Die Macht der Verletzlichkeit
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0:02 - 0:05Ich beginne mit dieser Geschichte: Vor ein
paar Jahren rief mich eine Eventmanagerin an, -
0:05 - 0:07denn ich sollte einen Vortrag halten.
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0:07 - 0:09Sie rief mich an und sagte:
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0:09 - 0:12"Ich habe echt Schwierigkeiten, wie ich
über Sie auf dem kleinen Flyer schreiben soll." -
0:12 - 0:15Ich dachte: "Okay. Wo ist das Problem?"
-
0:15 - 0:17Sie sagte: "Ich habe einen Ihrer Vorträge gehört
-
0:17 - 0:20und denke, ich sollte Sie als Forscherin bezeichnen,
-
0:20 - 0:23aber ich fürchte, wenn ich Sie so nenne,
dann wird niemand kommen. -
0:23 - 0:25Sie werden denken, dass Sie
langweilig und belanglos seien." -
0:25 - 0:26(Lachen)
-
0:26 - 0:28Und ich so: "Okay."
-
0:28 - 0:30Dann sagte sie: "Aber ich mochte an ihrem Vortrag sehr,
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0:30 - 0:31die Geschichten, die sie erzählten.
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0:31 - 0:35Also dachte ich, ich schreibe
einfach Geschichtenerzählerin." -
0:35 - 0:38Natürlich dachte sich der
akademische, unsichere Teil in mir: -
0:38 - 0:40"Sie wollen was schreiben?"
-
0:40 - 0:43Und sie sagte: "Ich werde
Geschichtenerzählerin schreiben." -
0:43 - 0:46Ich dachte nur: "Warum nicht
gleich Zauberfee?" -
0:46 - 0:48(Lachen)
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0:48 - 0:52Ich meinte: "Geben Sie mir einen Moment,
um darüber nachzudenken." -
0:52 - 0:55Ich nahm all meinen Mut zusammen
-
0:55 - 0:58und ich dachte: Ich bin
eine Geschichtenerzählerin. -
0:58 - 0:59Ich bin eine qualitative Sozialforscherin.
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0:59 - 1:01Ich sammle Geschichten;
das ist, was ich tue. -
1:01 - 1:04Vielleicht sind Geschichten
ja einfach Daten mit Seele. -
1:04 - 1:07Vielleicht bin ich ja
eine Geschichtenerzählerin. -
1:07 - 1:08Also sagte ich: "Wissen Sie was?
-
1:08 - 1:11Schreiben Sie doch einfach
forschende Geschichtenerzählerin." -
1:11 - 1:15Und Sie so: "Haha.
Sowas gibt's doch gar nicht." -
1:15 - 1:16(Lachen)
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1:16 - 1:20Also bin ich eine forschende Geschichtenerzählerin
und ich werde heute mit ihnen sprechen -- -
1:20 - 1:23wir reden über die Erweiterung der Wahrnehmung --
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1:23 - 1:25und ich möchte Ihnen einige Geschichten
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1:25 - 1:30über einen Teil meiner Forschung erzählen, der
meine persönliche Wahrnehmung fundamental erweiterte -
1:30 - 1:33und die Art, wie ich lebe und liebe
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1:33 - 1:35und arbeite und erziehe
wirklich verändert hat. -
1:35 - 1:38Und damit beginnt meine Geschichte.
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1:38 - 1:40Als ich eine junge Forscherin war, Doktorandin,
-
1:40 - 1:44hatte ich in meinem ersten Jahr
einen Professor, der zu uns sagte: -
1:44 - 1:48"Die Sache ist die, wenn es nicht
messbar ist, dann existiert es nicht." -
1:50 - 1:53Und ich dachte, er wollte mich nur einlullen.
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1:53 - 1:56Ich meinte nur: "Wirklich?" Und er: "Absolut".
-
1:56 - 1:58Was Sie dabei wissen müssen:
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1:58 - 2:00Ich habe einen Bachelor in Sozialarbeit,
einen Master in Sozialarbeit -
2:00 - 2:04und war gerade dabei, meinen Doktor
in Sozialarbeit zu machen. Meine gesamte akademische Laufbahn -
2:04 - 2:09bestand aus Leuten, die der Überzeugung waren,
dass das Leben ein Durcheinander ist, prima. -
2:10 - 2:16Und ich bin mehr der Typ: Leben ist Chaos,
also räum es auf, organisiere es -
2:16 - 2:17und pack es in eine Bento Box.
-
2:17 - 2:19(Gelächter)
-
2:20 - 2:25So meinte ich, meinen Weg gefunden zu haben,
einen Berufsweg eingeschlagen zu haben -- -
2:25 - 2:28ehrlich, eine der berühmten Redewendungen
im Bereich Sozialarbeit ist: -
2:28 - 2:31sich in das Unbehagen der Arbeit hineinzuwägen.
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2:31 - 2:34Und ich dachte mir: Nieder mit dem Unbehagen,
-
2:34 - 2:36pack es an und hol überall Einser
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2:36 - 2:38Das war mein Mantra.
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2:40 - 2:42Also war ich sehr gespannt darauf.
-
2:42 - 2:45Und ich dachte, weißt du was,
das ist die Karriere für mich -
2:45 - 2:48weil ich an so einigen vertrackten
Problemen interessiert bin. -
2:48 - 2:50Aber ich will in der Lage sein,
sie zu entschlüsseln. -
2:50 - 2:51Ich will sie verstehen.
-
2:51 - 2:55Ich will diese Dinge durchbohren,
von denen ich weiß, dass sie wichtig sind -
2:55 - 2:57und will den Schlüssel
klar sichtbar machen. -
2:58 - 3:00Also da, wo ich begann,
war bei der Verbindung -
3:00 - 3:04Denn, wenn du seit 10 Jahren
ein Sozialarbeiter bist, -
3:04 - 3:09was du realisierst ist, dass Verbindung
der Grund dafür ist, dass wir hier sind -
3:09 - 3:11Das ist es, was unserem Leben
einen Zweck und Bedeutung verleiht. -
3:12 - 3:14Darum geht es letztendlich.
-
3:14 - 3:16Es spielt gar keine Rolle,
ob man mit Leuten spricht -
3:16 - 3:19die im Bereich Sozialrecht oder seelische Gesundheit, Missbrauch oder Verwahrlosung arbeiten,
-
3:19 - 3:24was wir wissen ist, dass Verbindung,
die Fähigkeit, sich verbunden zu fühlen, -- -
3:25 - 3:27neurobiologisch sind wir
auf diese Weise verdrahtet -- -
3:27 - 3:28das ist es, warum wir hier sind.
-
3:28 - 3:31Also dachte ich mir,
ich beginne mit der Verbindung. -
3:32 - 3:34Kennen Sie diese Situation,
-
3:34 - 3:36wenn sie eine Bewertung
von Ihrem Chef bekommen, -
3:36 - 3:39und sie sagt Ihnen 37 Dinge,
die sie richtig toll machen, -
3:39 - 3:41und eine Sache -- eine Chance
für Weiterentwicklung? -
3:41 - 3:43(Lachen)
-
3:44 - 3:47Und alles woran Sie denken können
ist diese Chance für Weiterentwicklung, nicht? -
3:47 - 3:50Nun ja, anscheinend lief es
bei meiner Arbeit ebenso, -
3:50 - 3:55denn, wenn Sie Leute nach der Liebe fragen,
dann erzählen sie Ihnen von Herzschmerz. -
3:55 - 3:58Wenn Sie Leute nach Zugehörigkeit fragen,
-
3:58 - 4:02dann werden sie Ihnen von ihre schmerzlichsten
Erfahrungen erzählen, ausgeschlossen zu werden. -
4:02 - 4:04Und wenn Sie Leute nach Verbindung fragen,
-
4:04 - 4:07handelten die Geschichten,
die sie mir erzählten, von Getrenntsein. -
4:08 - 4:11Ziemlich bald -- wirklich schon nach
ungefähr sechs Wochen Recherche -- -
4:11 - 4:17traf ich auf diese unbenannte Sache,
die Verbindung gänzlich enträtselte, -
4:17 - 4:20auf eine Art und Weise, die ich nicht
verstand oder nie zuvor gesehen hatte. -
4:20 - 4:22Ich zog mich aus der Recherche zurück,
-
4:22 - 4:24und meinte ich müssse herausfinden,
worum es sich hier handele. -
4:24 - 4:26Es stellte sich heraus,
dass es Beschämung war. -
4:28 - 4:31Beschämung lässt sich recht einfach
als Angst vor Abgetrenntheit verstehen -
4:32 - 4:37Gibt es irgendwas an mir, das,
falls andere Leute davon wissen oder es sehen, -
4:37 - 4:40dass ich nicht der Verbindung würdig bin.
-
4:40 - 4:42Was ich Ihnen dazu sagen kann:
-
4:42 - 4:44sie ist universal; wir alle haben sie.
-
4:44 - 4:46Die einzigen Menschen, die Beschämung nicht erfahren,
-
4:46 - 4:48haben selbst keine Kapazität für
zwischenmenschliche Empathie oder Verbindung. -
4:48 - 4:50Niemand möchte darüber reden,
-
4:50 - 4:52und je weniger man darüber redet,
umso mehr hat man sie. -
4:54 - 4:59Was diese Beschämung untermauerte,
dieses "Ich bin nicht gut genug," -- -
4:59 - 5:01dieses Gefühl, welches wir alle kennen,
-
5:01 - 5:03"Ich bin nicht klar genug.
Ich bin nicht dünn genug, -
5:03 - 5:06nicht reicht genug, nicht schön genug, nicht
schlau genug, habe nicht genug Karriere gemacht." -
5:06 - 5:11Die Sache, die das untermauerte,
war qualvolle Verletzlichkeit, -
5:12 - 5:16diese Vorstellung, dass,
damit Verbindung stattfindet, -
5:16 - 5:19wir uns erlauben müssen,
gesehen zu werden, wirklich gesehen. -
5:21 - 5:24Sie wissen wie ich mich in Bezug auf
Verletzlichkeit fühle. Ich hasse Verletzlichkeit. -
5:24 - 5:29Also dachte ich, das sei meine Chance,
mit meiner Messlatte zurückzuschlagen. -
5:29 - 5:31Ich mach's, ich werde dieses Zeug ausknobeln,
-
5:31 - 5:35ich werde darauf ein Jahr verwenden,
ich werde Beschämung total dekonstruieren, -
5:35 - 5:37ich werde herausfinden wie
Verletzlichkeit funktioniert, -
5:37 - 5:39und ich werde sie überlisten.
-
5:39 - 5:43Nun war ich bereit,
und ich war wirklich aufgeregt. -
5:45 - 5:47Sie wissen bereits,
es wird nicht gut ausgehen. -
5:47 - 5:50(Lachen)
-
5:50 - 5:51Sie wissen das.
-
5:51 - 5:53Ich könnte Ihnen viel
über Beschämung erzählen, -
5:53 - 5:55doch ich würde alle
anderen damit langweilen. -
5:55 - 5:58Aber ich kann Ihnen sagen,
worauf es hinausläuft -- -
5:58 - 6:02und dies könnte eines der wichtigsten
Dinge sein, die ich jemals gelernt habe -
6:02 - 6:05während des Jahrzehnts,
in dem ich diese Forschung betrieb. -
6:05 - 6:09Aus meinem einen Jahr wurden sechs Jahre,
-
6:09 - 6:14tausende Geschichten, hunderte
lange Interviews, Fokusgruppen. -
6:14 - 6:16Zeitweise schickten mir Leute
Seiten aus Tagebüchern -
6:16 - 6:18und schickten mir ihre Geschichten --
-
6:18 - 6:22tausende Daten in sechs Jahren.
-
6:22 - 6:24Und ich hatte sozusagen den Dreh raus.
-
6:24 - 6:27Ich verstand einigermaßen, das hier
ist Beschämung, so funktioniert sie. -
6:28 - 6:34Ich schrieb ein Buch, ich veröffentlichte
eine Theorie, aber irgendwas war nicht in Ordnung -- -
6:34 - 6:39und was es damit auf sich hatte war, dass, würde
ich überschlägig die von mir interviewten Leute nehmen -
6:39 - 6:45und sie unterteilen in die Leute,
die wirklich ein Gefühl von Würdigkeit -- -
6:45 - 6:48darauf kommt es letztendlich an,
ein Gefühl von Würdigkeit -- -
6:48 - 6:51sie haben ein starkes Gefühl
der Liebe und Zugehörigkeit -- -
6:51 - 6:53und die Menschen, die dafür kämpfen,
-
6:53 - 6:56und die Menschen, die sich immer
fragen, ob sie gut genug sind. -
6:56 - 6:58Es gab nur eine Variable,
die jene Leute unterschied, -
6:58 - 7:01die ein starkes Gefühl der Liebe
und Zugehörigkeit haben, -
7:01 - 7:03von den Leuten, die wirklich dafür kämpfen.
-
7:03 - 7:07Es war folgendes: die Leute, die ein
starkes Gefühl der Liebe und Zugehörigkeit haben, -
7:07 - 7:10glauben, dass sie der Liebe
und Zugehörigkeit würdig sind. -
7:10 - 7:12Das ist alles.
-
7:12 - 7:15Sie glauben daran, dass sie würdig sind.
-
7:15 - 7:21Und für mich war der schwere Teil
der einen Sache, die uns von Verbindung abhält, -
7:21 - 7:25unsere Angst, dass wir der Verbindung
nicht würdig sind, -
7:25 - 7:27etwas, bei dem ich empfand,
dass ich es persönlich und beruflich, -
7:27 - 7:29besser verstehen müsse.
-
7:30 - 7:35Was ich also machte, war,
all die Interviews zu nehmen, -
7:35 - 7:37wo ich Würdigkeit sah, wo ich
Menschen sah, die so Leben, -
7:37 - 7:39und betrachtete nur diese.
-
7:40 - 7:42Was haben diese Menschen gemeinsam?
-
7:42 - 7:47Ich bin leicht süchtig nach Büroartikeln,
aber das ist ein anderer Vortrag. -
7:47 - 7:50Also hatte ich einen Ordner,
und ich hatte einen Stift, -
7:50 - 7:53und ich dachte mir, wie werde ich
diese Forschungsarbeit nennen? -
7:53 - 7:56Und die ersten Worte, die mir in den
Sinn kamen, waren von ganzem Herzen. -
7:57 - 8:00Das sind Menschen von ganzem Herzen,
sie leben von diesem tiefen Gefühl der Würdigkeit. -
8:00 - 8:03Also beschriftete ich die Ordner
-
8:03 - 8:05und begann damit, die Daten zu betrachten.
-
8:05 - 8:11Eigentlich tat ich das zuerst, in einer vier Tage
langen sehr intensiven Datenanalyse, -
8:11 - 8:15in der ich zurückschaute, und jene Interviews,
jene Geschichten und jene Begebenheiten herausfischte. -
8:15 - 8:16Was ist das Thema? Was ist das Muster?
-
8:17 - 8:20Mein Ehemann verließ die Stadt mit den Kindern,
-
8:20 - 8:23da ich mich ja immer in diesen Wahn
wie Jackson Pollock reinsteigere, -
8:23 - 8:27wo ich einfach nur schreibe
und in meinem Forschungsmodus bin. -
8:28 - 8:31Nun also was ich herausfand.
-
8:33 - 8:36Was sie gemeinsam hatten,
war ein Gefühl der Courage. -
8:36 - 8:39Ich möchte Courage und Tapferkeit
kurz für Sie unterscheiden. -
8:39 - 8:42Courage, die ursprüngliche
Bedeutung von Courage, -
8:42 - 8:44als sie zuerst in die englische Sprache
aufgenommen wurde -- -
8:44 - 8:47sie entstammt dem lateinischen
Wort "cor", dessen Bedeutung ist "Herz" -- -
8:47 - 8:50und die ursprüngliche Bedeutung
war, die Geschichte, wer man ist, -
8:50 - 8:51aus ganzem Herzen zu erzählen.
-
8:52 - 8:56Also hatten diese Leute, schlichtweg
die Courage unvollkommen zu sein. -
8:58 - 9:03Sie hatten das Mitgefühl zuerst zu sich
selbst liebsenswürdig zu sein und dann zu anderen, -
9:03 - 9:05denn, wie sich herausstellt,
-
9:05 - 9:07können wir nicht Mitgefühl
mit anderen Menschen haben, -
9:07 - 9:09wenn wir uns selbst nicht
liebevoll behandeln können. -
9:09 - 9:13Zu allerletzt hatten sie Verbindung,
und -- das war der schwierige Teil -- -
9:13 - 9:16als Folge ihrer Authentizität
-
9:16 - 9:20waren sie gewillt davon loszulassen,
wer sie dachten sein zu müssen -
9:20 - 9:24um zu sein, wer sie sind,
was man unbedingt machen muss -
9:24 - 9:26für Verbindung.
-
9:28 - 9:32Die andere Sache, die ihnen
gemeinsam war, war folgendes: -
9:36 - 9:39Sie nahmen Verletzlichkeit
gänzlich bereitwillig an. -
9:40 - 9:47Sie glaubten, dass das, was sie verletzlich
machte, sie wunderschön machte. -
9:51 - 9:55Sie redeten weder über Verletzlichkeit
als angenehme Angelegenheit, -
9:55 - 9:58noch redeten sie darüber
als qualvolle Angelegenheit -- -
9:58 - 10:00wie ich es zuvor in den Interviews
zu Beschämung gehört hatte. -
10:00 - 10:03Sie redeten lediglich
über ihre Notwendigkeit. -
10:03 - 10:07Sie redeten von der Bereitschaft
als erstes "Ich liebe dich" zu sagen, -
10:09 - 10:14die Bereitschaft, etwas zu tun,
bei dem es keine Garantien gibt, -
10:16 - 10:20die Bereitschaft, durchzuatmen,
wenn man nach seiner Mammograhpie -
10:20 - 10:22auf den Anruf des Arztes wartet.
-
10:23 - 10:27Sie sind bereit in
eine Beziehung zu investieren, -
10:27 - 10:29die vielleicht gelingt
oder nicht gelingt. -
10:29 - 10:31Sie dachten, dies sei fundamental.
-
10:32 - 10:35Ich persönlich dachte, es sei Verrat.
-
10:36 - 10:40Ich konnte nicht glauben, dass ich
der Forschung Treue geschworen hatte -- -
10:40 - 10:44die Definition von Forschung ist
Phänomene zu kontrollieren, vorauszusagen -
10:44 - 10:49und zu studieren, für den unzweideutigen
Beweggrund, kontrollieren und voraussagen zu können. -
10:49 - 10:53Und jetzt hatte meine Mission,
zu kontrollieren und vorauszusagen, -
10:53 - 10:57die Antwort hervorgebracht, dass mit
Verletzlichkeit zu leben, die Art zu leben sei, -
10:57 - 10:59und aufzuhören mit
Kontrollieren und Voraussagen. -
10:59 - 11:02Das führte zu einem
kleinen Zusammenbruch -- -
11:02 - 11:07(Lachen) --
-
11:07 - 11:10der eigentlich eher so aussah.
-
11:10 - 11:11(Lachen)
-
11:11 - 11:13Und so war es auch.
-
11:13 - 11:16Ich nannte es einen Zusammenbruch,
meine Therapeutin nannte es ein spirituelles Erwachen. -
11:16 - 11:18(Lachen)
-
11:18 - 11:20Ein spirituelles Erwachen klingt
besser als ein Zusammenbruch, -
11:20 - 11:22aber ich versichere Ihnen,
es war ein Zusammenbruch. -
11:22 - 11:25Ich musste meine Daten beiseite
legen und einen Therapeuten suchen. -
11:25 - 11:27Lassen Sie mich Ihnen etwas
sagen: Sie wissen, wer Sie sind, -
11:27 - 11:30wenn Sie Ihre Freunde anrufen und sagen,
"Ich glaube ich muss jemanden aufsuchen. -
11:30 - 11:32Hast du irgendwelche Empfehlungen?"
-
11:32 - 11:34Denn ungefähr fünf meiner Freunde sagten,
-
11:34 - 11:37"Eijeijeij. Ich würde nicht
dein Therapeut sein wollen." -
11:37 - 11:39(Lachen)
-
11:39 - 11:41Und ich: "Was soll das heißen?"
-
11:41 - 11:44Und sie: "Weißt du, ich mein ja bloß.
-
11:44 - 11:46Nimm nicht deinen Messstab mit."
-
11:46 - 11:49(Lachen)
-
11:49 - 11:50Und ich: "Okay."
-
11:51 - 11:53Also fand ich eine Therapeutin.
-
11:53 - 11:56Meine erste Sitzung mit ihr, Diana --
-
11:57 - 12:01ich brachte meine Liste über die Art, wie die,
die von ganzem Herzen leben, mit und setzte mich. -
12:01 - 12:03Und sie sagte, "Wie geht es Ihnen?"
-
12:03 - 12:07Und ich sagte, "Mir geht's super. Alles okay."
-
12:07 - 12:08Sie sagte, "Was ist los?"
-
12:08 - 12:11Das hier ist eine Therapeutin,
die mit Therapeuten spricht, -
12:11 - 12:16denn man sollte zu denen gehen, weil ihre
Toleranzgrenzen gegenüber Blödsinn und Jammern hoch sind. -
12:16 - 12:18(Lachen)
-
12:18 - 12:22Also antwortete ich, "Die Sache ist,
dass ich mit etwas zu kämpfen habe." -
12:22 - 12:24Und sie sagte, "Womit denn?"
-
12:25 - 12:27Und ich sagte, "Nun ja, ich habe
ein Problem mit Verletzlichkeit. -
12:27 - 12:33Ich weiß, dass Verletzlichkeit der Kern
von Beschämung und Angst -
12:33 - 12:34und unserem Kampf um Würdigkeit ist,
-
12:34 - 12:40aber es scheint, dass es auch
der Geburtsort ist von Freude, von Kreativität, -
12:40 - 12:42von Zugehörigkeit, von Liebe.
-
12:43 - 12:48Ich glaube, ich habe ein Problem
und brauche etwas Hilfe." -
12:48 - 12:53Und ich sagte: "Aber die Sache ist folgende:
kein Familienzeugs, keine Kindheitsscheiße." -
12:53 - 12:55(Lachen)
-
12:55 - 12:58"Ich brauche einfach nur ein paar Strategien."
-
12:58 - 13:02(Lachen)
-
13:02 - 13:06(Applaus)
-
13:06 - 13:07Danke.
-
13:09 - 13:10Und sie macht so.
-
13:12 - 13:15(Lachen)
-
13:15 - 13:17Dann sagte ich: "Es ist schlimm, oder?"
-
13:17 - 13:20Und sie sagte: "Es ist weder gut noch schlecht."
-
13:20 - 13:22(Lachen)
-
13:22 - 13:24"Es ist einfach, was es ist."
-
13:24 - 13:27Ich sagte: "Ach du liebe Güte,
das kann ja heiter werden." -
13:27 - 13:29(Lachen)
-
13:30 - 13:33Und das war es und war es nicht.
-
13:33 - 13:35Es dauerte ungefähr ein Jahr.
-
13:35 - 13:37Wissen Sie, es gibt Menschen,
-
13:37 - 13:41die, wenn sie realisieren, dass Verletzlichkeit
und Zärtlichkeit wichtig sind, -
13:41 - 13:43kapitulieren und sich damit abfinden.
-
13:44 - 13:46Erstens, das bin nicht ich,
-
13:46 - 13:48zweitens, mit solchen Leuten häng ich
garnicht mal zusammen ab. -
13:48 - 13:51(Lachen)
-
13:51 - 13:53Für mich war es ein ein Jahr lang
währender Straßenkampf. -
13:54 - 13:56Es war ein Schlagabtausch.
-
13:56 - 13:58Verletzlichkeit schubste,
ich schubste zurück. -
13:58 - 14:01Ich verlor den Kampf,
-
14:01 - 14:04aber gewann wahrscheinlich
mein Leben zurück. -
14:04 - 14:05Somit ging ich zurück zur Forschungsarbeit
-
14:05 - 14:07und verbrachte die nächsten
paar Jahre damit, -
14:07 - 14:10wirklich zu versuchen, zu verstehen,
was die, die aus ganzem Herzen leben, -
14:10 - 14:16für Entscheidungen trafen, und
was wir anstellen mit Verletzlichkeit. -
14:16 - 14:19Warum kämpfen wir so viel damit?
-
14:19 - 14:21Bin ich allein in meinem
Kampf mit Verletzlichkeit? -
14:22 - 14:23Nein.
-
14:23 - 14:25Das ist was ich dazulernte.
-
14:27 - 14:28Wir betäuben Verletzlichkeit --
-
14:29 - 14:31wenn wir auf den Anruf warten.
-
14:31 - 14:34Es war komisch, ich schickte etwas
auf Twitter und auf Facebook heraus, -
14:34 - 14:36das sagte, "Wie würdest du
Verletzlichkeit definieren? -
14:36 - 14:38Was gibt dir das Gefühl
verletzlich zu sein?" -
14:38 - 14:41Und innerhalb von eineinhalb
Stunden hatte ich 150 Antworten. -
14:41 - 14:44Denn ich wollte wissen,
was es dazu zu sagen gibt. -
14:46 - 14:51Meinen Ehemann um Hilfe bitten zu müssen,
weil ich krank bin und wir frisch verheiratet sind; -
14:51 - 14:53Sex mit meinem Ehemann initiieren;
-
14:53 - 14:56Sex mit meiner Ehefrau initiieren;
-
14:56 - 14:59abgelehnt werden; jemanden
einladen mit einem auszugehen; -
14:59 - 15:01auf den Rückruf des Arztes warten;
-
15:01 - 15:03entlassen werden; Leute entlassen --
-
15:03 - 15:05das ist die Welt, in der wir leben.
-
15:06 - 15:09Wir leben in einer verletzlichen Welt.
-
15:09 - 15:12Und eine der Arten, wie wir damit
umgehen, ist Verletzlichkeit zu betäuben. -
15:12 - 15:14Und ich denke es gibt Beweise --
-
15:14 - 15:17es ist nicht die einzige Ursache,
die diese Beweise hervorruft, -
15:17 - 15:19aber ich denke es ist ein Riesengrund dafür --
-
15:19 - 15:22wir sind die am meisten verschuldetste,
-
15:23 - 15:24fettleibigste,
-
15:26 - 15:30süchtigste und medikamentierteste Schar von
Erwachsenen in der Geschichte der Vereinten Staaten von Amerika. -
15:33 - 15:36Das Problem ist -- und das lernte ich
von der Forschungsarbeit -- -
15:36 - 15:39dass man nicht selektiv Emotionen betäuben kann.
-
15:40 - 15:43Man kann nicht sagen,
hier ist das schlechte Zeug. -
15:43 - 15:46Hier ist Verletzlichkeit, hier ist
Trauer, hier ist Beschämung, -
15:46 - 15:47hier ist Angst, hier ist Enttäuschung,
-
15:47 - 15:49ich will die nicht fühlen.
-
15:49 - 15:52Ich werde ein paar Bier
und einen Banane-Nuss-Muffin haben. -
15:52 - 15:55(Lachen)
-
15:55 - 15:57Ich will die nicht fühlen.
-
15:57 - 15:59Ich weiß, das ist wissendes Lachen.
-
15:59 - 16:01Ich verdiene meinen Lebensunterhalt
damit, Ihre Leben zu durchleuchten. -
16:01 - 16:03Oh Gott.
-
16:03 - 16:06(Lachen)
-
16:06 - 16:09Man kann diese schwierigen
Gefühle nicht betäuben, -
16:09 - 16:11ohne die Affekte
zu betäuben, unsere Emotionen. -
16:11 - 16:13Man kann nicht selektiv betäuben.
-
16:13 - 16:15Wenn wir also jene betäuben,
-
16:15 - 16:18dann betäuben wir Freude,
-
16:18 - 16:19betäuben wir Dankbarkeit,
-
16:19 - 16:21betäuben wir Glücklich-Sein.
-
16:22 - 16:25Dann fühlen wir uns elend,
-
16:25 - 16:27suchen nach Sinn und Bedeutung im Leben,
-
16:27 - 16:29fühlen uns verletzlich,
-
16:29 - 16:31dann nehmen wir ein paar Bier
und einen Banane-Nuss-Muffin. -
16:31 - 16:35Daraus entsteht ein Teufelskreis.
-
16:36 - 16:39Eines der Dinge, von dem ich
denke, die wir bedenken müssen, -
16:39 - 16:41ist warum und wie wir betäuben.
-
16:42 - 16:44Es muss nicht nur Sucht sein.
-
16:45 - 16:49Die andere Sache, die wir machen,
ist alles Ungewisse gewiss zu machen. -
16:50 - 16:55Religion ist von einem Glauben an Vertrauen
und Mysterium zu Gewissheit geworden. -
16:55 - 16:59"Ich habe recht, du hast
nicht recht. Halt die Klappe." -
16:59 - 17:00So ist das.
-
17:01 - 17:03Völlig gewiss.
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17:03 - 17:06Je ängstlicher wir sind,
desto verletzlicher sind wir, -
17:06 - 17:07desto ängstlicher sind wir.
-
17:07 - 17:09So verhält es sich
mit der Politik heutzutage. -
17:09 - 17:11Es gibt keinen Diskurs mehr.
-
17:11 - 17:12Es gibt keine Gespräche mehr.
-
17:13 - 17:14Es gibt nur Schuld.
-
17:14 - 17:16Wissen Sie, wie Schuld in
der Forschung beschrieben wird? -
17:17 - 17:20Eine Art, Schmerz und Unbehagen abzuladen.
-
17:22 - 17:24Wir perfektionieren.
-
17:24 - 17:27Wenn es jemanden gäbe, der sein Leben
gerne so sehen würde, dann wäre ich das, -
17:27 - 17:29aber es funktioniert nicht.
-
17:29 - 17:32Denn was wir machen, ist Fett von unseren Hintern
zu nehmen und es in unsere Wangen zu spritzen. -
17:32 - 17:36(Lachen)
-
17:36 - 17:39Auf das, hoffe ich, in hundert Jahren,
die Menschen zurückblicken werden und sagen: "Wow." -
17:39 - 17:42(Lachen)
-
17:42 - 17:45Und wir perfektionieren,
gefährlicherweise, unsere Kinder. -
17:45 - 17:47Lassen Sie mich Ihnen sagen,
was wir über Kinder denken. -
17:47 - 17:50Wenn sie auf die Welt kommen,
sind sie für Probleme vorprogrammiert. -
17:50 - 17:53Wenn man diese perfekten,
kleinen Babies in seiner Hand hält, -
17:53 - 17:56dann ist unsere Aufgabe nicht
zu sagen: "Sieh sie an, sie ist perfekt. -
17:56 - 17:58Meine Aufgabe ist es, sie perfekt zu halten --
-
17:58 - 18:01sicherzugehen, dass sie es in der fünften Klasse
ins Tennisteam schafft und in der siebten Klasse nach Yale." -
18:01 - 18:03Das ist nicht unsere Aufgabe.
-
18:03 - 18:04Unsere Aufgabe ist es zu sehen und zu sagen:
-
18:04 - 18:07"Weißt du was? Du bist unvollkommen,
und du wirst Probleme haben, -
18:07 - 18:10aber du bist der Liebe und Zugehörigkeit würdig."
-
18:10 - 18:12Das ist unsere Aufgabe.
-
18:12 - 18:14Zeigen Sie mir eine Generation
von Kinder, die so großgezogen wurden, -
18:14 - 18:17und wir werden die Probleme,
die wir heute sehen, beenden. -
18:17 - 18:22Wir tun so, als hätte das, was wir tun,
keine Auswirkungen auf andere Menschen. -
18:24 - 18:25Das machen wir in unserem Privatleben.
-
18:25 - 18:27Das machen wir in Firmen --
-
18:27 - 18:29egal ob es ein Rettungspaket, eine Ölpest,
-
18:30 - 18:31ein Rückruf ist --
-
18:31 - 18:33wir tun so, als hätte das, was wir tun,
-
18:33 - 18:35keine riesige Auswirkung auf andere Menschen.
-
18:36 - 18:39Ich würde Unternehmen sagen,
das ist nicht das erste Mal für uns. -
18:41 - 18:43Wir verlangen einfach, dass ihr
authentisch und ehrlich seid -
18:45 - 18:49und sagt: "Es tut uns leid. Wir werden es
wieder in Ordnung bringen." -
18:50 - 18:53Doch es gibt noch einen weiteren Weg,
und damit verabschiede ich mich von Ihnen. -
18:53 - 18:54Das ist, was ich herausgefunden habe:
-
18:54 - 18:59Zulassen, gesehen zu werden,
tiefgehend gesehen, verletzlich gesehen, -
19:02 - 19:06zu lieben mit unserem ganzen Herzen,
auch wenn es keine Garantie gibt -- -
19:06 - 19:07und das ist wirklich schwer,
-
19:07 - 19:11und ich kann Ihnen als Elternteil sagen,
das ist schmerzlich schwierig -- -
19:13 - 19:17Dankbarkeit und Freude zu üben
in jenen Momenten des Terrors, -
19:17 - 19:20in denen wir uns fragen:
"Kann ich dich so viel lieben? -
19:20 - 19:22Kann ich hieran inbrünstig glauben?
-
19:22 - 19:24Kann ich so entschlossen sein?"
-
19:24 - 19:28Fähig sein anzuhalten und, statt darüber
zu katastrophisieren was passieren könnte, -
19:28 - 19:30sagen: "Ich bin einfach so dankbar,
-
19:30 - 19:32weil sich so verletzlich zu fühlen
bedeutet, dass ich lebe." -
19:33 - 19:37Und zuletzt das, was ich glaube, dass
wahrscheinlich das allerwichtigste ist: -
19:37 - 19:39daran zu glauben, dass wir genug sind.
-
19:39 - 19:43Denn wenn wir von einem Punkt ausgehen,
der, so glaube ich, sagt: "Ich bin genug." -
19:45 - 19:49dann hören wir auf zu schreien
und beginnen zuzuhören, -
19:49 - 19:52sind liebevoller und freundlicher
zu den Menschen um uns herum, -
19:52 - 19:54und sind liebevoller
und freundlicher zu uns selbst. -
19:55 - 19:56Das war alles. Danke.
-
19:56 - 19:59(Applaus)
- Title:
- Die Macht der Verletzlichkeit
- Speaker:
- Brené Brown
- Description:
-
Brené Brown studiert zwischenmenschliche Verbindungen - unsere Fähigkeit für Empathie, Zugehörigkeit, Liebe. In einem ergreifenden, aber auch lustigen Vortrag bei TEDxHouston offenbart sie tiefe Einblicke in ihre Forschung, die sie auf eine persönliche Reise schickte, sich selbst besser kennenzulernen, wie auch die Menschheit besser zu verstehen. Ein Vortrag zum Teilen.
- Video Language:
- English
- Team:
- closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 19:59
Nadine Hennig edited German subtitles for The power of vulnerability | ||
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