Wie unterrichtet man Empathie? - Jonathan Juravich
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0:07 - 0:08Meine Eltern waren beide berufstätig
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0:08 - 0:11und ihre Zeitpläne glichen sich selten --
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0:11 - 0:15also verbrachten mein Bruder und ich
Nachmittage und lange Sommertage -
0:15 - 0:17im Haus meiner Großeltern.
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0:17 - 0:21Es war ein Ort, wo man zuverlässig
Dinge zurück an ihren Platz legt -
0:21 - 0:24und nichts auf dem Boden
herumliegen lässt. -
0:24 - 0:27Nicht, weil meine Großeltern streng waren.
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0:27 - 0:30Meine Großmutter, Josie, war blind.
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0:30 - 0:32Und wenn wir die Ordnung
durcheinander brachten -
0:32 - 0:35und Dinge nicht dorthin stellten,
wo sie hingehörten, -
0:35 - 0:38verursachte das Verwirrung, Enttäuschung
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0:38 - 0:40oder sogar körperliche Verletzung.
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0:40 - 0:45Ich erinnere mich, wie ich als Kind
versuchte, ohne Sehvermögen -
0:45 - 0:47durch die Räume zu navigieren.
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0:47 - 0:50Ich schloss meine Augen ganz fest
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0:50 - 0:54und versuchte mich zu erinnern, wie
das Wohnzimmer meiner Großeltern aussah -- -
0:54 - 0:58ich ging mit meinen kleinen Händen
vor mir ausgestreckt -- -
0:58 - 1:02bis ich gegen einen Stuhl lief,
und dann eine Lampe, -
1:02 - 1:03und dann die Wand.
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1:04 - 1:08In solchen Momente
bewunderte ich sie sehr. -
1:09 - 1:13Wenn mein Bruder und ich einen ganzen Tag
bei meinen Großeltern verbrachten, -
1:13 - 1:16brachten wir VHS-Bänder mit.
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1:16 - 1:19Das hatte man vor der DVD
oder den Streaming Diensten. -
1:19 - 1:23Und viele, wenn nicht alle dieser Bänder,
waren Disney Filme -- -
1:23 - 1:27wir waren amerikanische Kinder
der späten 80er frühen 90er. -
1:27 - 1:31Wir saßen auf dem hellroten Teppich
und starrten auf den großen Fernseher, -
1:31 - 1:34der in einem noch größerem
Unterhaltungszentrum stand. -
1:34 - 1:36Zwischen der Zubereitung von Mahlzeiten
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1:36 - 1:39kam meine Großmutter herein,
setzte sich in ihren Lehnstuhl -
1:39 - 1:43und sagte: "Erzählt mir
von euren Geschichten", -
1:43 - 1:46und meinte die Handlung,
die auf dem Bildschirm passiert. -
1:46 - 1:50Aladdin war unser Favorit,
an dem wir alle Freude hatten. -
1:50 - 1:52Ich beschrieb die Wüste im Hintergrund,
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1:52 - 1:55die Kleidung der Charaktere,
die Ausdrücke in deren Gesichtern. -
1:55 - 1:59Ich erinnere mich an ihr Lächeln, als ich
eine "vollkommen neue Welt" beschrieb, -
1:59 - 2:02und den Ritt auf dem magischen
Teppich durch die Wolken. -
2:02 - 2:04Ich wollte ihr das Gefühl
geben dazuzugehören, -
2:04 - 2:06und Teil dessen zu sein,
was wir guckten. -
2:08 - 2:12Jene Gedanken waren
eine Reaktion auf meine Empathie. -
2:13 - 2:16In meiner besonderen Kindheit
lernte ich Empathie -
2:16 - 2:18durch die Beziehung zu meiner Oma,
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2:18 - 2:20durch das Gucken von Disney Filmen.
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2:20 - 2:24Aber ich weiß, dass nicht jeder
eine solche Erfahrung gemacht hat. -
2:24 - 2:27Ich glaube, es ist wichtig
und entscheidend, -
2:27 - 2:30dass wir unseren Kindern
die Möglichkeit bieten -
2:30 - 2:34Beziehungen zu haben, welche
die empathische Verbindung fördern. -
2:34 - 2:36Ein kurzer Einschub:
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2:36 - 2:39Ich weiß, dass das Wort Empathie
mit eigenem Gepäck kommt. -
2:39 - 2:42Vielleicht wird in Ihrem Umfeld
mit dem Wort um sich geworfen, -
2:42 - 2:46sodass Sie es satthaben, es zu hören
oder es keine Bedeutung mehr hat. -
2:46 - 2:50Oder vielleicht sagte man,
Empathie sei ein "Soft Skill", -
2:50 - 2:53den man unseren Schülern
vermitteln muss. -
2:53 - 2:56Ich kann bestätigen, dass daran
nichts "Weiches" oder Matschiges ist. -
2:56 - 3:00Stattdessen ist es eine wesentliche
Fähigkeit, die trainiert werden muss, -
3:00 - 3:02während wir lernen, was es bedeutet,
menschlich zu sein. -
3:02 - 3:04Ich bin Grundschul-Kunstlehrer.
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3:04 - 3:07Ich unterrichte meine Schüler
über Künstler, Kultur -
3:07 - 3:09und den richtigen Einsatz
von Kunstmaterialien. -
3:09 - 3:11Aber ich sehe auch meine Rolle darin,
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3:11 - 3:17sie in Gespräche über Charakterbildung
und ganz besonders Empathie einzubeziehen. -
3:17 - 3:22Aber wie erklären wir meist Empathie
unseren jüngsten Kindern? -
3:22 - 3:23Denken Sie darüber nach.
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3:23 - 3:25Oftmals sagt man
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3:25 - 3:28"in die Schuhe eines anderen schlüpfen".
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3:28 - 3:30Sicher funktioniert das als Metapher,
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3:30 - 3:33aber versetzen Sie sich
in die Lage eines Kindergartenkindes. -
3:33 - 3:35Solch ein Kind könnte jetzt sagen:
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3:35 - 3:39"Wieso sollte ich in die Schuhe
von jemand anderen schlüpfen?" -
3:39 - 3:40Das ist seltsam für sie,
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3:40 - 3:45sie verstehen die Sprache nicht, die wir
für dieses sehr wichtige Thema verwenden. -
3:45 - 3:47Sogar eine vereinfachte Definition,
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3:47 - 3:51wie "das Verstehen und Mitteilen
der Gefühle anderer" -
3:51 - 3:54ist für einen 5-Jährigen
echt schwierig zu verinnerlichen. -
3:54 - 3:58Also ist stattdessen
eine zielgerichtete Unterhaltung -
3:58 - 4:02über praktische, beobachtbare
Verhaltensweisen nötig. -
4:02 - 4:05Wie zeige ich Empathie im Klassenzimmer,
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4:05 - 4:09im Park mit meinen Freunden,
meiner Großmutter, -
4:09 - 4:13jemanden, der anders als ich aussieht,
jemanden, der anders als ich handelt? -
4:14 - 4:17Vor einem Jahr saß ich
mit meinen Kollegen in der Schule -
4:17 - 4:19und wir unterhielten uns
über Charakterbildung. -
4:19 - 4:22Wir entwickelten
einen schulweiten Lehrplan -
4:22 - 4:26und drehten uns um Definitionen
und Erklärungen. -
4:26 - 4:30An einem Abend im Sommer
traf es uns alle aus dem Raum. -
4:30 - 4:32Unsere Augen wurden der Tatsache geöffnet,
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4:32 - 4:37dass die Wurzeln von Empathie
im Bewusstsein liegen. -
4:37 - 4:41Bewusstsein: "wahrnehmen,
was in und um einen herum stattfindet, -
4:41 - 4:44sodass man eine Entscheidung
treffen kann." -
4:44 - 4:48Man hat eine Antwort,
eine einfühlsame Antwort. -
4:48 - 4:53Aber zuerst sollten wir
ein Bewusstsein für uns selbst haben. -
4:54 - 4:57Ich bin der Lebensmitteleinkäufer
in unserer Familie. -
4:57 - 4:59Ich nehme die Liste
und genieße den Nervenkitzel, -
4:59 - 5:03unter dem Budget zu bleiben,
was mir meistens gelingt. -
5:03 - 5:07Einmal brauchten wir neue Servietten.
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5:07 - 5:10Und ich habe diese illustrierten
Schönheiten entdeckt. -
5:10 - 5:11Das sind Gesprächsservietten.
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5:11 - 5:14Wir bekamen einen echten Kick,
als wir um den Tisch herumliefen. -
5:14 - 5:17Jeden Abend gehen wir herum,
zum Abendbrot, und beantworten sie, -
5:17 - 5:20haben Spaß und lachen zusammen.
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5:20 - 5:24Ich dachte tiefer über diese sehr
zielgerichtete Unterrichtsmöglichkeit, -
5:24 - 5:27die ich mit meiner Familie hatte, nach.
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5:27 - 5:31Ich bemerkte, dass wir oftmals
über unsere Gefühle sprechen, -
5:31 - 5:33"Ich bin glücklich", "ich bin traurig".
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5:33 - 5:37Aber verbringen wir auch Zeit damit,
darüber zu sprechen, wieso wir so fühlen? -
5:37 - 5:39Deshalb habe ich mir angewöhnt,
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5:39 - 5:44meine 5-jährige Tochter über
ihren Schultag wie folgt zu befragen: -
5:44 - 5:48Ich sage: "Erzähl mir von einem Moment
deines Tages, an dem du stolz warst. -
5:48 - 5:51Erzähl mir von einem Moment deines Tages,
an dem du frustriert warst. -
5:51 - 5:55Erzähl mir von einem Moment deines Tages,
an dem du aufgeregt warst." -
5:55 - 5:59An jedem Abend frage ich nach
unterschiedlichen Emotionen und Gefühlen. -
5:59 - 6:01Mein Favorit: "Erzähl mir von dem Moment,
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6:01 - 6:04an dem du vor Lachen auf dem Boden lagst."
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6:04 - 6:09Ich achte darauf, ihr zu erzählen,
dass auch ich, als Erwachsener, -
6:09 - 6:12Momente hatte, in denen ich Angst hatte,
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6:12 - 6:14Momente, in denen ich stolz war
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6:14 - 6:18und definitiv Momente, wo ich
vor Lachen auf dem Boden lag. -
6:18 - 6:19(Lachen)
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6:19 - 6:24Aber sehen Sie, sie lernt schnell.
Sie lernt wirklich schnell. -
6:24 - 6:26Eines Tages sagte ich:
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6:26 - 6:29"Erzähl mir von einem Moment
deines Tages, wo du traurig warst." -
6:29 - 6:34Und sie sagte: "Ich war nicht traurig,
aber meine Freundin Ellie war traurig, -
6:34 - 6:37weil sie nicht mit den
Magna-Baukasten spielen konnte. -
6:37 - 6:42Sehen Sie wie das Achten auf
das Verhalten und die Gefühle anderer -
6:42 - 6:47ein Teil von ihr geworden ist,
als Person und als Freundin. -
6:47 - 6:51Das alles führt uns
zum Bewusstsein für andere. -
6:52 - 6:57Ich gab eine Lehreinheit zu Architektur,
als der Hurrikan Harvey auf Houston traf, -
6:57 - 6:59und zwar in meiner vierten Klasse.
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6:59 - 7:03Ich hatte einige Viertklässler,
die Fragen stellten, -
7:03 - 7:07wie diese Naturkatastrophe
die Gebäude in der Stadt betreffen. -
7:08 - 7:12Sie stellten diese Fragen,
die uns zu anderen Gesprächen führten -
7:12 - 7:16und bald besprachen wir, wie das Wetter
das Leben von den Leuten dort beeinflusst. -
7:16 - 7:21Bald unterhielt sich die gesamte Klasse,
ich lehnte mich zurück und hörte zu, -
7:21 - 7:27wie das Gespräch sich schließlich um den
Kunstraum der Schüler in Housten drehte, -
7:27 - 7:32und beobachtete, wie sie sich selbst
an diesen Ort versetzten, -
7:32 - 7:36um dann eine Unterhaltung zu führen,
was mit den Bastelmaterialien, -
7:36 - 7:41den Möbeln und all der Zeit, die für Kunst
investiert wurde, geschieht. -
7:41 - 7:45Beim Zuhören kam mir der Gedanke,
ihnen eine andere Möglichkeit zu geben, -
7:45 - 7:50einen Weg, ihre Gedanken und Gefühle
künstlerisch zu verarbeiten. -
7:50 - 7:53Also stellte ich ihnen zwei Künstler vor,
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7:53 - 7:59die Gegenstände, Räume und sogar Häuser
mit Punktmustern bedeckten. -
7:59 - 8:05Diese Künstler sprechen über
Einheit, Trauma und die Gemeinschaft. -
8:05 - 8:09Als Resultat erschufen wir
eine 1,50 m hohe Hausstruktur. -
8:10 - 8:13Jetzt gibt es hier mehr
als nur verspielte Punkte -- -
8:13 - 8:17jedes dieser Punkte steht für
ein Bastelmaterial, -
8:17 - 8:21welches ein Viertklässler der Schule
in Houston gespendet hat. -
8:23 - 8:28Es war keine Gesundheitsversorgung
oder Essen, sondern Bastelmaterial. -
8:28 - 8:31Es wurde für sie sehr real.
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8:31 - 8:38Die Vorstellung, dass unser Kunstraum
ein sicherer Ort ist, wo sie übereinander, -
8:38 - 8:42über die Gemeinschaft und die Welt
lernen können, während sie Spaß haben. -
8:42 - 8:45Und die Vorstellung, dass dort
Kinder in Houston sind, -
8:45 - 8:51die diese Gelegenheiten verpassen,
hallte in ihnen wider. -
8:51 - 8:53Es wurde real für sie.
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8:53 - 9:00Diese Gedanken und Gefühle von Empathie
führten zur praktischen Übung. -
9:01 - 9:05Ihr Bewusstsein führte
zur praktischen Übung. -
9:05 - 9:10Ich sitze nicht mehr auf dem Boden vor
meiner Großmutter und gucke Disney-Filme. -
9:10 - 9:12Diese Tage sind längst vergangen.
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9:12 - 9:16Aber nun sitze ich auf dem Boden
neben meiner 5-jährigen Tochter, -
9:16 - 9:18die auch Josie heißt.
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9:18 - 9:23Wir gucken wie Aladdin und Jasmin
auf dem magischen Teppich fliegen. -
9:23 - 9:26Da ist dieser Moment, wo der Teppich
einen tiefen Abflug macht -
9:26 - 9:32und Prinzessin Jasmin vor Angst
ihre Augen mit ihren Händen verdeckt. -
9:34 - 9:39Während sie das auf dem Bildschirm tut,
macht es auch meine 5-jährige Tochter. -
9:39 - 9:43Sie empfindet Empathie
für diese animierte Prinzessin -
9:43 - 9:46und empfindet die Angst zusammen mit ihr.
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9:47 - 9:52Aber dann sagt Aladdin zu Jasmin:
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9:52 - 9:58"Augen auf, es kommt mehr"
und er nimmt ihre Hände vom Gesicht, -
9:58 - 10:02um ihre Augen, für die Erlebnisse
um sie herum, zu öffnen. -
10:02 - 10:07Und während er das macht, mache ich es
genauso mit meiner 5-jährigen Tochter. -
10:07 - 10:09Ich ziehe ihre Finger aus ihrem Gesicht.
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10:09 - 10:14Mögen wir die Augen unserer Kinder
für die Welt um sie herum öffnen, -
10:14 - 10:21um sie an Gelegenheiten, Gedanken,
Aktionen und Beziehungen zu beteiligen, -
10:21 - 10:24die sie nicht nur "in die Schuhe
anderer schlüpfen" lassen, -
10:24 - 10:28sondern ein Leben zu leben, in dem andere
mehr berücksichtigt werden. -
10:28 - 10:29Vielen Dank.
-
10:29 - 10:33(Applaus)
- Title:
- Wie unterrichtet man Empathie? - Jonathan Juravich
- Description:
-
Wenn Sie einem Kindergartenkind sagen, es soll "in die Schuhe anderer schlüpfen", kann das verwirrend sein. Wieso sollten sie die Schuhe anderer anziehen? Was ist, wenn sie eine andere Schuhgröße haben? Der in Ohio als "Lehrer des Jahres 2018" ausgezeichnete Kunstlehrer Jonathan Juravic möchte Möglichkeiten finden Empathie, über Schlagwörter hinweg, zu unterrichten und zu einem Bewusstsein erziehen, welches zur Tat schreitet. Durch Erfahrungen aus seinem Klassenzimmer und von Zuhause, beschreibt Jonathan einige Übungen, die seinen Schülern helfen ihre Emotionen zu identifizieren und in die Gefühle anderer zu investieren.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TED-Ed
- Duration:
- 10:36
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