-
36c3 Vorspannmusik
-
Herald: Der nächste Vortrag handelt von
etwas, was mich etwas beunruhigt,
-
möglicherweise aber was auch extrem
spannend ist. Wir haben uns ja schon damit
-
abgefunden, dass uns Maschinen zunehmend
überholen, also dass ich nicht mehr
-
schneller rechnen kann als mein Computer
zuhause. Das überrascht mich überhaupt
-
nicht. Als Wissenschaftler benutzen wir
Rechner, um uns zu unterstützen, große
-
Datenmengen zu analysieren. Aber so ein
Rückzugsgebiet war für mich immer noch die
-
Kunst. Da habe ich das Gefühl, dass es
etwas Menschliches. Da wird man uns so
-
schnell nicht einholen, dieses Kreative.
Aber die Frage ist: Ist das eigentlich
-
noch Stand der Technik? Ist das überhaupt
noch? Kann man das überhaupt noch so
-
sagen? Und da werden wir jetzt einen
schönen Vortrag hören von jemandem, der
-
sich genau damit auskennt. Von Simon
Hegelich. Simon ist nämlich Professor für
-
Political Data Science an der TU München.
Er benutzt Deep Learning Tools unter
-
anderem auch für das Kunstprojekt
TensorFloyd. Er wird reden über:
-
Mensch - Kunst - Maschine
mit künstlicher Intelligenz zu neuer Kunst
-
zum kybernetischen Verstand.
Simon, die Bühne gehört dir.
-
Simon: Danke sehr.
-
Applaus
-
Simon: Ich finde es ja super, dass sich so
viele Leute das anhören wollen. Ich hatte
-
die Gelegenheit, gestern Abend auch schon
sehr viel mit tollen Leuten hier auf dem
-
Kongress zu reden, die selber KI benutzen,
um damit Kunst zu machen. Wir haben sofort
-
festgestellt, dass es viel zu diskutieren
gibt. Insofern will ich mich auch bemühen,
-
nicht ganz die Zeit auszureizen, dass wir
nachher noch ein bisschen Raum für
-
Diskussionen zusammen haben, weil ich
glaube, dass da sehr viel Kontroversen
-
geben wird. Weil es einfach zwei große
Begriffe zusammenbringt, die beide für
-
sich genommen überhaupt gar nicht wirklich
definiert sind, nämlich Kunst und
-
künstliche Intelligenz. Die eine Hälfte
von euch sagt wahrscheinlich: "Ja, das ist
-
aber keine Kunst", die andere sagt: "Das
ist keine künstliche Intelligenz". Und ihr
-
habt auch recht damit. Aber was ich heute
machen will ist, ein bisschen zeigen, was
-
ist eigentlich der Stand der Technik, auch
wirklich über die Technik reden, was wird
-
da eigentlich gerade gemacht?
Zum Einstieg habe ich mir folgendes
-
überlegt: Ich möchte zwei Gedichte
vortragen, und das eine ist von einer
-
künstlichen Intelligenz geschrieben, die
ich programmiert habe, und das andere von
-
Jim Morrison. Und dann möchte ich
natürlich gerne nachher wissen, wer
-
glaubt, welches Gedicht von wem denn ei-
gentlich geschrieben ist. Ich fang mal an!
-
I exorcise a ghost
the sun glared on the dark
-
the dead
the dead have in the spruce
-
the dead abstractedness
the dead have very close relatives.
-
my mother is good for her.
Erstes Gedicht.
-
Zweites Gedicht:
The fear
-
eternal consciousness in the void
makes trial ... jail seem almost friendly
-
a kiss in the storm
i'm freezing
-
animals
dead
-
white wings of
rabbits
-
Wer glaubt, dass das erste Gedicht Jim
Morrison war? Und wer glaubt, dass das
-
zweite Gedicht Jim Morrison war? Ich kann
es vom Licht her ziemlich schlecht sehen,
-
aber ihr seht auf jeden Fall. Beide
Antworten haben eine Followerschaft. Wir
-
wissen jetzt schon gar nicht mehr - genau,
ich könnte hier das Video auch noch
-
starten übrigens.
-
Wir sind offenbar jetzt schon an
einem Stand, wo Computer Kunst generieren
-
können, die wir ohne weiteres nicht
unterscheiden können von menschlich
-
generierter Kunst. Und jetzt möchte ich
erst mal kurz erzählen, was haben wir denn
-
da gerade eigentlich erlebt? Was war das?
Was ist da passiert? Also, wir haben seit
-
einigen Jahren ja jetzt einen, wie man
gestern hören konnte hier auf dem Kongress
-
einen Hype, was Deep Learning anbelangt,
und Deep Learning ist aber ein bisschen
-
mehr als nur ein Hype. Da steckt
tatsächlich was dahinter. Erst mal ist
-
es ein Verfahren des maschinellen Lernens,
und das Grundprinzip, wenn man sich das
-
ganz einfach vorstellt, ist so, dass wir
beliebige unstrukturierte Daten nehmen
-
können und wir kennen aber schon die
Antwort. Das nennt sich dann Supervised
-
Learning. Und dann bauen wir eine große,
komplexe mathematische Formel, die den
-
Input, den wir haben, in irgendetwas
transformiert, was möglichst nah an dem
-
dran ist, was wir als Output eigentlich
erwarten, was wir haben wollen. Dieses
-
Prinzip, da brauche ich kein Deep Learning
für, das ist erst mal das Grundprinzip
-
maschinellen Lernens. Gibt es ganz unter-
schiedliche Algorithmen dafür, wo es dann
-
halt um die Frage geht: Was baue ich
eigentlich für eine mathematische Formel
-
zwischen diesem Input und dem Output? Und
ich kann das auch mit Texten machen. Ich
-
kann Texte, Wörter umformen in Zahlen. Da
kann der Computer damit rechnen, und dann
-
kann ich eine mathematische Funktion
machen, die ihm diese Zahlen umwandelt in
-
die Zahlen, die ich eigentlich dann
erwarte vom Output her. Was ich hier
-
verwendet habe, ist ein sogenanntes
Sequence-to-Sequence-Model. Das ist ein
-
Deep Learning Model erst einmal, bevor wir
zu Deep Learning kommen. Es gibt eine
-
Klasse von Algorithmen, die verwendet wird
für dieses maschinelle Lernen, das nennt
-
sich neuronale Netze. Ein neuronales Netz
ist an sich eigentlich etwas ziemlich
-
Einfaches. Ich muss mir das so vorstellen:
Ich habe jetzt Worte zum Beispiel, und
-
jedes Wort kriegt eine Zahl zugeordnet.
Und dann habe ich eine... es wird immer
-
gesagt Neuronale Netze, das ist so wie das
Gehirn. Also neuronale Sachen - ist
-
totaler Unfug. Das hat mit dem Gehirn
eigentlich wirklich überhaupt nichts zu
-
tun, ist noch nicht mal ein Netz, sondern
ist eigentlich nur eine andere
-
Darstellungsweise, wie ich eine
mathematische Funktion aufschreiben kann,
-
nämlich in Form eines Graphen. Die
mathematische Funktion bei neuronalen
-
Netzen ist relativ primitiv. Da geht es
einfach nur darum, dass Inputs
-
multipliziert werden mit einem Parameter.
Der ist dann noch näher zu bestimmen. Und
-
das wird alles aufaddiert. Und dann ist
die Frage: Löst es eine
-
Aktivierungsfunktion aus oder nicht? Und
wenn es das tut, dann wird das Signal
-
weitergegeben, und dann kann ich
verschiedene Layers hintereinander machen.
-
Der Vorteil bei neuronalen Netzen ist,
dass ich sehr viele von diesen Parametern
-
in meine mathematische Formel reinbringen
kann und dann einen relativ effizienten
-
Algorithmus habe, der diese Parameter
automatisch optimiert. Das heißt also, ich
-
stelle das Modell auf. Der Computer
berechnet dann aber anhand der Daten, die
-
es gibt, was sind eigentlich die richtigen
Werte für diese Parameter? So, jetzt geht
-
Deep Learning noch ein bisschen darüber
hinaus. Da ist der Unterschied, dass diese
-
Signale nicht mehr einfach nur ein Signal
ans nächste weitergegeben werden, sondern
-
dass ich komplexere Architekturen aufbaue,
wo es zum Beispiel Feedbackfunktionen
-
gibt. Im konkreten Fall ist es, wie
gesagt, ein sogenanntes Sequence-to-
-
Sequence-Model, was mit Attention
funktioniert. Das sind so Zauberwörter im
-
Moment, aber das ist eigentlich relativ
primitiv. Das heißt, ich habe als Input
-
eine Sequenz von einem Satz, die geht in
ein neuronales Netz, das ist dann ein
-
sogenannter Encoder, der produziert ein
Signal. Ich habe aber auch ein zweites
-
neuronales Netz, den sogenannten Decoder.
Der kriegt den schon bekannten Output,
-
auch wieder eine Sequenz von Texten, und
die können dann eben halt unterschiedlich
-
lang sein, ist also keine Wort zu Wort-
Übersetzung mehr und verwandelt den Output
-
aus dem Encoder im Decoder wieder dann in
irgendwas, was möglichst nahe da dran sein
-
soll. Attention ist dann noch so eine
Subklasse davon. Da ist man übergegangen,
-
das, was wir gleich noch sehen werden. An
einer Stelle ist das sehr wichtig. In
-
diesen neuronalen Netzen ist sehr viel
Zufall drin. Die ganzen Parameter, die
-
werden erst mal zufällig gesetzt und dann
Schritt für Schritt optimiert. Da ist es
-
sehr interessant, wenn man mehrere Netze
gleichzeitig trainiert und dann schaut,
-
wenn ich eine Korrelation zwischen diesen
Netzen bilde, welche Position, welches
-
Wort in dem Satz zum Beispiel ist
eigentlich jetzt besonders wichtig. Und
-
das ist das Prinzip hinter diesen
attention networks, die im Moment
-
ziemlich, ziemlich angesagt sind, weil sie
sehr gute Ergebnisse bringen. Das ist das,
-
was wir gerade gesehen haben. Das heißt
wir hatten also einen Input. Und jetzt
-
noch die Frage: Was war eigentlich der
Input? Dieses Netzwerk, was ich benutzt
-
habe, ist trainiert, mehr oder weniger auf
den kompletten Kanon der amerikanischen
-
Lyrik, und zwar so, dass der Input immer
die erste Zeile eines Gedichts ist und der
-
Output die zweite. Eigentlich ist das ein
Algorithmus, der häufig verwendet wird für
-
automatische Übersetzung. Wenn ich zum
Beispiel vom Spanischen ins Englische
-
automatisch übersetzen will. Ich kann
jetzt aber eben auch was anderes
-
reinschmeißen in dieses Netz. Ich gebe dem
Computer die erste Zeile und der soll
-
dann die zweite Zeile eines Gedichts
vorhersagen. Und dazwischen, und das macht
-
es ein bisschen kompliziert, steht jetzt
also unser Modell, was eigentlich eine
-
mathematische Formel ist. Aber diese
mathematische Formel hat im konkreten Fall
-
160 Millionen unbekannte Parameter,
-
trinkt
-
die optimiert werden und das
ist der Grund, warum man
-
tatsächlich sagt: Diese Deep Learning
Modelle sind letzten Endes Blackbox
-
Modelle, weil selbst wenn ich weiß, wie
das funktioniert, habe ich eigentlich
-
keine Chance mehr herauszufinden, welchen
Einfluss welcher dieser 160 Millionen
-
Parameter auf mein Modell nachher hat. Ich
kann nur über weitere Verfahren z.B. über
-
generative Modelle versuchen,
herauszufinden, welche Muster hat denn
-
dieses Modell eigentlich gelernt? Und das
ist wieder ein ganz interessanter Ansatz,
-
um neue kreative Elemente, Werkzeuge zu
finden. Also hier zum Beispiel, was wir
-
sehen. Das ist sehr viel, was hier
verwendet wird, einerseits, in diesen
-
Videos nennt sich Style Transfer, aber
auch Deep Dream und gerade Deep Dream,
-
mein Algorithmus, der eigentlich
entwickelt worden ist, um wieder zu
-
visualisieren, welche Muster diese tiefen
neuronalen Netze eigentlich gelernt haben.
-
Das heißt, es entstehen also neue Tools
und ich glaube, das ist eigentlich im
-
Moment auch der Stand, den wir tatsächlich
haben, bei der Frage: Was ist eigentlich
-
künstliche Kunst heute? Wir haben, glaube
ich, keine künstliche Kunst, sondern was
-
wir haben, ist, dass wir ziemlich coole
Tools haben, die wir verwenden können, die
-
interessante Sachen machen. Denn die Frage
ist ja: Wenn wir es hinbekommen, dass ein
-
Computer etwas produziert, was aussieht
wie Kunst, reicht das, dass das Kunst ist.
-
Und da würde ich sagen: Nein, das reicht
nicht. Wir haben zwar viele kreative
-
Sachen, die wir verwenden können, die aber
eigentlich auch nichts anderes sind als
-
eine neue Art von Pinsel oder so. Wo wir
halt neue Verfahren anwenden können. Und
-
wir selber sind aber kreativ. Wir benutzen
das, wir erschaffen damit etwas Neues. Der
-
Computer erschafft ja in dem Sinne gar
nichts. Der kriegt es zwar hin, uns
-
vorzugaukeln, dass da irgendwie was
rauskommt, was Kunst ist. Aber ich denke,
-
die meisten Leute werden mit mir
übereinstimmen, dass das eigentlich nicht
-
das ist, was wir meinen, wenn wir über
Kunst reden. Also zum Beispiel: sich heute
-
hinzusetzen - jeder, der Kunst studiert
hat, zum Beispiel, könnte sich theoretisch
-
hinsetzen und könnte vermutlich ziemlich
ziemlich gute Bilder malen, die sehr nach
-
Picasso aussehen. Das ist ja auch
teilweise gar nicht so schwer, was Picasso
-
da gemalt hat. Also Picasso zu simulieren,
ist sicherlich gar nicht die große
-
Herausforderung. Aber wer von uns möchte
sagen, dass er ein Picasso ist? Man merkt
-
schon, wenn wir über Kunst reden, geht es
eigentlich um mehr als nur darum, dass wir
-
das Publikum reinlegen. Das ist übrigens
generell, weil es soll ja auch um
-
künstliche Intelligenz gehen, ein großes
Problem an dieser alten Vorstellung des
-
Turing-Tests. Alan Turing, in seinem
Imitation Game, hat halt genau darauf
-
gesetzt; er hat gesagt, wenn wir einen
Computer bauen, wo Menschen nicht
-
unterscheiden können, denkt er jetzt
eigentlich oder denkt er nicht bzw.
-
Konversation mit dem Computer - der Mensch
kann nicht unterscheiden, rede ich mit
-
einem Menschen oder mit einem Computer?
Wenn wir das hinkriegen, haben wir echte
-
künstliche Intelligenz. Eigentlich Unfug,
weil nur weil ein Computer in der Lage
-
ist, uns Menschen reinzulegen, heißt das
ja noch lange nicht, dass er wirklich dazu
-
in der Lage wäre, ja, zu denken, einen
Verstand zu produzieren. Und das Gleiche
-
gilt bei Kunst. Nur weil irgendwas aus dem
Computer rauskommt, was vielleicht auch
-
für das ungeschulte Auge aussieht, als
wäre es Kunst, ist es damit ja noch lange
-
nicht das, was wir eigentlich mit Kunst
meinen, weil eben gerade diese diese
-
Kreativität fehlt. Weil das Neue fehlt. Es
wird gar nichts Neues erschaffen. Und da
-
ist der Hauptgrund dafür, dass diese
Systeme erzkonservativ sind. Die lernen
-
aus großen Datenmengen Muster, die dann in
diesen Daten schon drin sind. Die
-
erschaffen aber in dem Sinne gar nichts
Neues. Es ist wirklich Pattern
-
Recognition. Das heißt nur ein Muster, was
schon vorhanden ist in den Daten und
-
eigentlich auch nur ein Muster, was schon
deutlich vorhanden ist, selbst wenn es
-
vielleicht ein Muster ist - da sind diese
Systeme sehr, sehr gut - was wir selber
-
gar nicht erkennen würden. Die leisten
schon da was, aber sie leisten eben genau
-
das. Sie leisten Mustererkennung, sie
finden irgendwelche Muster und sind dann
-
in der Lage, diese Muster zu
reproduzieren. Das ist eigentlich genau
-
das Gegenteil von dem, was wir uns
vorstellen, wenn wir über Kunst reden.
-
Jetzt kann man allerdings einwenden - und
ihr merkt, das dreht sich jetzt die ganze
-
Zeit immer, es ist es ein sehr
dialektischer Talk - man kann jetzt
-
einwenden: Na ja, gut, Determinismus und
Kunst, das passt nicht zusammen. Aber die
-
Negation des Determinismus, das ist ja der
Zufall. Also wenn etwas zufällig ist, ist
-
es nicht determiniert. Ist durchaus was
dran. Jetzt ist der erste Punkt schon mal:
-
Allein von der Technik steckt in diesen
Deep Learning Modellen extrem viel Zufall.
-
Jeder dieser 160 Millionen Parameter, über
die ich vorhin gesprochen habe, ist
-
zufällig gesetzt (jetzt kann man sich
immer noch fragen, gibt es eigentlich
-
wirklich ein Zufall in Computern? Das ist
eine andere, das ist eine
-
computerwissenschaftliche Metadebatte,
weil der Computer muss ja irgendwie diese
-
Zufallszahlen entwickeln. Lassen wir mal
raus.) Nehmen wir mal an, die
-
Initialisierung dieses Netzes ist
tatsächlich zufällig. Und dann ist es
-
sehr, sehr leicht, an jeder Stelle noch
einmal zusätzlichen Zufall zu injizieren,
-
wenn ich das möchte. Das heisst also, ich
kann Systeme erzeugen, die tatsächlich
-
zufällig was Neues produzieren. So. Jetzt
ist Zufall und Kunst aber ja auch noch
-
nicht ganz das Gleiche. Wenn wir das
machen würden, dann wäre ja noch die
-
Frage: Ist das, was rauskommt, jetzt Kunst
oder kann das weg? Ist das jetzt einfach
-
irgendwie Schrott, der produziert worden
ist? Oder ist da irgendwas dran? Und da
-
wird's jetzt spannend, weil da ist
eigentlich die Kunsttheorie, die sich zwar
-
sehr viel mit solchen Fragen schon
auseinandergesetzt hat, aber eigentlich
-
relativ schlecht aufgestellt.
-
Woran mache ich das denn jetzt fest,
was wirklich Kunst ist?
-
Dann kommt sehr schnell der
Betrachter rein. Das Publikum.
-
So da ist aber auch die Frage:
Wer ist das Publikum?
-
Wenn wir einfach sagen würden, das
Publikum ist, wer auch immer das sieht?
-
Dann hatten wir ja vorhin schon den Test,
-
dann müssen wir jetzt sagen, okay, das ist
Kunst gewesen, weil es gab ja bei jedem
-
der Gedichte einige Leute, die gesagt
haben, das halte ich für Kunst.
-
Wenn ich vom allgemeinen Publikum weggehe,
dann wird es sehr schnell sehr elitär.
-
Dann bin ich bei der Frage, Kunst ist ei-
gentlich das, was entweder Institutionen
-
mit Macht, wie der Kunstmarkt, schätzen
oder Personen mit Autorität.
-
Kunst ist, was andere Künstler sagen,
was Kunst ist,
-
oder was Kunstkritiker sagen,
was Kunst ist.
-
Kunst ist, was sich auf dem
Kunstmarkt verkauft.
-
Auch da ist man jetzt in einem Bereich, da
-
gibt's ganz viele Widersprüche drin und
auch ganz viele widersprüchliche Theorien.
-
Viele Leute würden das auch sagen, nein,
das stimmt nicht. Kunst ist - ja was denn
-
eigentlich? Was als Kunst empfunden wird?
Da ist man wieder bei der Frage, von wem
-
denn eigentlich empfunden? Also, wenn wir
diese elitären Ansätze nicht wollen, haben
-
wir ein Problem an der Stelle, wenn wir
sie akzeptieren in irgendeiner Art und
-
Weise, dass wir sagen, es gibt eine
Autorität, die darüber entscheidet, was
-
Kunst ist und was nicht Kunst ist. Dann
sind wir heute an dem Punkt, dass
-
neuronale Netze eigentlich die
Entscheidungen dieser Autorität selber mit
-
simulieren können. Da sind wir bei einer
neuen Klasse von neuronalen Netzen,
-
sogenannten GANS - Generative Adversarial
Networks.
-
Das Prinzip ist ziemlich einfach, weil das
Prinzip ist genau das Gleiche,
-
was wir vorhin am Anfang mit den
Gedichten gesehen haben.
-
Ich kann jetzt (während ich das
Modell trainiere, was die
-
Gedichte baut) einfach ein zweites
Netzwerk noch dazunehmen und das
-
entscheidet, das kriegt echte Gedichte und
die produzierten Gedichte, und dieses
-
zweite Netzwerk soll sagen, war das echt
oder war das nicht echt? Und jedes Mal,
-
wenn das zweite Netzwerk eine richtige
Entscheidung trifft, wird der Computer
-
dafür belohnt. Aber jedes Mal, wenn das
erste Netzwerk es schafft, dem zweiten
-
Netzwerk ein falsches Gedicht
unterzujubeln, wird der Computer auch
-
belohnt. Und dann habe ich eine eine
ziemlich komplizierte mathematische
-
Formel, die ist dann auch nicht so einfach
zu optimieren, weil ich dann zwei
-
unterschiedliche Sachen gleichzeitig
optimieren will. Es geht aber theoretisch.
-
Das heißt also, wenn wir nur genügend
Informationen darüber hätten, wie diese
-
Autorität, wer auch immer das sein soll,
entscheidet, was Kunst ist und was nicht,
-
dann können wir das rein technisch machen
und können vermutlich sogar konsistentere
-
Entscheidungen in diesem Bereich treffen
als die wirkliche Autorität dies tut.
-
Insofern sind wir eigentlich jetzt bei dem
Punkt, dass man sagen muss, na ja, gut,
-
eigentlich ist alles beieinander. Wir
können, wenn wir die Frage, was Kunst ist,
-
einer externen Autorität überantworten
wollen, können wir das rein technisch
-
machen. Dann haben wir vielleicht immer
noch Probleme, die Systeme sind noch nicht
-
gut genug, und das ist wirklich auch
gerade Stand der Forschung. Da wird viel
-
dran gemacht. Die werden aber auch wirk-
lich jeden Monat besser. Da passiert so
-
viel in dem Bereich. Oder wir sagen, das
reicht für Kunst immer noch nicht aus.
-
Und das wäre meine Meinung.
-
Also ich glaube, dass es zur richtigen
Kunst dann immer noch etwas fehlt dabei.
-
Und da lehne ich mich
jetzt aus dem Fenster. Ich glaube, Kunst
-
ist intentional, auch wenn das etwas ist,
was viele Leute vielleicht so nicht teilen
-
werden. Ich glaube, es braucht eine
Intention. Es geht darum, dass man mit
-
irgendwelchen handwerklichen Methoden, mit
Malerei, Musik, Lyrik was auch immer,
-
versucht, irgendetwas auszudrücken, häufig
Gefühle, können aber auch abstrakte
-
Gedanken sein. Und mir geht es jetzt gar
nicht so darum, was der Künstler
-
eigentlich damit sagen will, also ob der
Künstler sich gedacht hat, ich will jetzt
-
ein Gedicht über den Winter schreiben, und
jeder andere liest darin ein Gedicht über
-
den Tod. Das ist mir eigentlich total
egal. Ich glaube nicht, dass es um die
-
Intention des Künstlers geht, sondern ich
glaube, dass es darum geht, dass das
-
Intentionale sich nachher in dem Kunstwerk
zeigt. Ob das dann übereinstimmt mit dem,
-
was der Künstler gedacht hat, wissen wir
sowieso nicht, weil wenn man die fragt,
-
lügen die meistens. Also ist es relativ
irrelevant, was sich der Künstler gedacht
-
hat. Aber dieser Prozess, dass irgendetwas
zielgerichtet gestaltet wird, das wäre
-
nochmal eine Negation des Zufalls. Wir
hatten den Zufall als Negation des
-
Determinismus, aber eigentlich müssen wir
jetzt auch noch einmal die Negation der
-
Negation da reinbringen. Und das wäre so
etwas wie Intention, Wille.
-
Und da kann man sich jetzt fragen,
gibt es das im Moment?
-
Momentan: Nein.
-
Aber kriegen wir das vielleicht in
den Computer rein?
-
Schwierig. Gibt's keine Ansätze, die da
wirklich vielversprechend sind.
-
In der Deep Learning Welt gibt's ein
paar Leute, die glauben, wir
-
kriegen das hin, wenn wir
einfach immer größere, tiefere neuronale
-
Netze bauen, die sich untereinander
befruchten in einer Art und Weise. Das
-
halte ich für Unfug, weil es wird ja immer
wieder das reproduziert, was man vorher
-
schon hatte. Man kommt da eigentlich gar
nicht raus. Aber: wenn man sich jetzt mal
-
fragt, gerade im Bereich Kunst, was ist
denn jetzt eigentlich das Intentionale
-
dabei? Das ist ja gar nicht so komplex,
oder es muss nicht unbedingt komplex sein,
-
es kann komplex sein, muss es aber nicht.
Ich glaube, wenn man Computer dazu kriegen
-
würde, und das ist halt das Projekt, an
dem ich eigentlich dran bin, allerdings
-
mit meiner Firma, versuchen wir, den
Bereich Strong AI -
-
Allgemeine Künstliche Intelligenz - da
irgendwie einen Schritt weiterzukommen.
-
Die Idee ist, dass man das
-
vielleicht darüber hinkriegt, dass man den
Computer dazu anleitet, zu widersprechen.
-
Der Widerspruch als die Grundform der
Intention. Und dann müsste man noch
-
irgendwie dazu kommen, dass der Computer
nicht nur widerspricht, sondern dass er
-
gleichzeitig versucht, die Gegensätze auf
einer höheren Ebene wieder versöhnbar zu
-
machen. Und dann sind wir bei der
Hegelschen Logik. Mein zweites
-
Lieblingsfeld - könnte ich jetzt den
ganzen Tag drüber reden, mach ich aber
-
nicht. Die Idee, da, ich mach's ganz kurz,
wäre, dass man sagt, dass man eine Logik
-
hat, die wirklich nicht binär ist, sondern
die versucht, Widersprüche denkbar zu
-
machen. Das ist, glaube ich, viel, viel
näher an dem dran, wie unser tatsächliches
-
Denken geht. Man kann es in drei ziemlich
platten Sachen zusammenfassen. Das erste
-
ist omnis determinatio est negatio. Das
heißt, alles, was bestimmt ist, ist eine
-
Negation. Eine erste Grundthese, dass
immer, wenn ich über irgendetwas rede, was
-
es ist, sage ich immer, was es nicht ist.
Zweite Grundthese wäre, die zwei Momente
-
der Identität, die zwei Momente des
Unterschieds sind die Identität und der
-
Unterschied. Und da merkt man schon, wenn
man sich das jetzt computermäßig
-
durchdenkt, komme ich da in eine rekursive
Schleife rein. Und das wird dann in einem
-
dritten Punkt noch einmal bestätigt. Die
Reflektion ist die Bewegung von nichts zu
-
nichts und dadurch zu sich selbst zurück.
Und ich glaube, dass das genau auch der
-
Weg ist, wie wir das hinkriegen können.
Dass Computer auch wirklich schon bald -
-
nicht erst irgendwie in 50 Jahren oder so
was, wirklich eigenständig Kunst
-
produzieren, weil sie sich von dem, was
sie gelernt haben, trennen, dadurch, dass
-
sie versuchen, das zu negieren. Das was
sie selber gelernt haben über Deep
-
Learning. Deep Learning ist total wichtig
dabei, weil ansonsten sind es einfach nur
-
Zahlen. Also erst durch Deep Learning kann
ich das überhaupt erst strukturieren, kann
-
da Muster drin finden. Das ist ja etwas,
was wir Menschen auch machen. Also Deep
-
Learning wird man brauchen, aber dann muss
das Gelernte negiert werden und diese
-
Negation umgeformt werden in etwas Neues,
in die Negation der Negation. Und wie das
-
genau gehen kann, ist ein ziemlich
schwieriges Konzept, aber.
-
Ja, das war so in etwa das, was ich,
was ich euch heute sagen wollte.
-
Mal sehen, ob ich noch etwas
vergessen habe.
-
Eigentlich können wir von
mir aus gerne jetzt schon in die
-
Diskussion einsteigen und gucken, ob euch
das irgendwie inspiriert hat oder ob ihr
-
findet, das war alles totaler Unfug.
-
Applaus
-
Herald: Ja, wunderbar, dann haben wir viel
Zeit zum Diskutieren und ich sehe, hier
-
gehts auch schon los, an Mikrofon 2.
Bitte!
-
Mikro 2: Hallo! Danke für den
inspirierenden Talk. War sehr schön. Du
-
hast sehr schön durchgeleitet durch die
Diskussion über Kunst und KI. Ich fand es
-
auch sehr gut, dass du nicht sofort
Stellung bezogen hast. Was ich aber
-
trotzdem glaube ist, dass es ein Irrweg
ist zu glauben, dass man sozusagen in der
-
Intention oder in dem, was das
kunstproduzierende Wesen in sich trägt,
-
sozusagen dann festmachen kann, ob es
Kunst ist. Wenn ich eine Banane an die
-
Wand klebe, dann kann ich noch so viel
Intention haben zu widersprechen. Das ist
-
keine Kunst. Wenn ich es aber auf der Art
Basel mache, dann wird es Kunst. Und ich
-
denke, das versteht man auch gut mit der
Unterscheidung zwischen System und Umwelt,
-
dass man sagt Kunst ist ein soziales
System. Und was dieses Kunstsystem als
-
Kunst akzeptiert und aufnimmt, und das ist
natürlich auch sehr flüssig, das wird
-
ständig neu verhandelt. Also, was vor 30,
40 Jahren Kunst war, ist heute nicht mehr
-
Kunst und umgekehrt. Ich glaube, das
bringt uns näher an ein Verständnis ran,
-
was Kunst ist, wenn man diese Frage
überhaupt beantworten möchte.
-
Simon: Ja, danke! Erst mal glaube ich, das
hatte ich ganz am Anfang schon versucht
-
anzudeuten, ich glaube, das das sowieso
auch eine falsche Idee wäre zu sagen, wir
-
wollen jetzt einen widerspruchsfreien
Kunstbegriff als Erstes und an dem messen
-
wir dann alles. Weil wie du richtig gesagt
hast, das verändert sich ja auch. Und auch
-
das ist so eine Grundthese bei Hegel, dass
Hegel sagt: Es ist unsere falsche
-
Zärtlichkeit den Dingen gegenüber, dass
wir deren Widersprüche immer uns anlasten
-
und nicht ihnen, weil die Dinge in
Wirklichkeit widersprüchlich sind und
-
Kunst ist natürlich, was total
widersprüchliches. Auf der anderen Seite
-
gerade das Beispiel mit "die Banane an die
Wand tackern" - was ist denn eigentlich
-
die Intention dabei gewesen? Da kommt eine
Schwierigkeit rein in der Debatte. Wir
-
haben ja gerade in der modernen Kunst eine
Intention, die vom Inhalt her darauf geht,
-
ich möchte eigentlich zeigen, dass die
Kunst als Ganze an ihre Grenzen gestoßen
-
ist. Das heißt also, ich habe schon eine
sehr widersprüchliche Intention. Deshalb
-
funktioniert es aber auch nur, wenn ich
das auf der Art Basel mache und nicht,
-
wenn ich das bei mir zu Hause mache. Da
fehlt, wie du sagst, der soziale
-
Resonanzraum dabei. So, aber an dem
Beispiel ist es ja trotzdem schön zu
-
sehen, dass sich auch die Gelehrten und
die Kritiker und so etwas sehr uneinig
-
sind darüber, ob das jetzt Kunst ist oder
nicht. Und woran entscheidet sich das
-
dann? Nämlich eigentlich an der Frage, ob
man diese Intention, diesen sehr
-
abstrakten Gedanken "Ich zeige
selbstironisch, dass alles Kunst sein
-
kann, wenn es nur im richtigen Raum ist"
(oder irgendwie sowas wird es ja
-
vermutlich gewesen sein), wenn ich den
mitgehe, dann kann ich sagen, das ist
-
Kunst. Ich kann aber auch sagen "ach, komm
Leute, das ist aber doch auch schon
-
tausend Mal gesehen..". Nur dann würde ich
auch wieder sagen, wenn es schon so
-
schwierig ist, bei dem was, was unsereins
sich so ausdenkt, also wir Menschlein,
-
festzustellen, ob das Kunst ist oder
nicht, dann ist der Anspruch, der an
-
Computer angelegt wird, zu sagen, da muss
man jetzt aber eindeutig entscheiden
-
können, ob das Kunst ist oder nicht,
natürlich auch sehr, sehr schwierig. Einen
-
wichtigen Punkt, gerade noch, weil ich den
vorhin vergessen hatte.. Eigentlich habe
-
ich mein ganzes Fazit vergessen, was ich
eigentlich noch sagen wollte. Jetzt geht
-
den Gedanken mal mit: Stellt euch mal vor,
stellt euch mal vor, wir haben jetzt
-
Computer, die Kunst schaffen, was auch
immer das ist. Mal angenommen, wir hätten
-
uns darauf geeinigt, was Kunst wäre und ab
wann man dem Computer das zugesteht, dass
-
er Kunst schafft. Und jetzt stellt euch
vor, wir haben einen solchen Computer,
-
tatsächlich, der Kunst schafft. Dann haben
wir plötzlich, sind wir in einem neuen
-
Zeitalter, weil dann etwas, was wir mehr
oder weniger exklusiv, klar, gibt
-
Diskussionen: Schimpansen machen die
Kunst, können die Kunst machen oder sowas,
-
aber wir sind bei etwas, was mehr oder
weniger exklusiv den Menschen vorbehalten
-
ist und wo wir ganz sicher in den nächsten
Jahren aber in eine Situation kommen
-
werden, wo wir uns fragen müssen, ob nicht
eigentlich Computer inzwischen kognitive
-
Fähigkeiten haben, die bislang exklusiv
beim Menschen gelegen haben und wo wir
-
auch unseren kompletten Umgang mit
Computern eventuell neu überdenken müssen.
-
Und das meine ich jetzt gerade nicht in
die Richtung Terminator Szenario, sondern
-
genau umgekehrt. Wie schützen wir
eigentlich künstlerisch schaffende
-
Computer vor den Menschen?
Herald: Ja, vielen Dank, ich habe gesehen,
-
wir haben auch Fragen aus dem Stream. Aber
ihr steht schon so lange, deswegen machen
-
wir erst mal Mikrofon 1.
Simon: Tut mir leid, ich antworte jetzt
-
kürzer.
Herald: Ne, das sollte jetzt nicht an dich
-
gehen. Mikrofon 1, bitte.
Mikro 1: Ja, hey. Ein Satz erstmal, ich
-
komme aus der Medienkunst, und ich denke,
es ist eine ziemlich steile These, dass
-
Menschen die Kunst studiert haben,
irgendwas malen können. Applaus Ich bin
-
schon ziemlich lang in der Kunst, ich
hatte noch nie nen Pinsel in der Hand.
-
Aber davon abgesehen, es gibt ja extrem
viele Menschen, die machen heute diese
-
Kunst, die eigentlich gar keine Kunst mehr
sein dürfte, nach irgendwelchen
-
Definitionen von [unverständlich]. Also
Menschen, die heutzutage Flachware
-
produzieren, können es ja super verkaufen.
Und eigentlich dürfte es ja gar keine
-
Kunst mehr sein, wir würden der AI das
abschreiben, dass es Kunst ist, wenn sie
-
es machen würden. Und deswegen ist meine
Frage, Kunst ist ja eigentlich ne soziale
-
Praxis. Das heißt einerseits soziale
Praxis sowieso, verkaufen und kaufen, aber
-
es ist hauptsächlich eine soziale Praxis,
weil ich auf Vernissagen rumhänge und Bier
-
trinke. Wie soll AI Kunst machen, ohne auf
Vernissagen rumhängen zu können und Bier
-
zu trinken? Simon: Das Rumhängen kriegen
wir glaub ich hin und das Diskutieren auch
-
irgendwann, das mit dem Bier trinken? Na
gut, aber klar. Kunst ist ein soziales
-
Phänomen, und das heißt, es findet in
einem sozialen Kontext statt. Und jetzt
-
kann ich mich auf den Standpunkt stellen,
dass ich sage, Kunst gibt es nicht
-
getrennt von diesem sozialen Phänomen und
nur wenn ich das komplette soziale Umfeld
-
reproduzieren kann, dann wäre es auch
Kunst. Ich könnte mir aber jetzt zum
-
Beispiel vorstellen, dass ich Vernissagen
habe, wo Computer mit Computern rumhängen
-
und vielleicht kein Bier trinken, sondern
Strom konsumieren oder sonst irgendwas,
-
was dann auch sehr spannend wird, wenn wir
uns vorstellen, dass es vielleicht Kunst
-
gibt, die gar nicht für Menschen gemacht
wurde, sondern für Computer von Computern.
-
Ja, aber generell kann ich nur sagen: Ja,
genau. Du hast völlig recht. Das sind halt
-
die Widersprüche darin. Wir glauben immer,
es gäbe diesen festen Kunstbegriff und
-
messen daran das, was KI macht. Aber
selbstverständlich ist das, was du, was du
-
ansprichst, ist ja eigentlich schon wahr.
Es ist ja schon so, dass KI Kunst bei
-
Sotheby's verkauft wird und sonst was. Ich
find's eigentlich unbefriedigend auf diese
-
elitären Kunstbegriffe zu schauen und zu
sagen Kunst ist, was am Markt funktioniert
-
oder wo es eine Vernissage gibt. Aber dein
Punkt ist richtig, leuchtet mir ein.
-
Herald: Mal eine Frage von der zwei und
dann fragen wir den Stream. Hier das
-
mittlere Mikro genau.
Mikro 2: Ja, erst mal Danke für deinen
-
Vortrag. Ich habe auch Kunst studiert, und
ich muss sagen, ich habe durchgängig die
-
Hände überm Kopf zusammengeschlagen
während deines Vortrags.
-
Simon: Ich hab keine Kunst studiert.
Mikro 2: Erstmal will ich ne kleine Kritik
-
geben und dann dann eine Frage daraus
formulieren. Erstens gibt's nicht mehr die
-
Kunst, sondern es gibt die Künste. Das ist
unglaublich weit gespreadet. Und weiterhin
-
mit einem vereinheitlichten Kunstbegriff
zu arbeiten, macht überhaupt keinen Sinn.
-
Worauf ich mich frage, Wieso, wenn man in
diesem Feld forscht oder das
-
zusammenbringen möchte.. Ich meine, sie
haben ja auch Picasso gebracht. Und Hegel?
-
Ich meine, mein Gott, Hegel ist über 250
Jahre alt. Wie kann man im 21. Jahrhundert
-
ein Forschungsfeld auf einem
philosophischen System von Hegel aufbauen?
-
Oder das mit seiner Theorie füttern? Es
gibt.. Also dann bitte wenigstens Bruno
-
Latour.. Also irgendwas aus dem 20., 21.
Jahrhundert nehmen, aber nicht aus dem
-
achtzehnten.
Simon: Warum?
-
Mikro 2: Weil, weil dieses System von
Hegel. Das ist eine philosophische Frage.
-
Aber selbst das hat nur funktioniert, weil
es wahnsinnig ausschließend war. Aber ich
-
frage mich so ein bisschen, ja, mit
welchem Kunstbegriff arbeiten Sie, wenn
-
Sie sozusagen in diesem Feld forschen?
Also sozusagen, gehen Sie jetzt von so
-
klassischen künstlerischen Bereichen aus,
oder nehmen Sie auch neuere künstlerische
-
Phänomene, neuere, die auch schon 80 Jahre
alt sind oder älter? Also sozusagen.. was
-
wird da eingespeist, um zur KI Kunst zu
kommen?
-
Simon: Ja, vielen Dank, aber da muss ich
leider widersprechen, gerade wenn ich
-
sage, es gibt nicht den Kunstbegriff,
sondern es gibt viele Künste. Dann
-
unterstelle ich damit ja, dass diese
Künste alle irgendwie etwas gemeinsam
-
haben, was sie als Kunst macht. Ich komme
aus dem, was ist Kunst? Aus der Frage gar
-
nicht aus. Dadurch, dass ich sage Kunst
ist eine Vielzahl von Sachen, weil ich
-
sage ja, jedes einzelne dieser "Kunst" hat
an sich das, was Kunst irgendwie macht.
-
Dass wir diesen Begriff nicht bestimmen
können, habe ich glaub ich, vorhin ja auch
-
schon gesagt. Das liegt aber eben auch
daran, dass es ein in sich
-
widersprüchlicher Begriff ist, der auch
nicht konstant ist, dass ist keine
-
absolute Wahrheit. Die Kunst, die es gibt.
Mir ging es halt gerade darum, das
-
eigentlich deutlich zu machen und zu
zeigen, dass wir, wenn wir über KI Kunst
-
reden, dann plötzlich mit ganz harten
Maßstäben rangehen, die wir ansonsten bei
-
einem Kunstbegriff nie gelten lassen
würden. Und das mit Hegel. Das ist halt
-
einfach... es hat einen meiner Meinung
nach, aber da stehe ich ziemlich alleine
-
da, ich bin ein Outsider in dieser Frage,
es hat meiner Meinung nach einen
-
philosophischen Umbruch gegeben, der mit
Kant angefangen hat und der unser
-
komplettes wissenschaftliches Weltbild,
was wir heute als das wissenschaftliche
-
Weltbild kennen, eigentlich damals schon
in Frage gestellt hat, was noch gar nicht
-
richtig einbezogen wurde. Es gab die
Versuche, 1980 Gotthard Günther in den USA
-
das in den Bereich der KI reinzubringen,
und ich glaube, dass das sehr, sehr
-
fruchtbar ist. Aber es ist ein Rogue
Ansatz, den außer mir niemand groß
-
verfolgt, und ich freue mich auch, wenn
andere Leute etwas anderes machen.
-
Vielleicht lass ich es auch einfach.
Herald: Dann hätte ich jetzt gerne einmal
-
den Signal-Angel, die Fragen aus dem
Stream. Das Mikro geht nicht.
-
Signal Angel: Test, Test? Ja, der Stream
hat mal eine kürzere Frage, wo es einfach
-
heißt Kannst du bitte was zur KI bei der
Erzeugung von Musik sagen? Und da den
-
aktuellen Stand der Dinge mal so ein
bisschen zusammenfassen?
-
Simon: Das geht ganz schnell. Das sind
eigentlich die gleichen Algorithmen wie
-
vorher. Das meiste, was momentan gemacht
wird bei der Erzeugung von Musik, ist,
-
dass ich midi-Dateien nehme. Dann hab ich
die schon codiert und dann kann ich die
-
midi-Dateien im Prinzip behandeln wie
Texte oder wie Bilddateien und kann genau
-
die gleichen Algorithmen da drauf
schmeißen. Ich habe es ausprobiert. Klingt
-
sehr random. Ich habe es aber auch auf
allen Yes-Platten trainiert. War
-
vielleicht auch nicht so klug.
Herald: Dann bitte Mikro 2 in der Mitte
-
nochmal.
Mikro 2: Vielen Dank für die interessante
-
Einführung. Ich hätte auch noch einen
Kommentar und zwar finde ich, dass die
-
Kunst einfach dazu da ist, um uns selbst
zu befreien. Und deshalb finde ich diese
-
externen Autoritäten, die du da vielleicht
auch mit einspielen möchtest in die KI -
-
du, du wolltest ja damit spielen. Die
haben da nichts zu suchen, also jegliche
-
Form von Autorität, hat in der Kunst
meiner Meinung nach nichts zu suchen. Und
-
weil alles, alles, was passiert ist, und
alles, was nicht passiert, ist eben
-
relevant für Kunst gewesen. Und ich finde
es auch schwierig, sich nur darauf zu..
-
oder nur darauf zu schauen, ob letztlich
was produziert werden kann, weil darum
-
gehts irgendwie gar nicht. Es geht darum,
dass es eine Intention gibt, aber eben
-
auch eine Intensität gibt. Und das ist das
eigentlich Relevante. Würde ich sagen.
-
Simon: Würde ich dir einfach total recht
geben. Also, das, .. ich glaube, es wäre
-
total super, wenn wir es hinkriegen
würden... mit produzieren meine ich jetzt
-
nicht unbedingt als Ware produzieren oder
sowas, sondern ich meine, wenn wir es
-
hinkriegen würden, dass Computer was
machen, was bei uns tatsächlich was
-
bewegt. So. Aber dann hängen halt andere
Fragen dran, bewegt es, wenn Computer das
-
tatsächlich können, bewegt es vielleicht
bei den Computern auch was? Man ist da
-
schon... Also es gibt da nochmal eine
Meta-Ebene dazu. Aber alles, was du gesagt
-
hast, finde ich total richtig.
Herald: Machen wir weiter mit Mikro 2.
-
Mikro 2: Also, ich würde gern zwei Punkte
ansprechen. Einmal finde ich.. In dem
-
Zusammenhang könnte man nochmal auf die
Debatte um die Frage, ob Fotografie
-
eigentlich Kunst ist, sicherlich nochmal
eingehen. Weil vieles, was wir jetzt auf
-
dem Bildschirm z.B. gesehen haben, könnte
man eigentlich so als
-
Informationsverarbeitung sehen? Im Prinzip
das, was eine Kamera auch macht.
-
Simon: Ist es auch, ja.
Mikro 2: Und die Entwicklung davon - wann
-
wurde Fotografie als Kunst anerkannt und
warum überhaupt? Und der zweite Punkt ist
-
mir gerade entfallen.
Simon: Ja, auch das zeigt ja wieder, was
-
Kunst ist, das verändert sich historisch.
Und ich glaube, wenn ich einen
-
philosophischen Gedanken dazu sagen darf.
Es gibt ja diese Schrift, "Das Kunstwerk
-
im Zeitalter seiner technischen
Reproduzierbarkeit", wo es auch sehr viel
-
um die Fotografie geht. Ich glaube, dass
wir halt jetzt eben noch einen Schritt
-
weiter sind, dass wir jetzt eigentlich
über das Kunstwerk im Zeitalter seiner
-
technischen Produzierbarkeit nachdenken
müssen. Aber auch das wird nicht dazu
-
führen, dass jetzt alles plötzlich nicht
mehr, nicht mehr gilt und nichts mehr
-
Kunst ist und alles nur noch Scheiße.
Irgendwas wird passieren, das verändert
-
sich da gerade sehr viel und der Talk
heute ist eigentlich genau dafür da, um
-
dafür ein bisschen zu sensibilisieren und
darüber nachzudenken, was da eigentlich
-
passiert, weil die Antworten habe ich ja
gar nicht.
-
Herald: Wir haben noch Fragen vom Signal
Angel, aber wir machen ja, ihr steht so
-
geduldig, deswegen machen wir weiter mit 2
erstmal.
-
Mikro 2: Genau, der Mensch kann stehen und
Signal nicht. In der Frage sozusagen, was
-
ist Kunst, worum sich das immer dreht,
habe ich mich jetzt gefragt, ob eben die
-
KI oder der Computer die Antwort geben
kann.
-
Simon: Ja, ja, das ist halt genau der
Punkt. Wenn wir, wenn wir auf der einen
-
Seite einen harten Kunstbegriff haben,
also wie ich es versucht hatte so
-
einzuleiten, dass wir halt sagen, rein,
die reine Simulation, das reicht uns nicht
-
aus. Wir wollen, dass da irgendwie was
drin ist, was wir eigentlich dem Menschen
-
zuschreiben. Kreativität oder Intention
oder keine Ahnung, wie man das dann
-
tatsächlich fasst. Wenn wir dann aber
davon ausgehen, dass es Computer gibt, die
-
sowas hinbekommen, dann können die, und
das ist jetzt die Antwort auf die Frage,
-
dann können die vielleicht auch darüber
nachdenken.
-
Mikro 2: Ja, aber macht es uns vielleicht
zum Menschen, dass wir erkennen, dass eine
-
angetapte Banane Kunst sein kann?
Simon: Ja, aber wenn ein Computer das
-
erkennen könnte...
Mikro 2: Und nicht, dass wir die Banane
-
ankleben können?
Simon: Ja, ist schon klar. Genau das,
-
genau das meine ich auch. Wenn wir uns
vorstellen, das ist ein
-
Gedankenexperiment, weil ich sage, es gibt
im Moment keine Computer, die wirklich
-
Kunst machen. Aber wenn wir uns
vorstellen, dass es Computer gäbe, die
-
Kunst machen könnten, dann können wir uns
auch vorstellen, dass es Computer gäbe,
-
die Kunst verstehen können. Und dann sind
wir halt plötzlich in genau der Frage, was
-
macht uns denn eigentlich als menschliche
Lebewesen aus in einem Bereich, wo wir
-
sagen müssen, sind da nicht eventuell
plötzlich fundamentale Grundsachen des
-
menschlichen Daseins auf ein technisches
Artefakt übergegangen? Und was heisst das?
-
Und reden da wir nicht eigentlich über das
Zeitalter des Transhumanismus?
-
Mikro 2: Könnte der Computer dann
vielleicht etwas als Kunst definieren, das
-
uns selbst verborgen bleibt?
Simon: Ich könnte mir tatsächlich solche
-
Szenarien vorstellen, wo Computer Kunst
für Computer produzieren, die wir
-
überhaupt nicht mehr verstehen können.
Herald: Und wir stehen nur noch staunend
-
daneben und müssen das über uns ergehen
lassen. Machen wir mit 2 weiter.
-
Mikro 2: Genau, einmal noch die Frage,
gibt es oder gibt es deiner Meinung nach
-
überhaupt die Möglichkeit, dass man sagt,
die Kunst ist jetzt von der KI, weil
-
eigentlich spielt ja eigentlich auch alles
mit ein, wer am Ende die KI geschrieben
-
hat, kann man auch gleich wieder auf
Hegels Weltgeist beziehen, das ist jede
-
Kleinigkeit eigentlich am Ende auf das
Endprodukt einspielt.
-
Simon: Die Frage nach der Urheberschaft.
Das ist etwas, was man momentan rechtlich
-
zum Beispiel behandelt wird. Und was sich
ja, was sich anschliesst, einfach. Also,
-
wenn es einen Urheber gibt, wird es
sicherlich ein Kollektiv sein. Weil dann
-
müsste man ja sagen, wer hat denn
eigentlich an der Entwicklung der
-
Algorithmen mitgearbeitet? Das meiste
davon ist Open Source. Das sind große
-
Entwickler-Communities, die das machen.
Die großen Internetfirmen spielen da eine
-
große Rolle. Facebook, Google, Baidu, die
treiben diese Entwicklung voran. Dann ist
-
aber hier immer noch die Frage, wer die
Daten zur Verfügung gestellt oder ist
-
vielleicht in diesem Sotheby-Beispiel, wo
dann KI-Kunst versteigert wurde, gab es
-
auch jemanden, der gesagt hat, mir kommt
es so vor, als hättet ihr der KI einfach
-
alle meine Bilder gegeben und die hat
daraus jetzt was Neues gemacht. Eigentlich
-
bin ich der Maler, also die Urheber-Frage
ist einerseits philosophisch sehr, sehr
-
schwierig, wird vermutlich dann aber
irgendwie plump rechtlich behandelt
-
werden. Und im Moment gibt's den Fall,
geht's um Patente, es gibt Patente in den
-
USA, die bewilligt sind, die von einer KI
geschrieben wurden. Und da stellt sich
-
jetzt die Frage, wer ist eigentlich der
Erfinder? Aber meistens werden diese
-
Sachen dann halt irgendwie rechtlich
rechtlich bearbeitet, damit es gut ist für
-
die Wirtschaft und dann geht es weiter.
Aber philosophisch ist das eine total
-
spannende Frage.
Herald: Jetzt noch einmal mein Signal
-
Angel, was haben wir noch aus den sozialen Medien?
Signal Angel: Ja, und noch eine
-
Frage via Twitter. Hast du Tipps, wie man
als AI-Neuling in das Thema Kunst mit AI
-
machen einsteigen kann?
Simon: Ja, weil wenn man das, was momentan
-
richtig spannend ist meiner Meinung nach
sind halt diese deep learning Geschichten.
-
Und deep learning ist wirklich eine recht
offene Community, die gleichzeitig aber,
-
wie gesagt, von den großen
Internetkonzernen aus anderen Interessen
-
genommen wird. Wir haben PyTorch als
Entwicklerumgebung oder TensorFlow. Wenn
-
wir TensorFlow nehmen, das ist unter dem
Dach von Google. Und auf der TensorFlow
-
Seite gibt es sehr schöne Tutorials, wie
man generative Modelle in TensorFlow bauen
-
kann. Aber momentan ist es noch so, dass,
wenn man da richtig einsteigen will, dass
-
es tatsächlich auch ein Stück weit
programmiertechnische Kenntnisse
-
erfordert, das umzusetzen.
Herald: Ok, machen wir weiter mit 2 in der
-
Mitte.
Mikro 2: Du bist an einer Stelle davon
-
ausgegangen, dass KI bloss Muster erkennt,
aber der Mensch was Neues erschaffen kann.
-
Da stelle ich mir die Frage, was macht
denn unser Hirn anderes, ausser in sehr,
-
sehr viel komplexer als die KI natürlich,
was machen wir denn anderes, als einfach
-
Muster aus der Umwelt aufzunehmen und die
neu zusammenzusetzen? Aber im Prinzip ist
-
das ja auch nichts Neues.
Simon: Das ist eine ganz große Frage immer
-
noch in der Kognitionswissenschaft, ob wir
was anderes machen oder nicht. Legst du
-
auch wieder den Finger auf eine
Sollbruchstelle, sozusagen, in meiner
-
Argumentation. Ich glaube, dass wir etwas
anderes machen, als einfach nur Muster
-
erkennen. Es gibt aber viele Forscher, die
sagen würden, nein. Es gibt auch viele,
-
die sagen, es gibt keinen freien Willen
und es gibt gar keine Kreativität, sondern
-
das ist einfach nur Neuronenfeuer, was bei
uns im Gehirn funktioniert. Wenn ich davon
-
ausgehe, kann ich natürlich der deep
learning Community folgen und sagen, okay,
-
dann mache ich jetzt halt die Netze immer
tiefer und noch tiefer und noch tiefer und
-
noch tiefer. Und dann gibts irgendwann den
kreativen Funken, auch wenn ich ihn nicht
-
mehr verstehe, der dann da reinkommt. Ich
glaube aber, dass wir etwas anders machen.
-
Ich glaube schon, dass wir nicht nur
Muster erkennen, sondern dass wir halt
-
eben Widersprüche generieren. Dass wir
anfangen zu spekulieren und dass
-
Spekulation wirklich etwas ist, was über
die Muster, die wir haben, hinausgeht. Zum
-
Beispiel neulich habe ich ein Kind auf der
Straße getroffen, kam mir entgegen mit
-
seinem Vater, und ich hatte meinen
Fahrradhelm auf. Aber der Fahrradhelm hat
-
so ein Visier. Ok, sieht albern aus
vielleicht, aber ist wirklich gut gegen
-
die Sonne und so. Und das Kind hat gesagt,
schau mal, Papa, ein Motorradfahrer. So,
-
was hat es gemacht? Es hat also einerseits
ein Muster erkannt, Helm mit Visier, hat
-
aber andererseits gleich angefangen zu
spekulieren und hat gesagt, deshalb war
-
das ja auch nur überhaupt relevant, dieses
Muster ist auf diese neue Situation
-
anzuwenden. Und das fällt KI im Moment
noch sehr, sehr schwer, selbst solche ganz
-
einfachen Sachen. Wir bauen zehntausende,
hunderttausende von Trainingsbeispielen,
-
um überhaupt irgendwelche Muster zu
erkennen. Wir Menschen kommen mit 5
-
Beispielen normalerweise aus.
Herald: Bleiben wir bei der 2.
-
Mikro 2: Ein Begriff, den ich noch
einbringen wollte, ist der Begriff der
-
glitch art. Und ich glaube, da kommt
dieses hegelsche Bild, was du vorher
-
reingebracht hast, ganz gut zum Vorschein,
weil man damit sagen könnte, das sind
-
nicht einfach nur interessant aussehende
Verarbeitungsfehler, sondern wenn man das
-
bei KIs betrachtet, vielleicht kommen wir
da dann irgendwann zu einem Punkt zu
-
sagen, ok, da erkennen wir tatsächlich die
Verweigerung der KI, das zu machen, was
-
wir eigentlich von ihr wollten. Und ja,
das ist ein ziemlich spannendes Feld, was
-
man aus deiner Perspektive vielleicht ganz
gut betrachten kann.
-
Simon: Danke für die Anregung. Das muss
ich mir anschauen, das klingt gut.
-
Herald: Da machen wir nochmals schnell den
Signal Angel drüben.
-
Signal Angel: Und die nächste Frage via
Twitter. Ist die Negation, also der
-
Widerspruch des Computers, nicht auch eine
von außen herangetragene und damit nicht
-
internationale Konstruktion, die im
Kontext Computer bleibt und damit keine
-
Kunst?
Simon: lacht Ja, natürlich ist sie das.
-
Nur, jede Form hat selber einen Inhalt und
jeder Inhalt hat eine Form und irgendwann
-
dreht das Ganze sich halt um. Aber, ja,
das ist, an einer Stelle hatte ich darauf
-
hingewiesen, ich kann mich sogar fragen,
ob irgendwas, was ein Computer produzieren
-
kann, tatsächlich Zufall sein kann, weil
es ja letzten Endes ein deterministisches
-
System ist. Aber spätestens wenn wir
Quantencomputer in die Rechnung nehmen,
-
sieht es vielleicht nochmals anders aus.
Aber bislang sieht es so aus, als würden
-
wir auch, schade, dass wir den
Quantenvortrag jetzt nicht hören können.
-
Eigentlich sieht es so aus, als würden wir
sehr viel, was man mit Quantencomputern
-
machen kann, auch auf normalen Computern
machen können. Aber da ist irgendwie ein
-
Widerspruch, dass wir einerseits, offenbar
kann, kann irgendwas über Systeme hinaus
-
da entstehen, glaube ich, schauen wir mal.
Herald: Wir machen einmal Mikro 3, dann
-
bist du endlich mal dran.
Mikro 3: Ich wollte noch einmal kurz auf
-
diese Intention eingehen. Ich bin auch
Malerin, und ich habe auch Kunst studiert
-
und ich find.. ja, was langweiliges..
Malerin... Ich finde das überhaupt, also
-
meine Intention, wenn ich anfange, ein
Bild zu malen, ich fände es super
-
langweilig, wenn das dann genauso wird wie
meine Intention ist, wenn da eins zu eins,
-
das abgebildet wird, was in meinem Kopf
als Ausgangsidee war. Das bedeutet,
-
während ich male, reagiere ich mit dem
Bild auf das, was, also ich muss wirklich
-
auf dieses Bild reagieren, zuhören,
wegnehmen. Dann ist irgendwie noch so ein
-
Realitätsaspekt. Ich habe irgendwie das
Gefühl, es sind so mehrere Elemente
-
vereint, und ich reagiere einfach nur. Und
dann, je besser ich irgendwie zuhöre und
-
reagiere, desto interessanter wird
eventuell das, was passiert und ich komme
-
jetzt vielleicht nicht ganz woanders an,
aber ... schon. Und trotzdem ist dann ja
-
nicht alles, was ich gemalt habe Kunst.
Das heißt, ich suche ja auch noch aus, was
-
danach jetzt Kunst ist und was nicht. Ich
fände es super interessant, wenn ich jetzt
-
so KI hätte, die das jetzt analysiert,
welches Bild für mich, was ich jetzt im
-
Endeffekt auswähle und was jetzt Kunst ist
und was nicht. Und ich für mich würde dann
-
sehen, ah ok, das ist irgendwie mein
Kunstbegriff. Und wenn man jetzt irgendwie
-
ganz viele Künstler nehmen würde, die
dann... also das mit ganz vielen Künstlern
-
machen würde, vielleicht würde, könnte man
das - und die KI würde das halt lernen von
-
ganz vielen Künstlern, vielleicht würde
man da dann irgendwie irgendwo hinkommen.
-
Aber ja, zum Beispiel für mich ist Kunst,
der beste Begriff, den ich kenne, ist,
-
dass Kunst Wissenschaft ohne Ziel ist, was
jetzt auch dem widersprechen würde, was du
-
sagst. Und dann könnte man natürlich auch
noch sagen, macht die Natur Kunst, ist das
-
irgendwie Kunst und Wissenschaft vereint.
Und wir sind einfach nur doof, dass wir
-
das alles trennen, und haben es einfach
noch nicht verstanden. Wir sind totale
-
Anfänger, und die macht das schon seit
super langer Zeit. Und Kunst ist überhaupt
-
nicht irgendwas, was jetzt nur der Mensch
macht.
-
Simon: Zum ersten Teil. Ich glaube, das,
was du dir da - sag ich jetzt mal -
-
wünschst, für die praktische Arbeit, da
ist man schon sehr weit. Ich glaube, das
-
sind Sachen, die tatsächlich sehr bald
auch schon auf dem Niveau funktionieren
-
werden, dass auch professionelle Künstler
damit arbeiten wollen, dass da was bei
-
rumkommt. Es hat natürlich immer das
Problem. Wenn ich einzelne Künstler nehme,
-
zum Beispiel nur deine Bilder und dann von
allem, was du malst, soll der Computer
-
jetzt entscheiden, was passt am besten zu
dem, was du bislang gemacht hast? Dann
-
habe ich wahrscheinlich nicht genügend
Daten. Genau. Und wenn ich aber alle
-
Bilder der Welt nehme, dann entsteht halt
dieses "reduced to the mean". Dann kommt
-
halt sozusagen der Massengeschmack daraus
extrahiert oder sowas. Das ist dann
-
vielleicht auch nicht ganz das, was man
will. Aber in dem Bereich, in dem Bereich
-
passiert schon relativ viel und was ja
auch schon, was z.B. geht, wäre, dass man
-
den Stil von einem Bild, was du gemalt
hast, nimmt und auf andere Bilder
-
überträgt. Und vielleicht ist das dann
auch wieder etwas, was für den Künstler zu
-
Inspirationen beitragen kann. Achja, so
könnte das aussehen. Und dann fange ich an
-
zu malen. Dann kommt am Ende trotzdem
wieder etwas ganz anderes raus. Schön
-
finde ich auch, dass du den künstlerischen
Prozess nochmal viel besser dargestellt
-
hast als ich das jetzt so schnell gemacht
habe. Und auch das sind Sachen.. Jedes
-
Mal, wenn man es beschreiben kann, was da
eigentlich passiert, kann man sich auch
-
überlegen, dass ne KI da reingeht und das
macht, also solche Feedback Loops z.B.
-
auch macht und dann die ursprüngliche
Intention wieder ändert. Naturkunst am
-
Ende und die Frage, brauchst du dafür
überhaupt eine Intention? Ich glaube, das
-
hängt sehr viel daran, wie man jetzt den
Begriff der Intention versteht. Wenn man
-
sagt, es muss im Vorhinein alles in Stein
gemeißelt sein, dann kommt man da
-
sicherlich in Schwierigkeiten. Ich selber
würde sagen, dass die Natur zwar
-
unglaublich schön sein kann, dass sie aber
eigentlich keine Kunst ist und schafft.
-
Aber auch da, weiss ich, gibt es viele
Leute, die dem widersprechen. Ich möchte
-
es für den Vortrag auch deshalb nochmal
sagen, weil mir gings eigentlich ja auch
-
gerade um die Aussage, was passiert mit
uns Menschen, wenn jetzt irgendwas, wo wir
-
bislang gesagt haben, das können nur wir
Menschen, wenn das jetzt technisch machbar
-
wird. Was heißt das dann eigentlich? Wenn
ich jetzt aber den Kunstbegriff so fasse,
-
was auch okay ist, dass ich sage, rein
ästhetisch zum Beispiel: alles, was schön
-
ist, ist Kunst. Dann hab ich aber gar
nicht mehr diesen Knackpunkt, dass ich
-
sage, okay, der Computer.. Dass der
Computer was Schönes produzieren kann, da
-
sind wir uns glaub ich einig, das geht
relativ gut. Herald: Dann machen wir die
-
zwei endlich.
Mikro 2: Ein Aspekt, wo ich nochmal
-
nachfragen würde ist zur Idee von Kunst
und wie sie mit Rausch oder Drogen
-
zusammenhängt. Es ist einmal son
abgenutztes Klischee vom Künstler, der
-
ständig besoffen ist. Aber wenn man sich
die Künstler und die Kunstuni so anschaut,
-
ist doch irgendwie was dran. Dann ist da
die Frage, kann eine KI einen Rausch
-
empfinden? Kann sich eine KI besaufen? Wie
funktioniert das? Oder ist das überhaupt
-
nicht relevant für deine Arbeit?
Simon: Das ist eine Frage, über die ich so
-
noch nicht nachgedacht habe. Ich versuch's
aber trotzdem mal. Es ist ja schon so,
-
wenn ich das mit dem, was ich über
Intention gesagt habe, in Verbindung
-
bringe, es geht ja häufig- nicht immer,
Kunst kann auch sehr abstrakte Gedanken
-
haben, die sie zum Ausdruck bringen will -
aber häufig geht es tatsächlich auch
-
darum, sehr, sehr tief liegende Gefühle
irgendwie zu transportieren da drin. Und
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da kann ich mir durchaus vorstellen, dass
Drogen einem selber einen Weg eröffnen, zu
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diesen tiefen Gefühlen eher vorzudringen.
Und dass es vielleicht darüber einen
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Zusammenhang gibt. Vielleicht liegt der
aber auch auf einer ganz anderen Ebene.
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Vielleicht sind auch besonders labile
Menschen anfällig für Drogen und besonders
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kreativ aus völlig anderen Gründen, oder
sowas? Ich weiß es nicht, hab's nicht
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untersucht. Wie könnte man eine KI
berauschen? Das finde ich jetzt allerdings
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spannend. Vielleicht, vielleicht wäre das
tatsächlich auch noch so ein Weg, ich
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hatte halt richtig mehr so an den formalen
Widerspruch gedacht. Aber vielleicht kann
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man die ja auch.. zum Beispiel
zusätzliches Rauschen reinschmeissen in
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die Netze.. Das wird teilweise auch
tatsächlich schon gemacht, fällt mir auf,
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bei Auto-Encodern. Da wird Rauschen
injiziert, damit man nachher Ergebnisse
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hat, die von einzelnen Zufälligkeiten
unabhängig sind und mehr so das Allgemeine
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treffen. Vielleicht ist eine KI mit viel
Rauschen, auch irgendwie berauscht, müsste
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ich mal drüber nachdenken.
Herald: Oh Wahnsinn. Das wäre fast das
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Schlusswort. Aber machen wir mal weiter
mit der zwei.
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Mikro 2: Ich frage mich, ob die Debatte um
Intentionalität nicht einfach in der
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Debatte, die man schon Anfang des letzten
Jahrhunderts hatte, in der Kunst, ob sie
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nicht dahinter zurückfällt, wo man schon
sagt, man kann sich vom Autor vom
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Werkschaffenden, kann man sich
distanzieren und eigentlich kommt es auf
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die Deutung an, die eine künstlerische
Intention meinetwegen unterstellt, aber
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eben als Blackbox unterstellt, weil wir
wissen ja nicht, wie die andere Person
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reagiert. Und da frage ich mich, warum
sollte das bei KIs nicht genauso möglich
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sein? Kann man sich nicht besser von
Intentionen distanzieren, indem man zum
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Beispiel sagt, ok, Kunstwerke bestimmen
sich in irgendeiner Form selbst, so wie
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wir es vorhin bei Mikro 3 gehört haben.
Wenn man ein Bild oder eine Oper auf eine
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bestimmte Art und Weise anfängt, dann kann
man nicht mehr beliebig weitermachen. Am
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Anfang hat man noch alle Freiheiten. Aber
je mehr man ein Bild oder ein Stück
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weiterkomponiert, desto mehr kommen
irgendwelche Zwänge rein, wo ich sagen
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würde, genau das ist dann die Kunst, dass
es diese Nicht-Beliebigkeit ist aber die
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Kunstregeln sozusagen sind, die es ja
implizit und explizit gibt. Und sowas
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kommt ja auch wiederum die KI dann machen.
Simon: Ja, die KI könnte vor allem
-
vielleicht eventuell auch diese Regeln
finden. Nur haben wir dann halt wieder das
-
Problem, dass die Kunst, wenn wir sie
historisch betrachten, ja auch gerade
-
immer darin besteht, dass diese Regeln
gebrochen werden und dass genau das uns
-
besonders künstlerisch dann auch wieder zu
einem bestimmten Zeitpunkt vorkommt. Ich
-
glaube aber nicht, dass ich auf diese alte
Debatte zurückgekommen bin mit
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Intentionen, dass ich sage, die KI oder
eben der Künstler, die Intention des
-
Künstlers, das ist das Wichtige, sondern
mir ging es ja auch darum, wie der
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intensionale Prozess auf das Kunstwerk
wirkt und nicht, was der Künstler sich
-
dabei gedacht hat. Insofern sind wir da
gar nicht so weit auseinander.
-
Herald: OK, machen wir die drei noch und
dann gehen wir noch einmal an den Signal
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Angel, und dann ist leider auch die Zeit
rum. Also die drei bitte.
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Mikro 3: Ich muss mich erst mal
entschuldigen, denn ich habe den Talk
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verpennt. Ich habe es verpasst. Ich möchte
trotzdem ne Frage stellen, dafür muss ich
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ne Unterstellung machen und zwar nehme ich
an, dass die Daten die die KI bekommen
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hat, um damit etwas anzufangen und Kunst
zu machen allesamt vorgefertigt waren. Es
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sind keine eigenen Erfahrungen gewesen.
Also müsste man eine KI befähigen, eigene
-
Erfahrungen, eigene Bilder mit Kameras und
Sensoren auszustatten, so dass sie etwas
-
aus der eigenen Erfahrung heraus schaffen
würde, und würde dieses Schaffen dann eher
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als Kunst betrachtet.
Simon: Das zielt auf eine große
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theoretische Richtung in der KI Forschung,
die ich nicht teile, aber die weit
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verbreitet ist, wo man sagt, "brain in a
tube" das funktioniert nicht, also ich
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kann nicht irgendwie einen Geist in der
Kugel haben, sondern ich muss, wenn es um
-
so etwas geht wie Kunst oder überhaupt
denken, alle kognitiven Fähigkeiten, das
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lernt man nur durch das Erleben. Das
heißt, letzten Endes müsste ich dann
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eigentlich einen Roboter haben, der sich
in der Welt bewegt mit Menschen, da seine
-
eigenen Erfahrungen macht und so weiter
und so fort. Das ist eine weit verbreitete
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These. Ich halte die nicht für richtig.
Ich halte die deshalb nicht für richtig,
-
weil ja ganz viele von den menschlichen
Erfahrungen vorliegen in Form von Texten,
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in Form von Bildern, in Form von Musik.
Und wenn das vorliegt, warum soll ein
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Computer nicht davon lernen können? Warum
muss er das alles selber erleben? Ich kann
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auch viele Sachen denken, die ich selber
nie erlebt habe, weil ich sie irgendwo
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gelesen habe oder so. Aber wie an allen
Punkten: es gibt auch da sehr, sehr viele,
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sehr, sehr ernst zu nehmende Leute, die
die Hände über dem Kopf zusammenschlagen
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bei dem, was ich erzähle hier. Klar.
Mikro 2: inaudible ... zum Beispiel auch
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anderen KIs oder anderen Menschen. Und
eben diese Interaktion fehlt ja dann.
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Simon: Genau. Die einzige Interaktion, die
es bei jedem Zeug oder sowas gibt ist
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wirklich die Interaktion der KI mit Daten
und die Daten sind teilweise von mir
-
gemacht und teilweise aber auch irgendwie
aus dem Fundus, dem kulturellen Fundus
-
irgendwie geraubt. Spannend wäre es
natürlich, wenn - was passiert, wenn KIs
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tatsächlich in der Lage wären, in einen
künstlerischen Prozess einzusteigen, wenn
-
die dann auch noch miteinander irgendwie
Erfahrungen austauschen können oder
-
kommunizieren können und das sind eben
genau die Szenarien, die immer so nach
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Science-Fiction klingen, wo ich aber
wirklich glaube, dass das wirklich bald
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schon kommt. Und dass wir uns eigentlich
jetzt heute schon ganz ernsthaft Gedanken
-
darum machen müssen, wie gehen wir
eigentlich mit einer Situation um, in der
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wir Menschen unser Monopol auf ganz viele
kognitive Fähigkeiten abgetreten haben an
-
etwas, was wir selber erzeugt haben? Und
dass wirft lauter ethische Fragen auf und
-
das wirft lauter gesellschaftliche Fragen,
es wirft lauter machtpolitische Fragen,
-
zum Beispiel die Frage, wem gehört das
dann, wenn man das macht? Und das sind
-
einfach die - meiner Meinung nach - ein
paar der wirklich großen wichtigen Fragen
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für die nächsten Jahre.
Herald: Ja, vielen Dank, wir sind jetzt
-
doch schon zwei Minuten drüber. Deswegen
stellen wir die Frage zurück. Ich möchte
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euch danken, dass ihr so lebhaft
diskutiert habt. Das war extrem spannend.
-
Und natürlich wollen wir zusammen Simon
danken für den schönen Vortrag.
-
Simon: Danke sehr!
-
Applaus
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36c3 Abspannmusik
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Untertitel erstellt von c3subtitles.de
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