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36C3 - Katastrophe und Kommunikation am Beispiel Nord-Ost-Syrien

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    36C3 Vorspannmusik
  • 0:22 - 0:23
    Herald: Früher gab es die
    Berichterstattung über Krisen und Kriege
  • 0:23 - 0:26
    eigentlich nur durch Journalisten, bevor
    es das Smartphone gab. Seitdem aber jeder
  • 0:26 - 0:30
    ein Smartphone haben kann, kann er Videos
    oder Bilder mit jedem teilen. Was das
  • 0:30 - 0:34
    eigentlich heißt für die Wahrnehmung, für
    die anderen in der Welt und was es auch
  • 0:34 - 0:39
    heißt, für welche Konflikte eventuell
    auftreten für Hilfsorganisationen, die vor
  • 0:39 - 0:43
    Ort sind, werden euch heute Ruben
    Neugebauer und Sebastian Jünemann vom
  • 0:43 - 0:52
    Cadus e.V. erzählen. Also gebt ihnen einen
    großartigen Applaus und viel Spaß bei dem Talk.
  • 0:52 - 0:53
    Applaus
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    Sebastian Jünemann: Ja, einen
    wunderschönen guten Morgen! Schön, dass so
  • 0:59 - 1:04
    viele Leute schon sind. Ist ja nicht so
    einfach, einen der ganz frühen Talks zu
  • 1:04 - 1:09
    halten. Ich würde ganz am Anfang sagen:
    wir sind zu dritt. Wir haben noch eine
  • 1:09 - 1:12
    Live-Schalte. Wir wollten nicht nur mit
    zwei Typen auf der Bühne stehen, wir haben
  • 1:12 - 1:16
    noch zugeschaltet Fee Baumann von Heyva
    Sor a Kurd dem Kurdischen Roten Halbmond.
  • 1:16 - 1:21
    Die ist gerade in Nord-Ost-Syrien, da, wo
    unsere Projekte auch stattfinden, und wir
  • 1:21 - 1:28
    hoffen, es klappt gleich, dass sie so ein
    paar Anteile ganz live euch erzählen kann.
  • 1:28 - 1:33
    Vielleicht ganz kurz als Anfang: Cadus an
    sich, als humanitäre Organisation ist
  • 1:33 - 1:37
    natürlich - muss und es ist auch gut so -
    religiös und politisch komplett unabhängig
  • 1:37 - 1:43
    sein. Wir als Einzelpersonen sind es nicht.
    Wir begreifen uns durchaus als links. Das
  • 1:43 - 1:46
    heißt, wenn wir jetzt im Verlauf des Talks
    über diesen völkerrechtswidrigen
  • 1:46 - 1:51
    türkischen Angriffskrieg reden, dann ist
    das durchaus... Also wir haben nicht den
  • 1:51 - 1:55
    Anspruch, das wissenschaftlich neutral zu
    bewerten, sondern bewerten das schon auch
  • 1:55 - 1:59
    durchaus politisch.
    Applaus
  • 1:59 - 2:09
    SJ: Ganz kurz zu kurz zu uns und zu Heyva
    Sor a Kurd der Kurdische Rote Halbmond,
  • 2:09 - 2:13
    das ist eine Hilfsorganisation,
    vergleichbar hier mit den großen
  • 2:13 - 2:17
    Hilfsorganisationen ASB und ähnlichem. Die
    machen in Nord-Ost-Syrien unfassbar gute
  • 2:17 - 2:21
    Arbeit. Also die machen nicht nur
    mittlerweile Rettungsdienst und Trauma
  • 2:21 - 2:26
    Stabilisation, sondern in sehr vielen
    Geschichten auch Rehabilitationssachen in
  • 2:26 - 2:29
    der psychischen Versorgung. Es ist eine
    ziemlich große Organisation geworden in
  • 2:29 - 2:33
    den letzten fünf Jahren. Wir haben seit
    fünf Jahren immer wieder Partnerschaften
  • 2:33 - 2:38
    mit ihnen gehabt, jetzt auch gerade
    durchgehend. Zu uns: Cadus ist eine
  • 2:38 - 2:42
    kleine Hilfsorganisation aus Berlin. Gibt
    es auch seit fünf Jahren jetzt gerade. In
  • 2:42 - 2:45
    Berlin betreiben wir so ein Crisis
    Response Makerspace. So ein paar Gesichter
  • 2:45 - 2:50
    haben wir da auch schon mal gesehen. Da
    versuchen wir, an diversen Problemen zu
  • 2:50 - 2:57
    arbeiten, die es im humanitären Markt so
    gibt. Also mehr so ein klassisches Maker-
  • 2:57 - 3:02
    Ding. Wir sind aber auch richtig im Feld,
    seit fünf Jahren auch schon, hauptsächlich
  • 3:02 - 3:06
    in Nord-Ost-Syrien, waren im Irak im
    Einsatz, hatten einen kurzen Ausflug in
  • 3:06 - 3:11
    die Seenotrettung und wie gesagt, diese
    Region Nord-Ost-Syrien da verbindet uns
  • 3:11 - 3:16
    jetzt schon seit 2014 tatsächlich eine
    gemeinsame Projektgeschichte. Auch nochmal
  • 3:16 - 3:22
    ganz kurz als Disclaimer: In der Talk-
    Ankündigung stand noch drin 'Rojava'. Das
  • 3:22 - 3:25
    ist so der politische Begriff der Region,
    und es ist für uns auch teilweise ganz
  • 3:25 - 3:30
    schwer, das fällt uns immer wieder in den
    Kopf, diesen Begriff zu benutzen. Die
  • 3:30 - 3:33
    Strukturen vor Ort ziehen es mittlerweile
    vor, dass man es gerade als Region Nord-
  • 3:33 - 3:37
    Ost-Syrien bezeichnet, also auch die
    lokale Selbstverwaltung. Deswegen
  • 3:37 - 3:40
    versuchen wir, das auch umzusetzen. Aber
    weil der Begriff schon so lange im Kopf
  • 3:40 - 3:43
    ist, wird es im Talk bestimmt das eine
    oder andere Mal uns noch in den Kopf
  • 3:43 - 3:49
    schießen.
    Ruben Neugebauer: Ja, Krisen und
  • 3:49 - 3:54
    Kommunikation, das ist ja so heutzutage
    kann man alles Mögliche live mitverfolgen.
  • 3:54 - 3:56
    Man kann live mitverfolgen, wie
    irgendwelche Raketen ins All geschossen
  • 3:56 - 4:01
    werden oder wieder landen. Man kann live
    mitverfolgen, wie die PR-Abteilung der
  • 4:01 - 4:06
    Deutschen Bahn sich komplett zerlegt. Man
    kann Florian Silbereisen Konzerte live im
  • 4:06 - 4:14
    Internet mitverfolgen, und man kann
    heutzutage eben auch Krisen und Konflikte
  • 4:14 - 4:19
    live verfolgen. Wir haben uns schon lang
    immer mal gefragt: Was heißt das
  • 4:19 - 4:23
    eigentlich für Hilfsorganisationen vor
    Ort? Also es ist ja schön, wenn man
  • 4:23 - 4:26
    irgendwie Informationen verfügbar hat.
    Aber nochmal was anderes ist es dann, wenn
  • 4:26 - 4:33
    man sich nicht nur informieren möchte von
    diesen Informationen, sondern wenn man als
  • 4:33 - 4:37
    Organisation vor Ort ist und
    Entscheidungen treffen muss, wenn es darum
  • 4:37 - 4:42
    geht: Wo kann ich zum Beispiel auch
    helfen? Wo bin ich vielleicht selber auch
  • 4:42 - 4:49
    gefährdet? All das hängt davon ja auch so
    ein bisschen ab. Also was heißt das dann
  • 4:49 - 4:55
    für Hilfsorganisationen vor Ort? Wir sind
    ja im Zeitalter des Postfaktischen, im
  • 4:55 - 5:02
    Zeitalter der Twitter-Diplomatie. Es ist
    ja so, dass heutzutage Kriege quasi nicht
  • 5:02 - 5:06
    nur über die sozialen Medien live
    mitverfolgt werden können, sondern mehr
  • 5:06 - 5:12
    oder weniger auch über die sozialen Medien
    ausgetragen werden. Dank dieser
  • 5:12 - 5:15
    Quellenvielfalt, die wir jetzt
    mittlerweile durch das Internet, durch die
  • 5:15 - 5:20
    verschiedenen sozialen Medien haben, ist
    es eben zum einen so, dass wir sehr viel
  • 5:20 - 5:25
    mehr Informationen zur Verfügung haben,
    als wir das früher hatten. Vor allem haben
  • 5:25 - 5:30
    wir diese Informationen oft sehr viel
    schneller zur Verfügung. Aber es ist dafür
  • 5:30 - 5:33
    auch so, dass es natürlich sehr viel
    schwerer wird, die zu bewerten, weil auch
  • 5:33 - 5:40
    Desinformation, auch Gerüchte sich halt
    sehr viel schneller streuen. Deswegen
  • 5:40 - 5:44
    hatten wir schon lange mal vor, darüber
    mal so ein bisschen zu reden: Was bedeutet
  • 5:44 - 5:49
    das eigentlich für uns vor Ort, diese
    veränderte Medienlandschaft. Und dafür
  • 5:49 - 5:51
    haben wir eigentlich ein ganz gutes
    Beispiel da vor Ort.
  • 5:51 - 5:58
    SJ: Genau. Warum ist Nord-Ost-Syrien
    eigentlich wirklich ein gutes Beispiel? Es
  • 5:58 - 6:02
    ist halt kein klassischer Konflikt
    alleine, sondern es ist ein Bürgerkrieg
  • 6:02 - 6:08
    innerhalb Syriens, mit multiplen Akteuren,
    mit Milizen, mit einem Staatsregime, das
  • 6:08 - 6:12
    international geächtet ist, das trotzdem
    natürlich auch versucht, Propaganda zu
  • 6:12 - 6:16
    machen, gerade deswegen Propaganda zu
    machen. Habt ihr mit Sicherheut auch schon
  • 6:16 - 6:19
    gehört: Es ist eine Art von
    Stellvertreterkrieg. Russland ist stark
  • 6:19 - 6:24
    involviert, die USA waren lange stark
    involviert, und es gibt begleitend noch
  • 6:24 - 6:29
    diesen Konflikt zwischen Kurden,
    Kurdinnenn und dem türkischen Staat. Und
  • 6:29 - 6:34
    das alles merged sich dann quasi in dieser
    Region. Die war in den letzten fünf Jahren
  • 6:34 - 6:38
    immer schon hoch dynamisch, auch für uns.
    Auch allein schon aufgrund der Tatsache,
  • 6:38 - 6:42
    dass es innerkurdisch viele Konflikte gibt
    zwischen nordirakischen Kurden und den
  • 6:42 - 6:47
    nordsyrischen Kurden und Kurdinnen. Sodass
    da immer wieder...also da kommt ganz, ganz
  • 6:47 - 6:50
    viel zusammen, was man anderen
    Konfliktregionen zum Beispiel nicht hat.
  • 6:50 - 6:53
    Deswegen ist es sehr spannend, sich das
    genau an dem Beispiel mal anzuschauen, und
  • 6:53 - 6:57
    auch wenn es in den letzten fünf Jahren
    immer hoch dynamisch war und dieser Clown
  • 6:57 - 7:00
    im Weißen Haus jetzt auch schon länger an
    der Macht ist, ist es so, dass in den
  • 7:00 - 7:05
    letzten Monaten tatsächlich die Dynamik
    des Konfliktes so unfassbar krass geworden
  • 7:05 - 7:09
    ist, dass man im Endeffekt ja sich
    eigentlich auf gar nichts mehr verlassen
  • 7:09 - 7:13
    konnte. Erdogan hat ja schon immer viel
    gedroht, mit dem Säbel gerasselt und
  • 7:13 - 7:17
    gesagt: Da muss was passieren, ich
    marschier da ein. Irgendwie gab es aber
  • 7:17 - 7:22
    immer eine Form von Doch-noch-Stabilität,
    mit der irgendwie gerechnet werden konnte,
  • 7:22 - 7:25
    gerade auch aufgrund dieses
    Stellvertreterkrieges. Jetzt ist es so,
  • 7:25 - 7:28
    das ist übrigens auch ein Tweet, wo ich
    dachte, jetzt ist er entweder gehackt oder
  • 7:28 - 7:33
    wirklich vollkommen durchgeschallert. Ist
    er tatsächlich nicht und deswegen wollen
  • 7:33 - 7:36
    wir heute hauptsächlich in diesem Talk
    auch so ein bisschen darauf gucken, wie
  • 7:36 - 7:39
    gehe ich mit Quellen eigentlich um und mit
    der Quellenverifikation, wenn ich mich
  • 7:39 - 7:44
    nicht darauf verlassen möchte, dass die
    unmatched wisdom von Präsident Trump im
  • 7:44 - 7:49
    Endeffekt vor Ort doch alle Dinge für uns
    regeln kann. Einsteigen würden wir gerne
  • 7:49 - 7:55
    mit einem kurzen Überblick. Wie war das
    eigentlich bei der Invasion? Um den zu
  • 7:55 - 8:01
    geben, würden wir jetzt aber super gerne
    versuchen, Fee dazuzuschalten? Das müsste
  • 8:01 - 8:08
    hoffentlich funktionieren. Muss ich da was
    machen am Rechner, macht ihr das? Hallo
  • 8:08 - 8:10
    Fee.
    Applaus
  • 8:10 - 8:20
    SJ: Vielleicht ganz kurz noch zu Fee: Fee
    arbeitet für den kurdischen Roten
  • 8:20 - 8:24
    Halbmond. Ich weiß, sie stellt sich
    unfassbar ungern selber vor, macht vor Ort
  • 8:24 - 8:27
    eine unfassbar gute Arbeit, lebt
    hauptsächlich in der Region, koordiniert
  • 8:27 - 8:31
    da ganz, ganz viele Projekte und hat
    deswegen einfach einen viel besseren
  • 8:31 - 8:34
    Inside nochmal, als wir, die zwar auch
    häufig da sind, aber bei weitem nicht die
  • 8:34 - 8:40
    gleiche Ahnung repräsentieren können wie
    Fee das tut. Fee, vielleicht dein Part!
  • 8:40 - 8:45
    leiser Applaus
    SJ: Fee, warte mal. Wir haben noch keinen
  • 8:45 - 8:48
    Ton.
    RN: Äh.
  • 8:48 - 8:54
    Lachen aus dem Publikum
    SJ: Versuch nochmal!
  • 8:54 - 8:59
    Fee Baumann: Hallo!
    Sebastian: Ja!
  • 8:59 - 9:06
    Applaus
    Fee: Ja, vielen Dank für die Einladung.
  • 9:06 - 9:15
    Ich würde einmal ganz schnell einen
    Überblick geben. Ich habe hier so eine
  • 9:15 - 9:24
    kleine Rückkopplung. Genau, also zur
    aktuellen Situation. Momentan ist es so,
  • 9:24 - 9:32
    dass wir vermutlich mehr als 300.000
    Geflüchtete insgesamt momentan haben. In
  • 9:32 - 9:38
    der gesamten Region. Das ist eine
    geschätzte Zahl bzw. kann nicht genau
  • 9:38 - 9:45
    genannt werden, weil von den Geflüchteten
    privat untergekommen sind. Das heißt bei
  • 9:45 - 9:53
    Familien oder bei Freunden oder einfach
    sich selbst Verschläge irgendwo gebaut
  • 9:53 - 9:59
    haben. Das heißt, wir können sie nicht
    genau erfassen, aber es sind etwa 300.000.
  • 9:59 - 10:06
    Momentan bauen wir neue Camps auf für die
    neuen Geflüchteten. Wir bekommen dafür
  • 10:06 - 10:13
    keine UN-Hilfe. Also der UNHCR kann uns
    nicht unterstützen mit Zelten zum
  • 10:13 - 10:20
    Beispiel, einfach aus dem einfachen Grund,
    dass die syrische Regierung diese Camps
  • 10:20 - 10:27
    nicht akzeptiert , diese neuen Camps. Das
    heißt, UN-Organisationen können und dürfen
  • 10:27 - 10:33
    uns offiziell nicht unterstützen.
    Zusätzlich finden natürlich immer noch
  • 10:33 - 10:41
    weiterhin Kämpfe statt entlang der
    Sicherheitszone. Momentan glücklicherweise
  • 10:41 - 10:47
    nicht mehr mit allzu vielen Zivilisten,
    die verletzt werden oder getötet werden.
  • 10:47 - 10:53
    Das beschränkt sich momentan
    glücklicherweise einigermaßen auf
  • 10:53 - 11:04
    militärische Akteure. Zudem ist es aber
    so, dass seit die Türkei hier angegriffen
  • 11:04 - 11:10
    hat, ist die Sicherheitslage massiv
    schlecht geworden. Das heißt, es gibt
  • 11:10 - 11:16
    überall in der Region weiterhin IS-Zellen
    oder auch andere Gruppierungen, die
  • 11:16 - 11:23
    versuchen, diese Region weitestgehend so
    gut es geht eben, zu destabilisieren. Und
  • 11:23 - 11:30
    diese IS-Zellen oder auch andere
    Gruppierungen sind seit dem Angriff der
  • 11:30 - 11:37
    Türkei eben erstarkt, also stärker
    geworden. Deswegen gibt es auch sehr viel
  • 11:37 - 11:46
    mehr Anschläge überall in der Region.
    Zudem ist es mittlerweile so, dass in den
  • 11:46 - 11:54
    durch die Türkei besetzten Gebieten, also
    im Norden Raʾs al-ʿAin und Tal Abjad, ist
  • 11:54 - 12:03
    es vermutlich mittlerweile verboten,
    Kurdisch zu sprechen. Was sicher ist, ist,
  • 12:03 - 12:08
    dass alle öffentlichen Gebäude umbenannt
    worden. Also es wird keine kurdische
  • 12:08 - 12:15
    Sprache mehr benutzt, sondern eben nur
    noch Türkisch und Arabisch. Und es ist
  • 12:15 - 12:21
    davon auszugehen, dass das eben wie in
    Afrin auch schon komplett verboten sein
  • 12:21 - 12:26
    wird, Kurdisch zu sprechen auf der Straße
    oder geschweige denn in den Schulen zu
  • 12:26 - 12:37
    lernen. Die medizinische Versorgung vor
    Ort ... also sie war vorher schon
  • 12:37 - 12:45
    natürlich desolat nach acht Jahren
    Bürgerkrieg und die Versorgung von den
  • 12:45 - 12:52
    Geflüchteten in den anderen, in den alten
    Camps, möchte ich sagen, war vorher schon
  • 12:52 - 13:00
    miserabel bzw. kritisch. Jetzt, durch
    300.000 mehr Geflüchtete, ist es natürlich
  • 13:00 - 13:11
    nochmal extrem kritischer geworden, sagen
    wir so. Dazu kommt, dass wir gerade Winter
  • 13:11 - 13:18
    haben. Das heißt, dass wir natürlich viele
    Erkrankungen haben werden. Die
  • 13:18 - 13:24
    Unterbringung ist okay, also
    verhältnismäßig okay, aber immer noch
  • 13:24 - 13:30
    schlecht. Also in Zelten im Winter ist
    einfach mies. Es ist gerade Regenzeit.
  • 13:30 - 13:40
    Zudem sind natürlich Neugeborene und
    Schwangere sind extrem gefährdet. Dann
  • 13:40 - 13:47
    haben wir sehr viel, eine sehr hohe
    Stresssituation natürlich. Das heißt, wir
  • 13:47 - 13:57
    haben auch sehr viele psychische
    Erkrankungen, was wir kaum bzw. nur schwer
  • 13:57 - 14:01
    auffangen können. Man muss sich
    vorstellen, dass die Leute aus relativ
  • 14:01 - 14:10
    gesicherten, aus einem relativ gesicherten
    Umfeld bzw. Umgebung eben jetzt alles
  • 14:10 - 14:15
    verloren haben und auch nicht die Zeit
    hatten, irgendwas mitzunehmen und auch
  • 14:15 - 14:24
    nicht zurück können. Zudem ist die
    Versorgung mit Trinkwasser und ausreichend
  • 14:24 - 14:37
    Essen auch nicht gut. Also das heißt, es
    ist einfach zu wenig für alle. Dann kommt
  • 14:37 - 14:43
    dazu, dass eben immer noch ein
    Wasserhauptversorgungsrohr, was durch die
  • 14:43 - 14:48
    Türkei durch einen Luftangriff beschädigt
    wurde und jetzt im türkischen Gebiet
  • 14:48 - 14:57
    liegt, immer noch kaputt ist. Das heißt,
    es sind mittlerweile etwa 700.000,
  • 14:57 - 15:04
    wahrscheinlich mehr Menschen, ohne
    ausreichende Wasserversorgung. Und
  • 15:04 - 15:12
    momentan bringen wir das Wasser in
    Tanklastwagen vor Ort nach Hasaki in die
  • 15:12 - 15:24
    Region. Allerdings ist die Wasserqualität
    auch deutlich schlechter geworden. Dann
  • 15:24 - 15:31
    haben wir das Problem, es ist momentan
    einigermaßen stabil, dass humanitäre
  • 15:31 - 15:37
    Hilfsgüter, das heißt auch Medizin,
    durchkommen. Allerdings sind wir da immer
  • 15:37 - 15:44
    auf den Goodwill angewiesen von zum
    Beispiel den irakischen Grenzübergängen.
  • 15:44 - 15:51
    Und wir können uns eben nicht darauf
    verlassen, dass Hilfsgüter rechtzeitig
  • 15:51 - 15:59
    ankommen. Und wir können sie auch nicht
    immer rechtzeitig hier vor Ort weiter
  • 15:59 - 16:06
    schicken in die jeweiligen Regionen, weil
    eben die Straßen immer noch sehr unsicher
  • 16:06 - 16:15
    sind. Dann ist die Versorgung insgesamt
    von öffentlichen Krankenhäusern mit
  • 16:15 - 16:22
    medizinischen Hilfsgütern sowie auch
    medizinisches Equipment weiterhin
  • 16:22 - 16:28
    schlecht. Und jetzt eben nochmal
    schlechter geworden. Dann haben wir
  • 16:28 - 16:34
    natürlich durch den Krieg oder durch den
    Angriff der Türkei haben wir natürlich
  • 16:34 - 16:43
    sehr viele Schwerstverletzte mit
    Langzeitfolgen, die wir momentan nicht
  • 16:43 - 16:47
    betreuen können. Das heißt, viele - es
    werden natürlich Prothesen benötigt und
  • 16:47 - 16:54
    Physiotherapie et cetera. Neben
    psychologischer Hilfe. Und das können wir
  • 16:54 - 17:03
    momentan gar nicht leisten. Es gibt
    natürlich die Unterstützung von
  • 17:03 - 17:13
    internationalen NGOs wie auch Cadus. Das
    Problem ist, dass viele von denen, also
  • 17:13 - 17:20
    die Sicherheitslage hat sich eben so doll
    verschlechtert hier momentan oder ist,
  • 17:20 - 17:30
    sagen wir, nicht abzuschätzen oder schwer
    abzuschätzen, dass sie eben wenig hier vor
  • 17:30 - 17:37
    Ort sein können. Und das macht auch, dass
    die Hilfe langsamer kommt und eben auch
  • 17:37 - 17:45
    oft nicht ausreichend ist. Von den
    internationalen Staaten, also von der
  • 17:45 - 17:53
    internationalen Gemeinschaft, kommt
    momentan gar nichts. Kann man so sagen. Es
  • 17:53 - 18:06
    gibt ganz kleine Fussel aber, dass ist
    alles inoffiziell und sehr vorsichtig,
  • 18:06 - 18:11
    sagen wir so, um sich eben nicht in
    politische Schwierigkeiten zu bringen,
  • 18:11 - 18:22
    schätzungsweise. Das war so ein ganz
    kurzer Überblick, wie die momentane
  • 18:22 - 18:29
    Situation hier ist. Wir haben natürlich
    zusätzlich einfach super viele
  • 18:29 - 18:38
    Unsicherheiten, in der Bevölkerung, als
    auch bei NGOs natürlich, weil einfach
  • 18:38 - 18:44
    super viele Akteure jetzt plötzlich hier
    in der Region aktiv sind. Das heißt, wir
  • 18:44 - 18:51
    haben die Türkei und deren Alliierten.
    Dann haben wir natürlich die USA, die
  • 18:51 - 18:59
    weiterhin da sind, aber hauptsächlich sich
    tatsächlich um ihre Ölfelder oder ja, um
  • 18:59 - 19:13
    die Ölfelder kümmern. Und Russland und
    Syrien, die hier unterwegs sind und
  • 19:13 - 19:18
    genauso wie die Türkei unberechenbar sind.
    Das heißt, man weiß nie genau, was da
  • 19:18 - 19:24
    jetzt passiert und worauf man sich, auf
    welche Absprachen man sich verlassen kann.
  • 19:24 - 19:33
    Es gab mehrere Zwischenfälle oder Unfälle
    mit russischen Panzern auf ZivilistInnen.
  • 19:33 - 19:42
    Mindestens fünf ZivilistInnen sind dabei
    gestorben. Wenn nicht mehr. Genau und
  • 19:42 - 19:47
    insgesamt ist die Bevölkerung, sagen wir,
    oder in der Bevölkerung herrscht einfach
  • 19:47 - 20:00
    eine immense große Unsicherheit und Angst.
    Ja, das war soweit mein Überblick.
  • 20:00 - 20:06
    RN: Wir zeigen gleich auch noch ein paar
    Bilder kurz, bevor wir weitermachen.
  • 20:06 - 20:15
    SJ: Ja, vielen Dank, Fee, erst einmal für
    den Input!
  • 20:15 - 20:19
    Applaus
    SJ: Also auch wenn wir wieder "switchen"
  • 20:19 - 20:24
    Fee bleibt hoffentlich im Loop und dann
    können wir nochmal ein-, zweimal mal
  • 20:24 - 20:27
    zurückschalten zu ein, zwei
    Fragestellungen. Genau, wir haben noch so
  • 20:27 - 20:30
    ein paar Bilder, da würden wir jetz
    relativ kurz, schnell durchgehen. Das war
  • 20:30 - 20:34
    gedacht für den Moment, wenn wir Fee nicht
    auf Video bekommen hätten. Dann hätten wir
  • 20:34 - 20:38
    sie nur über die Tonspur gelegt. Genau,
    das ist auch
  • 20:38 - 20:41
    richtig.
    RN: Genau, also so sieht es dort vor Ort
  • 20:41 - 20:47
    aus. Wir haben von Fee gehört, relativ
    eindrücklich, wie komplex die Lage da ist,
  • 20:47 - 20:52
    was da alles so zu beachten ist, super
    viele AkteurInnen. Es ist super schwer,
  • 20:52 - 20:58
    teilweise rauszukriegen, was irgendwie
    tatsächlich vor Ort passiert. Und wenn wir
  • 20:58 - 21:03
    vorhin kurz vom postfaktischem Zeitalter
    gesprochen haben, dann meinen wir damit
  • 21:03 - 21:07
    nicht nur jetzt reine Fake News. Die
    gibt's natürlich auch. Aber wir meinen
  • 21:07 - 21:11
    nicht nur Geschichten, die jetzt komplett
    erstunken und erlogen sind. Sondern wenn
  • 21:11 - 21:15
    wir drüber sprechen, wie schwierig es ist
    irgendwie Quellen zu bewerten, dann meinen
  • 21:15 - 21:20
    wir damit auch, dass es gar nicht
    unbedingt intendiert ist. Und deswegen
  • 21:20 - 21:24
    haben wir jetzt ein paar Schwierigkeiten,
    mit denen wir konfrontiert sind vor Ort.
  • 21:24 - 21:30
    Es ist ja so, dass: früher hatte man
    klassische Berichterstattung im Fernsehen,
  • 21:30 - 21:34
    heute hat sich das alles sehr stark
    verlagert hin zu diversesten Quellen in
  • 21:34 - 21:39
    den sozialen Medien. Das ist auf der einen
    Seite natürlich prima, weil wir eben, wie
  • 21:39 - 21:43
    schon gesagt, superschnell die
    Informationen kriegen. Weil wir auch
  • 21:43 - 21:47
    teilweise Informationen kriegen, die wir
    sonst niemals bekommen hätten und dadurch
  • 21:47 - 21:51
    ganz andere Möglichkeiten haben auch Dinge
    zu verifizieren, wenn die irgendwie
  • 21:51 - 21:54
    auftreten. Zum anderen ist es aber so,
    dass es halt auch schwierig ist, weil es
  • 21:54 - 21:57
    viel schwieriger wird eine ordentliche
    Analyse zu machen, weil natürlich auch
  • 21:57 - 22:01
    Fehlinformationen sich superschnell
    verbreiten. Und was auch ein Effekt ist,
  • 22:01 - 22:05
    ist, dass zum Beispiel die klassischen
    Medien ihre KorrespondentInnen-Netzwerke
  • 22:05 - 22:10
    zurückfahren, weil die sich das gar nicht
    mehr leisten können vor Ort informierte
  • 22:10 - 22:13
    KorrespondentInnen zu haben. Und dann
    könnte man natürlich jetzt das machen, was
  • 22:13 - 22:17
    wir hier gemacht haben, nämlich eine sehr
    informierte Person, wie Fee, einfach über
  • 22:17 - 22:21
    Skype zuzuschalten. Aber viele Medien
    machen das dann anders. Die schicken dann
  • 22:21 - 22:26
    lieber einen Fernsehmoderator aus
    Deutschland mal eben für ein paar Tage
  • 22:26 - 22:30
    darüber. Und deswegen ist es für uns auch
    so ein bisschen was, was zu diesem
  • 22:30 - 22:34
    Posfaktischen dazu zählt. Wenn man dann
    sozusagen Medien hat, die eigentlich gar
  • 22:34 - 22:37
    nicht so richtig präsent sind in der
    Region, die aber dann mal schnell darüber
  • 22:37 - 22:42
    fahren und zum Beispiel über die
    schwierige hygienische Situation in dem
  • 22:42 - 22:47
    Lager Al Hol sprechen. Al Hol ist
    tatsächlich ein Lager, wo es schwierig
  • 22:47 - 22:51
    ist. Da sind viele tausende Menschen
    interniert, die früher dem IS angehört
  • 22:51 - 22:56
    haben. Das ist relativ angespannt die Lage
    dort, und tatsächlich ist es so, dass es
  • 22:56 - 23:00
    da teilweise vielleicht schwierige
    hygienische Verhältnisse gibt. Das Problem
  • 23:00 - 23:04
    ist nur der Reporter. Der hat vor Ort gar
    nicht den Zugang zu diesen, zu diesen
  • 23:04 - 23:10
    Situationen. Deswegen nimmt er halt das,
    was ihm vor die Kamera kommt und spricht
  • 23:10 - 23:14
    von den schwierigen hygienischen
    Verhältnissen anhand von einer
  • 23:14 - 23:17
    herkömmlichen Pfütze, wie wir sie ja auch
    auf einem europäischen Campingplatz hätten
  • 23:17 - 23:22
    haben können. Und die Schwierigkeit dabei
    ist natürlich dann für uns, dass wir zwar
  • 23:22 - 23:26
    eine Berichterstattung haben, das es aber
    sehr schwer ist, es eigentlich irgendwie
  • 23:26 - 23:32
    zu sehen: Bauschen die eigentlich eine
    Situation nur auf, oder ist es tatsächlich
  • 23:32 - 23:37
    so schlimm? Und das Ganze wird dann von
    seinen Kollegen aber noch als absolutes
  • 23:37 - 23:45
    Qualitätsfernsehen abgespeichert. Das ist
    sozusagen so ein Problem mit dem wir dann
  • 23:45 - 23:47
    konfrontiert sind mit den klassischen
    Medien.
  • 23:47 - 23:52
    SJ: Genau, wenn wir über postfaktisch
    reden, dann ist es aber auch so, dass
  • 23:52 - 23:57
    meine Karte, die zeigt die internationalen
    Reaktionen von Staaten, also nicht die
  • 23:57 - 24:00
    politische Solidarität, sondern von
    Staaten tatsächlich in Bezug auf diesen
  • 24:00 - 24:06
    türkischen Einmarsch. Und da seht ihr grün
    ist das, was diesen Einmarsch supported
  • 24:06 - 24:11
    hat, also gut geheißen hat. Dann gab es
    halt ein bisschen Neutralität, die nichts
  • 24:11 - 24:14
    gesagt haben, aber die überwiegende Zahl
    der Länder, die sich geäußert haben, haben
  • 24:14 - 24:19
    alle ganz klar gesagt: Geht gar nicht, ist
    völkerrechtswidrig, haben sogar Sanktionen
  • 24:19 - 24:26
    mit eingebracht. Trotzdem waren Pro-
    Kriegs-Hashtags zu der Zeit weit über
  • 24:26 - 24:31
    Anti-Kriegs-Hashtags zum Thema Nord-Ost
    Syrien. Und in der Türkei selber sogar
  • 24:31 - 24:37
    waren Pro-Kriegs-Hashtags tatsächlich
    absolut, also länger, auf der obersten
  • 24:37 - 24:41
    Linie. Jetzt wollen wir nicht heute über
    Click-Farms und etc. reden, wie sowas
  • 24:41 - 24:46
    entsteht. Es ist nun erst mal so: das ist
    ein Bild, das präsentiert sich. Kann man
  • 24:46 - 24:50
    sich angucken die Hashtags. Und die haben
    aber eigentlich mit der Realität nicht
  • 24:50 - 24:56
    viel zu tun. Postfaktisch ist auch wenn
    die Kommandantur der türkisch "gebackten"
  • 24:56 - 25:02
    Milizen, die sie vorgeschickt haben, über
    Social Media aufruft, dass eben genau
  • 25:02 - 25:07
    diese Milizionäre eben diese Social Media
    nicht mehr bitte benutzen sollen, um Dinge
  • 25:07 - 25:12
    von der Front aufzunehmen und zu zeigen.
    Worum es darum ging, is vermeintlich eine
  • 25:12 - 25:17
    Geschichte mit Sicherheit und "Wo sind wir
    eigentlich?" und "Ihr gefährdet unsere
  • 25:17 - 25:21
    Soldaten!". Eigentlich ging es aber
    hauptsächlich darum, dass zu Beginn der
  • 25:21 - 25:26
    Invasion wahnsinnig viele Kriegsverbrechen
    und Menschenrechtsverletzungen live auf
  • 25:26 - 25:30
    Twitter mitverfolgbar waren. Hier ging es
    jetzt zum Beispiel tatsächlich um -das
  • 25:30 - 25:36
    habt ihr wahrscheinlich auch mitbekommen-
    um die Ermordung einer kurdischen
  • 25:36 - 25:43
    Menschenrechts- und Frauenrechtlerin,
    Hevrin Khalaf. Das war relativ klar, dass
  • 25:43 - 25:47
    es ein gezielter Anschlag gewesen ist:
    aufgehalten, aus dem Auto gezogen,
  • 25:47 - 25:50
    erschossen worden. Das ging sogar ein
    bisschen durch die Medien, weil die Person
  • 25:50 - 25:53
    selber bekannt ist. Sowas konnte man zu
    der Zeit aber, wenn man sich dafür
  • 25:53 - 25:57
    interessiert hat, das ist wirklich
    tagtäglich durch die Timeline gekommen.
  • 25:57 - 26:01
    Also wie die Milizen, die vorgestoßen
    sind, diese Kriegsverbrechen aufgenommen
  • 26:01 - 26:05
    haben und genau, einfach so frei auf
    Twitter rausgehauen haben.
  • 26:05 - 26:11
    RN: Ja, und natürlich sind die der
    Aufforderung nicht gefolgt, irgendwie
  • 26:11 - 26:15
    nichts mehr vom Schlachtfeld hochzuladen.
    Die haben munter weiter hochgeladen und
  • 26:15 - 26:19
    deswegen ist es auch z.B. so ein bisschen
    interessant, wenn man über Postfaktisches
  • 26:19 - 26:23
    redet, dass zwar im Internet plötzlich
    sehr viele Bilder aufgetaucht sind von den
  • 26:23 - 26:28
    tollen, deutschen Leopard-Panzern, wie die
    da in Syrien an der Front eingesetzt
  • 26:28 - 26:32
    werden, dass aber gleichzeitig die
    Bundesregierung gesagt hat: Wir haben ja
  • 26:32 - 26:37
    gar keine eigenen Quellen dazu. Wir wissen
    eigentlich gar nicht so genau, was da
  • 26:37 - 26:40
    eigentlich passiert. Das heißt, was man
    auch immer betrachten muss, wenn es darum
  • 26:40 - 26:44
    geht: Was haben wir eigentlichfür Quellen
    zur Verfügung? Ist: Wer möchte eigentlich
  • 26:44 - 26:47
    gerade, dass diese Quellen gesehen werden?
    Weil zwar hat die Bundesregierung gesagt:
  • 26:47 - 26:51
    Wir haben keine eigenen Erkenntnisse
    darüber, ob dort und wie dort Leopard-
  • 26:51 - 26:56
    Panzer eingesetzt werden. Aber eigentlich
    hätten sie vielleicht sagen sollen: Wir
  • 26:56 - 27:00
    wollen eigentlich gar keine eigenen
    Erkenntnisse darüber haben. Weil, wenn man
  • 27:00 - 27:03
    sich überlegt, was die Bundesregierung
    eigentlich an Ressourcen zur Verfügung
  • 27:03 - 27:06
    hätte, um irgendwie zum Beispiel so ein
    Video zu verifizieren und was es dafür
  • 27:06 - 27:09
    auch für technische Möglichkeiten gibt,
    dann ist es schon ein bisschen traurig,
  • 27:09 - 27:15
    wenn es da dann keine eigenen Erkenntnisse
    gibt. Jetzt wissen wir aber natürlich seit
  • 27:15 - 27:18
    Chemnitz, dass die deutschen Geheimdienste
    nicht allzu gut darin sind Videos zu
  • 27:18 - 27:23
    verifizieren. Und deswegen haben wir
    gedacht, müssen wir einmal ein bisschen
  • 27:23 - 27:27
    Nachhilfe betreiben für die
    Bundesregierung. Es gibt also zahlreiche
  • 27:27 - 27:32
    Kanäle, über die man sich heutzutage
    informieren kann. Da sind natürlich die
  • 27:32 - 27:38
    klassischen Nachrichtenkanäle mit dabei.
    Die haben dann den Vorteil, dass die
  • 27:38 - 27:42
    zumindest so ein bisschen eine Redaktion
    vorgeschaltet haben. Das heißt, dass sie
  • 27:42 - 27:47
    ein bisschen herausfiltern: Was ist
    eigentlich echt? Was ist nicht echt? Die
  • 27:47 - 27:53
    sind dafür aber verhältnismäßig langsam.
    Dann gibt es meistens vor Ort auch einige
  • 27:53 - 27:59
    Agenturen, zum Beispiel, die sich speziell
    mit der Region auseinandersetzen. Die also
  • 27:59 - 28:03
    schauen, "Was passiert eigentlich in der
    Region?", die speziell dazu Nachrichten
  • 28:03 - 28:10
    liefern. Das sind meistens gute Kanäle, um
    sich zu informieren. Und dann gibt es zum
  • 28:10 - 28:14
    einen die klassischen sozialen Medien,
    also Facebook, Twitter, YouTube und so
  • 28:14 - 28:19
    weiter. Was in dem Fall super interessant
    war, war, dass Telegram eine total
  • 28:19 - 28:24
    wichtige Rolle gespielt hat. Über, wie
    toll jetzt Telegram ist oder nicht, kann
  • 28:24 - 28:28
    man sich streiten. Aber Fakt war, dass
    sehr viele gerade von den Milizen eben
  • 28:28 - 28:35
    Telegram-Kanäle verwendet haben, um dann
    im Prinzip zu kommunizieren mit ihren
  • 28:35 - 28:40
    AnhängerInnen. Da ist es so, da muss man
    sich ein bisschen reinfuchsen. Also, das
  • 28:40 - 28:42
    findet man nicht sofort. Aber es ist
    Beispiel teilweise so bei den Milizen,
  • 28:42 - 28:48
    dass sie dann auf anderen Kanälen, die sie
    nutzen, auf ihre Telegram-Kanäle
  • 28:48 - 28:52
    hinweisen. Das war ganz spannend, dass man
    so auch immer so ein bisschen gucken muss.
  • 28:52 - 28:54
    Was sind eigentlich gerade die Quellen,
    die funktionieren und die am schnellsten
  • 28:54 - 28:59
    sind? Dass man sich da sozusagen nicht nur
    auf die klassischen verlässt. Eine weitere
  • 28:59 - 29:04
    Herausforderung, die total wichtig war,
    ist, wir haben es mit einem Konflikt zu
  • 29:04 - 29:09
    tun, wo sehr unterschiedliche Sprachen
    gesprochen werden. Das heißt, wenn ich mir
  • 29:09 - 29:16
    die sozialen Medien anschaue, dann kann es
    sein, dass z.B. auf Türkisch auf Twitter
  • 29:16 - 29:20
    ganz andere Informationen verfügbar sind,
    wie zum Beispiel auf Englisch oder
  • 29:20 - 29:25
    Arabisch. Deswegen ist es immer wichtig,
    auch im Kopf zu haben, dass es
  • 29:25 - 29:28
    unterschiedliche Sprachen gibt, die da
    relevant sind. In dem Fall, bei dem
  • 29:28 - 29:33
    Konflikt ist es natürlich die Sprache der
    Konfliktparteien, also Türkisch, Kurdisch,
  • 29:33 - 29:37
    Arabisch, Englisch natürlich für die
    internationale Community. Aber
  • 29:37 - 29:40
    interessanterweise z.B. auch Deutsch, es
    ist super viel auf Deutsch auf Twitter
  • 29:40 - 29:44
    gelaufen, weil es eine sehr große Diaspora
    aus der Region in Deutschland gibt, und
  • 29:44 - 29:47
    zwar sowohl von kurdischer als auch von
    türkischer Seite.
  • 29:47 - 29:54
    SJ: Nicht nur die Sprachen, die trenden,
    sondern auch das Konzept der Echo-Chambers
  • 29:54 - 29:57
    oder Filterbubbles, bei Filterbubbles ist
    man sich ja gar nicht so sicher, wie die
  • 29:57 - 30:01
    existieren, wie geschlossen die sind. Aber
    diese Echokammern, das ist ja relativ
  • 30:01 - 30:04
    klar. Also wenn mich nur bestimmte
    Informationen interessieren oder wenn ich
  • 30:04 - 30:08
    politisch auf eine gewisse Art und Weise
    gefärbt bin, dann hole ich mir wenig
  • 30:08 - 30:11
    Informationen aus einem anderen Bereich.
    Da wurde auch schon viel drüber
  • 30:11 - 30:15
    diskutiert. Da gab es ja auch schon
    verschiedene Talks, eine richtig schöne
  • 30:15 - 30:21
    Blüte dazu: Dieser kriegsbejahende Hashtag
    von einem Fussballspieler, ich weiß nicht,
  • 30:21 - 30:28
    ob ihr es mitbekommen habt. Das ging so
    weit, dieses Echokammer-Konzept, dass er
  • 30:28 - 30:33
    tatsächlich als angestellter
    Fußballspieler des linken Fußballvereins
  • 30:33 - 30:39
    Deutschlands, FC St. Pauli, trotzdem auf
    seinem Social Media rausgehauen hat: "Wir
  • 30:39 - 30:42
    sind an der Seite unserer heldenhaften
    Militärs und der Armeen" - sehr spannend,
  • 30:42 - 30:47
    Militärs, also mit Armeen sind tatsächlich
    auch die Milizen gemeint mit den
  • 30:47 - 30:52
    Menschenrechtsverletzungen. "Unsere Gebete
    sind mit euch." Das heißt, da ist eine
  • 30:52 - 30:56
    Person, die lebt und arbeitet in einem
    eigentlich ganz anderen linken Umfeld, das
  • 30:56 - 31:02
    eher Pro-kurdisch ist, vor allem aber
    gegen Krieg. Entweder bekommt er es aber
  • 31:02 - 31:05
    nicht mit, oder es ist ihm egal. Von
    dieser Seite nochmal Gruß an den FC St.
  • 31:05 - 31:09
    Pauli, das war die einzig richtige
    Reaktion, weil er wurde gefeuert, und das
  • 31:09 - 31:12
    ist auch gut so.
    Applaus
  • 31:12 - 31:20
    SJ: Das Beispiel hat bei mir diese Frage
    aufgeworfen: Hat er es einfach nicht
  • 31:20 - 31:24
    mitbekommen, dachte er, er kann das jetzt
    machen? Ist das normal, weil sein Umfeld
  • 31:24 - 31:28
    halt auf Pro-Krieg eingestellt ist oder
    nicht? Dann ist da immer die Frage, welche
  • 31:28 - 31:31
    Informationen bekommen Menschen eigentlich
    noch mit? Und da kommen wir zu einem
  • 31:31 - 31:36
    Beispiel, was uns betrifft als Cadus. Wir
    haben ja mit Heyva Sor gesagt, relativ
  • 31:36 - 31:39
    schnell, es braucht mehr Ambulanzen. Also
    haben wir kurzfristig nach dem Einmarsch
  • 31:39 - 31:43
    der Türkei fünf weitere Ambulanzen zur
    Verfügung gestellt, eine von denen ist
  • 31:43 - 31:47
    beschossen worden. Und dann haben wir das
    rausgehauen. Auf Twitter sieht man ja an
  • 31:47 - 31:52
    diesem Beispiel, und wir versuchen
    meistens eigentlich nicht so viel mit
  • 31:52 - 31:57
    Bildern zu arbeiten, weil uns ist Recht am
    Bild wichtig ist und wir auch dieses
  • 31:57 - 32:01
    Emotions-Heischende eigentlich nicht so
    gut finden, aber die gleiche Information,
  • 32:01 - 32:05
    mit anderen Bildern unterlegt, gibt
    einfach schon eine ganz andere Reichweite
  • 32:05 - 32:11
    und eine ganz andere Durchdringung dieser
    Information. Das heißt auch tatsächlich,
  • 32:11 - 32:15
    auch wir als Quelle müssen uns natürlich
    überlegen, wie wir Informationen
  • 32:15 - 32:23
    aufbereiten und wie weit wir eigentlich
    kommen. Genau, da wollen wir ganz gerne
  • 32:23 - 32:27
    noch einmal kurz Fee dazuschalten, weil
    als unsere Ambulanz beschossen wurde, war
  • 32:27 - 32:31
    das für uns natürlich emotional nochmal
    ein ganz anderes Ding. Wir waren aber ja
  • 32:31 - 32:34
    bei weitem nicht die erste medizinische
    Einrichtungen, die angegriffen wurde in
  • 32:34 - 32:37
    diesem Krieg. Dazu muss man auch noch mal
    sagen, medizinische Einrichtungen, also
  • 32:37 - 32:41
    eigentlich Zivilistinnen und Zivilisten
    sowieso und medizinische Einrichtungen
  • 32:41 - 32:46
    nochmal ganz speziell sind natürlich im
    Krieg eigentlich geschützt. Da gibt es die
  • 32:46 - 32:49
    Genfer Konvention, da gibt es ein
    Völkerrecht zu. Das heißt, eigentlich
  • 32:49 - 32:52
    müsste es einen Aufschrei der Empörung
    geben, wenn sowas passiert. Die
  • 32:52 - 32:55
    asymmetrischen Konflikte der letzten Jahre
    führten aber immer mehr dazu, dass es
  • 32:55 - 33:00
    wieder so normal ist, dass halt die
    Angriffe zum Beispiel auf Heyva Sor a Kurd
  • 33:00 - 33:04
    komplett ohne Medienecho verhallt sind.
    Und ganz spannend für uns vielleicht, wir
  • 33:04 - 33:09
    haben natürlich nach diesem Angriff auch
    eine große Pressemitteilung rausgehauen,
  • 33:09 - 33:13
    gesagt, deutsche Hilfsorganisation,
    international tätig. Die Rückmeldung war
  • 33:13 - 33:18
    mau.
    RN: Fee, wie sieht es denn bei dir aus?
  • 33:18 - 33:22
    Ihr habt es ja öfter erlebt. Wie waren
    denn die Reaktionen, wenn da was passiert
  • 33:22 - 33:33
    ist? Und was ist passiert?
    Fee: Also passiert ist erstmal, wir hatten
  • 33:33 - 33:39
    mindestens einen Angriff auf einen so
    genannten Trauma Stabilisation Point, etwa
  • 33:39 - 33:46
    20 Kilometer südlich von Raʾs al-ʿAin,
    also außerhalb der Sicherheitszone. Dabei
  • 33:46 - 33:57
    wurden ein Glück nur Ambulanzen beschädigt
    und keine MitarbeiterInnen. Genau, dann
  • 33:57 - 34:06
    wurden unter anderem nicht von uns, aber
    medizinische Teams von der Self-
  • 34:06 - 34:16
    Administration entführt und hingerichtet,
    tatsächlich. Dann wurden, wie Seb schon
  • 34:16 - 34:27
    gesagt hat, die gemeinsam betriebenen
    Ambulanzen angegriffen durch Beschuss. Und
  • 34:27 - 34:34
    zudem hatten wir die Situation in Raʾs al-
    ʿAin, dass wir immer noch Teams in der
  • 34:34 - 34:40
    Stadt hatten, also im Krankenhaus, die da
    weiterhin auch gearbeitet haben und
  • 34:40 - 34:47
    Schwerstverletzte versorgt haben und wir
    einfach keine Chance hatten, diese
  • 34:47 - 34:55
    Menschen zu evakuieren. Das heißt, diese
    Leute, MedizinerInnen-Team plus
  • 34:55 - 35:01
    Schwerverletzte, waren drei Tage
    eingeschlossen in der Stadt. Wir sind,
  • 35:01 - 35:07
    eigentlich haben wir mit allen Nationen
    mehr oder weniger gesprochen und haben um
  • 35:07 - 35:12
    Hilfe gebeten, uns einen humanitären
    Sicherheitskorridor zu gewährleisten.
  • 35:12 - 35:26
    Daraufhin ist nichts passiert. Am Ende
    sind wir sozusagen auf gut Glück mit 30
  • 35:26 - 35:32
    Ambulanzen in die Stadt gefahren und haben
    unsere Teams und die Schwerverletzten aus
  • 35:32 - 35:39
    dem Krankenhaus evakuiert. Das ging
    einigermaßen, es ging, ein Glück, alles
  • 35:39 - 35:47
    gut. Aber trotzdem war das natürlich mehr
    als gefährlich, weil klar war, dass wir
  • 35:47 - 35:54
    als humanitäre Hilfsorganisation nicht
    anerkannt werden bzw. dann auch beschossen
  • 35:54 - 36:06
    werden. Wir haben versucht, das auf allen
    möglichen Ebenen zu verbreiten, diese
  • 36:06 - 36:13
    Informationen publik zu machen, über
    Social Media, aber auch durch Interviews.
  • 36:13 - 36:20
    Leider war die Reaktion gleich null.
    Zumindest nicht, dass ich etwas
  • 36:20 - 36:34
    mitbekommen hätte. Ja, die Lage war super
    dramatisch. Und trotzdem hat keiner
  • 36:34 - 36:44
    eingegriffen und geholfen. Genau. Und ich
    glaube, solange die Genfer Konventionen
  • 36:44 - 36:54
    nicht beachtet werden von militärischen
    Akteuren oder auch von Staaten, werden
  • 36:54 - 37:02
    auch Ambulanzen oder humanitäre
    Hilfsorganisationen nie sicher sein. Das
  • 37:02 - 37:12
    heißt, laut den Genfer Konventionen ist es
    verboten, auf humanitäre
  • 37:12 - 37:19
    Hilfseinrichtungen oder auch Ambulanzen zu
    feuern. Das wurde aber in unserem Fall
  • 37:19 - 37:28
    einfach nicht akzeptiert. Und solange das
    nicht akzeptiert wird, von wem auch immer,
  • 37:28 - 37:34
    kann auch eine sichere humanitäre
    Hilfeleistung nicht gewährleistet werden.
  • 37:34 - 37:38
    RN: Im Hintergrund haben wir jetzt schon
    ein paar Bilder gesehen von diesen
  • 37:38 - 37:42
    Übergriffen auf medizinische
    Einrichtungen.
  • 37:42 - 37:51
    SN: Wir laufen ein bisschen in der Zeit
    aus dem Ruder. Deswegen wird Ruben gleich
  • 37:51 - 37:56
    noch was erzählen, wie Quellenanalyse für
    uns vor Ort eigentlich funktioniert. Ich
  • 37:56 - 37:58
    würde jetzt noch mal ganz kurz was sagen,
    wir hatten ja, oder haben auch immer
  • 37:58 - 38:04
    wieder, internationale Teams vor Ort, was
    für uns tatsächlich so viel Probleme macht
  • 38:04 - 38:09
    über die Social Media, bzw. über die
    Möglichkeit, dass jeder Mensch zur Quelle
  • 38:09 - 38:14
    wird. Da fällt mir als allererstes zum
    Beispiel das Thema Frontverläufe ein. Fee
  • 38:14 - 38:17
    hat das gerade schon angesprochen, als
    Ra's al-'Ain angegriffen wurde, haben die
  • 38:17 - 38:21
    türkischen Milizen sehr schnell vermelden
    lassen: "Wir haben diese Stadt
  • 38:21 - 38:24
    eingenommen." Keine zehn Minuten später
    haben sich kurdische Kräfte
  • 38:24 - 38:29
    zurückgemeldet. "Nein, die Stadt ist nicht
    eingenommen." 10 Minuten später heißt es
  • 38:29 - 38:32
    wieder... und genau das ist der Punkt. Wie
    kann ich auf so eine Quelle vertrauen?
  • 38:32 - 38:35
    Wenn ich in dem Moment eigentlich eine
    Ambulanz auf dem Weg in die Stadt habe?
  • 38:35 - 38:39
    Weiß ich, wo die Front verläuft? Weiß ich
    mittlerweile wirklich, wo die
  • 38:39 - 38:43
    Kampfhandlungen sind? Wir waren damals mit
    Cadus auch in Mossul, da war es das
  • 38:43 - 38:47
    Gleiche.Wenn Meldungen kommen, wo der IS
    auf einmal meldet: wir haben wieder
  • 38:47 - 38:51
    Straßenzüge eingenommen, das könnten
    totale Fake-News sein, und das kann ich
  • 38:51 - 38:54
    hier in Deutschland in einem Lagezentrum
    auch in aller Ruhe vielleicht eruieren.
  • 38:54 - 38:58
    Aber für mich, da gerade vor Ort, ist ja
    genau die Frage: Wie reagiere ich darauf?
  • 38:58 - 39:03
    Schon dieser einzige Twitter, oder diese
    einzige Aussage, auch wenn es Fake sein
  • 39:03 - 39:07
    könnte, könnte trotzdem über Leben oder
    Tod entscheiden für mich. Vor Ort sind es
  • 39:07 - 39:11
    zum Beispiel so Geschichten Checkpoints.
    Checkpoints in Nord-Ost-Syrien, Fee hat
  • 39:11 - 39:15
    das vorhin auch schon gesagt. Es gibt
    unfassbar viele Akteure mittlerweile vor
  • 39:15 - 39:19
    Ort. Fun Fact: Vor zwei Tagen haben sich
    russische und US-amerikanische Soldaten in
  • 39:19 - 39:25
    Tal Tamr geprügelt, weil sie aufeinander
    getroffen sind. Das ist absoluter
  • 39:25 - 39:28
    Wahnsinn, was da gerade stattfindet in
    diesem Schmelztiegel. Und das ist
  • 39:28 - 39:31
    natürlich für viele Menschen extrem
    wichtig zu wissen: Wo kann ich mich gerade
  • 39:31 - 39:36
    eigentlich bewegen? Normalerweise ist so
    ein Checkpoint relativ gut gekennzeichnet.
  • 39:36 - 39:41
    Was machen jetzt aber Milizen oder auch
    zum Beispiel die syrische Armee, wenn sie
  • 39:41 - 39:45
    irgendwo durchfahren? Gehen zum
    Checkpoint, hissen ihre Flagge. Ob die
  • 39:45 - 39:49
    dann noch da sind oder nicht, kann ich gar
    nicht wissen. Auch hier wieder. Es reicht
  • 39:49 - 39:52
    ein Foto, das ich hochladen in den
    sozialen Medien. Dann braucht es lange, um
  • 39:52 - 39:57
    wirklich wieder Sicherheit herzustellen,
    ob diese Information stimmt oder nicht. Es
  • 39:57 - 40:00
    ist für mich aber total entscheidend, ob
    ich mich da noch bewegen kann oder nicht.
  • 40:00 - 40:05
    Gleiches Bild aus Manbij. Wir wissen, dass
    die syrische Armee reingefahren ist, ihre
  • 40:05 - 40:08
    Flaggen gehisst hat und wieder
    rausgefahren ist, um sich im Endeffekt dem
  • 40:08 - 40:14
    Konflikt mit den Milizen in dem Moment
    nicht zu stellen. Frontverläufe auch z.B.
  • 40:14 - 40:20
    es gibt in Nord-Ost Syrien den Highway M4. Das ist
    die Lebensader der Region, könnte man
  • 40:20 - 40:26
    sagen. Da war es genau das Gleiche.
    Türkische "gebackte" Milizen sagen: Wir
  • 40:26 - 40:30
    haben diesen Highway eingenommen. Als
    Verifikation schicken Sie ihn ein Foto,
  • 40:30 - 40:33
    wie ein paar Bewaffnete auf irgendeinem
    Teil von diesem Highway stehen, der
  • 40:33 - 40:38
    natürlich über Hunderte Kilometer geht..
    Kurz danach gibt's die Rückmeldung von
  • 40:38 - 40:43
    kurdischen Kräften: Nein, es ist gar nicht
    so. Für mich als Person vor Ort
  • 40:43 - 40:46
    vielleicht, müsste ich ja trotzdem sagen:
    Wenn die Wahrscheinlichkeit da ist, fahre
  • 40:46 - 40:49
    ich natürlich nicht diese Strecke. Oder
    auch als lokaler Ambulanzfahrer,
  • 40:49 - 40:53
    Ambulanzfahrerin müsste ich in dem Moment
    sagen: Diese Strecke fahre ich nicht,
  • 40:53 - 40:56
    diesen Highway, der relativ sicher ist,
    fahre ich nicht. Ich fahre eine andere
  • 40:56 - 41:00
    Strecke, wo ich dann aber auf ganz andere
    Gefahren stoße. Viel schlechtere
  • 41:00 - 41:04
    Straßenverhältnisse, vielleicht
    Sprengfallen, vielleicht sleeping Cells
  • 41:04 - 41:09
    vom IS. So kann diese
    Informationsfreiheit, die wir ja
  • 41:09 - 41:14
    eigentlich abfeiern, in dem Moment zum
    echten Problem werden. Da hatte Fee vorhin
  • 41:14 - 41:17
    ein ganz schönes Beispiel zu. Fee bist du
    noch da?
  • 41:17 - 41:22
    Fee: Ja.
    SJ: genau aus Qamişlo. vielleicht kannst
  • 41:22 - 41:28
    du nochmal ein, zwei Beispiele nennen, wie
    das für dich und für euch gewesen ist vor
  • 41:28 - 41:31
    Ort.
    RN: Fee nutzt nämlich eigentlich keine
  • 41:31 - 41:39
    sozialen Medien, hat sie gesagt.
    Fee: Richtig, ich benutze keine sozialen
  • 41:39 - 41:52
    Medien, Facebook oder sowas. Genau. Es war
    einigermaßen verstörend, weil ich in
  • 41:52 - 42:02
    Qamişlo war, als die Angriffe angefangen
    haben und mich dann sozusagen.. also dass
  • 42:02 - 42:10
    die Angriffe im nördlichen, nördlich-
    westlichen Teil schon angefangen haben,
  • 42:10 - 42:16
    das wusste ich natürlich. Also in Tall
    Abyad, Raʾs al-ʿAin. Aber dann erreichten
  • 42:16 - 42:23
    mich Nachrichten von Freunden, die über
    Social Media gesehen haben, dass Qamişlo
  • 42:23 - 42:33
    jetzt angegriffen wird durch Drohnen bzw.
    durch Luftschläge. Ich habe dann aus dem
  • 42:33 - 42:40
    Fenster geguckt und gelauscht und
    festgestellt: Hier ist nichts. Ich habe
  • 42:40 - 42:46
    dann natürlich noch meine meine
    Kolleginnen und Kollegen vor Ort direkt
  • 42:46 - 42:53
    gefragt, ob es hier irgendwelche Angriffe
    schon gab. Und das wurde verneint. Das
  • 42:53 - 43:03
    heißt ja, diese Informationen kamen zu
    früh. Später am Abend war es dann auch
  • 43:03 - 43:08
    tatsächlich so, dass es Angriffe gab in
    Qamişlo, aber zu dem Zeitpunkt, als mich
  • 43:08 - 43:12
    die Nachricht erreichte, dass Qamişlo
    gerade angegriffen wird, war es eben nicht
  • 43:12 - 43:17
    so.
    RN: Da stellt sich natürlich die Frage:
  • 43:17 - 43:21
    Wie gehen wir eigentlich mit Onlinequellen
    um? Wie können wir eine Lagebewertung
  • 43:21 - 43:25
    vornehmen, und wie können wir solche
    Ereignisse dann auch verifizieren?
  • 43:25 - 43:30
    SJ: Ich sage noch kurz dazu, wie wir das
    direkt bei Cadus machen. Genau was Fee
  • 43:30 - 43:34
    beschrieben hat, ist für uns natürlich die
    Situation. Wir hatten noch Leute in der
  • 43:34 - 43:39
    Region und haben diese blöde Geschichte
    von Privilegien. Wir können natürlich
  • 43:39 - 43:42
    entscheiden, ob wir gehen, ob wir nicht
    gehen. Das können viele Menschen, viele
  • 43:42 - 43:47
    lokale Menschen halt nicht. Für uns die
    Entscheidung, können wir gehen. Wenn, dann
  • 43:47 - 43:50
    wie und über welche Wege. Da verlassen wir
    uns nicht nur auf uns selber, sondern
  • 43:50 - 43:53
    natürlich auch auf Netzwerke und Anbieter.
    Einer dieser Anbieter ist zum Beispiel
  • 43:53 - 44:00
    INSO, die International NGO Security
    Organisation. Die sitzt mit richtig vielen
  • 44:00 - 44:04
    Angestellten da und macht genau das, was
    wir gleich erklären, was wir auch in klein
  • 44:04 - 44:10
    machen, nämlich eine Quellenanalyse. Die
    sind 24/7 erreichbar. Alle incidents
  • 44:10 - 44:15
    nehmen die auf, bewerten die. Das ist aber
    eine Quelle, die ist Menschen vor Ort,
  • 44:15 - 44:19
    Locals, gar nicht zugänglich, sondern sie
    ist nur für registrierte internationale
  • 44:19 - 44:22
    humanitäre Hilfsorganisationen zugänglich.
    Das gibt's auch am freien Markt,
  • 44:22 - 44:25
    natürlich. Da könnte ich mir vorstellen,
    das sind Summen, die man dafür ausgeben
  • 44:25 - 44:30
    muss, die haben auch nur große Firmen, die
    sich Sicherheitsleistungen einkaufen. Wir
  • 44:30 - 44:33
    haben, gerade weil wir dachten, wir können
    uns nicht nur darauf verlassen, dass
  • 44:33 - 44:37
    dieses Netzwerk, das für uns macht, auch
    ein eigenes Lagezentrum eingerichtet. Das
  • 44:37 - 44:40
    hier sind jetzt Bilder bei uns aus dem
    Büro im Holzmarkt. Wir haben sofort
  • 44:40 - 44:45
    gesagt: Okay, auch wir müssen jetzt 24/7
    die Situation monitoren. Da gehört erst
  • 44:45 - 44:50
    mal eine ganze Menge gespendete Mate dazu.
    Danke dafür ins Publikum. Dann geht es
  • 44:50 - 44:57
    darum, wirklich online diese Info-
    Geschichten zu monitoren. Wir haben auch
  • 44:57 - 45:00
    versucht, diese Twitter-Accounts zu
    monitoren. Wir haben natürlich auch andere
  • 45:00 - 45:06
    Homepages benutzt wie liveuamp etc., und
    daraus versucht, noch zusätzlich zu den
  • 45:06 - 45:09
    professionellen Informationen für uns eine
    ganz eigene Lageinformationen zu bekommen,
  • 45:09 - 45:13
    die wir unseren Leuten vor Ort und unter
    anderem auch Fee zur Verfügung stellen
  • 45:13 - 45:16
    konnten. Wie man das macht, das erzählt
    der Ruben jetzt nochmal.
  • 45:16 - 45:21
    RN: Genau. Im Prinzip stützen wir uns
    dabei immer auf drei Pfeiler. Das eine ist
  • 45:21 - 45:26
    natürlich Open Source Intelligence, also
    das, was wir aus dem Internet kriegen. Das
  • 45:26 - 45:30
    zweite ist Fachwissen, ganz klar. Das
    dritte sind Kontakte vor Ort. Und wenn wir
  • 45:30 - 45:33
    eine Information wirklich zuverlässig
    verifizieren wollen, dann brauchen wir
  • 45:33 - 45:38
    meistens alles davon. Wenn wir jetzt
    nochmal das Panzer Video nehmen mit dem
  • 45:38 - 45:42
    Leopard, da ist es zum einen so, dass
    unser Fachwissen uns natürlich sagt: Das
  • 45:42 - 45:47
    ist ein Leopard, den erkennt man relativ
    einfach. Wir sind keine Waffennerds, aber
  • 45:47 - 45:53
    so ein bisschen Wissen ist da manchmal
    hilfreich, um zu sehen: Womit hat man es
  • 45:53 - 45:58
    eigentlich zu tun? Dann erkennen wir auch
    das Logo von der Gruppe in dem Bild schon
  • 45:58 - 46:03
    relativ einfach und häufig lässt sich dann
    die Location von so einem Vorfall auch
  • 46:03 - 46:05
    irgendwie rekonstruieren. Da gibt es
    verschiedene Möglichkeiten, das kann man
  • 46:05 - 46:10
    triangulieren. Da kann man auch lokale
    Ressourcen fragen, die vielleicht
  • 46:10 - 46:13
    irgendwelche Häuser wiedererkennen, die
    dann in dem Video auftauchen. D.h. ich
  • 46:13 - 46:18
    weiß dann: Wo hat so etwas stattgefunden.
    Was auch manchmal ganz praktisch ist, ist
  • 46:18 - 46:23
    Bilder reverse zu suchen. Also irgendein
    Bild ploppt irgendwo auf. Ich geb das
  • 46:23 - 46:26
    einfach in die reverse Suche bei Google
    ein. Dann findet man manchmal nämlich
  • 46:26 - 46:30
    superschnell Fakes raus, weil teilweise
    einfach Bilder von woanders genommen
  • 46:30 - 46:33
    werden, um irgendwas zu dramatisieren. Da
    wird dann irgendwas behauptet, und man hat
  • 46:33 - 46:36
    irgendwelche Bilder, die eigentlich, was
    weiß ich, aus dem Libanon-Krieg von vor 30
  • 46:36 - 46:42
    Jahren stammen. Das ist also so etwas, wo
    ich versuchen kann, möglichst viel zu
  • 46:42 - 46:48
    verifizieren. Im Fall von diesen Panzern
    war dann klar: Okay, die werden da
  • 46:48 - 46:50
    eingesetzt. Was einem aber auch immer klar
    sein muss, ist, man muss die eigenen
  • 46:50 - 46:54
    Grenzen kennen von dem, was man eben auch
    nicht sagen kann. Oft lässt man sich dann
  • 46:54 - 47:00
    verleiten, im Prinzip dann irgendwelche
    anderen Annahmen zu treffen. Da komme ich
  • 47:00 - 47:04
    dann später gleich nochmal drauf. Dass man
    sich wirklich überlegen muss: Was wissen
  • 47:04 - 47:09
    wir, und was wissen wir auch nicht? Und
    idealerweise stützen wir uns da immer auf
  • 47:09 - 47:15
    diese drei Pfeiler. Jetzt ist es so,
    Fachwissen und Kontakte vor Ort. Die hat
  • 47:15 - 47:17
    man entweder, weil man viele Bücher
    gelesen hat und viele gezuckerte Tees
  • 47:17 - 47:23
    getrunken hat vor Ort, oder man hat sie
    eben nicht. Was man aber machen kann ist:
  • 47:23 - 47:27
    Man kann sich relativ schnell einarbeiten
    in das, was sozusagen online verfügbar
  • 47:27 - 47:30
    ist. Das kann auch jeder machen. Jetzt
    kriegt man aus einem herkömmlichen
  • 47:30 - 47:35
    Rettungsassistenten wie Seb nicht sofort
    einen Nahost-Experten gebastelt. Aber es
  • 47:35 - 47:38
    gibt auch so ein paar Sachen, die man eben
    machen kann. Zum einen hatten wir vorher
  • 47:38 - 47:44
    die Sprachen angesprochen, die da
    irgendwie ein Problem sind. Da ist es
  • 47:44 - 47:48
    jetzt das Problem: Wir sprechen nicht alle
    die Sprachen. Mittlerweile ist es aber so,
  • 47:48 - 47:51
    dass doch Online-Übersetzterdienste zum
    Beispiel; eine ganz gute Hilfe sind, sich
  • 47:51 - 47:55
    dem zumindest anzunähern. Das ist
    natürlich trotzdem gut, wenn man noch
  • 47:55 - 47:59
    Personen im Background hat, die das
    tatsächlich können. Wir haben unseren
  • 47:59 - 48:03
    Analysten, der irgendwie Arabisch,
    spricht, aber für so eine erste Annäherung
  • 48:03 - 48:07
    an die Inhalte reicht es meistens schon,
    wenn man sich das online übersetzen lässt.
  • 48:07 - 48:10
    Wenn man sich dann seinen Recherche-
    Baukasten bastelt, dann kann man sich zum
  • 48:10 - 48:15
    Beispiel bei seinem Twitter-Account diese
    ganzen Sprachen einstellen, sodass man bei
  • 48:15 - 48:18
    einer Suche, die dann auch berücksichtigt.
    Das ist extrem hilfreich, wenn man
  • 48:18 - 48:23
    möglichst viel von den Informationen
    bekommen möchte. Was auch sehr hilfreich
  • 48:23 - 48:26
    ist, ist wenn man sich einen eigenen
    Recherche-Account dafür macht, dass man
  • 48:26 - 48:30
    wirklich nur die Informationen in die
    Timeline bekommt, die einen gerade
  • 48:30 - 48:35
    interessieren und dass man da den Quellen
    folgt, die es vor Ort gibt. Da gibt es
  • 48:35 - 48:38
    unterschiedliche Quellen. Das eine sind
    natürlich solche Dienstleister wie
  • 48:38 - 48:43
    angesprochen, Thinktanks, aber auch ganz
    interessante Analysen von Privatpersonen.
  • 48:43 - 48:47
    Also es gibt super viele, zum Beispiel
    ehemalige Mitarbeitende von NGOs,
  • 48:47 - 48:52
    WissenschaftlerInnen, die in den sozialen
    Medien auch selber Analysen zur Verfügung
  • 48:52 - 48:55
    stellen, die sehr gut sind. Da muss man
    nur ein bisschen angucken, welche
  • 48:55 - 49:00
    Interessen haben diese Personen dann. Was
    natürlich auch immer eine gute Quelle ist,
  • 49:00 - 49:04
    sind Journalisten, Nachrichtenagenturen,
    die vor Ort sind. Aber auch NGOs, wobei
  • 49:04 - 49:07
    man auch bei NGOs immer gucken muss: Was
    haben die eigentlich für ein
  • 49:07 - 49:12
    Eigeninteresse? Und dann natürlich eine
    Hülle und Fülle an lokalen Quellen, die
  • 49:12 - 49:16
    man auch sehr gut nutzen kann. Das sind
    Privatpersonen, das sind Parteien, aber
  • 49:16 - 49:21
    auch Milizen, Initiativen, Funktionäre,
    was auch immer. Das Problem da ist
  • 49:21 - 49:24
    jeweils: Das sind sehr schnelle Quellen,
    oft sehr gute Quellen, weil wir darüber
  • 49:24 - 49:27
    Informationen kriegen, die wir sonst gar
    nicht kriegen würden, wie z.B. eben, wenn
  • 49:27 - 49:31
    eine Miliz, wie schon erwähnt, so ein
    Video ins Internet stellt, aber zum
  • 49:31 - 49:36
    anderen haben wir da auch das Problem,
    dass man die immer nicht so richtig
  • 49:36 - 49:41
    einschätzen kann. So, jetzt haben wir
    einen Haufen Informationen, müssen gucken,
  • 49:41 - 49:45
    wie gehen wir damit um. Dann muss ich die
    erstmal Mappen. Es ist natürlich so, jede
  • 49:45 - 49:48
    Kriegshandlung ist schlimm, aber für uns
    als NGO vor Ort ist vor allem schlimm,
  • 49:48 - 49:53
    wenn sie in unserer Nähe stattfindet. Kann
    ich online wie offline oder in einem
  • 49:53 - 49:57
    eigenen Geo-Informationssystem für mich
    aufbereiten. Davon weiß ich aber noch
  • 49:57 - 50:01
    lange nicht, ob sie wahr ist. Es gab einen
    Vorfall, den fand ich ganz interessant,
  • 50:01 - 50:06
    das ist so eine Meldung. Ich war
    felsenfest davon ausgegangen, dass das
  • 50:06 - 50:13
    Fake News ist. Das war ein Brief von
    Donald Trump an den Irren vom Bosporus, wo
  • 50:13 - 50:18
    er so Sachen geschrieben hat wie "Don't be
    a tough guy. Don't be a fool! I will call
  • 50:18 - 50:24
    you later". Ich war mir relativ sicher,
    dass dieses Schreiben irgendwie ein joke
  • 50:24 - 50:30
    ist. Hab dann aber das quasi gegoogelt,
    habe dieses Bild gesucht und habe das in
  • 50:30 - 50:34
    zahlreichen seriösen Quellen gefunden, das
    ist bis heute nicht ganz klar, wer das
  • 50:34 - 50:39
    durchgestellt hat und ob das mit Absicht
    veröffentlicht wurde. Klar ist aber: Das
  • 50:39 - 50:43
    stimmt. Deswegen immer gut, zwei Quellen
    zu haben. Wenn ich diese zwei Quellen mir
  • 50:43 - 50:47
    suche, dann ist es immer gut, auch darauf
    zu achten, dass die aus unterschiedlichen
  • 50:47 - 50:52
    Spektren sind. Das es nicht zwei Kämpfer
    von derselben Einheit das getwittert
  • 50:52 - 50:57
    haben, oder so. Sondern ich schau: Naja,
    die Miliz hat getwittert, aber ein
  • 50:57 - 51:02
    Journalist hat es eben auch gebracht. Dann
    ist es wahrscheinlicher, dass es stimmt.
  • 51:02 - 51:06
    Also, wenn ich mir solche Quellen
    anschaue, muss ich mich auch immer fragen:
  • 51:06 - 51:10
    Woher hat die Quelle die Info? Hab ich
    diese unterschiedlichen Spektren bedient
  • 51:10 - 51:14
    oder ist das eh alles ein Brei, haben die
    voneinander abgeschrieben? Ist die Quelle
  • 51:14 - 51:18
    lange bekannt? Wer glaubt der Quelle noch?
    Und was auch immer wichtig ist, ist die
  • 51:18 - 51:23
    Gegenseite zu checken. Seb hat es vorhin
    schon mal angesprochen: Raʾs al-ʿAin. Da
  • 51:23 - 51:26
    wurde relativ schnell vermeldet, dass die
    Stadt eingenommen ist. Wir hatten unser
  • 51:26 - 51:31
    Team nur 30 Kilometer südlich, da ist
    dazwischen nur freies Feld, und das ist
  • 51:31 - 51:35
    man mit einem Panzer schnell gefahren.
    Deswegen haben wir uns natürlich Sorgen
  • 51:35 - 51:38
    gemacht, konnten dann aber über einen
    Check mit der Gegenseite relativ schnell
  • 51:38 - 51:43
    feststellen, dass die kurdischen Einheiten
    munter aktuelle Bilder aus Raʾs al-ʿAin
  • 51:43 - 51:47
    getwittert haben, die eben gezeigt haben,
    dass die noch vor Ort sind. Deswegen muss
  • 51:47 - 51:51
    man sich auch immer fragen: Welches
    Interesse hat eine Quelle, irgendwas zu
  • 51:51 - 51:56
    vermelden? Und da ist es natürlich klar,
    dass Kräfte, die der Türkei nahe standen,
  • 51:56 - 52:00
    natürlich gerne schnell Erfolgsmeldungen
    produziert hätten. Am Ende hat sich aber
  • 52:00 - 52:04
    herausgestellt, dass sie nur einen
    Industriegebiet im Prinzip am Rande der
  • 52:04 - 52:07
    Stadt eingenommen hatten. Da ist auch
    nochmal interessant mit dem Leopard-
  • 52:07 - 52:11
    Panzer. Wir haben vorhin schon
    angesprochen: Was wissen wir eigentlich
  • 52:11 - 52:15
    und was wissen wir nicht? Das Spannende da
    war ja auch nicht nur, werden die Panzer
  • 52:15 - 52:19
    dort eingesetzt, also schlimm genug, wenn
    die sozusagen an der Seite von Islamisten
  • 52:19 - 52:22
    dort eingesetzt werden. Aber die Frage
    war: Hat die Türkei Ihren Vertrag
  • 52:22 - 52:27
    verletzt, den sie mit Deutschland hat,
    nämlich diese Panzer weiterzugeben oder
  • 52:27 - 52:33
    nicht weiterzugeben? Und da war es dann
    so, dass mehrere Seiten das spannend
  • 52:33 - 52:37
    beobachtet haben, weil das wäre natürlich
    ein Riesenskandal. Kurdische Einheiten
  • 52:37 - 52:42
    haben zum Teil relativ schnell vermeldet,
    dass dort Leopard-Panzer bei den Rebellen
  • 52:42 - 52:48
    von der sogenannten Syrian National Army,
    also der türkeinahen Miliz, eingesetzt
  • 52:48 - 52:52
    werden. Und da hat natürlich die
    Bildzeitung einen Skandal gewittert und
  • 52:52 - 52:56
    hat dann auch einen Sprecher gefunden von
    der SNA, der gesagt hat: Natürlich werden
  • 52:56 - 53:01
    wir von denen mit Panzern beliefert, das
    ist alles ganz prima. Da könnte man jetzt
  • 53:01 - 53:07
    meinen, zwei Quellen gecheckt, Gegenseite
    beachtet, alles super und wir neigen
  • 53:07 - 53:12
    natürlich dazu, auch so was dann für bare
    Münze zu nehmen, weil es uns auch ganz gut
  • 53:12 - 53:17
    ins Konzept passt, kann man schön die
    Bundesregierung kritisieren. Das Dumme war
  • 53:17 - 53:21
    nur, in dem Fall haben beide Seiten ein
    Interesse daran gehabt, das so zu
  • 53:21 - 53:25
    vermelden. Die Gegenseite, die Kurden,
    weil sie das skandalisieren können, die
  • 53:25 - 53:27
    Einheit selber, aber auch, weil sie
    einfach so ein bisschen cool rüberkommen
  • 53:27 - 53:32
    wollte, zeigen wollte, wir haben hier
    diese Panzer und sind hier im Prinzip gar
  • 53:32 - 53:36
    keine komische islamistische Miliz, die
    man auf eine Terrorliste schreiben könnte.
  • 53:36 - 53:40
    Was nicht passiert, weil man dem Irren vom
    Bosporus einen Gefallen tun will. Sondern
  • 53:40 - 53:46
    sie wollten sich framen als quasi "proper"
    Armee, der man auch Panzer geben kann. Das
  • 53:46 - 53:50
    Dumme war nur, dass dann ein anderer
    Sprecher dieser Syrian National Army
  • 53:50 - 53:55
    gesagt hat, die haben wir gar nicht. Diese
    Fahrzeuge gehören der türkischen Armee,
  • 53:55 - 54:00
    und das waren Bilder, die nur in der
    Kampfpause gemacht wurden, als Erinnerung
  • 54:00 - 54:05
    für die Kämpfer von der SNA. Da muss man
    immer sehr genau hinschauen, wenn man
  • 54:05 - 54:09
    solche Bilder hat, wenn man solche
    Meldungen hat. Was ist tatsächlich da
  • 54:09 - 54:14
    dran? Und dafür ist es wiederum wichtig,
    sich auf diese drei Pfeiler zu stützen,
  • 54:14 - 54:20
    dass man die kombiniert und dann sich
    einer Warheit zumindest annähern kann. Da
  • 54:20 - 54:23
    gibt es aber eine Sache, die man dann auch
    noch beachten muss, die wir zum Schluss
  • 54:23 - 54:26
    nicht vergessen wollen. Da sagt Seb
    nochmal was dazu.
  • 54:26 - 54:30
    SJ: Genau. Also im Endeffekt ist es für
    uns als Organisation so, wir können jetzt
  • 54:30 - 54:34
    viel darüber reden, wie macht das
    eigentlich Quellenanalyse und Blabla. Am
  • 54:34 - 54:37
    Ende des Tages ist es so, irgendwann sind
    alle übernächtigt, irgendwann sind alle
  • 54:37 - 54:42
    über emotionalisiert natürlich auch. Nicht
    nur wegen der Leute von uns, die da sind,
  • 54:42 - 54:46
    sondern auch nach fünf Jahren ist man in
    so einer Region einfach ganz, ganz extrem
  • 54:46 - 54:50
    emotional verbandelt. Das heißt
    tatsächlich auch bei uns kommt mal eine
  • 54:50 - 54:54
    ganz, ganz andere Unschärfe rein, mit der
    man immer rechnen muss, die man aus der
  • 54:54 - 54:58
    Berichterstattung unserer Quellenanalysen
    ganz überhaupt nicht herausbekommt.
  • 54:58 - 55:05
    RN: Dann muss man sich auch immer fragen:
    Ist irgendwie gerade biased? Das ist das
  • 55:05 - 55:07
    eine. Das andere ist aber auch, dass man
    natürlich im Eifer des Gefechts... es
  • 55:07 - 55:11
    kommen sehr viele Informationen rein, man
    will natürlich sehr schnell das irgendwie
  • 55:11 - 55:16
    umsetzen. Und deswegen ist es ganz
    wichtig. Das ist eigentlich im Prinzip
  • 55:16 - 55:19
    etwas total Simples, was aber, wie gesagt,
    im Eifer des Gefechts sehr schnell
  • 55:19 - 55:23
    untergeht, das ist, Informationen zu
    klassifizieren. Also wenn ich die
  • 55:23 - 55:27
    reingeschossen kriege, das ich mir
    wirklich überlegt, was davon ist eine
  • 55:27 - 55:31
    gesicherte Informationen, wo ich die
    Quelle kenne? Und was ist einfach ein
  • 55:31 - 55:35
    Gerücht von einer unbekannten Quelle? So,
    das ist das, was eigentlich
  • 55:35 - 55:39
    selbstverständlich ist, was aber dann doch
    sehr schnell untergeht und wo man sich
  • 55:39 - 55:45
    wichtigerweise immer wieder dran erinnern
    muss. Ein letzter Punkt, ganz kurz noch
  • 55:45 - 55:51
    angerissen. Das freut sicherlich die Nerds
    hier in der Community, das ist OPSEC,
  • 55:51 - 55:55
    Operational Security. Da ist es so, dass
    das auch was ist, das können wir jetzt
  • 55:55 - 55:59
    nicht ausführen, das kann man nur
    anreißen. Aber es gab z.B. auch in Syrien
  • 55:59 - 56:06
    ein paar Jahre zuvor mal das Selfie des
    Todes. Da hat eine IS Einheit im Prinzip
  • 56:06 - 56:10
    ein Selfie gemacht, das ins Internet
    gestellt. Vergessen, die Geodaten zu
  • 56:10 - 56:14
    löschen. Und das hat ein paar Stunden
    gedauert, dann war die Rakete da. Also
  • 56:14 - 56:19
    auch das sind Fragen, mit denen man sich
    auseinandersetzen muss. Was wir jetzt hier
  • 56:19 - 56:25
    in der Kürze der Zeit noch machen konnten,
    ist, diese ganzen Themen anzureisen. Wir
  • 56:25 - 56:29
    wollen eigentlich auch gar nicht groß
    irgendwelche Wahrheiten verkünden, sondern
  • 56:29 - 56:34
    uns ging es einfach darum, diese
    Fragestellung in Raum zu stellen. Wir sind
  • 56:34 - 56:38
    jetzt auch die nächsten Tage hier auf dem
    Kongress präsent und freuen uns da auch
  • 56:38 - 56:44
    über euren Input. Wir sind im Open
    Infrastructure Orbit, besucht uns da an
  • 56:44 - 56:49
    unserem Stand. Wir freuen uns über
    Anregungen und alles, was ihr sozusagen an
  • 56:49 - 56:58
    Input für uns habt, und sind damit im
    Prinzip am Ende.
  • 56:58 - 57:14
    Applaus
  • 57:14 - 57:20
    Herald: Vielen Dank an Seb, entschuldige,
    Sebastian und Ruben. Wer Fragen hat, der
  • 57:20 - 57:25
    kann bitte sich an die Mikrofone
    einreihen. Mein Signalangel hat zwei
  • 57:25 - 57:29
    Fragen. Wir müssen mal gucken, wie viel
    Zeit wir noch haben. Dann bitte.
  • 57:29 - 57:31
    Signalangel: Ja danke. Ich stelle die
    erste Frage, weil sie mehrfach gestellt
  • 57:31 - 57:36
    wurde. Gibt es Äußerungen der
    Kriegsparteien mit welcher Begründung auch
  • 57:36 - 57:41
    Ambulanzen beschossen wurden?
    SJ: Nein, dann würden sie es ja zugeben,
  • 57:41 - 57:47
    dass sie es tun. Das gibt niemand
    offiziell zu eine Ambulanz zu beschießen,
  • 57:47 - 57:49
    da gibt es keine Äußerungen zu.
    RB: Meistens ist es schon relativ logisch,
  • 57:49 - 57:52
    wer es war, weil zum Beispiel nur begrenzt
    Kräfte dort z.B. über Luftwaffen und
  • 57:52 - 57:58
    Drohnen verfügen. Und wenn man dann einen
    Einschlag hat, der ja, im Prinzip von
  • 57:58 - 58:01
    einem Geschoss einer Drohne sich
    rekonstruieren lässt, dann ist schon
  • 58:01 - 58:08
    relativ klar, wer das gewesen ist. Aber
    zugeben werden die das sicher nicht.
  • 58:08 - 58:12
    Herald: Dann die zweite Frage.
    Signalangel: Gerne. Wie werden helfende
  • 58:12 - 58:16
    Zivilisten an Ort und Stelle gebracht und
    welche Fertigkeiten werden vor Ort am
  • 58:16 - 58:20
    meisten gesucht?
    SJ: Dazu würde ich sagen, wir helfen mit
  • 58:20 - 58:24
    Zivilisten. Fertigkeiten, die gesucht
    werden, sind wenn, dann schon
  • 58:24 - 58:28
    hochspeziell. Wir entsenden auch nur
    Mediziner, Medizinerinnen, die vor Ort
  • 58:28 - 58:32
    einen Mehrwert haben. Es gibt ein
    existentes Gesundheitssystem. Das ist zwar
  • 58:32 - 58:36
    überlastet, aber grundsätzlich muss man
    auch überlegen, ins Kriegsgebiet zu gehen.
  • 58:36 - 58:40
    Klingt nach Abenteuer, ist aber
    tatsächlich ein Punkt, der sehr, sehr viel
  • 58:40 - 58:45
    Vorbereitung braucht. Wir bereiten unsere
    Teams sehr, sehr lange vor. Man muss bei
  • 58:45 - 58:48
    so einer Entscheidung immer überlegen, ob
    man vor Ort einen tatsächlichen Mehrwert
  • 58:48 - 58:53
    bringt oder die Strukturen nur belastet.
    Da kann Fee ein Lied von singen. Wenn man
  • 58:53 - 58:57
    sich tatsächlich um viele Menschen kümmern
    muss, die vielleicht nur über Ausbildung
  • 58:57 - 59:02
    verfügen, die es vor Ort gibt, dann ist
    mit Sicherheit eine andere Hilfe sehr viel
  • 59:02 - 59:04
    sinnvoller.
    RB: Das vielleicht auch noch ganz kurz.
  • 59:04 - 59:07
    Wichtig ist, was man natürlich machen kann
    ist da Geld hinspenden und das
  • 59:07 - 59:11
    organisieren. Das ist tatsächlich super
    wichtig, vor allem auch deswegen, weil es
  • 59:11 - 59:15
    da so eine komplexe Lage ist. Vor Ort ist
    es nämlich so, dass internationale
  • 59:15 - 59:20
    Organisationen, das UN-Gelder, das Gelder
    z.B. vom Auswärtigen Amt teilweise sehr
  • 59:20 - 59:29
    schwer dort verteilt werden können, weil
    man ja nicht allzu sehr den Verrückten vom
  • 59:29 - 59:33
    Bosporus provozieren möchte und es dann
    eben dort für die Strukturen vor Ort für
  • 59:33 - 59:37
    Heyva Sor A Kurd z.B. sehr schwer ist, an
    Gelder überhaupt zu kommen und auch für
  • 59:37 - 59:43
    Cadus es so ist, dass für bestimmte Dinge
    es einfach Spendenbasiert funktionieren
  • 59:43 - 59:47
    muss. Deswegen ist das natürlich eine
    super wichtige Sache.
  • 59:47 - 59:51
    SJ: Also nochmal, wir senden z.B.
    ChirurgInnen, die wirklich die
  • 59:51 - 59:55
    Facherfahrung haben, auch vor Ort zum
    Beispiel mit den Kriegsverletzung umgehen
  • 59:55 - 60:01
    zu können oder bei uns im Feldkrankenhaus
    und dementsprechend die Erfahrung haben,
  • 60:01 - 60:06
    da mit den lokalen Mitarbeitenden zusammen
    Mehrwert darzustellen.
  • 60:06 - 60:12
    Herald: Dann gebt doch nochmal einen
    großen Applaus an Fee, Ruben und Seb.
  • 60:12 - 60:13
    Applaus
  • 60:13 - 60:14
    Abspannmusik
  • 60:14 - 60:15
    Untertitel erstellt von c3subtitles.de
    im Jahr 2020 Mach mit und hilf uns!
Title:
36C3 - Katastrophe und Kommunikation am Beispiel Nord-Ost-Syrien
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Video Language:
German
Duration:
01:00:47

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