36c3 Vorspannmusik
Herald: Der nächste Vortrag handelt von
etwas, was mich etwas beunruhigt,
möglicherweise aber was auch extrem
spannend ist. Wir haben uns ja schon damit
abgefunden, dass uns Maschinen zunehmend
überholen, also dass ich nicht mehr
schneller rechnen kann als mein Computer
zuhause. Das überrascht mich überhaupt
nicht. Als Wissenschaftler benutzen wir
Rechner, um uns zu unterstützen, große
Datenmengen zu analysieren. Aber so ein
Rückzugsgebiet war für mich immer noch die
Kunst. Da habe ich das Gefühl, dass es
etwas Menschliches. Da wird man uns so
schnell nicht einholen, dieses Kreative.
Aber die Frage ist: Ist das eigentlich
noch Stand der Technik? Ist das überhaupt
noch? Kann man das überhaupt noch so
sagen? Und da werden wir jetzt einen
schönen Vortrag hören von jemandem, der
sich genau damit auskennt. Von Simon
Hegelich. Simon ist nämlich Professor für
Political Data Science an der TU München.
Er benutzt Deep Learning Tools unter
anderem auch für das Kunstprojekt
TensorFloyd. Er wird reden über:
Mensch - Kunst - Maschine
mit künstlicher Intelligenz zu neuer Kunst
zum kybernetischen Verstand.
Simon, die Bühne gehört dir.
Simon: Danke sehr.
Applaus
Simon: Ich finde es ja super, dass sich so
viele Leute das anhören wollen. Ich hatte
die Gelegenheit, gestern Abend auch schon
sehr viel mit tollen Leuten hier auf dem
Kongress zu reden, die selber KI benutzen,
um damit Kunst zu machen. Wir haben sofort
festgestellt, dass es viel zu diskutieren
gibt. Insofern will ich mich auch bemühen,
nicht ganz die Zeit auszureizen, dass wir
nachher noch ein bisschen Raum für
Diskussionen zusammen haben, weil ich
glaube, dass da sehr viel Kontroversen
geben wird. Weil es einfach zwei große
Begriffe zusammenbringt, die beide für
sich genommen überhaupt gar nicht wirklich
definiert sind, nämlich Kunst und
künstliche Intelligenz. Die eine Hälfte
von euch sagt wahrscheinlich: "Ja, das ist
aber keine Kunst", die andere sagt: "Das
ist keine künstliche Intelligenz". Und ihr
habt auch recht damit. Aber was ich heute
machen will ist, ein bisschen zeigen, was
ist eigentlich der Stand der Technik, auch
wirklich über die Technik reden, was wird
da eigentlich gerade gemacht?
Zum Einstieg habe ich mir folgendes
überlegt: Ich möchte zwei Gedichte
vortragen, und das eine ist von einer
künstlichen Intelligenz geschrieben, die
ich programmiert habe, und das andere von
Jim Morrison. Und dann möchte ich
natürlich gerne nachher wissen, wer
glaubt, welches Gedicht von wem denn ei-
gentlich geschrieben ist. Ich fang mal an!
I exorcise a ghost
the sun glared on the dark
the dead
the dead have in the spruce
the dead abstractedness
the dead have very close relatives.
my mother is good for her.
Erstes Gedicht.
Zweites Gedicht:
The fear
eternal consciousness in the void
makes trial ... jail seem almost friendly
a kiss in the storm
i'm freezing
animals
dead
white wings of
rabbits
Wer glaubt, dass das erste Gedicht Jim
Morrison war? Und wer glaubt, dass das
zweite Gedicht Jim Morrison war? Ich kann
es vom Licht her ziemlich schlecht sehen,
aber ihr seht auf jeden Fall. Beide
Antworten haben eine Followerschaft. Wir
wissen jetzt schon gar nicht mehr - genau,
ich könnte hier das Video auch noch
starten übrigens.
Wir sind offenbar jetzt schon an
einem Stand, wo Computer Kunst generieren
können, die wir ohne weiteres nicht
unterscheiden können von menschlich
generierter Kunst. Und jetzt möchte ich
erst mal kurz erzählen, was haben wir denn
da gerade eigentlich erlebt? Was war das?
Was ist da passiert? Also, wir haben seit
einigen Jahren ja jetzt einen, wie man
gestern hören konnte hier auf dem Kongress
einen Hype, was Deep Learning anbelangt,
und Deep Learning ist aber ein bisschen
mehr als nur ein Hype. Da steckt
tatsächlich was dahinter. Erst mal ist
es ein Verfahren des maschinellen Lernens,
und das Grundprinzip, wenn man sich das
ganz einfach vorstellt, ist so, dass wir
beliebige unstrukturierte Daten nehmen
können und wir kennen aber schon die
Antwort. Das nennt sich dann Supervised
Learning. Und dann bauen wir eine große,
komplexe mathematische Formel, die den
Input, den wir haben, in irgendetwas
transformiert, was möglichst nah an dem
dran ist, was wir als Output eigentlich
erwarten, was wir haben wollen. Dieses
Prinzip, da brauche ich kein Deep Learning
für, das ist erst mal das Grundprinzip
maschinellen Lernens. Gibt es ganz unter-
schiedliche Algorithmen dafür, wo es dann
halt um die Frage geht: Was baue ich
eigentlich für eine mathematische Formel
zwischen diesem Input und dem Output? Und
ich kann das auch mit Texten machen. Ich
kann Texte, Wörter umformen in Zahlen. Da
kann der Computer damit rechnen, und dann
kann ich eine mathematische Funktion
machen, die ihm diese Zahlen umwandelt in
die Zahlen, die ich eigentlich dann
erwarte vom Output her. Was ich hier
verwendet habe, ist ein sogenanntes
Sequence-to-Sequence-Model. Das ist ein
Deep Learning Model erst einmal, bevor wir
zu Deep Learning kommen. Es gibt eine
Klasse von Algorithmen, die verwendet wird
für dieses maschinelle Lernen, das nennt
sich neuronale Netze. Ein neuronales Netz
ist an sich eigentlich etwas ziemlich
Einfaches. Ich muss mir das so vorstellen:
Ich habe jetzt Worte zum Beispiel, und
jedes Wort kriegt eine Zahl zugeordnet.
Und dann habe ich eine... es wird immer
gesagt Neuronale Netze, das ist so wie das
Gehirn. Also neuronale Sachen - ist
totaler Unfug. Das hat mit dem Gehirn
eigentlich wirklich überhaupt nichts zu
tun, ist noch nicht mal ein Netz, sondern
ist eigentlich nur eine andere
Darstellungsweise, wie ich eine
mathematische Funktion aufschreiben kann,
nämlich in Form eines Graphen. Die
mathematische Funktion bei neuronalen
Netzen ist relativ primitiv. Da geht es
einfach nur darum, dass Inputs
multipliziert werden mit einem Parameter.
Der ist dann noch näher zu bestimmen. Und
das wird alles aufaddiert. Und dann ist
die Frage: Löst es eine
Aktivierungsfunktion aus oder nicht? Und
wenn es das tut, dann wird das Signal
weitergegeben, und dann kann ich
verschiedene Layers hintereinander machen.
Der Vorteil bei neuronalen Netzen ist,
dass ich sehr viele von diesen Parametern
in meine mathematische Formel reinbringen
kann und dann einen relativ effizienten
Algorithmus habe, der diese Parameter
automatisch optimiert. Das heißt also, ich
stelle das Modell auf. Der Computer
berechnet dann aber anhand der Daten, die
es gibt, was sind eigentlich die richtigen
Werte für diese Parameter? So, jetzt geht
Deep Learning noch ein bisschen darüber
hinaus. Da ist der Unterschied, dass diese
Signale nicht mehr einfach nur ein Signal
ans nächste weitergegeben werden, sondern
dass ich komplexere Architekturen aufbaue,
wo es zum Beispiel Feedbackfunktionen
gibt. Im konkreten Fall ist es, wie
gesagt, ein sogenanntes Sequence-to-
Sequence-Model, was mit Attention
funktioniert. Das sind so Zauberwörter im
Moment, aber das ist eigentlich relativ
primitiv. Das heißt, ich habe als Input
eine Sequenz von einem Satz, die geht in
ein neuronales Netz, das ist dann ein
sogenannter Encoder, der produziert ein
Signal. Ich habe aber auch ein zweites
neuronales Netz, den sogenannten Decoder.
Der kriegt den schon bekannten Output,
auch wieder eine Sequenz von Texten, und
die können dann eben halt unterschiedlich
lang sein, ist also keine Wort zu Wort-
Übersetzung mehr und verwandelt den Output
aus dem Encoder im Decoder wieder dann in
irgendwas, was möglichst nahe da dran sein
soll. Attention ist dann noch so eine
Subklasse davon. Da ist man übergegangen,
das, was wir gleich noch sehen werden. An
einer Stelle ist das sehr wichtig. In
diesen neuronalen Netzen ist sehr viel
Zufall drin. Die ganzen Parameter, die
werden erst mal zufällig gesetzt und dann
Schritt für Schritt optimiert. Da ist es
sehr interessant, wenn man mehrere Netze
gleichzeitig trainiert und dann schaut,
wenn ich eine Korrelation zwischen diesen
Netzen bilde, welche Position, welches
Wort in dem Satz zum Beispiel ist
eigentlich jetzt besonders wichtig. Und
das ist das Prinzip hinter diesen
attention networks, die im Moment
ziemlich, ziemlich angesagt sind, weil sie
sehr gute Ergebnisse bringen. Das ist das,
was wir gerade gesehen haben. Das heißt
wir hatten also einen Input. Und jetzt
noch die Frage: Was war eigentlich der
Input? Dieses Netzwerk, was ich benutzt
habe, ist trainiert, mehr oder weniger auf
den kompletten Kanon der amerikanischen
Lyrik, und zwar so, dass der Input immer
die erste Zeile eines Gedichts ist und der
Output die zweite. Eigentlich ist das ein
Algorithmus, der häufig verwendet wird für
automatische Übersetzung. Wenn ich zum
Beispiel vom Spanischen ins Englische
automatisch übersetzen will. Ich kann
jetzt aber eben auch was anderes
reinschmeißen in dieses Netz. Ich gebe dem
Computer die erste Zeile und der soll
dann die zweite Zeile eines Gedichts
vorhersagen. Und dazwischen, und das macht
es ein bisschen kompliziert, steht jetzt
also unser Modell, was eigentlich eine
mathematische Formel ist. Aber diese
mathematische Formel hat im konkreten Fall
160 Millionen unbekannte Parameter,
trinkt
die optimiert werden und das
ist der Grund, warum man
tatsächlich sagt: Diese Deep Learning
Modelle sind letzten Endes Blackbox
Modelle, weil selbst wenn ich weiß, wie
das funktioniert, habe ich eigentlich
keine Chance mehr herauszufinden, welchen
Einfluss welcher dieser 160 Millionen
Parameter auf mein Modell nachher hat. Ich
kann nur über weitere Verfahren z.B. über
generative Modelle versuchen,
herauszufinden, welche Muster hat denn
dieses Modell eigentlich gelernt? Und das
ist wieder ein ganz interessanter Ansatz,
um neue kreative Elemente, Werkzeuge zu
finden. Also hier zum Beispiel, was wir
sehen. Das ist sehr viel, was hier
verwendet wird, einerseits, in diesen
Videos nennt sich Style Transfer, aber
auch Deep Dream und gerade Deep Dream,
mein Algorithmus, der eigentlich
entwickelt worden ist, um wieder zu
visualisieren, welche Muster diese tiefen
neuronalen Netze eigentlich gelernt haben.
Das heißt, es entstehen also neue Tools
und ich glaube, das ist eigentlich im
Moment auch der Stand, den wir tatsächlich
haben, bei der Frage: Was ist eigentlich
künstliche Kunst heute? Wir haben, glaube
ich, keine künstliche Kunst, sondern was
wir haben, ist, dass wir ziemlich coole
Tools haben, die wir verwenden können, die
interessante Sachen machen. Denn die Frage
ist ja: Wenn wir es hinbekommen, dass ein
Computer etwas produziert, was aussieht
wie Kunst, reicht das, dass das Kunst ist.
Und da würde ich sagen: Nein, das reicht
nicht. Wir haben zwar viele kreative
Sachen, die wir verwenden können, die aber
eigentlich auch nichts anderes sind als
eine neue Art von Pinsel oder so. Wo wir
halt neue Verfahren anwenden können. Und
wir selber sind aber kreativ. Wir benutzen
das, wir erschaffen damit etwas Neues. Der
Computer erschafft ja in dem Sinne gar
nichts. Der kriegt es zwar hin, uns
vorzugaukeln, dass da irgendwie was
rauskommt, was Kunst ist. Aber ich denke,
die meisten Leute werden mit mir
übereinstimmen, dass das eigentlich nicht
das ist, was wir meinen, wenn wir über
Kunst reden. Also zum Beispiel: sich heute
hinzusetzen - jeder, der Kunst studiert
hat, zum Beispiel, könnte sich theoretisch
hinsetzen und könnte vermutlich ziemlich
ziemlich gute Bilder malen, die sehr nach
Picasso aussehen. Das ist ja auch
teilweise gar nicht so schwer, was Picasso
da gemalt hat. Also Picasso zu simulieren,
ist sicherlich gar nicht die große
Herausforderung. Aber wer von uns möchte
sagen, dass er ein Picasso ist? Man merkt
schon, wenn wir über Kunst reden, geht es
eigentlich um mehr als nur darum, dass wir
das Publikum reinlegen. Das ist übrigens
generell, weil es soll ja auch um
künstliche Intelligenz gehen, ein großes
Problem an dieser alten Vorstellung des
Turing-Tests. Alan Turing, in seinem
Imitation Game, hat halt genau darauf
gesetzt; er hat gesagt, wenn wir einen
Computer bauen, wo Menschen nicht
unterscheiden können, denkt er jetzt
eigentlich oder denkt er nicht bzw.
Konversation mit dem Computer - der Mensch
kann nicht unterscheiden, rede ich mit
einem Menschen oder mit einem Computer?
Wenn wir das hinkriegen, haben wir echte
künstliche Intelligenz. Eigentlich Unfug,
weil nur weil ein Computer in der Lage
ist, uns Menschen reinzulegen, heißt das
ja noch lange nicht, dass er wirklich dazu
in der Lage wäre, ja, zu denken, einen
Verstand zu produzieren. Und das Gleiche
gilt bei Kunst. Nur weil irgendwas aus dem
Computer rauskommt, was vielleicht auch
für das ungeschulte Auge aussieht, als
wäre es Kunst, ist es damit ja noch lange
nicht das, was wir eigentlich mit Kunst
meinen, weil eben gerade diese diese
Kreativität fehlt. Weil das Neue fehlt. Es
wird gar nichts Neues erschaffen. Und da
ist der Hauptgrund dafür, dass diese
Systeme erzkonservativ sind. Die lernen
aus großen Datenmengen Muster, die dann in
diesen Daten schon drin sind. Die
erschaffen aber in dem Sinne gar nichts
Neues. Es ist wirklich Pattern
Recognition. Das heißt nur ein Muster, was
schon vorhanden ist in den Daten und
eigentlich auch nur ein Muster, was schon
deutlich vorhanden ist, selbst wenn es
vielleicht ein Muster ist - da sind diese
Systeme sehr, sehr gut - was wir selber
gar nicht erkennen würden. Die leisten
schon da was, aber sie leisten eben genau
das. Sie leisten Mustererkennung, sie
finden irgendwelche Muster und sind dann
in der Lage, diese Muster zu
reproduzieren. Das ist eigentlich genau
das Gegenteil von dem, was wir uns
vorstellen, wenn wir über Kunst reden.
Jetzt kann man allerdings einwenden - und
ihr merkt, das dreht sich jetzt die ganze
Zeit immer, es ist es ein sehr
dialektischer Talk - man kann jetzt
einwenden: Na ja, gut, Determinismus und
Kunst, das passt nicht zusammen. Aber die
Negation des Determinismus, das ist ja der
Zufall. Also wenn etwas zufällig ist, ist
es nicht determiniert. Ist durchaus was
dran. Jetzt ist der erste Punkt schon mal:
Allein von der Technik steckt in diesen
Deep Learning Modellen extrem viel Zufall.
Jeder dieser 160 Millionen Parameter, über
die ich vorhin gesprochen habe, ist
zufällig gesetzt (jetzt kann man sich
immer noch fragen, gibt es eigentlich
wirklich ein Zufall in Computern? Das ist
eine andere, das ist eine
computerwissenschaftliche Metadebatte,
weil der Computer muss ja irgendwie diese
Zufallszahlen entwickeln. Lassen wir mal
raus.) Nehmen wir mal an, die
Initialisierung dieses Netzes ist
tatsächlich zufällig. Und dann ist es
sehr, sehr leicht, an jeder Stelle noch
einmal zusätzlichen Zufall zu injizieren,
wenn ich das möchte. Das heisst also, ich
kann Systeme erzeugen, die tatsächlich
zufällig was Neues produzieren. So. Jetzt
ist Zufall und Kunst aber ja auch noch
nicht ganz das Gleiche. Wenn wir das
machen würden, dann wäre ja noch die
Frage: Ist das, was rauskommt, jetzt Kunst
oder kann das weg? Ist das jetzt einfach
irgendwie Schrott, der produziert worden
ist? Oder ist da irgendwas dran? Und da
wird's jetzt spannend, weil da ist
eigentlich die Kunsttheorie, die sich zwar
sehr viel mit solchen Fragen schon
auseinandergesetzt hat, aber eigentlich
relativ schlecht aufgestellt.
Woran mache ich das denn jetzt fest,
was wirklich Kunst ist?
Dann kommt sehr schnell der
Betrachter rein. Das Publikum.
So da ist aber auch die Frage:
Wer ist das Publikum?
Wenn wir einfach sagen würden, das
Publikum ist, wer auch immer das sieht?
Dann hatten wir ja vorhin schon den Test,
dann müssen wir jetzt sagen, okay, das ist
Kunst gewesen, weil es gab ja bei jedem
der Gedichte einige Leute, die gesagt
haben, das halte ich für Kunst.
Wenn ich vom allgemeinen Publikum weggehe,
dann wird es sehr schnell sehr elitär.
Dann bin ich bei der Frage, Kunst ist ei-
gentlich das, was entweder Institutionen
mit Macht, wie der Kunstmarkt, schätzen
oder Personen mit Autorität.
Kunst ist, was andere Künstler sagen,
was Kunst ist,
oder was Kunstkritiker sagen,
was Kunst ist.
Kunst ist, was sich auf dem
Kunstmarkt verkauft.
Auch da ist man jetzt in einem Bereich, da
gibt's ganz viele Widersprüche drin und
auch ganz viele widersprüchliche Theorien.
Viele Leute würden das auch sagen, nein,
das stimmt nicht. Kunst ist - ja was denn
eigentlich? Was als Kunst empfunden wird?
Da ist man wieder bei der Frage, von wem
denn eigentlich empfunden? Also, wenn wir
diese elitären Ansätze nicht wollen, haben
wir ein Problem an der Stelle, wenn wir
sie akzeptieren in irgendeiner Art und
Weise, dass wir sagen, es gibt eine
Autorität, die darüber entscheidet, was
Kunst ist und was nicht Kunst ist. Dann
sind wir heute an dem Punkt, dass
neuronale Netze eigentlich die
Entscheidungen dieser Autorität selber mit
simulieren können. Da sind wir bei einer
neuen Klasse von neuronalen Netzen,
sogenannten GANS - Generative Adversarial
Networks.
Das Prinzip ist ziemlich einfach, weil das
Prinzip ist genau das Gleiche,
was wir vorhin am Anfang mit den
Gedichten gesehen haben.
Ich kann jetzt (während ich das
Modell trainiere, was die
Gedichte baut) einfach ein zweites
Netzwerk noch dazunehmen und das
entscheidet, das kriegt echte Gedichte und
die produzierten Gedichte, und dieses
zweite Netzwerk soll sagen, war das echt
oder war das nicht echt? Und jedes Mal,
wenn das zweite Netzwerk eine richtige
Entscheidung trifft, wird der Computer
dafür belohnt. Aber jedes Mal, wenn das
erste Netzwerk es schafft, dem zweiten
Netzwerk ein falsches Gedicht
unterzujubeln, wird der Computer auch
belohnt. Und dann habe ich eine eine
ziemlich komplizierte mathematische
Formel, die ist dann auch nicht so einfach
zu optimieren, weil ich dann zwei
unterschiedliche Sachen gleichzeitig
optimieren will. Es geht aber theoretisch.
Das heißt also, wenn wir nur genügend
Informationen darüber hätten, wie diese
Autorität, wer auch immer das sein soll,
entscheidet, was Kunst ist und was nicht,
dann können wir das rein technisch machen
und können vermutlich sogar konsistentere
Entscheidungen in diesem Bereich treffen
als die wirkliche Autorität dies tut.
Insofern sind wir eigentlich jetzt bei dem
Punkt, dass man sagen muss, na ja, gut,
eigentlich ist alles beieinander. Wir
können, wenn wir die Frage, was Kunst ist,
einer externen Autorität überantworten
wollen, können wir das rein technisch
machen. Dann haben wir vielleicht immer
noch Probleme, die Systeme sind noch nicht
gut genug, und das ist wirklich auch
gerade Stand der Forschung. Da wird viel
dran gemacht. Die werden aber auch wirk-
lich jeden Monat besser. Da passiert so
viel in dem Bereich. Oder wir sagen, das
reicht für Kunst immer noch nicht aus.
Und das wäre meine Meinung.
Also ich glaube, dass es zur richtigen
Kunst dann immer noch etwas fehlt dabei.
Und da lehne ich mich
jetzt aus dem Fenster. Ich glaube, Kunst
ist intentional, auch wenn das etwas ist,
was viele Leute vielleicht so nicht teilen
werden. Ich glaube, es braucht eine
Intention. Es geht darum, dass man mit
irgendwelchen handwerklichen Methoden, mit
Malerei, Musik, Lyrik was auch immer,
versucht, irgendetwas auszudrücken, häufig
Gefühle, können aber auch abstrakte
Gedanken sein. Und mir geht es jetzt gar
nicht so darum, was der Künstler
eigentlich damit sagen will, also ob der
Künstler sich gedacht hat, ich will jetzt
ein Gedicht über den Winter schreiben, und
jeder andere liest darin ein Gedicht über
den Tod. Das ist mir eigentlich total
egal. Ich glaube nicht, dass es um die
Intention des Künstlers geht, sondern ich
glaube, dass es darum geht, dass das
Intentionale sich nachher in dem Kunstwerk
zeigt. Ob das dann übereinstimmt mit dem,
was der Künstler gedacht hat, wissen wir
sowieso nicht, weil wenn man die fragt,
lügen die meistens. Also ist es relativ
irrelevant, was sich der Künstler gedacht
hat. Aber dieser Prozess, dass irgendetwas
zielgerichtet gestaltet wird, das wäre
nochmal eine Negation des Zufalls. Wir
hatten den Zufall als Negation des
Determinismus, aber eigentlich müssen wir
jetzt auch noch einmal die Negation der
Negation da reinbringen. Und das wäre so
etwas wie Intention, Wille.
Und da kann man sich jetzt fragen,
gibt es das im Moment?
Momentan: Nein.
Aber kriegen wir das vielleicht in
den Computer rein?
Schwierig. Gibt's keine Ansätze, die da
wirklich vielversprechend sind.
In der Deep Learning Welt gibt's ein
paar Leute, die glauben, wir
kriegen das hin, wenn wir
einfach immer größere, tiefere neuronale
Netze bauen, die sich untereinander
befruchten in einer Art und Weise. Das
halte ich für Unfug, weil es wird ja immer
wieder das reproduziert, was man vorher
schon hatte. Man kommt da eigentlich gar
nicht raus. Aber: wenn man sich jetzt mal
fragt, gerade im Bereich Kunst, was ist
denn jetzt eigentlich das Intentionale
dabei? Das ist ja gar nicht so komplex,
oder es muss nicht unbedingt komplex sein,
es kann komplex sein, muss es aber nicht.
Ich glaube, wenn man Computer dazu kriegen
würde, und das ist halt das Projekt, an
dem ich eigentlich dran bin, allerdings
mit meiner Firma, versuchen wir, den
Bereich Strong AI -
Allgemeine Künstliche Intelligenz - da
irgendwie einen Schritt weiterzukommen.
Die Idee ist, dass man das
vielleicht darüber hinkriegt, dass man den
Computer dazu anleitet, zu widersprechen.
Der Widerspruch als die Grundform der
Intention. Und dann müsste man noch
irgendwie dazu kommen, dass der Computer
nicht nur widerspricht, sondern dass er
gleichzeitig versucht, die Gegensätze auf
einer höheren Ebene wieder versöhnbar zu
machen. Und dann sind wir bei der
Hegelschen Logik. Mein zweites
Lieblingsfeld - könnte ich jetzt den
ganzen Tag drüber reden, mach ich aber
nicht. Die Idee, da, ich mach's ganz kurz,
wäre, dass man sagt, dass man eine Logik
hat, die wirklich nicht binär ist, sondern
die versucht, Widersprüche denkbar zu
machen. Das ist, glaube ich, viel, viel
näher an dem dran, wie unser tatsächliches
Denken geht. Man kann es in drei ziemlich
platten Sachen zusammenfassen. Das erste
ist omnis determinatio est negatio. Das
heißt, alles, was bestimmt ist, ist eine
Negation. Eine erste Grundthese, dass
immer, wenn ich über irgendetwas rede, was
es ist, sage ich immer, was es nicht ist.
Zweite Grundthese wäre, die zwei Momente
der Identität, die zwei Momente des
Unterschieds sind die Identität und der
Unterschied. Und da merkt man schon, wenn
man sich das jetzt computermäßig
durchdenkt, komme ich da in eine rekursive
Schleife rein. Und das wird dann in einem
dritten Punkt noch einmal bestätigt. Die
Reflektion ist die Bewegung von nichts zu
nichts und dadurch zu sich selbst zurück.
Und ich glaube, dass das genau auch der
Weg ist, wie wir das hinkriegen können.
Dass Computer auch wirklich schon bald -
nicht erst irgendwie in 50 Jahren oder so
was, wirklich eigenständig Kunst
produzieren, weil sie sich von dem, was
sie gelernt haben, trennen, dadurch, dass
sie versuchen, das zu negieren. Das was
sie selber gelernt haben über Deep
Learning. Deep Learning ist total wichtig
dabei, weil ansonsten sind es einfach nur
Zahlen. Also erst durch Deep Learning kann
ich das überhaupt erst strukturieren, kann
da Muster drin finden. Das ist ja etwas,
was wir Menschen auch machen. Also Deep
Learning wird man brauchen, aber dann muss
das Gelernte negiert werden und diese
Negation umgeformt werden in etwas Neues,
in die Negation der Negation. Und wie das
genau gehen kann, ist ein ziemlich
schwieriges Konzept, aber.
Ja, das war so in etwa das, was ich,
was ich euch heute sagen wollte.
Mal sehen, ob ich noch etwas
vergessen habe.
Eigentlich können wir von
mir aus gerne jetzt schon in die
Diskussion einsteigen und gucken, ob euch
das irgendwie inspiriert hat oder ob ihr
findet, das war alles totaler Unfug.
Applaus
Herald: Ja, wunderbar, dann haben wir viel
Zeit zum Diskutieren und ich sehe, hier
gehts auch schon los, an Mikrofon 2.
Bitte!
Mikro 2: Hallo! Danke für den
inspirierenden Talk. War sehr schön. Du
hast sehr schön durchgeleitet durch die
Diskussion über Kunst und KI. Ich fand es
auch sehr gut, dass du nicht sofort
Stellung bezogen hast. Was ich aber
trotzdem glaube ist, dass es ein Irrweg
ist zu glauben, dass man sozusagen in der
Intention oder in dem, was das
kunstproduzierende Wesen in sich trägt,
sozusagen dann festmachen kann, ob es
Kunst ist. Wenn ich eine Banane an die
Wand klebe, dann kann ich noch so viel
Intention haben zu widersprechen. Das ist
keine Kunst. Wenn ich es aber auf der Art
Basel mache, dann wird es Kunst. Und ich
denke, das versteht man auch gut mit der
Unterscheidung zwischen System und Umwelt,
dass man sagt Kunst ist ein soziales
System. Und was dieses Kunstsystem als
Kunst akzeptiert und aufnimmt, und das ist
natürlich auch sehr flüssig, das wird
ständig neu verhandelt. Also, was vor 30,
40 Jahren Kunst war, ist heute nicht mehr
Kunst und umgekehrt. Ich glaube, das
bringt uns näher an ein Verständnis ran,
was Kunst ist, wenn man diese Frage
überhaupt beantworten möchte.
Simon: Ja, danke! Erst mal glaube ich, das
hatte ich ganz am Anfang schon versucht
anzudeuten, ich glaube, das das sowieso
auch eine falsche Idee wäre zu sagen, wir
wollen jetzt einen widerspruchsfreien
Kunstbegriff als Erstes und an dem messen
wir dann alles. Weil wie du richtig gesagt
hast, das verändert sich ja auch. Und auch
das ist so eine Grundthese bei Hegel, dass
Hegel sagt: Es ist unsere falsche
Zärtlichkeit den Dingen gegenüber, dass
wir deren Widersprüche immer uns anlasten
und nicht ihnen, weil die Dinge in
Wirklichkeit widersprüchlich sind und
Kunst ist natürlich, was total
widersprüchliches. Auf der anderen Seite
gerade das Beispiel mit "die Banane an die
Wand tackern" - was ist denn eigentlich
die Intention dabei gewesen? Da kommt eine
Schwierigkeit rein in der Debatte. Wir
haben ja gerade in der modernen Kunst eine
Intention, die vom Inhalt her darauf geht,
ich möchte eigentlich zeigen, dass die
Kunst als Ganze an ihre Grenzen gestoßen
ist. Das heißt also, ich habe schon eine
sehr widersprüchliche Intention. Deshalb
funktioniert es aber auch nur, wenn ich
das auf der Art Basel mache und nicht,
wenn ich das bei mir zu Hause mache. Da
fehlt, wie du sagst, der soziale
Resonanzraum dabei. So, aber an dem
Beispiel ist es ja trotzdem schön zu
sehen, dass sich auch die Gelehrten und
die Kritiker und so etwas sehr uneinig
sind darüber, ob das jetzt Kunst ist oder
nicht. Und woran entscheidet sich das
dann? Nämlich eigentlich an der Frage, ob
man diese Intention, diesen sehr
abstrakten Gedanken "Ich zeige
selbstironisch, dass alles Kunst sein
kann, wenn es nur im richtigen Raum ist"
(oder irgendwie sowas wird es ja
vermutlich gewesen sein), wenn ich den
mitgehe, dann kann ich sagen, das ist
Kunst. Ich kann aber auch sagen "ach, komm
Leute, das ist aber doch auch schon
tausend Mal gesehen..". Nur dann würde ich
auch wieder sagen, wenn es schon so
schwierig ist, bei dem was, was unsereins
sich so ausdenkt, also wir Menschlein,
festzustellen, ob das Kunst ist oder
nicht, dann ist der Anspruch, der an
Computer angelegt wird, zu sagen, da muss
man jetzt aber eindeutig entscheiden
können, ob das Kunst ist oder nicht,
natürlich auch sehr, sehr schwierig. Einen
wichtigen Punkt, gerade noch, weil ich den
vorhin vergessen hatte.. Eigentlich habe
ich mein ganzes Fazit vergessen, was ich
eigentlich noch sagen wollte. Jetzt geht
den Gedanken mal mit: Stellt euch mal vor,
stellt euch mal vor, wir haben jetzt
Computer, die Kunst schaffen, was auch
immer das ist. Mal angenommen, wir hätten
uns darauf geeinigt, was Kunst wäre und ab
wann man dem Computer das zugesteht, dass
er Kunst schafft. Und jetzt stellt euch
vor, wir haben einen solchen Computer,
tatsächlich, der Kunst schafft. Dann haben
wir plötzlich, sind wir in einem neuen
Zeitalter, weil dann etwas, was wir mehr
oder weniger exklusiv, klar, gibt
Diskussionen: Schimpansen machen die
Kunst, können die Kunst machen oder sowas,
aber wir sind bei etwas, was mehr oder
weniger exklusiv den Menschen vorbehalten
ist und wo wir ganz sicher in den nächsten
Jahren aber in eine Situation kommen
werden, wo wir uns fragen müssen, ob nicht
eigentlich Computer inzwischen kognitive
Fähigkeiten haben, die bislang exklusiv
beim Menschen gelegen haben und wo wir
auch unseren kompletten Umgang mit
Computern eventuell neu überdenken müssen.
Und das meine ich jetzt gerade nicht in
die Richtung Terminator Szenario, sondern
genau umgekehrt. Wie schützen wir
eigentlich künstlerisch schaffende
Computer vor den Menschen?
Herald: Ja, vielen Dank, ich habe gesehen,
wir haben auch Fragen aus dem Stream. Aber
ihr steht schon so lange, deswegen machen
wir erst mal Mikrofon 1.
Simon: Tut mir leid, ich antworte jetzt
kürzer.
Herald: Ne, das sollte jetzt nicht an dich
gehen. Mikrofon 1, bitte.
Mikro 1: Ja, hey. Ein Satz erstmal, ich
komme aus der Medienkunst, und ich denke,
es ist eine ziemlich steile These, dass
Menschen die Kunst studiert haben,
irgendwas malen können. Applaus Ich bin
schon ziemlich lang in der Kunst, ich
hatte noch nie nen Pinsel in der Hand.
Aber davon abgesehen, es gibt ja extrem
viele Menschen, die machen heute diese
Kunst, die eigentlich gar keine Kunst mehr
sein dürfte, nach irgendwelchen
Definitionen von [unverständlich]. Also
Menschen, die heutzutage Flachware
produzieren, können es ja super verkaufen.
Und eigentlich dürfte es ja gar keine
Kunst mehr sein, wir würden der AI das
abschreiben, dass es Kunst ist, wenn sie
es machen würden. Und deswegen ist meine
Frage, Kunst ist ja eigentlich ne soziale
Praxis. Das heißt einerseits soziale
Praxis sowieso, verkaufen und kaufen, aber
es ist hauptsächlich eine soziale Praxis,
weil ich auf Vernissagen rumhänge und Bier
trinke. Wie soll AI Kunst machen, ohne auf
Vernissagen rumhängen zu können und Bier
zu trinken? Simon: Das Rumhängen kriegen
wir glaub ich hin und das Diskutieren auch
irgendwann, das mit dem Bier trinken? Na
gut, aber klar. Kunst ist ein soziales
Phänomen, und das heißt, es findet in
einem sozialen Kontext statt. Und jetzt
kann ich mich auf den Standpunkt stellen,
dass ich sage, Kunst gibt es nicht
getrennt von diesem sozialen Phänomen und
nur wenn ich das komplette soziale Umfeld
reproduzieren kann, dann wäre es auch
Kunst. Ich könnte mir aber jetzt zum
Beispiel vorstellen, dass ich Vernissagen
habe, wo Computer mit Computern rumhängen
und vielleicht kein Bier trinken, sondern
Strom konsumieren oder sonst irgendwas,
was dann auch sehr spannend wird, wenn wir
uns vorstellen, dass es vielleicht Kunst
gibt, die gar nicht für Menschen gemacht
wurde, sondern für Computer von Computern.
Ja, aber generell kann ich nur sagen: Ja,
genau. Du hast völlig recht. Das sind halt
die Widersprüche darin. Wir glauben immer,
es gäbe diesen festen Kunstbegriff und
messen daran das, was KI macht. Aber
selbstverständlich ist das, was du, was du
ansprichst, ist ja eigentlich schon wahr.
Es ist ja schon so, dass KI Kunst bei
Sotheby's verkauft wird und sonst was. Ich
find's eigentlich unbefriedigend auf diese
elitären Kunstbegriffe zu schauen und zu
sagen Kunst ist, was am Markt funktioniert
oder wo es eine Vernissage gibt. Aber dein
Punkt ist richtig, leuchtet mir ein.
Herald: Mal eine Frage von der zwei und
dann fragen wir den Stream. Hier das
mittlere Mikro genau.
Mikro 2: Ja, erst mal Danke für deinen
Vortrag. Ich habe auch Kunst studiert, und
ich muss sagen, ich habe durchgängig die
Hände überm Kopf zusammengeschlagen
während deines Vortrags.
Simon: Ich hab keine Kunst studiert.
Mikro 2: Erstmal will ich ne kleine Kritik
geben und dann dann eine Frage daraus
formulieren. Erstens gibt's nicht mehr die
Kunst, sondern es gibt die Künste. Das ist
unglaublich weit gespreadet. Und weiterhin
mit einem vereinheitlichten Kunstbegriff
zu arbeiten, macht überhaupt keinen Sinn.
Worauf ich mich frage, Wieso, wenn man in
diesem Feld forscht oder das
zusammenbringen möchte.. Ich meine, sie
haben ja auch Picasso gebracht. Und Hegel?
Ich meine, mein Gott, Hegel ist über 250
Jahre alt. Wie kann man im 21. Jahrhundert
ein Forschungsfeld auf einem
philosophischen System von Hegel aufbauen?
Oder das mit seiner Theorie füttern? Es
gibt.. Also dann bitte wenigstens Bruno
Latour.. Also irgendwas aus dem 20., 21.
Jahrhundert nehmen, aber nicht aus dem
achtzehnten.
Simon: Warum?
Mikro 2: Weil, weil dieses System von
Hegel. Das ist eine philosophische Frage.
Aber selbst das hat nur funktioniert, weil
es wahnsinnig ausschließend war. Aber ich
frage mich so ein bisschen, ja, mit
welchem Kunstbegriff arbeiten Sie, wenn
Sie sozusagen in diesem Feld forschen?
Also sozusagen, gehen Sie jetzt von so
klassischen künstlerischen Bereichen aus,
oder nehmen Sie auch neuere künstlerische
Phänomene, neuere, die auch schon 80 Jahre
alt sind oder älter? Also sozusagen.. was
wird da eingespeist, um zur KI Kunst zu
kommen?
Simon: Ja, vielen Dank, aber da muss ich
leider widersprechen, gerade wenn ich
sage, es gibt nicht den Kunstbegriff,
sondern es gibt viele Künste. Dann
unterstelle ich damit ja, dass diese
Künste alle irgendwie etwas gemeinsam
haben, was sie als Kunst macht. Ich komme
aus dem, was ist Kunst? Aus der Frage gar
nicht aus. Dadurch, dass ich sage Kunst
ist eine Vielzahl von Sachen, weil ich
sage ja, jedes einzelne dieser "Kunst" hat
an sich das, was Kunst irgendwie macht.
Dass wir diesen Begriff nicht bestimmen
können, habe ich glaub ich, vorhin ja auch
schon gesagt. Das liegt aber eben auch
daran, dass es ein in sich
widersprüchlicher Begriff ist, der auch
nicht konstant ist, dass ist keine
absolute Wahrheit. Die Kunst, die es gibt.
Mir ging es halt gerade darum, das
eigentlich deutlich zu machen und zu
zeigen, dass wir, wenn wir über KI Kunst
reden, dann plötzlich mit ganz harten
Maßstäben rangehen, die wir ansonsten bei
einem Kunstbegriff nie gelten lassen
würden. Und das mit Hegel. Das ist halt
einfach... es hat einen meiner Meinung
nach, aber da stehe ich ziemlich alleine
da, ich bin ein Outsider in dieser Frage,
es hat meiner Meinung nach einen
philosophischen Umbruch gegeben, der mit
Kant angefangen hat und der unser
komplettes wissenschaftliches Weltbild,
was wir heute als das wissenschaftliche
Weltbild kennen, eigentlich damals schon
in Frage gestellt hat, was noch gar nicht
richtig einbezogen wurde. Es gab die
Versuche, 1980 Gotthard Günther in den USA
das in den Bereich der KI reinzubringen,
und ich glaube, dass das sehr, sehr
fruchtbar ist. Aber es ist ein Rogue
Ansatz, den außer mir niemand groß
verfolgt, und ich freue mich auch, wenn
andere Leute etwas anderes machen.
Vielleicht lass ich es auch einfach.
Herald: Dann hätte ich jetzt gerne einmal
den Signal-Angel, die Fragen aus dem
Stream. Das Mikro geht nicht.
Signal Angel: Test, Test? Ja, der Stream
hat mal eine kürzere Frage, wo es einfach
heißt Kannst du bitte was zur KI bei der
Erzeugung von Musik sagen? Und da den
aktuellen Stand der Dinge mal so ein
bisschen zusammenfassen?
Simon: Das geht ganz schnell. Das sind
eigentlich die gleichen Algorithmen wie
vorher. Das meiste, was momentan gemacht
wird bei der Erzeugung von Musik, ist,
dass ich midi-Dateien nehme. Dann hab ich
die schon codiert und dann kann ich die
midi-Dateien im Prinzip behandeln wie
Texte oder wie Bilddateien und kann genau
die gleichen Algorithmen da drauf
schmeißen. Ich habe es ausprobiert. Klingt
sehr random. Ich habe es aber auch auf
allen Yes-Platten trainiert. War
vielleicht auch nicht so klug.
Herald: Dann bitte Mikro 2 in der Mitte
nochmal.
Mikro 2: Vielen Dank für die interessante
Einführung. Ich hätte auch noch einen
Kommentar und zwar finde ich, dass die
Kunst einfach dazu da ist, um uns selbst
zu befreien. Und deshalb finde ich diese
externen Autoritäten, die du da vielleicht
auch mit einspielen möchtest in die KI -
du, du wolltest ja damit spielen. Die
haben da nichts zu suchen, also jegliche
Form von Autorität, hat in der Kunst
meiner Meinung nach nichts zu suchen. Und
weil alles, alles, was passiert ist, und
alles, was nicht passiert, ist eben
relevant für Kunst gewesen. Und ich finde
es auch schwierig, sich nur darauf zu..
oder nur darauf zu schauen, ob letztlich
was produziert werden kann, weil darum
gehts irgendwie gar nicht. Es geht darum,
dass es eine Intention gibt, aber eben
auch eine Intensität gibt. Und das ist das
eigentlich Relevante. Würde ich sagen.
Simon: Würde ich dir einfach total recht
geben. Also, das, .. ich glaube, es wäre
total super, wenn wir es hinkriegen
würden... mit produzieren meine ich jetzt
nicht unbedingt als Ware produzieren oder
sowas, sondern ich meine, wenn wir es
hinkriegen würden, dass Computer was
machen, was bei uns tatsächlich was
bewegt. So. Aber dann hängen halt andere
Fragen dran, bewegt es, wenn Computer das
tatsächlich können, bewegt es vielleicht
bei den Computern auch was? Man ist da
schon... Also es gibt da nochmal eine
Meta-Ebene dazu. Aber alles, was du gesagt
hast, finde ich total richtig.
Herald: Machen wir weiter mit Mikro 2.
Mikro 2: Also, ich würde gern zwei Punkte
ansprechen. Einmal finde ich.. In dem
Zusammenhang könnte man nochmal auf die
Debatte um die Frage, ob Fotografie
eigentlich Kunst ist, sicherlich nochmal
eingehen. Weil vieles, was wir jetzt auf
dem Bildschirm z.B. gesehen haben, könnte
man eigentlich so als
Informationsverarbeitung sehen? Im Prinzip
das, was eine Kamera auch macht.
Simon: Ist es auch, ja.
Mikro 2: Und die Entwicklung davon - wann
wurde Fotografie als Kunst anerkannt und
warum überhaupt? Und der zweite Punkt ist
mir gerade entfallen.
Simon: Ja, auch das zeigt ja wieder, was
Kunst ist, das verändert sich historisch.
Und ich glaube, wenn ich einen
philosophischen Gedanken dazu sagen darf.
Es gibt ja diese Schrift, "Das Kunstwerk
im Zeitalter seiner technischen
Reproduzierbarkeit", wo es auch sehr viel
um die Fotografie geht. Ich glaube, dass
wir halt jetzt eben noch einen Schritt
weiter sind, dass wir jetzt eigentlich
über das Kunstwerk im Zeitalter seiner
technischen Produzierbarkeit nachdenken
müssen. Aber auch das wird nicht dazu
führen, dass jetzt alles plötzlich nicht
mehr, nicht mehr gilt und nichts mehr
Kunst ist und alles nur noch Scheiße.
Irgendwas wird passieren, das verändert
sich da gerade sehr viel und der Talk
heute ist eigentlich genau dafür da, um
dafür ein bisschen zu sensibilisieren und
darüber nachzudenken, was da eigentlich
passiert, weil die Antworten habe ich ja
gar nicht.
Herald: Wir haben noch Fragen vom Signal
Angel, aber wir machen ja, ihr steht so
geduldig, deswegen machen wir weiter mit 2
erstmal.
Mikro 2: Genau, der Mensch kann stehen und
Signal nicht. In der Frage sozusagen, was
ist Kunst, worum sich das immer dreht,
habe ich mich jetzt gefragt, ob eben die
KI oder der Computer die Antwort geben
kann.
Simon: Ja, ja, das ist halt genau der
Punkt. Wenn wir, wenn wir auf der einen
Seite einen harten Kunstbegriff haben,
also wie ich es versucht hatte so
einzuleiten, dass wir halt sagen, rein,
die reine Simulation, das reicht uns nicht
aus. Wir wollen, dass da irgendwie was
drin ist, was wir eigentlich dem Menschen
zuschreiben. Kreativität oder Intention
oder keine Ahnung, wie man das dann
tatsächlich fasst. Wenn wir dann aber
davon ausgehen, dass es Computer gibt, die
sowas hinbekommen, dann können die, und
das ist jetzt die Antwort auf die Frage,
dann können die vielleicht auch darüber
nachdenken.
Mikro 2: Ja, aber macht es uns vielleicht
zum Menschen, dass wir erkennen, dass eine
angetapte Banane Kunst sein kann?
Simon: Ja, aber wenn ein Computer das
erkennen könnte...
Mikro 2: Und nicht, dass wir die Banane
ankleben können?
Simon: Ja, ist schon klar. Genau das,
genau das meine ich auch. Wenn wir uns
vorstellen, das ist ein
Gedankenexperiment, weil ich sage, es gibt
im Moment keine Computer, die wirklich
Kunst machen. Aber wenn wir uns
vorstellen, dass es Computer gäbe, die
Kunst machen könnten, dann können wir uns
auch vorstellen, dass es Computer gäbe,
die Kunst verstehen können. Und dann sind
wir halt plötzlich in genau der Frage, was
macht uns denn eigentlich als menschliche
Lebewesen aus in einem Bereich, wo wir
sagen müssen, sind da nicht eventuell
plötzlich fundamentale Grundsachen des
menschlichen Daseins auf ein technisches
Artefakt übergegangen? Und was heisst das?
Und reden da wir nicht eigentlich über das
Zeitalter des Transhumanismus?
Mikro 2: Könnte der Computer dann
vielleicht etwas als Kunst definieren, das
uns selbst verborgen bleibt?
Simon: Ich könnte mir tatsächlich solche
Szenarien vorstellen, wo Computer Kunst
für Computer produzieren, die wir
überhaupt nicht mehr verstehen können.
Herald: Und wir stehen nur noch staunend
daneben und müssen das über uns ergehen
lassen. Machen wir mit 2 weiter.
Mikro 2: Genau, einmal noch die Frage,
gibt es oder gibt es deiner Meinung nach
überhaupt die Möglichkeit, dass man sagt,
die Kunst ist jetzt von der KI, weil
eigentlich spielt ja eigentlich auch alles
mit ein, wer am Ende die KI geschrieben
hat, kann man auch gleich wieder auf
Hegels Weltgeist beziehen, das ist jede
Kleinigkeit eigentlich am Ende auf das
Endprodukt einspielt.
Simon: Die Frage nach der Urheberschaft.
Das ist etwas, was man momentan rechtlich
zum Beispiel behandelt wird. Und was sich
ja, was sich anschliesst, einfach. Also,
wenn es einen Urheber gibt, wird es
sicherlich ein Kollektiv sein. Weil dann
müsste man ja sagen, wer hat denn
eigentlich an der Entwicklung der
Algorithmen mitgearbeitet? Das meiste
davon ist Open Source. Das sind große
Entwickler-Communities, die das machen.
Die großen Internetfirmen spielen da eine
große Rolle. Facebook, Google, Baidu, die
treiben diese Entwicklung voran. Dann ist
aber hier immer noch die Frage, wer die
Daten zur Verfügung gestellt oder ist
vielleicht in diesem Sotheby-Beispiel, wo
dann KI-Kunst versteigert wurde, gab es
auch jemanden, der gesagt hat, mir kommt
es so vor, als hättet ihr der KI einfach
alle meine Bilder gegeben und die hat
daraus jetzt was Neues gemacht. Eigentlich
bin ich der Maler, also die Urheber-Frage
ist einerseits philosophisch sehr, sehr
schwierig, wird vermutlich dann aber
irgendwie plump rechtlich behandelt
werden. Und im Moment gibt's den Fall,
geht's um Patente, es gibt Patente in den
USA, die bewilligt sind, die von einer KI
geschrieben wurden. Und da stellt sich
jetzt die Frage, wer ist eigentlich der
Erfinder? Aber meistens werden diese
Sachen dann halt irgendwie rechtlich
rechtlich bearbeitet, damit es gut ist für
die Wirtschaft und dann geht es weiter.
Aber philosophisch ist das eine total
spannende Frage.
Herald: Jetzt noch einmal mein Signal
Angel, was haben wir noch aus den sozialen Medien?
Signal Angel: Ja, und noch eine
Frage via Twitter. Hast du Tipps, wie man
als AI-Neuling in das Thema Kunst mit AI
machen einsteigen kann?
Simon: Ja, weil wenn man das, was momentan
richtig spannend ist meiner Meinung nach
sind halt diese deep learning Geschichten.
Und deep learning ist wirklich eine recht
offene Community, die gleichzeitig aber,
wie gesagt, von den großen
Internetkonzernen aus anderen Interessen
genommen wird. Wir haben PyTorch als
Entwicklerumgebung oder TensorFlow. Wenn
wir TensorFlow nehmen, das ist unter dem
Dach von Google. Und auf der TensorFlow
Seite gibt es sehr schöne Tutorials, wie
man generative Modelle in TensorFlow bauen
kann. Aber momentan ist es noch so, dass,
wenn man da richtig einsteigen will, dass
es tatsächlich auch ein Stück weit
programmiertechnische Kenntnisse
erfordert, das umzusetzen.
Herald: Ok, machen wir weiter mit 2 in der
Mitte.
Mikro 2: Du bist an einer Stelle davon
ausgegangen, dass KI bloss Muster erkennt,
aber der Mensch was Neues erschaffen kann.
Da stelle ich mir die Frage, was macht
denn unser Hirn anderes, ausser in sehr,
sehr viel komplexer als die KI natürlich,
was machen wir denn anderes, als einfach
Muster aus der Umwelt aufzunehmen und die
neu zusammenzusetzen? Aber im Prinzip ist
das ja auch nichts Neues.
Simon: Das ist eine ganz große Frage immer
noch in der Kognitionswissenschaft, ob wir
was anderes machen oder nicht. Legst du
auch wieder den Finger auf eine
Sollbruchstelle, sozusagen, in meiner
Argumentation. Ich glaube, dass wir etwas
anderes machen, als einfach nur Muster
erkennen. Es gibt aber viele Forscher, die
sagen würden, nein. Es gibt auch viele,
die sagen, es gibt keinen freien Willen
und es gibt gar keine Kreativität, sondern
das ist einfach nur Neuronenfeuer, was bei
uns im Gehirn funktioniert. Wenn ich davon
ausgehe, kann ich natürlich der deep
learning Community folgen und sagen, okay,
dann mache ich jetzt halt die Netze immer
tiefer und noch tiefer und noch tiefer und
noch tiefer. Und dann gibts irgendwann den
kreativen Funken, auch wenn ich ihn nicht
mehr verstehe, der dann da reinkommt. Ich
glaube aber, dass wir etwas anders machen.
Ich glaube schon, dass wir nicht nur
Muster erkennen, sondern dass wir halt
eben Widersprüche generieren. Dass wir
anfangen zu spekulieren und dass
Spekulation wirklich etwas ist, was über
die Muster, die wir haben, hinausgeht. Zum
Beispiel neulich habe ich ein Kind auf der
Straße getroffen, kam mir entgegen mit
seinem Vater, und ich hatte meinen
Fahrradhelm auf. Aber der Fahrradhelm hat
so ein Visier. Ok, sieht albern aus
vielleicht, aber ist wirklich gut gegen
die Sonne und so. Und das Kind hat gesagt,
schau mal, Papa, ein Motorradfahrer. So,
was hat es gemacht? Es hat also einerseits
ein Muster erkannt, Helm mit Visier, hat
aber andererseits gleich angefangen zu
spekulieren und hat gesagt, deshalb war
das ja auch nur überhaupt relevant, dieses
Muster ist auf diese neue Situation
anzuwenden. Und das fällt KI im Moment
noch sehr, sehr schwer, selbst solche ganz
einfachen Sachen. Wir bauen zehntausende,
hunderttausende von Trainingsbeispielen,
um überhaupt irgendwelche Muster zu
erkennen. Wir Menschen kommen mit 5
Beispielen normalerweise aus.
Herald: Bleiben wir bei der 2.
Mikro 2: Ein Begriff, den ich noch
einbringen wollte, ist der Begriff der
glitch art. Und ich glaube, da kommt
dieses hegelsche Bild, was du vorher
reingebracht hast, ganz gut zum Vorschein,
weil man damit sagen könnte, das sind
nicht einfach nur interessant aussehende
Verarbeitungsfehler, sondern wenn man das
bei KIs betrachtet, vielleicht kommen wir
da dann irgendwann zu einem Punkt zu
sagen, ok, da erkennen wir tatsächlich die
Verweigerung der KI, das zu machen, was
wir eigentlich von ihr wollten. Und ja,
das ist ein ziemlich spannendes Feld, was
man aus deiner Perspektive vielleicht ganz
gut betrachten kann.
Simon: Danke für die Anregung. Das muss
ich mir anschauen, das klingt gut.
Herald: Da machen wir nochmals schnell den
Signal Angel drüben.
Signal Angel: Und die nächste Frage via
Twitter. Ist die Negation, also der
Widerspruch des Computers, nicht auch eine
von außen herangetragene und damit nicht
internationale Konstruktion, die im
Kontext Computer bleibt und damit keine
Kunst?
Simon: lacht Ja, natürlich ist sie das.
Nur, jede Form hat selber einen Inhalt und
jeder Inhalt hat eine Form und irgendwann
dreht das Ganze sich halt um. Aber, ja,
das ist, an einer Stelle hatte ich darauf
hingewiesen, ich kann mich sogar fragen,
ob irgendwas, was ein Computer produzieren
kann, tatsächlich Zufall sein kann, weil
es ja letzten Endes ein deterministisches
System ist. Aber spätestens wenn wir
Quantencomputer in die Rechnung nehmen,
sieht es vielleicht nochmals anders aus.
Aber bislang sieht es so aus, als würden
wir auch, schade, dass wir den
Quantenvortrag jetzt nicht hören können.
Eigentlich sieht es so aus, als würden wir
sehr viel, was man mit Quantencomputern
machen kann, auch auf normalen Computern
machen können. Aber da ist irgendwie ein
Widerspruch, dass wir einerseits, offenbar
kann, kann irgendwas über Systeme hinaus
da entstehen, glaube ich, schauen wir mal.
Herald: Wir machen einmal Mikro 3, dann
bist du endlich mal dran.
Mikro 3: Ich wollte noch einmal kurz auf
diese Intention eingehen. Ich bin auch
Malerin, und ich habe auch Kunst studiert
und ich find.. ja, was langweiliges..
Malerin... Ich finde das überhaupt, also
meine Intention, wenn ich anfange, ein
Bild zu malen, ich fände es super
langweilig, wenn das dann genauso wird wie
meine Intention ist, wenn da eins zu eins,
das abgebildet wird, was in meinem Kopf
als Ausgangsidee war. Das bedeutet,
während ich male, reagiere ich mit dem
Bild auf das, was, also ich muss wirklich
auf dieses Bild reagieren, zuhören,
wegnehmen. Dann ist irgendwie noch so ein
Realitätsaspekt. Ich habe irgendwie das
Gefühl, es sind so mehrere Elemente
vereint, und ich reagiere einfach nur. Und
dann, je besser ich irgendwie zuhöre und
reagiere, desto interessanter wird
eventuell das, was passiert und ich komme
jetzt vielleicht nicht ganz woanders an,
aber ... schon. Und trotzdem ist dann ja
nicht alles, was ich gemalt habe Kunst.
Das heißt, ich suche ja auch noch aus, was
danach jetzt Kunst ist und was nicht. Ich
fände es super interessant, wenn ich jetzt
so KI hätte, die das jetzt analysiert,
welches Bild für mich, was ich jetzt im
Endeffekt auswähle und was jetzt Kunst ist
und was nicht. Und ich für mich würde dann
sehen, ah ok, das ist irgendwie mein
Kunstbegriff. Und wenn man jetzt irgendwie
ganz viele Künstler nehmen würde, die
dann... also das mit ganz vielen Künstlern
machen würde, vielleicht würde, könnte man
das - und die KI würde das halt lernen von
ganz vielen Künstlern, vielleicht würde
man da dann irgendwie irgendwo hinkommen.
Aber ja, zum Beispiel für mich ist Kunst,
der beste Begriff, den ich kenne, ist,
dass Kunst Wissenschaft ohne Ziel ist, was
jetzt auch dem widersprechen würde, was du
sagst. Und dann könnte man natürlich auch
noch sagen, macht die Natur Kunst, ist das
irgendwie Kunst und Wissenschaft vereint.
Und wir sind einfach nur doof, dass wir
das alles trennen, und haben es einfach
noch nicht verstanden. Wir sind totale
Anfänger, und die macht das schon seit
super langer Zeit. Und Kunst ist überhaupt
nicht irgendwas, was jetzt nur der Mensch
macht.
Simon: Zum ersten Teil. Ich glaube, das,
was du dir da - sag ich jetzt mal -
wünschst, für die praktische Arbeit, da
ist man schon sehr weit. Ich glaube, das
sind Sachen, die tatsächlich sehr bald
auch schon auf dem Niveau funktionieren
werden, dass auch professionelle Künstler
damit arbeiten wollen, dass da was bei
rumkommt. Es hat natürlich immer das
Problem. Wenn ich einzelne Künstler nehme,
zum Beispiel nur deine Bilder und dann von
allem, was du malst, soll der Computer
jetzt entscheiden, was passt am besten zu
dem, was du bislang gemacht hast? Dann
habe ich wahrscheinlich nicht genügend
Daten. Genau. Und wenn ich aber alle
Bilder der Welt nehme, dann entsteht halt
dieses "reduced to the mean". Dann kommt
halt sozusagen der Massengeschmack daraus
extrahiert oder sowas. Das ist dann
vielleicht auch nicht ganz das, was man
will. Aber in dem Bereich, in dem Bereich
passiert schon relativ viel und was ja
auch schon, was z.B. geht, wäre, dass man
den Stil von einem Bild, was du gemalt
hast, nimmt und auf andere Bilder
überträgt. Und vielleicht ist das dann
auch wieder etwas, was für den Künstler zu
Inspirationen beitragen kann. Achja, so
könnte das aussehen. Und dann fange ich an
zu malen. Dann kommt am Ende trotzdem
wieder etwas ganz anderes raus. Schön
finde ich auch, dass du den künstlerischen
Prozess nochmal viel besser dargestellt
hast als ich das jetzt so schnell gemacht
habe. Und auch das sind Sachen.. Jedes
Mal, wenn man es beschreiben kann, was da
eigentlich passiert, kann man sich auch
überlegen, dass ne KI da reingeht und das
macht, also solche Feedback Loops z.B.
auch macht und dann die ursprüngliche
Intention wieder ändert. Naturkunst am
Ende und die Frage, brauchst du dafür
überhaupt eine Intention? Ich glaube, das
hängt sehr viel daran, wie man jetzt den
Begriff der Intention versteht. Wenn man
sagt, es muss im Vorhinein alles in Stein
gemeißelt sein, dann kommt man da
sicherlich in Schwierigkeiten. Ich selber
würde sagen, dass die Natur zwar
unglaublich schön sein kann, dass sie aber
eigentlich keine Kunst ist und schafft.
Aber auch da, weiss ich, gibt es viele
Leute, die dem widersprechen. Ich möchte
es für den Vortrag auch deshalb nochmal
sagen, weil mir gings eigentlich ja auch
gerade um die Aussage, was passiert mit
uns Menschen, wenn jetzt irgendwas, wo wir
bislang gesagt haben, das können nur wir
Menschen, wenn das jetzt technisch machbar
wird. Was heißt das dann eigentlich? Wenn
ich jetzt aber den Kunstbegriff so fasse,
was auch okay ist, dass ich sage, rein
ästhetisch zum Beispiel: alles, was schön
ist, ist Kunst. Dann hab ich aber gar
nicht mehr diesen Knackpunkt, dass ich
sage, okay, der Computer.. Dass der
Computer was Schönes produzieren kann, da
sind wir uns glaub ich einig, das geht
relativ gut. Herald: Dann machen wir die
zwei endlich.
Mikro 2: Ein Aspekt, wo ich nochmal
nachfragen würde ist zur Idee von Kunst
und wie sie mit Rausch oder Drogen
zusammenhängt. Es ist einmal son
abgenutztes Klischee vom Künstler, der
ständig besoffen ist. Aber wenn man sich
die Künstler und die Kunstuni so anschaut,
ist doch irgendwie was dran. Dann ist da
die Frage, kann eine KI einen Rausch
empfinden? Kann sich eine KI besaufen? Wie
funktioniert das? Oder ist das überhaupt
nicht relevant für deine Arbeit?
Simon: Das ist eine Frage, über die ich so
noch nicht nachgedacht habe. Ich versuch's
aber trotzdem mal. Es ist ja schon so,
wenn ich das mit dem, was ich über
Intention gesagt habe, in Verbindung
bringe, es geht ja häufig- nicht immer,
Kunst kann auch sehr abstrakte Gedanken
haben, die sie zum Ausdruck bringen will -
aber häufig geht es tatsächlich auch
darum, sehr, sehr tief liegende Gefühle
irgendwie zu transportieren da drin. Und
da kann ich mir durchaus vorstellen, dass
Drogen einem selber einen Weg eröffnen, zu
diesen tiefen Gefühlen eher vorzudringen.
Und dass es vielleicht darüber einen
Zusammenhang gibt. Vielleicht liegt der
aber auch auf einer ganz anderen Ebene.
Vielleicht sind auch besonders labile
Menschen anfällig für Drogen und besonders
kreativ aus völlig anderen Gründen, oder
sowas? Ich weiß es nicht, hab's nicht
untersucht. Wie könnte man eine KI
berauschen? Das finde ich jetzt allerdings
spannend. Vielleicht, vielleicht wäre das
tatsächlich auch noch so ein Weg, ich
hatte halt richtig mehr so an den formalen
Widerspruch gedacht. Aber vielleicht kann
man die ja auch.. zum Beispiel
zusätzliches Rauschen reinschmeissen in
die Netze.. Das wird teilweise auch
tatsächlich schon gemacht, fällt mir auf,
bei Auto-Encodern. Da wird Rauschen
injiziert, damit man nachher Ergebnisse
hat, die von einzelnen Zufälligkeiten
unabhängig sind und mehr so das Allgemeine
treffen. Vielleicht ist eine KI mit viel
Rauschen, auch irgendwie berauscht, müsste
ich mal drüber nachdenken.
Herald: Oh Wahnsinn. Das wäre fast das
Schlusswort. Aber machen wir mal weiter
mit der zwei.
Mikro 2: Ich frage mich, ob die Debatte um
Intentionalität nicht einfach in der
Debatte, die man schon Anfang des letzten
Jahrhunderts hatte, in der Kunst, ob sie
nicht dahinter zurückfällt, wo man schon
sagt, man kann sich vom Autor vom
Werkschaffenden, kann man sich
distanzieren und eigentlich kommt es auf
die Deutung an, die eine künstlerische
Intention meinetwegen unterstellt, aber
eben als Blackbox unterstellt, weil wir
wissen ja nicht, wie die andere Person
reagiert. Und da frage ich mich, warum
sollte das bei KIs nicht genauso möglich
sein? Kann man sich nicht besser von
Intentionen distanzieren, indem man zum
Beispiel sagt, ok, Kunstwerke bestimmen
sich in irgendeiner Form selbst, so wie
wir es vorhin bei Mikro 3 gehört haben.
Wenn man ein Bild oder eine Oper auf eine
bestimmte Art und Weise anfängt, dann kann
man nicht mehr beliebig weitermachen. Am
Anfang hat man noch alle Freiheiten. Aber
je mehr man ein Bild oder ein Stück
weiterkomponiert, desto mehr kommen
irgendwelche Zwänge rein, wo ich sagen
würde, genau das ist dann die Kunst, dass
es diese Nicht-Beliebigkeit ist aber die
Kunstregeln sozusagen sind, die es ja
implizit und explizit gibt. Und sowas
kommt ja auch wiederum die KI dann machen.
Simon: Ja, die KI könnte vor allem
vielleicht eventuell auch diese Regeln
finden. Nur haben wir dann halt wieder das
Problem, dass die Kunst, wenn wir sie
historisch betrachten, ja auch gerade
immer darin besteht, dass diese Regeln
gebrochen werden und dass genau das uns
besonders künstlerisch dann auch wieder zu
einem bestimmten Zeitpunkt vorkommt. Ich
glaube aber nicht, dass ich auf diese alte
Debatte zurückgekommen bin mit
Intentionen, dass ich sage, die KI oder
eben der Künstler, die Intention des
Künstlers, das ist das Wichtige, sondern
mir ging es ja auch darum, wie der
intensionale Prozess auf das Kunstwerk
wirkt und nicht, was der Künstler sich
dabei gedacht hat. Insofern sind wir da
gar nicht so weit auseinander.
Herald: OK, machen wir die drei noch und
dann gehen wir noch einmal an den Signal
Angel, und dann ist leider auch die Zeit
rum. Also die drei bitte.
Mikro 3: Ich muss mich erst mal
entschuldigen, denn ich habe den Talk
verpennt. Ich habe es verpasst. Ich möchte
trotzdem ne Frage stellen, dafür muss ich
ne Unterstellung machen und zwar nehme ich
an, dass die Daten die die KI bekommen
hat, um damit etwas anzufangen und Kunst
zu machen allesamt vorgefertigt waren. Es
sind keine eigenen Erfahrungen gewesen.
Also müsste man eine KI befähigen, eigene
Erfahrungen, eigene Bilder mit Kameras und
Sensoren auszustatten, so dass sie etwas
aus der eigenen Erfahrung heraus schaffen
würde, und würde dieses Schaffen dann eher
als Kunst betrachtet.
Simon: Das zielt auf eine große
theoretische Richtung in der KI Forschung,
die ich nicht teile, aber die weit
verbreitet ist, wo man sagt, "brain in a
tube" das funktioniert nicht, also ich
kann nicht irgendwie einen Geist in der
Kugel haben, sondern ich muss, wenn es um
so etwas geht wie Kunst oder überhaupt
denken, alle kognitiven Fähigkeiten, das
lernt man nur durch das Erleben. Das
heißt, letzten Endes müsste ich dann
eigentlich einen Roboter haben, der sich
in der Welt bewegt mit Menschen, da seine
eigenen Erfahrungen macht und so weiter
und so fort. Das ist eine weit verbreitete
These. Ich halte die nicht für richtig.
Ich halte die deshalb nicht für richtig,
weil ja ganz viele von den menschlichen
Erfahrungen vorliegen in Form von Texten,
in Form von Bildern, in Form von Musik.
Und wenn das vorliegt, warum soll ein
Computer nicht davon lernen können? Warum
muss er das alles selber erleben? Ich kann
auch viele Sachen denken, die ich selber
nie erlebt habe, weil ich sie irgendwo
gelesen habe oder so. Aber wie an allen
Punkten: es gibt auch da sehr, sehr viele,
sehr, sehr ernst zu nehmende Leute, die
die Hände über dem Kopf zusammenschlagen
bei dem, was ich erzähle hier. Klar.
Mikro 2: inaudible ... zum Beispiel auch
anderen KIs oder anderen Menschen. Und
eben diese Interaktion fehlt ja dann.
Simon: Genau. Die einzige Interaktion, die
es bei jedem Zeug oder sowas gibt ist
wirklich die Interaktion der KI mit Daten
und die Daten sind teilweise von mir
gemacht und teilweise aber auch irgendwie
aus dem Fundus, dem kulturellen Fundus
irgendwie geraubt. Spannend wäre es
natürlich, wenn - was passiert, wenn KIs
tatsächlich in der Lage wären, in einen
künstlerischen Prozess einzusteigen, wenn
die dann auch noch miteinander irgendwie
Erfahrungen austauschen können oder
kommunizieren können und das sind eben
genau die Szenarien, die immer so nach
Science-Fiction klingen, wo ich aber
wirklich glaube, dass das wirklich bald
schon kommt. Und dass wir uns eigentlich
jetzt heute schon ganz ernsthaft Gedanken
darum machen müssen, wie gehen wir
eigentlich mit einer Situation um, in der
wir Menschen unser Monopol auf ganz viele
kognitive Fähigkeiten abgetreten haben an
etwas, was wir selber erzeugt haben? Und
dass wirft lauter ethische Fragen auf und
das wirft lauter gesellschaftliche Fragen,
es wirft lauter machtpolitische Fragen,
zum Beispiel die Frage, wem gehört das
dann, wenn man das macht? Und das sind
einfach die - meiner Meinung nach - ein
paar der wirklich großen wichtigen Fragen
für die nächsten Jahre.
Herald: Ja, vielen Dank, wir sind jetzt
doch schon zwei Minuten drüber. Deswegen
stellen wir die Frage zurück. Ich möchte
euch danken, dass ihr so lebhaft
diskutiert habt. Das war extrem spannend.
Und natürlich wollen wir zusammen Simon
danken für den schönen Vortrag.
Simon: Danke sehr!
Applaus
36c3 Abspannmusik
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im Jahr 2020. Mach mit und hilf uns!