Nach der Magersucht: Das Leben ist zu kurz, um Cornflakes zu wiegen | Catherine Pawley | TEDxLeamington Spa
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0:17 - 0:18Ich bin Catherine.
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0:19 - 0:22Ich bin Examenskandidatin in Chemie
auf der Universität in Warwick. -
0:22 - 0:26Ich bin Tochter, Schwester,
Freundin und feste Freundin -
0:26 - 0:28und genesende Magersüchtige.
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0:29 - 0:30Ich möchte Ihnen einen Einblick
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0:30 - 0:33in Ess-Störungen und
den Erholungsprozess geben -
0:33 - 0:35anhand meiner Erfahrungen.
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0:35 - 0:39Mein Weg der Schmerzen,Tränen,
Akzeptanz und Selbstfindung. -
0:40 - 0:43Ess-Störungen diskriminieren nicht:
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0:43 - 0:47Geschlecht, Alter, Sexualität und Rasse
haben keine Bedeutung. -
0:48 - 0:51Diese Krankheiten haben nicht nur
gestresste Teenager-Mädchen, -
0:51 - 0:53die wie Models aussehen wollen.
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0:53 - 0:58Das sind Ernst zu nehmende Krankheiten
mit verheerenden Folgen. -
0:59 - 1:01Magersucht hat
die höchste Sterblichkeitsrate -
1:01 - 1:04aller psychischer Krankheiten.
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1:04 - 1:08Ich nehme an, die Frage hier ist: Warum?
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1:08 - 1:11Warum entscheiden wir
uns zu Tode zu Hungern, -
1:11 - 1:15uns selbst zu zerstören,
bis zur Besinnungslosigkeit zu trainieren? -
1:15 - 1:16Warum entscheiden wir,
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1:16 - 1:18uns selbst und die Menschen
um uns zu verletzen? -
1:19 - 1:23Die Antwort ist einfach:
Es ist keine Entscheidung. -
1:24 - 1:28Ess-Störungen sind
keine getroffenen Entscheidungen. -
1:28 - 1:33Sie sind ein Weg Dinge zu verarbeiten,
eine Schutzdecke, geben Identität. -
1:33 - 1:37Sie machen das Leben einfacher, indem sie
dir ein Regelbuch für das Leben geben. -
1:37 - 1:43Die Regeln sagen dir, wie du leben darfst,
was du tun, sagen und essen darfst. -
1:43 - 1:45Die Regeln nehmen dir die Auswahl
und Entscheidungen ab, -
1:45 - 1:48und sie nehmen das Risiko weg.
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1:48 - 1:50Sie geben dir Kontrolle.
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1:51 - 1:54Klar, wollen wir uns alle
in Kontrolle fühlen. -
1:54 - 1:57Aber oft verfolgen uns Dämonen.
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1:57 - 2:01Alkoholismus, Drogenmissbrauch,
Selbstverletzung und Ess-Störungen. -
2:02 - 2:05Alles Süchte, bei denen
man nach Kontrolle strebt -
2:05 - 2:10in einer Welt voller sozialer Konstrukte,
die jemand Anders festgesetzt hat. -
2:10 - 2:14Auf der Suche nach einem Ausweg
aus der Qual, die man jeden Tag verspürt. -
2:14 - 2:18Auf der Suche nach Frieden
von dieser Stimme im Kopf, -
2:18 - 2:21die einem immerzu sagt:
Du bist nicht gut genug. -
2:21 - 2:23Betäubung suchend,
damit man sich nicht -
2:23 - 2:27mit den negativen Gedanken
und Gefühlen auseinandersetzen muss. -
2:27 - 2:31Bei Ess-Störungen geht es nicht nur
ums Essen und ums Gewicht. -
2:31 - 2:35Sie sind eine Sucht,
sie sind Selbstzerstörung. -
2:36 - 2:38Jede Ess-Störung ist anders,
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2:38 - 2:40wie sie anfängt, wie sie sich ausprägt,
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2:40 - 2:44welche Regeln sie bestimmt,
welchem Zweck sie dient. -
2:44 - 2:50Aber das ist die Gemeinsamkeit:
Sie dienen alle einem Zweck. -
2:51 - 2:55Vor fünf Jahren, an meinem 18. Geburtstag,
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2:55 - 2:57fühlte ich mich so unsicher,
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2:57 - 3:00wie sich alle jungen Frauen
wegen ihres Aussehens fühlen. -
3:01 - 3:05Im Gegensatz zu meinen Freunden, freute
ich mich nicht darauf, 18 zu werden. -
3:05 - 3:09Ich wollte nicht ausgehen,
saufen und feiern gehen. -
3:09 - 3:12Ich fühlte mich nicht bereit dazu,
erwachsen zu werden. -
3:12 - 3:15Ich steckte fest auf diesem
unaufhaltsamen Förderband -
3:15 - 3:18von der Sekundarstufe zum Abitur,
auf die Universität, und ins Arbeitleben. -
3:18 - 3:22Es fühlte sich an, als wäre mein Leben
nicht mehr in meinen Händen. -
3:22 - 3:24Ich wusste nicht, was ich wollte.
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3:24 - 3:27Ich wendete mich einer Sache zu,
von der ich wusste, -
3:27 - 3:30dass sie mich glücklich
machen würde: Essen. -
3:30 - 3:33Ich wollte mehr essen.
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3:33 - 3:36Also entschied ich, Gewicht zu verlieren,
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3:36 - 3:40damit ich mehr essen könnte, ohne mich
deswegen schuldig fühlen zu müssen. -
3:40 - 3:43Da entstanden meine Regeln:
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3:43 - 3:46Nicht zwischen den Mahlzeiten essen,
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3:46 - 3:48nichts essen solange
ich nicht am Verhungern bin, -
3:48 - 3:51nicht mehr essen als
irgendjemand Anders am Tisch. -
3:51 - 3:54Diese Regeln wurden
von meinen Mitmenschen nicht bemerkt. -
3:54 - 3:56Ich gab mein Bestes,
dass dem auch so blieb, -
3:56 - 3:59denn ich hatte die Kontrolle.
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3:59 - 4:01Der Plan ging auf.
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4:01 - 4:05Ich aß nicht zwischen den Mahlzeiten,
ich aß nicht mehr als jemand Anderes, -
4:05 - 4:08und ich aß nicht, sofern
ich nicht am Verhungern war. -
4:09 - 4:11Ich verlor also Gewicht.
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4:12 - 4:15Aber ich aß nicht mehr,
wie ich es mir versprochen hatte. -
4:16 - 4:18Die Zeit verging, das Leben ging weiter.
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4:18 - 4:21Im Januar kamen die Prüfungen,
zusammen mit all dem Stress. -
4:21 - 4:23Ich fühlte mich wieder außer Kontrolle.
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4:24 - 4:26Also stellte ich mehr Regeln auf:
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4:26 - 4:31Esse nie den Teller ganz auf,
esse nie fettreiche Lebensmittel. -
4:31 - 4:35Wähle immer für die Option
mit den wenigsten Kalorien. -
4:36 - 4:38Ich war wieder in Kontrolle.
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4:38 - 4:41Ich fühlte mich wieder sicher.
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4:41 - 4:42Aber ich ahnte nicht,
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4:42 - 4:46dass die Regeln, die mir Sicherheit gaben,
mich langsam umbrachten. -
4:47 - 4:50Im April 2012, hatte ich
knapp sechs Kilo verloren. -
4:50 - 4:53Meine Rippen zeigten sich,
meine Hüftknochen stachen hervor. -
4:53 - 4:56Ich war ein Kleiderbügel
für meine Klamotten. -
4:56 - 4:58Ich meinte nicht,
ich sähe irgendwie anders aus, -
4:58 - 5:01aber meine Familie
und mein Umfeld bemerkten es. -
5:02 - 5:04Meine Mutter schleppte mich zu Ärzten.
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5:04 - 5:06Ich war so wütend.
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5:06 - 5:09Ich glaubte nicht, dass irgendetwas
mit mir nicht stimmte. -
5:09 - 5:12Ich meinte es wäre ganz normal
nie Nachspeise zu essen, -
5:12 - 5:14Cornflakes mit ins Kino zu nehmen
- als Ersatz für Popcorn, -
5:14 - 5:17und mich jeden Tag
mindestens fünf Mal zu wiegen. -
5:18 - 5:23Der Doktor überwies mich zur Untersuchung
an einen Spezialisten in Leicester. -
5:23 - 5:26Bei dieser Untersuchung wurde ich
mit Magersucht diagnostiziert. -
5:28 - 5:30Ich erfüllte alle Kriterien.
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5:31 - 5:36Erstens: Ausgeprägte Angst an Gewicht
zu zunehmen oder fett zu werden, -
5:36 - 5:37trotz starken Untergewichts.
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5:38 - 5:42Zweitens: die Weigerung
ein Gewicht beizubehalten, -
5:42 - 5:46bei oder über minimalem Normalgewicht
für Alter und Größe. -
5:46 - 5:51Drittens: gestörte Selbstwahrnehmung
von Körpergewicht oder Aussehen -
5:51 - 5:55und eine unangebrachte Einflussnahme
aufgrund dieser Selbstwahrnehmung. -
5:56 - 6:00Nach meiner Diagnose wurde es viel
schwieriger, meinen Regeln zu folgen. -
6:00 - 6:02Meine Familie wusste nun Bescheid,
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6:02 - 6:05und versorgte mich mit Essen,
bei jeder Gelegenheit. -
6:05 - 6:07Also musste ich Tricks anweden.
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6:07 - 6:10Ich erfand neue Regeln für mein Regelbuch:
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6:11 - 6:16Iss niemals, wenn du alleine bist,
trinke niemals Kalorien, -
6:16 - 6:19vermeide Essen um jeden Preis.
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6:20 - 6:25Ich musste jede Woche zum Wiegen
und zur Therapie ins Krankenhaus -
6:25 - 6:26Ich verspürte große Freude
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6:26 - 6:30die Zahlen der Waage fallen zu sehen;
jedes Mal, wenn ich darauf stieg. -
6:31 - 6:34Ich wurde tiefer in diese
magersüchtige Denkweise hineingezogen. -
6:34 - 6:38Das Leben zuhause wurde schlimmer,
als ich immer verlogener wurde. -
6:39 - 6:41Die Mahlzeiten waren schrecklich;
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6:41 - 6:46ein innerer Kampf zwischen Nicht- Essen
und dem Auslösen eines weiteren Streits. -
6:47 - 6:50Ich wusste, sobald ich
Messer und Gabel niederlegte, -
6:50 - 6:52die Hälfte meines Essens unberührt,
würde es losgehen. -
6:53 - 6:55Meine Schwester würde hoch rennen,
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6:55 - 6:58unfähig damit klarzukommen,
was ich mir selbst antat. -
6:58 - 7:02Meine Mutter würde weinen,
mein Vater würde schreien und mich fragen, -
7:02 - 7:03ob ich sterben wolle?
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7:04 - 7:06Ich habe einfach alles
über mich ergehen lassen. -
7:07 - 7:11Es brachte mich um, was ich meiner Familie
antat, aber ich konnte nicht aufhören. -
7:12 - 7:16Ich glaubte nicht, dass ich es
verdiente, damit aufzuhören. -
7:17 - 7:19Zu dieser Zeit war es Juni.
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7:19 - 7:22Zeit für meine Abschlussprüfungen.
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7:22 - 7:24Irgendwie habe ich es geschafft,
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7:24 - 7:28entschlossen, dass meine 14 Schuljahre
nicht umsonst sein sollen. -
7:28 - 7:31Ab dem Tag meines Abschlusses,
verschlechterte sich mein Zustand rasant. -
7:31 - 7:35Jeden Tag aß ich weniger,
wurde immer betrügerischer. -
7:36 - 7:39Meine Regeln erweiterten sich Tag für Tag,
wurden immer einschränkender: -
7:40 - 7:44Iss nie mehr als 500 Kalorien am Tag.
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7:44 - 7:46Iss nie etwas, das du nicht gewogen hast.
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7:46 - 7:49Genieße es niemals, zu essen.
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7:50 - 7:53Jenen Sommer hatten wir
einen Familienurlaub im Ausland geplant, -
7:53 - 7:55aber man untersagte mir das Fliegen.
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7:55 - 7:57Zuhause konnte ich nicht schlafen.
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7:58 - 7:59Meine Herzfrequenz war so niedrig;
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7:59 - 8:02mein Körper fürchtete,
nicht mehr aufzuwachen. -
8:02 - 8:05Meine 15-jährige Schwester
musste mich Huckepack nehmen, -
8:05 - 8:07da ich einen Hügel
nicht hochlaufen konnte. -
8:07 - 8:09Ich konnte nicht mehr klar denken.
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8:10 - 8:13Ich wusste, dass ich so nicht leben könne,
aber ich konnte nicht essen. -
8:13 - 8:15Ich konnte nicht zunehmen.
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8:15 - 8:18Denn das würde heißen,
die Kontrolle zu verlieren. -
8:18 - 8:20Das war die wichtigste Regel von allen.
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8:20 - 8:26Die, die alle anderen überwog:
Verliere nie die Kontrolle. -
8:28 - 8:30Nach einem meiner wöchentlichen Termine
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8:30 - 8:32ließ ich mich freiwillig
als stationäre Patientin -
8:32 - 8:35in die Leicester Abteilung
für Esstörungen überweisen. -
8:35 - 8:37Ich war so verwirrt.
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8:37 - 8:39Was hatte ich nur getan?
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8:39 - 8:42Ich wollte dort nicht sein,
aber ich wusste, dass ich Hilfe brauchte. -
8:44 - 8:47Nachts lag ich wach im Bett,
schaute mir Videos des Food Networks an, -
8:47 - 8:51bestaunte all dieses schöne Essen,
dass ich mir selbst verweigerte. -
8:52 - 8:53Essen.
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8:53 - 8:57Eines meiner Leiblingssachen.
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8:57 - 9:00Natürlich konnte ich das nicht
zugeben; keinem gegenüber. -
9:00 - 9:03Denn Magersüchtige hassen
doch Essen, nicht? -
9:04 - 9:05Nein.
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9:06 - 9:11Ganz tief im Inneren lieben
die Magersüchtigen eigentlich Essen. -
9:12 - 9:16Sie verbieten sich etwas,
das sie lieben, als Strafe. -
9:17 - 9:20Während meines fünfmonatigen
Aufenthalts auf der Magersucht-Station -
9:20 - 9:24erlebte ich Dinge, die nicht
viele 18-Jährige erleben: -
9:24 - 9:26Ich hörte Schreie,
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9:26 - 9:30als einem Mädchen zum vierten Mal am Tag
eine Ernährungssonde eingeführt wurde. -
9:31 - 9:34Es war unmöglich, mein Zimmer
bei Sperrung der Station zu verlassen, -
9:34 - 9:36wenn jemand aus meinem Bereich
zu fliehen versuchte. -
9:37 - 9:40Natürlich war es nicht nur so.
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9:40 - 9:43Ich habe einige
wundervolle Freunde gefunden. -
9:43 - 9:45Zum ersten Mal, bist du unter Leuten,
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9:45 - 9:49die genau verstehen,
was du gerade durchmachst. -
9:49 - 9:51Wir erlebten so viel Schönes:
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9:51 - 9:55Filmabende mit Gesichtsmasken,
wir lachten und scherzten. -
9:55 - 10:00Ich habe mich normal gefühlt,
trotz der absurden Situation um mich. -
10:01 - 10:03Ich machte Fortschritte
mit diesem Programm. -
10:03 - 10:05Jeden Tag bekämpfte ich die Regeln,
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10:05 - 10:07die ich aufgestellt hatte,
um mich zu schützen. -
10:07 - 10:10Aber für jede, die ich besiegte,
tauchte eine Neue auf. -
10:10 - 10:14Magersucht ist eine Krankheit
mit großem Wettbewerbs-Charackter. -
10:14 - 10:17Wenn man von anderen Magersüchtigen
umgeben ist, gibt dir das Ideen. -
10:17 - 10:20Du übernimmst dann
deren Gewohnheiten und Regeln. -
10:21 - 10:24Aber ich hab es geschafft,
ich habe mein Gewicht wieder hergestellt. -
10:24 - 10:29Ich brach meine Regeln,
ich zerriss mein Regelbuch. -
10:30 - 10:33Magersucht war ein Kapitel meines Lebens,
aber es war nicht das ganze Buch. -
10:34 - 10:37Ich wurde entlassen, ging nach meinem
Gap-Year auf die Universität. -
10:37 - 10:41Alles war gut; circa einen Monat lang.
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10:42 - 10:46Diese Geschichte ist nicht linear.
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10:46 - 10:51Der Weg von Magersucht
zur Genesung ist selten linear. -
10:52 - 10:54Ich hatte einen Rückfall.
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10:54 - 10:56Mein Gewicht schwand wieder.
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10:56 - 10:58Diesmal nicht so schnell
wie beim ersten Mal, -
10:58 - 11:01da ich ein oder zweimal am Tag etwas aß.
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11:01 - 11:05Es stellte sich heraus, mein Regelbuch
war noch immer aktiv. -
11:06 - 11:09Zu und aus den Vorlesungen
zu gehen wurde schwieriger. -
11:09 - 11:11Fünfstündige Laborübungen
wurden unertragbar. -
11:11 - 11:14Ich ging hin, hantierte
mit gefährlichen Chemikalien, -
11:14 - 11:16dabei hatte ich seit
24 Stunden nichts gegessen. -
11:16 - 11:20Wie ich dabei mich oder jemand Anderen
nicht verletzte, ist mir schleierhaft. -
11:21 - 11:24Ich kämpfte mich durch mein
erstes Jahr an der Universität, -
11:24 - 11:28trug mein falsches Lächeln und gab vor,
dass alles in Ordnung wäre. -
11:29 - 11:33Ich schaffte es durch die Prüfungen,
aber dann musste ich nach Hause ziehen. -
11:34 - 11:36Das bremste meine Gewichtsabnahme,
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11:36 - 11:39da ich genötigt wurde drei Mahlzeiten
und einen Snack pro Tag zu essen, -
11:39 - 11:42unter dem wachsamen Auge meiner Familie.
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11:43 - 11:44Zu Hause zu sein und mehr zu essen,
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11:44 - 11:47bedeutete, ich musste wieder
viel trickreicher sein. -
11:47 - 11:50Ich streute Keks-Brösel
auf die Ärmel meiner Kleidung, -
11:50 - 11:52gab vor Mittagessen gehabt zu haben,
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11:52 - 11:55lügte darüber, was ich gegessen
oder nicht gegessen hatte. -
11:56 - 11:58Ich wurde zu einer Lügenmaschine.
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11:59 - 12:01Ich hasste es meine Familie zu belügen.
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12:02 - 12:04Trotzdem wussten sie es.
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12:04 - 12:06Sie wussten genau, was ich tat.
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12:08 - 12:10Sogar als sich mein Zustand
weiter verschlechtete, -
12:10 - 12:13bestand ich darauf,
zurück zur Universität zu gehen. -
12:13 - 12:15Ich wollte keine weitere Unterbrechung.
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12:15 - 12:17Ich gab nicht auf.
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12:18 - 12:22Ich traf meinen Psychiater
eine Woche vor Semesterbeginn. -
12:22 - 12:24Er sagte mir, dass ich nicht
zurück gehen könnte. -
12:25 - 12:27Ich weinte und schrie.
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12:27 - 12:32Ich wollte nicht zurück ins Krankenhaus,
aber das war meine einzige Option. -
12:32 - 12:36Ich gab es auf, in diesem Jahr,
zurück auf die Uni gehen zu wollen -
12:36 - 12:38und nahm einen Platz dort an.
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12:38 - 12:40Es brauchte all meine Stärke,
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12:40 - 12:43denn ich hatte gerade den größtmöglichen
Schritt nach vorne gemacht. -
12:45 - 12:49Dieser Aufenthalt war
viel schwerer als der Erste. -
12:50 - 12:54Ich hatte nun dieses Verlangen
die "perfekte Magersüchtige" zu sein. -
12:56 - 12:59Dieser Gedanke hielt mich
wie kein Anderer gefangen. -
12:59 - 13:02Er beeinflusste all meine Gefühle:
Selbstzweifel, Unzulänglichkeit -
13:02 - 13:04Falschheit und Wertlosigkeit.
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13:05 - 13:09Mein Gewicht sank auf die Hälfte
meines heutigen Gewichtes, -
13:09 - 13:11trotzdem wollte ich nicht essen.
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13:12 - 13:15"Perfekte" Magersüchtige essen nicht.
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13:16 - 13:18Ich saß Mahlzeit für Mahlzeit nur da,
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13:18 - 13:21die Krankenschwestern verlangten,
dass ich esse, aber ich konnte nicht. -
13:21 - 13:23Mein Blutzucker stürzte ab.
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13:23 - 13:25Ich war so dehydriert,
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13:25 - 13:28dass der Arzt für Tests kein Blut
aus meinen Venen bekam. -
13:28 - 13:31Es war nur wegen der Drohung
in die Psychiatrie eingewiesen zu werden, -
13:31 - 13:33dass ich wieder zu essen begann.
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13:34 - 13:38Ich trat den Weg der Genesung
zum zweiten Mal an. -
13:39 - 13:44Ja, ich hatte wieder zu essen angefangen,
aber hielt an der Magersucht noch fest, -
13:44 - 13:46ich hielt an den von mir
gesetzten Regeln fest, -
13:46 - 13:48um mich selbst zu schützen.
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13:48 - 13:49Ich glaubte, ich wäre wertlos,
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13:49 - 13:52dass mein Leben es nicht wert wäre,
gelebt zu werden. -
13:52 - 13:56Warum sollten 19 Kilo mehr
mein Leben irgendwie besser machen, -
13:56 - 13:58mein Leben lebenswert machen?
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13:59 - 14:01Also, blieb ich krank.
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14:01 - 14:03Sicher.
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14:03 - 14:06Abseits der Realität, abseits von Unheil.
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14:06 - 14:09Ich war benommen und ich mochte das.
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14:09 - 14:11Es bedeutete, dass ich mich nicht
-
14:11 - 14:13mit dem Gefühl, eine Versagerin
zu sein, beschäftigen musste. -
14:13 - 14:17Genesung brachte einfach
zu viele Risiken mit sich. -
14:17 - 14:20Genesung würde bedeuten
Magersucht letztlich loszulassen, -
14:20 - 14:25meine Regeln loszulassen,
meine Identität loszulassen. -
14:25 - 14:28Wenn ich genäse, wer würde ich dann sein?
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14:29 - 14:32Wohin könnte ich mich wenden?
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14:33 - 14:36Genesung bedeutet nicht nur
sie stark genug zu wollen. -
14:36 - 14:39Man kann es mehr als alles Andere
auf der Welt wollen -
14:39 - 14:41man kann so viele Gründe
für die Genesung haben, -
14:41 - 14:43aber kann es trotzdem nicht tun.
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14:43 - 14:47Es ist das furchterregendste
Konzept überhaupt. -
14:47 - 14:52Es bedeutet die Kontrolle abzugeben
und die Komfortzone zu verlassen. -
14:53 - 14:56Klar, sind wir alle schuldig,
Regeln zu haben, -
14:56 - 14:59und in unserer Komfortzone
bleiben zu wollen. -
14:59 - 15:02Vergeht nur genug Zeit, findet man
Trost in seinem Leiden. -
15:03 - 15:05Wir verharren weiter
in dem Beruf, den wir hassen. -
15:05 - 15:08Wir schleppen uns durch
eine nicht funktionierende Beziehung. -
15:08 - 15:12Ich hungerte tagelang,
verstand die Konsequenzen, -
15:12 - 15:15aber hatte solche Angst vor Veränderung.
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15:16 - 15:19Ich kann nicht den genauen Moment
benennen, in dem es passierte ... -
15:20 - 15:24Aber nach unzähligen Therapie Sitzungen,
nach langem Selbstfindungsprozess -
15:24 - 15:27und nachdem ich mein Gewicht
ein wenig wiederhergestellt hatte, -
15:27 - 15:30begann ich, mich mit meiner Behandlung
richtig zu beschäftigen. -
15:31 - 15:34Ich begann zu glauben, dass es
eine winzige Chance gab, -
15:34 - 15:38dass mein Leben nach der Erholung
besser sein könnte. -
15:38 - 15:41Ja, es würden beängstige
Entscheidungen auf mich zukommen, -
15:41 - 15:45aber mir würde sich auch eine Welt
voller Möglichkeiten eröffnen. -
15:45 - 15:50Erst dann glaubte ich,
dass es das Risiko wert war. -
15:51 - 15:53Ich glaubte, dass ich eine Chance hätte.
-
15:53 - 15:58Eine Chance an der Universität,
eine Chance auf Liebe -
15:59 - 16:03Aber am allerwichtigsten:
Eine Chance zu leben. -
16:05 - 16:10Für mich beinhaltete der Weg der Erholung,
das Zerreißen meines Regelbuches. -
16:10 - 16:13Das Regelbuch, das jeden
meiner Schritte bestimmte. -
16:14 - 16:19Die Regeln, die mir ein Gefühl von
Sicherheit und Kontrolle vermittelten, -
16:19 - 16:22die bewirkten, dass mein Gewicht
schwand, mein Haar ausfiel, -
16:22 - 16:24und meine Knochen sich abbauten.
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16:25 - 16:28Regeln, die mich langsam umbrachten ...
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16:28 - 16:32Ich musste diese Regeln brechen.
Eine nach der Anderen. -
16:34 - 16:37Es ist unmöglich, sich
von der Magersucht zu erholen -
16:37 - 16:39und dabei seine Regeln zu behalten.
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16:39 - 16:41Man muss seine Komfortzone verlassen.
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16:41 - 16:44Man muss sein Regelbuch zerreißen.
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16:46 - 16:49Magersucht bescherte mir diese Erkenntnis:
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16:49 - 16:54Es kann nicht immer alles behaglich sein.
Ich kann nicht immer die Kontrolle haben. -
16:54 - 16:56Es gibt kein Regelbuch für das Leben.
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16:59 - 17:02Die Genesung hat mir
so viele Dinge ermöglicht. -
17:02 - 17:06Sie ermöglichte mir zur Uni
zu gehen, Liebe zu finden. -
17:06 - 17:08Sie gab mir mein Leben zurück.
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17:09 - 17:13Ich möchte jeden, der leidet, erreichen
und ihm sagen: Bitte nimm die Hilfe an. -
17:13 - 17:15Ohne die Services von Leicester,
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17:15 - 17:17ohne die Unterstützung
meiner Freunde und Familie, -
17:17 - 17:19wäre ich heute nicht hier.
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17:20 - 17:22Ich möchte, dass Sie mir
glauben, wenn ich sage, -
17:22 - 17:27dass Sie es Wert sind, zu genesen,
dass Sie des Lebens Wert sind, -
17:27 - 17:30und dass Sie gut genug sind.
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17:31 - 17:36Die großartigste Sache,
die mir die Genesung brachte, bin ich. -
17:36 - 17:39Ich habe mein altes Ich wiedergefunden.
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17:40 - 17:42Und wie sich herausstellte,
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17:42 - 17:45ist das Leben viel zu kurz,
um Cornflakes zu wiegen. -
17:46 - 17:47Vielen Dank.
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17:47 - 17:50(Applaus)
- Title:
- Nach der Magersucht: Das Leben ist zu kurz, um Cornflakes zu wiegen | Catherine Pawley | TEDxLeamington Spa
- Description:
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Dieser Vortrag wurde bei einem TEDx-Event gehalten, der dem Format für TED-Konferenzen entspricht, aber eigenständig von einem lokalen Veranstalter organisiert wurde. Erfahren Sie mehr unter http://ted.com/tedx.
Catherine wurde Anfang 2012 mit Magersucht diagnostiziert und kämpfte gegen diese Krankheit während ihres Abschlusses und ihres ersten Jahres an der Universität. Sie unterbrach ihr Studium für zwei Jahre, um sich in einem Therapiezentrum für Essstörungen behandeln zu lassen. Catherine gibt uns einen zutiefst ehrlichen Einblick in ihren Weg der Genesung, der hoffentlich andere inspirieren wird.
Catherine studiert Chemie an der Universität von Warwick. Sie ist eine begeisterte Fotografin und eine Perfektionistin. Während sie in Leicestershire aufwuchs, wurde sie 2012 mit Magersucht diagnostiziert. Sie kämpfte sich mit dieser Krankheit durch ihre Abiturprüfungen und durch das erste Jahr an der Uni. Letztendlich musste sie zwei Jahre pausieren, um in einem Therapiezentrum für Essstörungen professionelle Hilfe zu bekommen.
Catherine hat gerade ihr zweites Jahr an der Universität abgeschlossen und keinen Rückfall erlitten. Sie genießt das Leben als Studierende und alles was es mit sich bringt, um nächstes Jahr, nach ihrem Abschluss, ins Arbeitsleben einzutreten.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDxTalks
- Duration:
- 18:08