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Ob du nun glaubst, dass es eine ewige Seele, Atman, gibt,
oder ob du glaubst, dass es keine Seele oder kein Selbst,
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Anatman oder Anatta, gibt, diese Überzeugungen sind eigentlich
Hindernisse für die Verwirklichung deiner wahren Natur.
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Eine Person, die an einem solchen Glauben festhält,
hat ein bedingtes Wissen. Samadhi wird schwer fassbar bleiben,
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bis die Identifikation mit dem Glauben fallen gelassen wird.
Die alten Traditionen nannten solche konditionierten
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Muster "Sankaras" in Pali oder "Samskaras" in Sanskrit.
Das Konzept, wenn wir daran festhalten, wenn wir es
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zu unserer Selbststruktur hinzufügen, wird zu einer Einschränkung;
einem Einsperren der inneren Energien, einer sich ständig erneuernden
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Illusion, zu wissen. Und es hindert uns daran,
uns auf die eigentliche Untersuchung einzulassen,
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die zum direkten Kontakt mit dem Geheimnis der
Existenz führen würde. Eine der größten Klüfte zwischen
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spirituellen Systemen ist die zwischen denjenigen, die
an die Existenz einer Seele glauben und denen, die das nicht tun.
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Die Hälfte der spirituellen Meister benutzt Worte wie Seele oder Atman,
und die andere Hälfte spricht von Leere und 'keiner Seele',
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Anatman, Anatta oder Nicht-Selbst. Die Verwirrung und Spaltung
zwischen den Religionen und Lehren rührt von der
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Tatsache, dass die Sprache von Natur aus dualistisch ist.
Wir haben keine Sprache, um die Nondualität zu beschreiben.
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Diese Schwierigkeiten gab es schon zur Zeit
des Buddha vor 2500 Jahren. Viele Menschen sind
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überrascht, wenn sie entdecken, dass der Buddha nie
gesagt hat, dass es kein Selbst gibt, und dass er tatsächlich
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die Lehrer ermahnte, die lehrten, es gäbe kein Selbst:
"Diejenigen, die nur das Nicht-Selbst lehren, werden nicht
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frei". Es gibt eine Geschichte über einen Wanderer, der
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Buddha direkt fragte, ob es ein Selbst oder
eine Seele gibt. Die Antwort des Buddha war
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Schweigen. Er wusste, dass die Antworten ‚Ja‘ oder ‚Nein‘
in die Irre führen würden. Wir haben diese sehr
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wichtige Lektion vergessen. Wir haben die Seele
in ein Konzept verwandelt – in ein Thema für den
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Theologieunterricht. Wir haben Wörter wie "Selbst"
oder "Nichtselbst" oder "Gott" zu Konzepten gemacht, anstatt
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zu erlauben, dass sie durch Sadhana offenbar werden,
durch die direkte Verwirklichung von Samadhi und
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Prajna. In seinen späteren Lehren sprach der Buddha tatsächlich
von einer innersten Essenz, einem Selbst oder einer Seele,
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die keine Veränderung und keinen Tod kennt. Er gab ihr
verschiedene Namen: das wahre Selbst oder die wahre
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Seele, das Buddha-Dhatu oder das Buddha-Prinzip oder
das Tathagata Garbha, die embryonale Buddha-Natur,
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die in uns schlummert. Er beschrieb eine verborgene Schatzkammer,
die in allen fühlenden Wesen vorhanden ist. Er sagt über dieses
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Selbst: "Es ist nicht wahr, zu sagen, dass alle Phänomene
frei von Selbst sind. Das Selbst ist Wirklichkeit. Das Selbst ist
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ewig. Das Selbst ist Tugend. Das Selbst ist immerwährend.
Das Selbst ist stabil. Das Selbst ist Frieden. Kein Tod kann
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es berühren, kein Schaden kann ihm entstehen, kein Unglück
kann es verderben. Es ist so unzerstörbar und strahlend wie ein
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Diamant. Für manche Menschen mag das monistisch klingen,
aber er weist völlig über Monismus und Dualismus, über
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jeden -ismus, über den Begriffsrahmens des begrenzten Geistes
hinaus. Er weist auf das Reich von Nirvana hin;
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die Beendigung von "Vana", von "Vikalpa: von Kleshas, Vasanas
oder Karma - die Beendigung unbewusster Muster,
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welche das begrenzte "Ich"-Gefühl hervorrufen, und
die Beendigung des damit einhergehenden Leidens.
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Der Buddha sagte, dass Tathagata weder
existiert noch nicht existiert nach dem Tod. Die Wahrheit
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unserer wahren Natur liegt jenseits der Dualität des
Geistes, jenseits von Wahrnehmung und Nicht-Wahrnehmung.
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Der Buddha verweist auf eine radikale Nondualität jenseits von
Konzepten wie Selbst und Nicht-Selbst. Der begrenzte
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Geist erschafft die Illusion von Teilung und
Trennung, Geburt und Tod, Existenz und
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Nicht-Existenz. Wie der Zen-Meister Dogen sagte:
Um dies zu erkennen, lernen wir zu meditieren, was bedeutet,
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Geist und Körper loszulassen. Der Weg zur Befreiung
besteht im Erwachen jenseits der Ebene des
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Geistes. Die Vorstellung, dass es kein Selbst gibt, wird oft
vermischt und verwechselt mit dem buddhistischen Begriff
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"Anatta", was nicht begrifflich zu verstehen ist,
sondern eine direkte Einsicht durch
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Meditation ist. Im Buddhismus wird gesagt, es gibt
drei große Einsichten oder drei Zeichen der
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Existenz, die durch Erfahrung in der Meditation
realisiert werden und die nicht als
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philosophische oder intellektuelle Diskussionspunkte
gedacht sind. Sie werden erfahren im Abstreifen
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oder dem Auflösen der Ebenen des Geistes. Es ist die
Erkenntnis von "Anicca", der Unbeständigkeit;
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der Erkenntnis, dass alles entsteht und
vergeht. Es gibt die Erkenntnis von "Anatta" - dass
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alles im Bereich der sich verändernden Phänomene leer
vom Selbst ist. Und es gibt "Dukkha" - die Erkenntnis,
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dass die Selbststruktur aus Mustern von
Begierde und Abneigung besteht. Es ist ein Muster ständigen
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Unbefriedigtseins. Durch tiefe Meditation und Selbsterforschung,
die ab einem bestimmten Punkt
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ein und dasselbe sind, können wir die unbewussten Verstandesprozesse
bewusst machen, und nur dann können wir sie
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loslassen. Wenn sie unbewusst sind, wiederholen sie sich
immer wieder im Unbewussten. Die alte Praxis, die
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der Immerwährenden Lehre folgt, verlangt von uns
aufzuhören, auf unsere Vorlieben zu reagieren. Aufzuhören,
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die Muster des Verlangens und der Abneigung zu schüren.
Alle Phänomene entstehen und vergehen zu lassen, ohne
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Unterscheidung zwischen diesem und jenem. Alles innerhalb des
Bereichs des Wandels ist "Anicca", Vergänglichkeit, und wir
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beobachten diese Unbeständigkeit. Wir dringen ein und
durchdringen dieses Feld der sich verändernden Phänomene
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mit unserem Bewusstsein. Das Bewusstsein ist das Einzige,
das sich nicht verändert, das nicht kommt und
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geht. Das Bewusstsein ist kein Ding
und doch ist es nicht nichts. Durch
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Meditation vereinen sich Bewusstsein und das Feld der
wechselnden Phänomene und werden eins in
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Samadhi und enthüllen deine wahre ewige Natur
jenseits der Dualität. Jenseits von Ding und Nicht-Ding.
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Bis zum heutigen Tag verkünden einige Lehrer immer noch "Nicht-Selbst"
als die höchste Wahrheit über das Selbstsein und ironischerweise
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wird es zum Grundprinzip ihrer konditionierten Glaubensstruktur.
Die Idee des Nicht-Selbst kann zu einer heiligen
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Kuh werden, gebunden an eine spirituelle Persona, mit der man
identifiziert ist. Es ist spirituelles Ausweichen, wenn man
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an der Idee des Transzendenten hängen bleibt. Es ist
eine Art, das zu vermeiden, was manchmal die
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Schattenarbeit genannt wird, d.h. frei zu werden von Samskaras
oder Konditionsmustern, die unbewusst
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das eigene Leben beherrschen. Um Samskaras loszulassen,
müssen wir die vollständige Erfahrung der Empfindungen, Gefühle und
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Emotionen zulassen, die jeden Augenblick auftauchen, gelassen,
gleichmütig und innerlich hingegeben. Wir
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können uns darin üben, präsent, offen und gleichmütig
durch Meditation zu werden, aber es muss auch
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im Leben angewendet werden. Je mehr Arbeit wir auf dem Kissen vollbringen,
desto mehr Gefühle werden im Leben auftauchen, und desto mehr
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werden wir das Leben spüren. Und wir müssen uns erlauben,
Leben zu fühlen - uns nicht abzuwenden von dem
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was auftaucht. Das erfordert brutale Ehrlichkeit
mit sich selbst: Zu beobachten, wie wir verzweifelt
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unangenehme Gefühle vermeiden oder wie
hartnäckig wir uns an die vertrauten Muster klammern,
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wie wir unser Ego verteidigen, wie wir uns als richtig
oder immer in einem guten Licht darstellen.
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Wie wir uns von Unbehagen ablenken, wie
wir den Verstand ständig füttern mit allen möglichen
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Unterhaltungen, um die tiefe Vereinigung mit
dem gegenwärtigen Moment zu vermeiden. Es ist möglich,
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unser Karma auszuleben, in Archetypen festzustecken und hoffnungslos
in Mustern gefangen zu sein, während man ständig verkündet, dass
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es "kein Selbst" gibt, abgekoppelt vom Herzen, während
das Ego das Sagen hat und sicher ist, dass es recht hat
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mit seiner Weltsicht. Wenn das Ego-Konstrukt denkt, dass es
die Wahrheit darüber kennt, wer und was du bist, dann stoppt
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die tiefere Erkundung. Deine Meditation oder
Selbsterforschung wird roboterhaft. Der Moment, in dem
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du in Worten ausdrückst, wer oder was du bist und dies
glaubst oder dich mit dem Gesagten identifizierst, ist der
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Moment, in dem du dich wieder im dualistischen
Geist verstrickst. Wir können anfangen, zu sprechen
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über das Erwachen, als ob wir es kennen, es ist aber zu einer Erinnerung
geworden, zu einem konditionierten Gedankenmuster, hinzugefügt zur Selbst-
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Struktur. Wir können eine echte Samadhi-Erfahrung haben,
ein Erwachen zu unserer wahren Natur, aber in den meisten Fällen
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wird der Verstand wieder aktiv und das Ego wird
Sprache um die Erfahrung herum bauen - eine Geschichte daraus
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machen, und ehe wir uns versehen, hat es sich
unsere Einsicht in unsere wahre Natur angeeignet.
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Zur Stabilisierung und Integration von Samadhi
bedarf es unzähliger Aufwacherfahrungen,
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unzähliger Demütigungen des Verstands, unzähliger
kleiner Tode. Es erfordert ein beständiges Sadhana;
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eine kontinuierliche Praxis und Wachsamkeit, um
den Geist tagein, tagaus zu beobachten;
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ständige Befreiung der inneren Energie, damit
der innere Lotus wachsen kann, und sich ein Prozess der Neuverknüpfung
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entfaltet. Der ‚Anfängergeist‘, der ‚Geist des Nichtwissens‘,
der ‚Spiegelgeist‘, ist die Quintessenz der Meditation
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und Selbsterforschung, und er ist der Weg zur
Selbsterkenntnis. Hier zu sein, in diesem Moment,
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ohne Zwischenschaltung vergangener Konditionierungen,
heißt wach zu sein. Wenn du nicht
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durch den Filter der Erinnerung erlebst,
dann ist jeder Moment neu. Die
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christliche Entsprechung dazu findet sich in dem
Bibelzitat, das besagt, dass, wenn jemand in
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Christus ist, er eine neue Schöpfung ist.
Das Alte ist vergangen. Siehe, alles ward
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neu.