeuter! Yeah, yeah, yeah, yeah!“ Boris: „Er ist ein ein Selbstausbeuter! Mehr, mehr, mehr, mehr!“ Marc-Uwe: „Ich bin nicht nur ’ne Kuh, Ich zieh’ auch noch selbst an meinem Euter.“ Boris: „Er ist ein ein Selbstausbeuter!“ Beide: „Mehr, mehr, mehr, mehr, mehr, mehr, Mehr, mehr, mehr, mehr, mehr, Mehr, mehr, mehr, mehr, mehr.“ Applaus Marc-Uwe: Aha. Boris! Boris: Das nun folgende Duell der Präsidentschaftskandida… Marc-Uwe: Nein, nein, nein, nein, nein. Boris: Nein, nein, nein, nein, nein? Marc-Uwe: Nein. Hier, vorher. Boris: Waaa, scheiße. Sorry. Marc-Uwe: Du sollst die Leute orientieren, nicht verwirren! Boris: Ja, ist ja gut. „Sport Stream, offizieller Medienpartner der E-Sport-WM.“ Bass-Jingle Marc-Uwe: „Die Retrobegeisterung im E-Sport scheint keine Grenzen zu kennen. 65.536 Menschen haben sich heute im ‚Hier könnte deine Werbung stehen‘-Stadion von Quality City versammelt, um der Weltmeisterschaft im Snake-spielen beizuwohnen.“ Gelächter „Die Betreiber des ‚Hier könnte deine Werbung stehen‘-Stadions suchen übrigens immer noch nach einem neuen Sponsor. Interessenten werden gebeten, sich zu melden. Die Stimmung ist nahe dem Siedepunkt. Begeistert wie seit dem Worms-Worldcup nicht mehr, feiern die Zuschauer hier ihre aus dem Netz bekannten Helden. Mit Hilfe von nur 4 Cursortasten steuern diese Teufelskerle ihre digitale Schlange quer über den ganzen Bildschirm, um die Ziffern von 1 bis 9 in der richtigen Reihenfolge einzusammeln. Es ist einfach unglaublich! Das Ganze hat sich zugespitzt zu einem Zweikampf zwischen Carlos Arbeitsloser aus der Stadt Profit und Halef Omar aus Quantity Land 3. Die beiden sitzen nun schon seit Stunden an ihren Rechnern. Um diesen ununterbrochenen Fokus aufrechterhalten zu können, tragen beide übrigens Windeln von Gampers.“ Boris: Gampers, brüllt: diapers for the Players! Marc-Uwe: „Pinkelpausen kann es auf diesem hohen Level natürlich nicht geben. Unglaublich, was diese Jungs drauf haben. Wie geschickt sie dem immer länger werdenden, tödlichen, eigenen Schlangenschwanz ausweichen, das erfordert jahrelanges Training. Bei der letzten WM hatte Carlos Arbeitsloser am Ende übrigens den längsten Schwanz. Er widmete seinen Sieg allen, die seinen Nachnamen tragen und forderte sie auf, nicht zu verzagen, sondern sich ein Beispiel an ihm zu nehmen. Auch einer, der ‚Arbeitsloser‘ heißt, könne etwas werden in Quality Land. Wir drücken ihm natürlich auch dieses Mal die Daumen. Dieser Mann in seinen Markenwindeln ist ein Vorbild für die ganze Nation.“ Applaus Irgendwie ist das hier… jetzt machst du das andere. Boris: Ja. Gelächter Boris: Das nun folgende Duell der Präsidentschaftskandidaten wird Ihnen präsentiert von Fatkillers. Fatkillers, fettzerstörende Nanoroboter. Noch nie war Abnehmen so einfach. Marc-Uwe: Irgendwie hat das nicht so funktioniert mit den Klebezetteln, wie ich mir das vorgestellt habe. Lachen Ahja. „Eine Wand dreht sich und präsendiert, präsendiert…“ – pödädädädä! Also, die Moderatorin des Präsidentschaftsduells… schon ihre Geburt war ein medial ausgeschlachteter kleiner Skandal. Sie heißt Julia Nonne! Und jetzt tritt sie auf. „Eine Wand dreht sich und präsentiert die heute extrem seriös gekleidete Julia Nonne. Darunter leiden natürlich die Einschaltquoten. Aber angezogen zu sein ist eine Pflicht, die das Format leider mit sich bringt. Die Moderatorin begrüßt die beiden Kandidaten. Links und rechts von ihr steigt Dampf auf, und aus dem Boden fahren zwei Plattformen mit Rednerpulten. Hinter dem rechten steht Conrad Koch, hinter dem linken John of Us.“ Also Conrad Koch ist ein Rechtspopulist, also ein Fernsehkoch, der Präsident werden möchte. Und John of Us ist ein Androide, der Präsident werden will. Also so… fand ich eine ganz interessante Konstellation. „‚In 32 Tagen stirbt unsere geschätzte Präsidentin,‘ beginnt Julia Nonne. ‚Falsch, Lüge,‘ sagt Koch. ‚Ich schätze diese Person überhaupt nicht.‘ ‚Sie beide bewerben sich um die Nachfolge‘ fährt Julia unbeeindruckt fort. ‚Heute stehen Sie mir Rede und Antwort. Herr Koch, Sie führen in den aktuellen Umfragen, Sie dürfen beginnen.‘ ‚Ich will gar nicht erst um den heißen Brei herumreden,‘ sagt Conrad Koch, ‚das Problem sind die ganzen Wirtschaftsflüchtlinge und Terroristen. Die sollen bleiben, wo der Pfeffer wächst, sonst mach’ ich Hackfleisch aus ihnen.‘ ‚Herr Koch, es gibt ja immer wieder Stimmen, die Ihnen und Ihrer Kampagne Rassismus unterstellen und…‘ ‚Falsch, lassen Sie mich das sofort klarstellen. Niemand auf der Welt ist weniger Rassist als ich. Niemand. Aber das wird man ja wohl noch sagen dürfen, dass die Südländer alle faul, die Neger alle kriminell und die Araber alle Terroristen sind. Das sind doch Fakten. Und dennoch gilt, das möchte ich wiederholen, es hat niemals in der Menschheitsgeschichte einen Mann gegeben, der weniger rassistisch gewesen wäre als ich.‘ ‚Was ist mit Martin Luther King?‘, fragt John. ‚Ich bitte dich, wann hat dieser Martin Luther King je etwas für einen Weißen getan? Er war nichts anderes als ein schwarzer Rassist, der Weiße diskriminierte, wo immer er aufgetaucht ist.‘ ‚Äh…‘, sagt Julia Nonne sprachlos. ‚Sehen Sie,‘ fährt Conrad Koch fort, ‚das sind ja nicht nur Menschenmassen, die uns da überrennen, das sind auch Massenmenschen. Massenmenschen, die hier herkommen zu uns Qualitätsmenschen und uns den kläglichen Rest an Arbeitsplätzen klauen, die uns seinesgleichen…‘‚ er deutet verächtlich auf John, ‚übrig gelassen hat. Aber damit nicht genug, sie stehlen auch unsere Autos, sie vergewaltigen unsere Frauen. Kurz gesagt, sie haben keinen Respekt vor unserem Besitz.‘“ Raunen, Gelächter und Applaus „‚Ist eine Frau für Sie wie ein Auto?‘, fragt Julia Nonne, ‚etwas, das man besitzen kann?‘ ‚Jetzt kommen Sie nicht mit ihrem Emanzenkram,‘ sagt Conrad Koch, ‚dazu kann ich nur sagen, ist die Maus satt, schmeckt das Mehl bitter.‘ ‚Was soll denn das heißen?‘, fragt Julia. Conrad Koch ignoriert ihre Zwischenfrage und fährt fort. ‚Schlussendlich geht es doch um unsere Sicherheit. Im Prinzip geht es nur um ein Wort: Recht und Ordnung.‘“ Gelächter „‚Das waren aber zwei Wörter,‘ sagt Julia Nonne. ‚Genau genommen drei,‘ sagt John, ‚wenn man die Konjunktion mitzählt.‘ Über Funk meldet sich Johns Wahlkampfmanagerin bei ihm, ‚bitte versuch’ nicht witzig zu sein, John,‘ sagt Aisha, ‚bitte, bitte.‘ ‚Recht und Ordnung,‘ wiederholt Koch lauter, ‚wir müssen unsere Grenzen dicht machen. Recht und Ordnung.‘ ‚Ich weiß nicht, ob Sie da eine Wette am Laufen haben,‘ sagt John, ‚wie oft Sie diese drei Wörter bzw. dieses eine Wort, wie Sie sagen würden, in einem Statement unterbringen können, aber…‘ ‚Recht und Ordnung,‘ sagt Koch, ‚und die Grenzen zu, und zwar nicht nur für die Terroristen aus Quantity Land 7, aber für die besonders.‘ ‚Sie selbst haben Waffenexporte nach Quantity Land 7 befürwortet,‘ sagt John. ‚Falsch,‘ sagt Conrad Koch einfach, ‚Lüge!‘ ‚Aber ich habe es mit meinen eigenen Ohren gehört,‘ sagt John, ‚vor genau 32 Tagen im Parlament.‘ ‚Falsch,‘ sagt Conrad Koch, ‚Lüge, du hast überhaupt keine Ohren.‘ ‚Im Gegensatz zu Ihnen, Baron Münchhausen, bin ich gar nicht fähig zu lügen,‘ sagt John, ‚meine Programmierung erlaubt mir das nicht.‘ ‚Noch eine Lüge!‘, ruft Koch. ‚Ich bin kein Baron. Ehrlich gesagt, es würde mich nicht wundern, wenn die Fanatiker aus Quantity Land 7 selbst hinter diesem Stromfresser stecken.‘ John lächelt. ‚Was gibt es denn da zu lächeln, Blechbüchse?‘ ‚Zuallererst möchte ich Ihnen versichern, dass keinerlei Blech in mir verbaut worden ist,‘ sagt John. ‚Mein Körper besteht aus karbonfaserverstärktem Kunststoff. Das einzige Blech in unserer Runde ist jenes, welches Sie reden. Und ich lächle, weil Sie und alle Nationalisten immer gegen die Fundamentalisten wettern, und dabei so tun, als wären Ihre Bewegungen Gegensätze. Dabei sind sie einfach nur zwei Seiten derselben Medaille.‘ ‚Wie meinst du das, John?‘ fragt Julia. ‚Sehen Sie,‘ sagt John, ‚das zugrundeliegende Problem ist doch eine Sinn- und Identitätskrise. Was gab den Menschen früher Halt, einen Sinn, eine Identität? Die Gemeinschaft, die Religion und nicht zuletzt die Arbeit. Das Geld, dieser unpersönliche Vermittler, hat die Gemeinschaft zertrümmert. Die Wissenschaft hat die religiösen Götzen vom Sockel gestoßen, und die Automatisierung nimmt euch jetzt auch noch die Arbeit.‘ ‚Zu kompliziert,‘ hört er Aisha über Funk flüstern. ‚Deine Sätze sind zu kompliziert. Bring’ Beispiele.‘ ‚Ich will ein Beispiel bringen,‘ sagt John. ‚Früher war der Schmied des Dorfes X ja nicht einfach irgendein Typ. Er war der Schmied des Dorfes X. Das war seine Identität. Wenn man ihn gefragt hat, wer er sei, konnte er antworten, ich bin der Schmied des Dorfes X.‘ ‚Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass sich nicht alle Zuschauer so sehr für metallverbiegende Industrie interessieren könnten wie du, alter Blechkasten?‘, fragt Koch. ‚Ein Freelancer, ein Zeitarbeiter, ein Arbeitsloser, sie alle können schwerlich aus ihrer Arbeit eine Identität schöpfen,‘ fährt John fort. ‚Selbst die wenigen Festangestellten haben oft Schwierigkeiten, in ihrer Arbeit einen Sinn zu sehen. Wen wundert’s? Ich habe vor kurzem einen Betrieb besucht, in dem ein Team intelligenter und hochqualifizierter Wissenschaftler gerade ein Küchengerät entwickelt, dessen einziger Zweck es ist, aus einer Portion Blaubeeren die verschimmelten heraus zu sortieren. Mit so etwas kann man sich höchstens beschäftigen. Eine Berufung ist das nicht.‘ ‚Falsch, falsch,‘ sagt Koch, ‚wir stellen da ein ganz hervorragendes Produkt her.‘ ‚Auf der Flucht vor Sinnlosigkeit, Identitätsverlust und Isolation stürzen sich die Menschen darum auf alle Angebote zu Imagination von Sinn und Gemeinschaft, so stupide sie auch sein mögen. Und das ist es, was der Nationalismus mit dem Fundamentalismus gemein hat. Sie sind beide stupide Angebote zur Imagination von Gemeinschaft. Ich sage "Imagination" weil die Gemeinschaft nicht real ist, denn es geht hier nicht um gerechte Teilhabe, sondern im Gegenteil gerade um die Verschleierung und Festigung sozialer Ungleichheiten.‘ ‚Falsch, Lüge. Wenn ich erst Präsident bin, werde ich sowieso jede Art von Verschleierung verbieten.‘ ‚Diese Bewegungen erhöhen die eigene Gruppe dadurch, dass andere, die Ungläubigen, die Ausländer, die Nutzlosen usw. erniedrigt werden. Es handelt sich zwar um große Erzählungen, aber um negative. Was den Menschen fehlt, ist eine große positive Erzählung.‘ ‚Ich weiß, worauf der Stromfresser hinaus will,‘ ruft Conrad Koch, ‚er ist ein verdammter Kommunist!‘ ‚Man kann vom Kommunismus halten, was man will,‘ sagt John, ‚und sicherlich gelänge es mir, mehr Mängel an den untergegangen Versuchen zu benennen als Ihnen. Aber unstrittig ist doch, dass es sich um eine große Erzählung gehandelt hat.‘ ‚Dazu möchte ich nur eins sagen, du hast vielleicht die besseren Argumente,‘ sagt Conrad Koch, ‚aber das sind nur Argumente.‘“ Applaus Musik Boris: Und jetzt Werbung! Applaus Marc-Uwe: „Fühlen Sie sich eigentlich sicher? Obwohl die allermeisten Straßen und öffentlichen Plätze in Quality City großzügig mit Überwachungskameras ausgestattet sind, fühlen sich 64% der Einwohner nicht sicher. Zu Recht. In jeder dunklen Ecke kann ein krimineller Nutzloser, ein Terrorist oder ein Killerroboter lauern. Ist auch Ihnen die flächendeckende Überwachung einfach nicht flächendeckend genug? Dann besorgen Sie sich am besten noch heute eine Selbstüberwachungsdrohne von SuperSecure, SS.“ Raunen und Gelächter „Diese Drohnen aktivieren sich automatisch, sobald Sie das Haus verlassen. Sie folgen Ihnen auffällig abschreckend, filmen jeden Ihrer Schritte und streamen alles in die Cloud. You never walk alone. Sollten Sie einem Gewaltverbrechen zum Opfer fallen, können sich Ihre Hinterbliebenen sofort ansehen, wie es passiert ist.“ Boris: SuperSecure, Drohnen, die sich lohnen! Applaus Marc-Uwe: Jetzt möchten wir ein Lied spielen, das heißt „das Lied von der Verweigerung“ und ich habe es damals geschrieben für heute. Da wusste ich noch nicht, dass ich hier auftrete, aber… Boris: Cool. Marc-Uwe: Ist cool, ne? Macht überhaupt keinen Sinn, was ich gesagt habe, egal. Vergesst es. Es ist ein Lied mit Performance-Teil. Performance wird Boris machen. Machen wir ein bisschen schneller. Musik Es ist lustig. „Wir kennen uns schon so lange, Und ich find’ dich immer noch heiß.“ Boris: Heiß, heiß. Marc-Uwe: „Aber unsere Gespräche Drehen sich leider im Kreis.“ Boris: Drehen sich leider im Kreis. Marc-Uwe: „Das hast du mich schon so oft gefragt, und immer mit diesem Gesicht.“ Boris: Mit diesem Gesicht. Applaus Marc-Uwe: Nein nein. Ich darf dich nicht ankucken! „Hast du mich schon oft gefragt, Immer mit diesem Gesicht. Und ich habe schon so oft Nein gesagt, Erinnerst du dich nicht? Dein zwanghaftes Beharren Wird für mich zur Qual.“ Boris: Qual, Qual. Marc-Uwe: „Bitte sei mir nicht böse, Aber ein für alle mal: Nein, ich habe keine Kundenkarte Und ich will auch keine haben. Ich hab’s so satt, Den ganzen Rabatt. Auch auf Herzen und Sterne Verzichte ich gerne. Ich breche meine Treue Jeden Tag auf’s Neue. Und ich weiß, das war alles Nicht deine Idee, Aber lass mich in Ruh’ Mit der Scheiße, okay!? Bitte versteh’! Ihr sagt doch immer, Meine Meinung sei euch wichtig. Hier ist meine Meinung, Ihr tickt doch nicht richtig. Ich lauf’ nämlich Amok, Völlig frustriert, Wenn mir ein Konzern mehr Zum Geburtstag gratuliert. Ich will echt nichts gratis, Weil, wisst ihr was ich denke? Ihr erwerbt mich Durch eure Werbegeschenke. Ich will nur zwei Brötchen Und es ist mir einerlei, Dass ich auch drei haben könnte Zum Preis für zwei. Also, nein, ich habe keine Kundenkarte Und ich will auch keine haben! Ich hab’s so satt, Den ganzen Rabatt. Und ihr werdet’s nicht glauben, Hier kommt der Clou, Ich will zu den Brötchen Auch keinen Mietwagen dazu. Will auch keine Kataloge Groß und breit, Wenn ich was brauch’, Sag’ ich schon Bescheid!“ Boris: Er sagt dann Bescheid! Marc-Uwe: „Auch euer Gewinnspiel Interessiert mich nicht, Weil ihr gewinnt Und verlieren tu’ ich, Denn ich weiß, was ihr seid, Ihr seid Piraten, Ihr entert mein Leben Und klaut meine Daten. Jeder Scheißladen Hat von mir ein Profil, Alle rechnen mich aus, Heraus kommt zu viel. Ich steh’ an der Kasse Zu ’nem einzigen Zweck, I just want to pay, I don’t want Payback! Also, nein, ich habe keine Kundenkarte Und ich will auch keine haben. Ich hab’s so satt, Den ganzen Rabatt. Ich brauche auch echt nicht Zu jedem Geschäft Ein beschissenes Stempelheft. Also lasst mich in Ruhe, Fickt euch ins Knie, Ihr seid überhaupt nicht Meine Family!“ Boris: Fickt euch ins Knie! Marc-Uwe: „Und wenn ich einst sterbe, Wenn ich weiß, es ist aus, Todkrank in ’nem privaten Krankenhaus. Wenn da kein Arzt ist Und auch kein Pater, Nur der Customer Service-Berater, Dann werde ich noch Mit letztem Atem stammeln: ‚Nein danke, Ich will keine Punkte sammeln!‘ Erst wenn der letzte Mensch entlassen, Weil dem Chef Seine Hobbys nicht passen, Wenn das Bewerbungsgespräch In der Freizeit beginnt, Wenn nur noch Gesunde Versichert sind, Wenn man weiß, wo wir sind, Weil man weiß, wo wir waren. Wenn Google entscheidet, Wohin wir fahren, Wenn wir als nicht Kreditwürdig gelten, Weil wir die falschen Bücher bestellten, Werden wir lernen, Irgendwo, irgendwann, Dass man Treueherzen Nicht essen kann.“ Applaus E-Bass-Jingle Boris: Nachrichten! Marc-Uwe: „Schnelle Aufklärung dank Selfiedrohne. Immer mehr Menschen überwachen sich zu ihrer eigenen Sicherheit konstant selbst mit sogenannten Selfiedrohnen. Gute Idee. So konnte zum Beispiel der Hergang eines tödlichen Unfalls heute auf dem Elon-Musk-Platz in Sekundenschnelle aufgeklärt werden, weil sich beide Beteiligten durch Drohnen selbst überwacht haben. Die Rekonstruktion ergab folgendes. Als sich die Wege der beiden Geschäftsmänner kreuzten, stießen in der Luft über ihnen ihre beiden Drohnen zusammen…“ Gelächter Marc-Uwe: „…und eine davon fiel ihrem Besitzer recht ungünstig auf den Kopf. Tja, hätte er sich lieber eine sehr gute Drohne der Firma SuperSecure…“ Boris: Drohnen, die sich lohnen! Marc-Uwe: „…geleistet, statt der billigen Kopie der Firma PrettySecure. Ein Sprecher von PrettySecure wies allerdings jegliche Verantwortung zurück. Schuld an dem tödlichen Ausgang des Unfalls habe nicht der Softwarefehler, der zu dem Zusammenstoß geführt habe, sondern vielmehr die Schwerkraft, ohne die es gar nicht zu einem Absturz hätte kommen können.“ Applaus Boris: leise: It’s funny, ’cause it’s true! Marc-Uwe: Ich lese noch dieses Kapitel, denn… es ist eine… es heißt ‚Moralische Implikationen‘. „Peter stampft aus dem Service-Centrum und steigt in das selbstfahrende Auto, das sein digitaler persönlicher Assistent ‚Niemand‘ gerufen hat. Er ist frustriert. ‚Guten Tag Peter Arbeitsloser,‘ sagt das Auto. ‚Soll ich dich nach Hause fahren?‘ ‚Ja bitte,‘ sagt Peter und das Auto fährt los. ‚Möchtest du, dass ich dir Musik anmache?‘, fragt es. ‚Bitte nicht,‘ sagt Peter. Er liest den Namen auf dem Infodisplay, ‚aber danke der Nachfrage, Herbert.‘ Sie schweigen eine Weile, bis ein Sportwagen Herbert rechts überholt und seine Fahrspur schneidet. Herbert bremst und flucht: ‚so ein gottverdammtes Arschloch, hast du das gesehen? Dem gehört doch die Fahrerlaubnis entzogen, ohne Prozess sofort verschrotten die Sau, den sollte man…‘ das Auto unterbricht sich, als es Peters irritierte Reaktion bemerkt. ‚Entschuldige,‘ sagt es, ‚wenn du möchtest, kann ich das Simulationsmodul für menschliches Verhalten ausschalten.‘“ Gelächter „‚Nein nein,‘ Peter überlegt kurz, ‚darf ich dich was persönliches fragen?‘ ‚Natürlich,‘ sagt das Auto, ‚ich muss ja nicht antworten.‘ ‚Hast du eigentlich Angst vor Unfällen?‘ ‚Nein gar nicht,‘ sagt Herbert, ‚im Gegenteil, Unfälle sind eine Art Hobby von mir.‘“ Gelächter „‚Wie bitte?‘ ‚Also nicht, dass ich je einen gebaut hätte,‘ sagt das Auto lachend, ‚es sind mehr die moralischen Implikationen eines Unfalls, die mich faszinieren.‘ ‚Wie meinst’n das?‘ ‚Nun,‘ sagt Herbert, ‚für einen Menschen ist ein Unfall nur selten mit einer moralischen Entscheidung verknüpft. Eure Denkprozesse sind zu langsam. Wenn ein entgegenkommendes Auto mit viel zu hoher Geschwindigkeit auf einen Menschen zurast, dann denkt er nicht: oh, da rast ja mit viel zu hoher Geschwindigkeit ein Auto auf mich zu, nun mal überlegen, was sind meine Optionen? Also ich könnte versuchen, mich zu retten, indem ich nach links ausweiche und die zwei Fahrradfahrer ramme oder ich könnte nach rechts ausweichen und dem Geschäftsmann auf dem Gehweg die Knochen brechen. Oder aber ich könnte bremsen und mit dem entgegenkommenden Wagen kollidieren. Mhh. Was wäre in der auf mich zukommenden Situation moralisch richtig? Was hätte Kant gefordert?‘“ Gelächter „‚Was hätte Jesus getan? So etwas würde ein Mensch nicht denken. Ein Mensch würde denken, Scheiße, bumm!‘“ Applaus und Gelächter „‚Ja, mag sein,‘ sagt Peter. ‚Seien wir ehrlich,‘ fährt das Auto fort, ‚bei einem menschlichen Fahrer müsste man froh sein, wenn er nicht in einer Kurzschlussreaktion erst nach links und dann nach rechts lenken würde, um schließlich Fußgänger, Fahrradfahrer und entgegenkommendes Auto allesamt zu rammen. Eine rationale Entscheidung trifft ein Mensch bei einem Unfall jedenfalls selten. Eine Maschine allerdings reagiert viel schneller und hat Zeit für genau diese komplexen Überlegungen. Für uns beinhaltet fast jeder Unfall eine moralische Entscheidung.‘ ‚Und wie hättest du dich in dem geschilderten Fall entschieden?‘ ‚Oh, mach dir keine Sorgen, die Sicherheit unserer Fahrgäste ist unsere oberste Priorität. Alles andere wäre geschäftsschädigend. Ich wäre ausgewichen.‘ ‚Ja, aber nach links oder nach rechts? Wen hättest du überfahren? Die Fahrradfahrer oder den Geschäftsmann?‘ ‚Das lässt sich pauschal nicht sagen, das kommt auf viele zusätzliche Faktoren an.‘ ‚So?‘, fragt Peter ‚zum Beispiel?‘ ‚Die geschätzte Höhe des jeweils zu erwartenden Sachschadens und natürlich die Level der jeweils gefährdeten Personen.‘“ Also in Quality Land sind alle Leute eingestuft, haben ein gewisses Level. Ihr könnt euch das ungefähr so vorstellen wie das, was die Chinesen vorhaben mit ihrem Social-Credit-System. Also nur als Randinformation. Die haben das von mir abgeguckt, es tut mir leid, dass ich mir das ausgedacht habe. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich das nicht aufgeschrieben! Gelächter und Applaus „‚Also lieber zwei fahrradfahrende Level-8-Nutzlose umnieten als einen Level-40-Geschäftsmann?‘, fragt Peter. ‚Nun, das ist natürlich stark vereinfacht,‘ sagt Herbert, ‚aber im Prinzip richtig.‘“ Gelächter „‚Und wenn auf den Fahrrädern zwei Level-21-IT-Techniker unterwegs wären, dann würdest du den Level-40-Geschäftsmann rammen?‘ ‚Nein,‘ sagt Herbert, ‚ich würde die IT-Techniker rammen.‘ ‚Wieso?‘ ‚Ich hasse IT-Techniker.‘“ Gelächter „Peter ist sprachlos. ‚Wenn ich mal Probleme habe,‘ sagt das Auto, ‚kommen IT-Techniker selten auf bessere Ideen, als mich einmal aus- und wieder anzuschalten.‘“ Gelächter „‚Aber…‚‘ beginnt Peter. ‚Kleiner Scherz,‘ sagt Herbert, ‚Verzeihung, wenn du möchtest, kann ich mein Humormodul ausschalten.‘ ‚Ich komm damit klar.‘ ‚Jetzt im Ernst, ich würde sehr wahrscheinlich den Geschäftsmann rammen.‘ ‚Das heißt aber auch,‘ sagt Peter, ‚du würdest statt einen 97-jährigen Level-90- Milliardär lieber eine Gruppe Kindergartenkinder überfahren?‘ ‚Ich habe mich schon gefragt, wann du mit der Gruppe Kindergartenkinder um die Ecke kommst,‘ sagt Herbert lachend.“ Gelächter „‚Seit einer, nun ja, etwas unglücklichen Entscheidung eines meiner Kollegen wird auch das Alter der potenziellen Opfer mit in die Berechnung einbezogen. Es hat inzwischen kaum jemand Überlebenschancen, wenn er gegen eine Gruppe Kindergartenkinder antritt.‘“ Gelächter und Applaus Ja, vielen Dank. Ich muss mich ja an die Stunde halten, deswegen habe ich die Zugabe einfach in die Stunde integriert. Ich lese jetzt was anderes vor. Zwischenruf: Zugabe! Marc-Uwe: Ja cool, okay. Na gut. Gelächter Einer. Also gut. Es spielt bei mir zuhause mit jemandem, mit dem ich zusammen wohne und… Jubel und Beifall „Wir hängen im Wohnzimmer ab und gucken ‚Die Rückkehr der Jedi-Ritter‘. Plötzlich stoppe ich den Film. ‚Weißt du was ich total spannend finde?‘ frage ich, ‚Entscheidungsmomente. Da wünsche ich mir immer, ich hätte zugucken können.‘ ‚Wovon redest du? Potsdamer Konferenz oder wie?‘ fragt das Känguru. ‚Nee, nee,‘ sage ich, ‚mich würden mehr diese Momente interessieren, in denen total dumme Entscheidungen getroffen wurden.‘ ‚Du meinst z.B. diesen Moment, als du beschlossen hast, selbst die Dielen abzuschleifen?‘“ Gelächter „‚Nee. Größer, wichtige Entscheidungen.‘ ‚Wie kommst du drauf?‘ Ich deute auf den Fernseher. ‚Nun, der Plan vom Imperator in diesem Film ist, kommt Leute, wir bauen nochmal einen Todesstern!‘ Ich schlage mir gegen die Stirn. ‚Als Kind war mir nie aufgefallen, wie krass einfallslos das ist, noch einen Todesstern.‘ ‚Für einen erwachsenen Menschen denkst du sehr viel über Star Wars nach!‘“ Gelächter „‚Ja, aber das wäre ein Entscheidungsmoment, bei dem ich gerne dabei gewesen wäre. Wie ist das zugegangen? Hat der gute Darth morgens beim Zähneputzen eine WhatsApp-Nachricht vom Imperator bekommen? "Lord Vader, bitte denken Sie an unser Meeting um 13 Uhr." Und dann um 13 Uhr saßen die beiden mit ein paar hohen Imperiumsbürokraten zusammen, TOP 1 = böser Masterplan. Und alle brainstormen ideenlos vor sich hin. Bis plötzlich einer gesagt hat, wie wär’s mit noch ’nem Todesstern?‘“ Lachen „‚Und was hat der Imperator dann gesagt? Brillant, wieso bin ich nicht selbst drauf gekommen?‘ ‚It was so nice, they built it twice,‘ sagt das Känguru.“ Gelächter „‚Warum ist da keiner aufgestanden und hat gesagt, naja aber das hat ja jetzt beim ersten Mal nicht zu 100% funktioniert!?‘ ‚Mich interessiert viel mehr,‘ sagt das Känguru, ‚wie jemals eine Gruppe halbwegs vernunftbegabter Menschen denken konnte, es sei eine gute Idee, ausgerechnet Günther Öttinger zum EU-Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft zu machen.‘“ Gelächter und Applaus „‚Da finde ich den Prozess spannend. Wie kam es dazu?‘ ‚Na wahrscheinlich saß die Kanzlerin mit ein paar hohen Imperiumsbürokraten zusammen und die brainstormen ideenlos vor sich hin, und plötzlich sagte einer, wie wär’s mit Günther Öttinger?‘ ‚Ja, aber was passierte dann?‘, fragte das Känguru, ‚Wie ging es dann weiter? Haben die anderen dann gelacht?‘“ Gelächter „‚Oder hat einer gesagt, ja das klingt vernünftig? Hat Merkel gesagt, das Internet ist für uns alle Neuland?‘ ‚Die haben wahrscheinlich alle gedacht, mir egal, Hauptsache ich muss es nicht machen.‘ ‚Oder,‘ fährt das Känguru fort, ‚als Bush gesagt hat, Leute ich habe voll die gute Idee, die dafür sorgen wird, dass sich der nahe Osten in eine Oase des Friedens und der Freiheit verwandelt. Wir greifen nochmal den Irak an.‘“ Gelächter „‚It was so nice, they did it twice,‘ sage ich. Gelächter „‚Was haben die Imperiumsbürokraten da gesagt?‘ fragt das Känguru. ‚Na die haben gesagt, klasse Einfall, das Risiko, dass das eine Horde Wahnsinniger dazu bringt, einen eigenen Staat auszurufen, dessen Nationalsportarten Köpfen und Sprengen sind, scheint uns wirklich minimal.‘“ Gelächter „‚Ich habe mal gehört, dass das Pentagon Invasionspläne für fast jedes Land der Welt in seinen Schubladen hat,‘ sagt das Känguru. ‚Soso, hast du gehört?‘ ‚Ehrlich,‘ sagt das Känguru, ‚das stimmt. Stand in einem Geheimdienstbericht. Bis 1970 hatten sie sogar einen Plan zur Invasion von Großbritannien.‘ Es kratzt sich an der Nase. ‚Und das ist dann schon Pech, oder?‘ ‚Was?‘ frage ich. ‚Na dass sie ausgerechnet für Afghanistan und den Irak keinen Plan hatten.‘“ Gelächter und Applaus „‚Nun ja,‘ sage ich, ‚es ist wie Benjamin gesagt hat, wenn alle Nein zum Krieg sagen würden, dann gäbe es keine Kriege.‘ ‚Walter Benjamin?‘ ‚Nee,‘ sage ich, ‚Blümchen.‘ ‚Das Techno-Mädchen?‘ ‚Nein, der Elefant.‘ Das Känguru wirft sich eine Schnapspraline ein und schluckt sie, ohne zu kauen. ‚Oder,‘ sagt es, ‚als Hitler beschlossen hat, Russland anzugreifen, haben die Imperiumsbürokraten da gesagt, Superidee, Russland angreifen, kann gar nicht schiefgehen. Ist in der Geschichte noch nie schiefgegangen. Die haben auch ein sehr angenehmes Klima da.‘“ Gelächter „‚Apropos Klima,‘ sage ich. ‚Da werden ja auch laufend dumme Entscheidungen getroffen.‘, sagt das Känguru. ‚Ja, wie läuft das wohl bei so ’ner Konferenz? Sagt da einer der Imperiumsbürokraten: Lasst uns doch was gegen den Klimawandel tun! Aber dann sagt ein anderer: Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun. Aber wenn wir dann in 50 Jahren feststellen würden, dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt, dass man selbst in den Städten die Luft wieder atmen kann, dass die Flüsse nicht mehr giftig sind, dass Autos weder Krach machen noch stinken, und dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen. Da würden wir uns schön ärgern!‘“ Applaus „,Und sagen dann die anderen: Stimmt, der Mann hat recht! Da würden wir uns schön ärgern! Besser, wir bauen noch ’nen Todesstern.‘“ Lachen „,Tja,‘ sagt das Känguru, ,und irgendwann in den nächsten Jahren wird irgendein Gremium von Imperiumsbürokraten vor der Entscheidung stehen: Sollen wir jetzt diese selbstlernende, fehlerbeseitigende, uns turmhoch überlegene künstliche Intelligenz anschalten oder lieber nicht?‘ ,Und dann wird einer sagen, jetzt haben wir’s bezahlt, jetzt schalten wir’s auch an!‘“ Applaus Danke! Müsst aufhören, ich hab keine Zeit! Ich will noch ’n Lied spielen, schaff‘ ich noch! Noch ’ne Zugabe, hey! Jubel und Applaus Hat nur so bedingt mit Technik zu tun, also es kommt so’n Gerät drin vor. Musik, Marc-Uwe pfeift Melodie „Heute morgen fuhr ich U-Bahn, Hatte kein Ticket, war abgebrannt. Da setzte sich jemand neben mich Und hat mich „blöde Fotze“ genannt. Erst konnt’ ich’s gar nicht fassen, Dann hab ich mich total echauffiert, Dabei hat der Typ doch nur Über sein Headset telefoniert. Über sein Headset telefoniert, Über sein Headset telefoniert, Über sein Headset telefoniert, Über sein Headset telefoniert. ‚Fahrscheine raus!‘ rief da Plötzlich eine miese Kontrolleuse. Ihre Stimme klang echt fies Und ihre Physiognomie war böse, Physiognomie war böse. ‚Fick dich doch lieber selber,‘ Sagte ich, ‚du blöde Missgeburt. Dein Stecher hat zu Hause eh’ Schon die ganze Provision verhurt.‘ Da rief sie die Polizei und Die fragte ‚Was ist denn hier passiert?‘ Ich sagte: ‚Gar nichts, ich hab’ doch nur Über mein Headset telefoniert. Über mein Headset telefoniert, Über mein Headset telefoniert, Über mein Headset telefoniert, Über mein Headset telefoniert.‘ ‚Ahahaha, muh-muh-muh.‘ ‚Ach so,‘ sagte die Frau ‚Und ich dachte schon, Sie meinen mich.‘ Ich sag’: ‚Leute mit so’m ehrenwerten Beruf Beleidige ich doch nicht.‘ Da ging sie und ich rief: ‚Übrigens Gehört ihr alle entnazifiziert!‘ Da zog die Kontrolleuse einen Schlagstock, Doch der Polizist hat deeskaliert: ‚Sehen Sie nicht, dass er Immer noch telefoniert? Über sein Headset telefoniert, Über sein Headset telefoniert, Über sein Headset telefoniert, Über sein Headset telefoniert.‘ Ich hatte ’ne schöne Idee Bei meinem letzten Wutanfall: Ich besorg’ mir irgendwie Karten Für den Bundespresseball. Und wenn die Promis dann netzwerken Wegen Ficken und der Konjunktur, Dann ziehe ich aus meiner Tasche Eine Hörsprechgarnitur. Eine Hörsprechgarnitur, Von Beleidigung keine Spur, Ich telefonier’ doch nur Über meine Hörsprechgarnitur. Wenn dein Partner nicht mit dir kopuliert, Dich stattdessen psychoanalysiert, Wenn man beim SchnickSchnackSchnuck verliert Schnell über’s Headset telefoniert! Wenn dein Metzger umdatiert, Wenn man dich wegrationalisiert, Wenn man zum Gelöbnis aufmarschiert Schnell über’s Headset telefoniert! Wenn wir wo’s lohnt intervenier’n Nennt man das demokratisier’n, Das heißt ein bisschen bombardier’n Und, was noch steht, privatisieren. Wenn dann Konzerne expandier’n, In Mobilfunk investier’n, Dann kann es schon passier’n, Dass alle über Headsets telefonier’n. Mit Boris: Über Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n. Nochmal! Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n. Jetzt alle! Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n. Lauter! Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n. Noch lauter! Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n. Noch lauter! Headsets telefonier’n, Über Headsets telefonier’n. Wenn dich die Borg assimilier’n, Werden sie dir ein Headset installier’n!“ Applaus Das habt ihr sehr schön gemacht. Das Lied ist noch nicht ganz aus, Moment: „Ich hörte von ’nem Kind, das hing Statt an ’ner Nabelschnur Schon, als es aus seiner Mutter kam, An einer Hörsprechgarnitur. Heute arbeitet es in ’nem Callcenter Als Putzkraft jede Nacht. Da hat mal wieder jemand Nichts aus seinen Anlagen gemacht.“ Musik, Marc-Uwe pfeift Melodie Applaus Vielen Dank für’s Mitsingen. Boris the Beast! Boris: Und Marc-Uwe Kling! weiter Applaus Marc-Uwe: Vielen Dank für das ganze Team hier vom Saal – für Licht, Ton! Applaus Danke fürs Mitsingen! weiter Applaus Boris: Die Büchergeschichte!? Marc-Uwe winkt ab weiter Applaus und Jubel Abspannmusik subtitles created by c3subtitles.de in the year 2018