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Die Fiktion der Erinnerung

  • 0:01 - 0:05
    Ich möchte Ihnen von einem Fall erzählen,
    an dem ich gearbeitet habe,
  • 0:05 - 0:08
    der einen Mann
    namens Steve Titus betraf.
  • 0:08 - 0:11
    Titus war Restaurantchef.
  • 0:11 - 0:16
    Er war 31 Jahre alt,
    lebte in Seattle, Washington,
  • 0:16 - 0:18
    war verlobt mit Gretchen,
  • 0:18 - 0:20
    die er bald heiraten wollte.
    Sie war die Liebe seines Lebens.
  • 0:20 - 0:26
    Eines Abends ging das Paar
    romantisch essen.
  • 0:26 - 0:30
    Auf dem Heimweg wurden sie
    von einem Polizisten angehalten.
  • 0:30 - 0:34
    Der Grund: Titus' Auto
    sah einem Auto ähnlich,
  • 0:34 - 0:37
    das früher am Abend
    von einem Mann gefahren wurde,
  • 0:37 - 0:41
    der eine Tramperin vergewaltigt hatte.
  • 0:41 - 0:44
    Weil Titus diesem Mann
    offenbar ähnlich sah,
  • 0:44 - 0:47
    machte die Polizei ein Foto von ihm
  • 0:47 - 0:50
    und nahm es in ihre
    Gegenüberstellungskartei auf,
  • 0:50 - 0:52
    um es später
    dem Opfer zu zeigen.
  • 0:52 - 0:54
    Sie zeigte auf Titus' Foto
    und sagte:
  • 0:54 - 0:58
    "Der da sieht dem Täter
    am ähnlichsten."
  • 0:58 - 1:02
    Polizei und Staatsanwaltschaft
    erhoben Anklage.
  • 1:02 - 1:05
    Als Steve Titus wegen Vergewaltigung
    vor Gericht stand,
  • 1:05 - 1:07
    trat das Vergewaltigungsopfer
    in den Zeugenstand
  • 1:07 - 1:11
    und sagte: "Ich bin mir absolut sicher,
    dass er der Täter ist."
  • 1:11 - 1:14
    Titus wurde verurteilt.
  • 1:14 - 1:16
    Er beteuerte seine Unschuld,
  • 1:16 - 1:19
    seine Familie schrie die Jury an,
  • 1:19 - 1:22
    seine Verlobte brach weinend zusammen,
  • 1:22 - 1:25
    und Titus musste ins Gefängnis.
  • 1:25 - 1:29
    Was würden Sie
    in dieser Situation tun?
  • 1:29 - 1:30
    Was würden Sie tun?
  • 1:30 - 1:34
    Titus verlor jeglichen Glauben
    an das Rechtssystem,
  • 1:34 - 1:36
    doch er hatte eine Idee.
  • 1:36 - 1:38
    Er rief bei
    einer Lokalzeitung an
  • 1:38 - 1:42
    und weckte das Interesse
    eines Enthüllungsjournalisten.
  • 1:42 - 1:47
    Dieser fand tatsächlich
    den eigentlichen Vergewaltiger,
  • 1:47 - 1:50
    der die Tat schließlich gestand.
  • 1:50 - 1:52
    Er stand unter Verdacht,
  • 1:52 - 1:55
    50 Vergewaltigungen
    in der Umgebung begangen zu haben.
  • 1:55 - 1:58
    Als dies dem Richter zugetragen wurde,
  • 1:58 - 2:01
    setzte dieser Titus auf freien Fuß.
  • 2:01 - 2:05
    An diesem Punkt hätte der Fall
    eigentlich beendet sein sollen.
  • 2:05 - 2:06
    Es hätte vorbei sein sollen.
  • 2:06 - 2:08
    Titus würde sich zwar
    an ein schreckliches Jahr erinnern,
  • 2:08 - 2:12
    ein Jahr der Beschuldigungen und Prozesse,
    das jedoch vorbei war.
  • 2:12 - 2:14
    Allerdings
    sollte es anders kommen.
  • 2:14 - 2:17
    Titus war verbittert.
  • 2:17 - 2:20
    Er hatte seinen Job verloren
    und bekam ihn nicht wieder.
  • 2:20 - 2:21
    Er verlor seine Verlobte,
  • 2:21 - 2:24
    weil sie seine anhaltende Wut
    nicht ertragen konnte.
  • 2:24 - 2:26
    Er hatte seine gesamten
    Ersparnisse verloren;
  • 2:26 - 2:29
    deshalb entschied er sich,
    Klage einzureichen
  • 2:29 - 2:32
    gegen die Polizei und alle weiteren,
  • 2:32 - 2:34
    die er für seinen Leidensweg
    verantwortlich machte.
  • 2:34 - 2:39
    Genau hier begann ich
    mich näher mit dem Fall zu beschäftigen.
  • 2:39 - 2:41
    Ich versuchte herauszufinden,
  • 2:41 - 2:43
    wie sich die Aussage
    des Opfers von:
  • 2:43 - 2:44
    "Dieser Mann sieht dem Täter
    am ähnlichsten."
  • 2:44 - 2:49
    zu: "Ich bin mir absolut sicher,
    dass er der Täter ist." entwickelte.
  • 2:49 - 2:52
    Sein Zivilprozess
    beschäftigte Titus sehr.
  • 2:52 - 2:55
    Jeder seiner Gedanken
    drehte sich darum,
  • 2:55 - 2:59
    und nur ein paar Tage
    vor Prozessbeginn
  • 2:59 - 3:02
    wachte er morgens auf,
  • 3:02 - 3:03
    krümmte sich vor Schmerzen
  • 3:03 - 3:06
    und starb an einem
    stressbedingten Herzinfarkt.
  • 3:06 - 3:09
    Er war erst 35 Jahre alt.
  • 3:09 - 3:14
    Ich wurde gebeten,
    Titus' Fall zu untersuchen,
  • 3:14 - 3:17
    weil ich Spezialistin auf dem
    Gebiet der Psychologie bin.
  • 3:17 - 3:20
    Ich beschäftige mich bereits
    seit Jahrzehnten mit Erinnerungen.
  • 3:20 - 3:24
    Wenn ich im Flugzeug
    jemandem begegne
  • 3:24 - 3:26
    -- das war auf einem Flug
    nach Schottland --
  • 3:26 - 3:28
    wenn ich im Flugzeug
    jemanden kennen lerne
  • 3:28 - 3:31
    und man fragt sich gegenseitig
    "Was machst du so?"
  • 3:31 - 3:32
    und ich antworte:
    "Ich untersuche Erinnerungen.",
  • 3:32 - 3:36
    dann erzählt mir die Person in der Regel,
    wie schlecht sie Namen behalten kann
  • 3:36 - 3:38
    oder dass sie Verwandte
    mit Alzheimer
  • 3:38 - 3:40
    oder irgendeinem
    Gedächtnisproblem hat.
  • 3:40 - 3:43
    Ich muss der Person dann erklären,
  • 3:43 - 3:46
    dass ich nicht an dem interessiert bin,
    was die Menschen vergessen.
  • 3:46 - 3:49
    Im Gegenteil, ich untersuche das,
    woran sich die Menschen erinnern,
  • 3:49 - 3:52
    z. B. wenn sie sich an Dinge erinnern,
    die nie passiert sind,
  • 3:52 - 3:54
    oder an Dinge,
  • 3:54 - 3:56
    die von der Realität abweichen.
  • 3:56 - 4:01
    Ich erforsche falsche Erinnerungen.
  • 4:01 - 4:05
    Leider war Steve Titus
    nicht die erste Person,
  • 4:05 - 4:09
    die falschen Erinnerungen
    zum Opfer gefallen ist.
  • 4:09 - 4:13
    Im Rahmen eines Projektes
    in den USA
  • 4:13 - 4:15
    wurden Informationen
  • 4:15 - 4:19
    über 300 unschuldige
    Menschen gesammelt,
  • 4:19 - 4:23
    300 Beklagte verurteilt für Verbrechen,
    die sie nicht begangen hatten.
  • 4:23 - 4:28
    Dennoch verbrachten sie 10, 20,
    30 Jahre im Gefängnis,
  • 4:28 - 4:30
    bis DNA-Tests
    nachweisen konnten,
  • 4:30 - 4:33
    dass sie eigentlich
    unschuldig waren.
  • 4:33 - 4:36
    Untersuchungen
    dieser Fälle zeigten,
  • 4:36 - 4:38
    dass drei Viertel
  • 4:38 - 4:44
    auf falschen Erinnerungen
    der Zeugen beruhten.
  • 4:44 - 4:45
    Aber warum ist das so?
  • 4:45 - 4:48
    So wie die Geschworenen,
    die diese Unschuldigen
  • 4:48 - 4:51
    und auch Titus
    für schuldig befanden,
  • 4:51 - 4:53
    glauben viele Menschen,
    dass das Gedächtnis
  • 4:53 - 4:54
    wie ein Aufnahmegerät
    funktioniert.
  • 4:54 - 4:57
    Man speichert
    die Informationen einfach,
  • 4:57 - 4:59
    und ruft sie dann ab
    und gibt sie wieder,
  • 4:59 - 5:03
    wenn man Fragen beantworten
    oder Bilder identifizieren will.
  • 5:03 - 5:05
    Jahrzehnte
    psychologischer Forschung
  • 5:05 - 5:08
    haben allerdings gezeigt,
    dass das nicht der Fall ist.
  • 5:08 - 5:11
    Unsere Erinnerungen
    sind konstruktiv.
  • 5:11 - 5:12
    Sie sind rekonstruktiv.
  • 5:12 - 5:16
    Erinnerungen sind ein bisschen
    wie eine Wikipedia-Seite:
  • 5:16 - 5:18
    Man kann sie abrufen
    und Änderungen vornehmen,
  • 5:18 - 5:21
    andere allerdings auch.
  • 5:21 - 5:26
    Ich untersuchte diesen konstruktiven
    Erinnerungsprozess zum ersten Mal
  • 5:26 - 5:28
    in den 1970er Jahren.
  • 5:28 - 5:33
    Im Rahmen meiner Experimente
    zeigte ich Versuchspersonen
  • 5:33 - 5:35
    simulierte Verbrechen und Unfälle
  • 5:35 - 5:39
    und fragte sie im Anschluss,
    woran sie sich erinnern konnten.
  • 5:39 - 5:43
    In einer Studie zeigten wir
    den Teilnehmern einen simulierten Unfall
  • 5:43 - 5:44
    und fragten eine Gruppe,
  • 5:44 - 5:47
    wie schnell die Autos fuhren,
    als sie aufeinander trafen.
  • 5:47 - 5:49
    Eine andere Gruppe
    fragten wir,
  • 5:49 - 5:52
    wie schnell die Autos fuhren,
    als sie ineinander krachten.
  • 5:52 - 5:55
    Wenn wir die Frage mit dem
    Wortlaut "krachten" stellten,
  • 5:55 - 5:59
    wurde uns gesagt,
    die Autos seien schneller gefahren.
  • 5:59 - 6:03
    Außerdem führte
    diese Suggestivfrage dazu,
  • 6:03 - 6:05
    dass die Versuchspersonen
    uns eher
  • 6:05 - 6:08
    von zerbrochenem Glas
    am Unfallort berichteten,
  • 6:08 - 6:12
    obwohl es überhaupt kein
    zerbrochenes Glas gab.
  • 6:12 - 6:15
    In einer weiteren Studie zeigten wir
    einen simulierten Unfall,
  • 6:15 - 6:19
    bei dem ein Auto trotz Stoppschild
    über eine Kreuzung fuhr.
  • 6:19 - 6:24
    Als wir andeuteten, dass es sich
    um ein Vorfahrtsschild handelte,
  • 6:24 - 6:28
    erzählten uns viele Zeugen,
    dass sie sich an das Vorfahrtsschild
  • 6:28 - 6:31
    an der Kreuzung erinnern konnten.
  • 6:31 - 6:33
    Sie denken jetzt vielleicht,
  • 6:33 - 6:35
    das waren ja nur gefilmte Ereignisse,
  • 6:35 - 6:36
    die nicht gerade stressig waren.
  • 6:36 - 6:39
    Würden dieselben Fehler aber auch
  • 6:39 - 6:42
    in wirklich stressigen Situationen
    gemacht werden?
  • 6:42 - 6:45
    In einer Studie, die wir vor ein paar
    Monaten veröffentlicht haben,
  • 6:45 - 6:48
    geben wir die Antwort
    auf diese Frage.
  • 6:48 - 6:50
    Das Besondere an
    diesem Experiment war,
  • 6:50 - 6:56
    dass wir die Untersuchungssituation
    extrem stressig gestalteten.
  • 6:56 - 6:58
    Die Versuchspersonen
  • 6:58 - 7:01
    waren US-amerikanische Militärs,
  • 7:01 - 7:05
    die sich in einer
    qualvollen Übung befanden,
  • 7:05 - 7:08
    die ihnen zeigen sollte,
    wie es wäre,
  • 7:08 - 7:12
    wenn sie im Krieg
    gefangen genommen würden.
  • 7:12 - 7:14
    Als Teil dieser Übung
  • 7:14 - 7:18
    werden die Soldaten
    30 Minuten lang
  • 7:18 - 7:23
    auf aggressive, feindselige Weise
    verhört und misshandelt.
  • 7:23 - 7:26
    Im Anschluss sollen sie
    die Person identifizieren,
  • 7:26 - 7:29
    die sie verhört hat.
  • 7:29 - 7:33
    Wenn wir sie mit suggestiven
    Informationen versorgen,
  • 7:33 - 7:35
    die auf eine andere
    Person hindeuten,
  • 7:35 - 7:39
    identifizieren viele von ihnen
    eine falsche Person,
  • 7:39 - 7:43
    häufig jemanden,
    der der verhörenden Person
  • 7:43 - 7:46
    nicht im Entferntesten ähnelt.
  • 7:46 - 7:49
    Diese Studien zeigen also,
  • 7:49 - 7:52
    wenn man jemandem
    Fehlinformationen
  • 7:52 - 7:56
    zu einem Erlebnis gibt,
    das derjenige gehabt hat,
  • 7:56 - 8:01
    kann man seine Erinnerung daran
    verzerren, verfälschen oder verändern.
  • 8:01 - 8:04
    Draußen im wirklichen Leben
  • 8:04 - 8:07
    erhält man überall Fehlinformationen.
  • 8:07 - 8:08
    Wir bekommen falsche Informationen,
  • 8:08 - 8:11
    nicht nur durch Suggestivfragen,
  • 8:11 - 8:13
    sondern auch, wenn wir
    mit anderen Zeugen reden,
  • 8:13 - 8:16
    die uns bewusst oder unbewusst
  • 8:16 - 8:18
    mit fehlerhaften
    Informationen versorgen,
  • 8:18 - 8:23
    oder durch Medienberichte über etwas,
    das wir vielleicht erlebt haben.
  • 8:23 - 8:26
    Alle diese Situationen
    bergen das Risiko,
  • 8:26 - 8:30
    unsere Erinnerungen
    zu verfälschen.
  • 8:30 - 8:34
    In den 90er Jahren
    konnten wir eine
  • 8:34 - 8:39
    noch extremere Form von
    Erinnerungsproblemen beobachten.
  • 8:39 - 8:42
    Einige Patienten begaben sich wegen
    eines Problems in Therapie
  • 8:42 - 8:45
    -- vielleicht wegen Depressionen
    oder einer Essstörung --
  • 8:45 - 8:48
    und verließen die Therapie
  • 8:48 - 8:50
    mit einem
    ganz anderen Problem:
  • 8:50 - 8:54
    extreme Erinnerungen
    an schreckliche Ereignisse,
  • 8:54 - 8:56
    teilweise verbunden mit
    satanischen Ritualen,
  • 8:56 - 9:01
    manchmal mit wirklich bizarren
    und ungewöhnlichen Elementen.
  • 9:01 - 9:03
    Eine Frau verließ
    die Psychotherapie
  • 9:03 - 9:06
    in dem Glauben,
    dass sie Opfer jahrelangen
  • 9:06 - 9:09
    rituellen Missbrauchs und
    einer erzwungenen Schwangerschaft war,
  • 9:09 - 9:12
    an deren Ende das Baby aus
    ihrem Bauch geschnitten wurde.
  • 9:12 - 9:14
    Aber es gab weder Narben
  • 9:14 - 9:16
    noch andere sichtbare Beweise,
  • 9:16 - 9:19
    die ihre Geschichte bestätigten.
  • 9:19 - 9:22
    Als ich begann, mir diese Fälle
    näher anzuschauen,
  • 9:22 - 9:24
    stellte ich mir die Frage,
  • 9:24 - 9:26
    woher diese bizarren
    Erinnerungen kamen?
  • 9:26 - 9:30
    Ich fand heraus,
    dass ein Großteil der Betroffenen
  • 9:30 - 9:36
    an einer speziellen Form der
    Psychotherapie teilgenommen hat.
  • 9:36 - 9:38
    Also versuchte ich herauszufinden,
  • 9:38 - 9:41
    ob einige Elemente dieser Psychotherapie
  • 9:41 - 9:44
    -- etwa die Vorstellungsübungen
  • 9:44 - 9:46
    oder die Traumdeutung
  • 9:46 - 9:48
    oder in einigen Fällen Hypnose
  • 9:48 - 9:52
    oder die Präsentation
    falscher Informationen --
  • 9:52 - 9:55
    dazu führten, dass die Patienten
  • 9:55 - 9:57
    diese äußerst bizarren,
  • 9:57 - 10:00
    unwahrscheinlichen
    Erinnerungen entwickelten?
  • 10:00 - 10:02
    Ich entwarf einige Experimente,
  • 10:02 - 10:07
    um die Prozesse der Therapie
  • 10:07 - 10:10
    genauer zu studieren,
    um herauszufinden,
  • 10:10 - 10:14
    wie sich diese vielen
    falschen Erinnerungen entwickelten.
  • 10:14 - 10:16
    In einer unserer ersten Studien
  • 10:16 - 10:19
    benutzten wir eine Variante
    der Suggestion,
  • 10:19 - 10:23
    inspiriert von der Psychotherapie,
    die wir in diesen Fällen beobachteten.
  • 10:23 - 10:25
    Mit Hilfe dieser Art der Suggestion
  • 10:25 - 10:27
    legten wir folgende falsche Erinnerung an:
  • 10:27 - 10:30
    Als Sie fünf oder sechs Jahre alt waren,
  • 10:30 - 10:32
    haben Sie sich in einem
    Einkaufszentrum verlaufen.
  • 10:32 - 10:35
    Sie hatten Angst
    und haben geweint.
  • 10:35 - 10:37
    Eine ältere Person fand Sie
  • 10:37 - 10:39
    und brachte Sie zurück
    zu Ihrer Familie.
  • 10:39 - 10:42
    Wir konnten diese Erinnerung
    bei einem Viertel
  • 10:42 - 10:46
    unserer Versuchspersonen
    erfolgreich einsetzen.
  • 10:46 - 10:48
    Sie mögen jetzt denken,
  • 10:48 - 10:50
    das war ja nicht besonders stressig.
  • 10:50 - 10:53
    Sowohl wir als auch andere Forscher
    konnten jedoch auch
  • 10:53 - 10:56
    viele falsche Erinnerungen
  • 10:56 - 10:59
    an sehr viel Ungewöhnlicheres
    und Extremeres einsetzen.
  • 10:59 - 11:02
    Im Rahmen einer Studie in Tennessee
  • 11:02 - 11:04
    pflanzten Forscher eine
    falsche Kindheitserinnerung ein,
  • 11:04 - 11:07
    in der die Versuchsperson
    fast ertrank
  • 11:07 - 11:09
    und durch einen Rettungsschwimmer
    geborgen werden musste.
  • 11:09 - 11:11
    In einer Studie in Kanada
  • 11:11 - 11:14
    konnten Forscher die
    falsche Erinnerung einsetzen,
  • 11:14 - 11:15
    die Versuchspersonen hätten
    in ihrer Kindheit
  • 11:15 - 11:19
    etwas so Schlimmes wie den Angriff
  • 11:19 - 11:20
    eines bissigen Tiers erlebt.
  • 11:20 - 11:24
    Dies glückte bei etwa
    der Hälfte der Versuchspersonen.
  • 11:24 - 11:26
    In einer Studie, die in
    Italien durchgeführt wurde,
  • 11:26 - 11:29
    platzierten Forscher
    die falsche Erinnerung,
  • 11:29 - 11:31
    die Versuchspersonen seien als Kind
  • 11:31 - 11:34
    Zeuge einer dämonischen Besessenheit
    gewesen.
  • 11:34 - 11:36
    Ich möchte anmerken,
    dass es so aussehen mag,
  • 11:36 - 11:40
    als würden wir Versuchspersonen
  • 11:40 - 11:42
    im Namen der Wissenschaft traumatisieren,
  • 11:42 - 11:46
    aber unsere Studien wurden von
  • 11:46 - 11:48
    Ethikkomissionen eingehend geprüft.
  • 11:48 - 11:50
    Diese Komissionen entschieden,
  • 11:50 - 11:54
    dass das temporäre Unbehagen,
    das einige Probanden
  • 11:54 - 11:57
    empfinden könnten,
    gerechtfertigt ist
  • 11:57 - 12:01
    durch den Gewinn
    wichtiger Einsichten
  • 12:01 - 12:04
    in die Erinnerungsprozesse,
  • 12:04 - 12:07
    und den Missbrauch von Erinnerungen,
  • 12:07 - 12:10
    der an einigen Orten der Welt stattfindet.
  • 12:10 - 12:13
    Zu meiner Überraschung führte
  • 12:13 - 12:17
    die Veröffentlichung meiner Arbeit,
    in der ich mich
  • 12:17 - 12:21
    auch gegen diese spezielle
    Art der Psychotherapie aussprach,
  • 12:21 - 12:25
    zu ziemlich schwerwiegenden
    Problemen für mich:
  • 12:25 - 12:26
    Anfeindungen,
  • 12:26 - 12:29
    häuptsächlich von auf Verdrängungstheorie
    spezialisierten Therapeuten,
  • 12:29 - 12:31
    die sich angegriffen fühlten,
  • 12:31 - 12:35
    aber auch von den Patienten,
    die von ihnen therapiert wurden.
  • 12:35 - 12:38
    Manchmal hatte ich während der Reden,
  • 12:38 - 12:40
    die ich halten sollte,
    bewaffnete Bodyguards bei mir.
  • 12:40 - 12:44
    Einige Personen versuchten mit Petitionen
    dafür zu sorgen, dass ich gefeuert werde.
  • 12:44 - 12:46
    Das Schlimmste war jedoch wahrscheinlich,
  • 12:46 - 12:49
    dass ich eine Frau für unschuldig hielt,
  • 12:49 - 12:51
    der von der eigenen erwachsenen Tochter
  • 12:51 - 12:54
    Missbrauch vorgeworfen wurde.
  • 12:54 - 12:57
    Sie beschuldigte ihre Mutter,
    sie sexuell missbraucht zu haben,
  • 12:57 - 12:59
    auf Basis einer
    verdrängten Erinnerung.
  • 12:59 - 13:02
    Die anklagende Tochter
    hatte sogar zugestimmt,
  • 13:02 - 13:05
    dass ihre Geschichte gefilmt
    und öffentlich präsentiert wurde.
  • 13:05 - 13:08
    Diese Geschichte kam mir
    verdächtig vor.
  • 13:08 - 13:10
    Daher begann ich nachzuforschen
  • 13:10 - 13:15
    und fand schließlich Informationen,
    die mich überzeugten,
  • 13:15 - 13:17
    dass diese Mutter unschuldig war.
  • 13:17 - 13:20
    Ich veröffentlichte eine Denkschrift
    zu dem Fall
  • 13:20 - 13:25
    und wurde wenig später
    von der anklagenden Tochter verklagt.
  • 13:25 - 13:27
    Obwohl ich nicht einmal
    ihren Namen erwähnt hatte,
  • 13:27 - 13:32
    verklagte sie mich wegen Verleumdung
    und Verletzung ihrer Privatsphäre.
  • 13:32 - 13:34
    Ich verbrachte fast fünf Jahre
  • 13:34 - 13:41
    mit diesem schmutzigen,
    unschönen Rechtsstreit,
  • 13:41 - 13:45
    bis er letztlich, endlich, vorbei war,
  • 13:45 - 13:47
    und ich mich wieder meiner
    Arbeit widmen konnte.
  • 13:47 - 13:49
    Trotzdem wurde ich währenddessen Teil
  • 13:49 - 13:52
    eines verstörenden Trends in den USA,
  • 13:52 - 13:54
    wo Wissenschafter verklagt werden,
  • 13:54 - 13:59
    nur weil sie große öffentliche
    Kontroversen thematisieren.
  • 13:59 - 14:02
    Als ich wieder an die Arbeit ging,
    stellte ich folgende Frage:
  • 14:02 - 14:05
    Wenn ich jemandem eine falsche
    Erinnerung einsetze,
  • 14:05 - 14:06
    hat diese Auswirkungen?
  • 14:06 - 14:08
    Beeinflusst sie nachfolgende Gedanken,
  • 14:08 - 14:10
    späteres Verhalten?
  • 14:10 - 14:13
    In unserer ersten Studie
    platzierten wir die falsche Erinnerung,
  • 14:13 - 14:16
    der Person sei als Kind von bestimmten
    Nahrungsmitteln schlecht geworden --
  • 14:16 - 14:19
    hart gekochten Eiern, Dillgurken,
    Erdbeereis.
  • 14:19 - 14:22
    Wir erkannten, dass, sobald diese
    falsche Erinnerung platziert war,
  • 14:22 - 14:24
    die Personen diese Lebensmittel
  • 14:24 - 14:27
    bei einem Picknick
    nicht so gerne essen wollten.
  • 14:27 - 14:31
    Die falschen Erinnerungen sind nicht
    unbedingt schlecht oder unschön.
  • 14:31 - 14:33
    Indem wir eine warme, flaumige Erinnerung
  • 14:33 - 14:36
    an gesunde Nahrungsmittel
    wie Spargel platzierten,
  • 14:36 - 14:39
    konnten wir Personen dazu bringen,
    mehr Spargel essen zu wollen.
  • 14:39 - 14:42
    Diese Studien zeigen also,
  • 14:42 - 14:44
    dass man falsche Erinnerungen
    einsetzen kann
  • 14:44 - 14:45
    und diese auch Auswirkungen haben,
  • 14:45 - 14:50
    die das Verhalten noch
    lange Zeit beeinflussen.
  • 14:50 - 14:53
    Zusammen mit der Möglichkeit,
  • 14:53 - 14:56
    Erinnerungen zu platzieren und
    Verhalten zu kontrollieren,
  • 14:56 - 15:00
    tauchen einige wichtige
    ethische Probleme auf,
  • 15:00 - 15:03
    z. B. wann sollten wir
    diese Technik anwenden?
  • 15:03 - 15:07
    Sollten wir ihre Anwendung
    je verbieten?
  • 15:07 - 15:10
    Therapeuten dürfen aus ethischen Gründen
    keine falschen Erinnerungen
  • 15:10 - 15:11
    in das Gedächtnis
    ihrer Patienten einsetzen,
  • 15:11 - 15:14
    selbst wenn es
    dem Patienten helfen würde.
  • 15:14 - 15:15
    Was hält jedoch
    ein Elternteil davon ab,
  • 15:15 - 15:20
    es an seinem übergewichtigen
    oder fettleibigen Teenager auszuprobieren?
  • 15:20 - 15:22
    Als ich das öffentlich vorbrachte,
  • 15:22 - 15:26
    kam es erneut zu einem Aufschrei.
  • 15:26 - 15:30
    "Da ist sie wieder. Jetzt schlägt sie vor,
    dass Eltern ihre Kinder anlügen sollen."
  • 15:30 - 15:32
    Hallo Weihnachtsmann. (Gelächter)
  • 15:32 - 15:41
    Ich meine, sehen Sie es mal so:
  • 15:41 - 15:43
    Was wäre Ihnen lieber,
  • 15:43 - 15:47
    ein Kind mit Übergewicht, Diabetes,
    verkürzter Lebenserwartung,
  • 15:47 - 15:48
    all den Dingen, die dazugehören,
  • 15:48 - 15:51
    oder ein Kind mit einer kleinen
    falschen zusätzlichen Erinnerung?
  • 15:51 - 15:54
    Ich weiß, was ich für
    mein Kind bevorzugen würde.
  • 15:54 - 15:58
    Vielleicht hat mich meine Arbeit
    aber auch verändert.
  • 15:58 - 16:01
    Die meisten Menschen hegen
    ihre Erinnerungen,
  • 16:01 - 16:03
    wissen, dass sie ihre Identität ausmachen,
  • 16:03 - 16:05
    wer sie sind, woher sie kommen.
  • 16:05 - 16:08
    Das schätze ich. So empfinde ich auch.
  • 16:08 - 16:10
    Durch meine Arbeit weiß ich jedoch,
  • 16:10 - 16:14
    wie viel Fiktion dort schon enthalten ist.
  • 16:14 - 16:17
    Wenn ich etwas aus
    der jahrzehntelangen Arbeit
  • 16:17 - 16:19
    an diesen Problemen gelernt habe,
    ist es Folgendes:
  • 16:19 - 16:22
    Nur weil uns jemand etwas
  • 16:22 - 16:23
    voll Selbstvertrauen erzählt,
  • 16:23 - 16:26
    nur weil er es genau im Detail wiedergibt,
  • 16:26 - 16:29
    nur weil er Gefühl in seine Aussage legt,
  • 16:29 - 16:32
    heißt das nicht,
    dass es wirklich passiert ist.
  • 16:32 - 16:36
    Wir können wahre Erinnerungen
    nicht zuverlässig von falschen unterscheiden.
  • 16:36 - 16:39
    Wir benötigen unabhängige Bestätigung.
  • 16:39 - 16:42
    Diese Erkenntnis hat mich toleranter
  • 16:42 - 16:44
    gegenüber den täglichen Erinnerungsfehlern
  • 16:44 - 16:47
    von Freunden und Familie gemacht.
  • 16:47 - 16:52
    Diese Erkenntnis hätte
    Steve Titus retten können,
  • 16:52 - 16:55
    den Mann, dem seine gesamte Zukunft
  • 16:55 - 16:58
    von einer falschen
    Erinnerung geraubt wurde.
  • 16:58 - 17:01
    Unterdessen sollten wir alle
    in Erinnerung behalten --
  • 17:01 - 17:02
    wir täten gut daran --
  • 17:02 - 17:06
    dass Erinnerungen, wie die Freiheit,
  • 17:06 - 17:10
    etwas Zerbrechliches sind.
  • 17:10 - 17:13
    Vielen Dank. Danke.
  • 17:13 - 17:15
    Danke. (Applaus)
  • 17:15 - 17:19
    Vielen, vielen Dank. (Applaus)
Title:
Die Fiktion der Erinnerung
Speaker:
Elizabeth Loftus
Description:

Psychologin Elizabeth Loftus erforscht Erinnerungen. Genauer gesagt, untersucht sie falsche Erinnerungen, wenn sich Menschen entweder an etwas erinnern, das nicht passiert ist, oder wenn ihre Erinnerungen von der Realität abweichen. Das geschieht öfter als man denkt. Loftus erzählt uns von einigen verblüffenden Geschichten und Statistiken und stellt wichtige Ethikfragen, die wir alle bedenken sollten.

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English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
17:36
Nadine Hennig commented on German subtitles for How reliable is your memory?
Nadine Hennig edited German subtitles for How reliable is your memory?
Nadine Hennig edited German subtitles for How reliable is your memory?
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Nadine Hennig approved German subtitles for How reliable is your memory?
Tanja Daub accepted German subtitles for How reliable is your memory?
Tanja Daub commented on German subtitles for How reliable is your memory?
Yvonne Balzer edited German subtitles for How reliable is your memory?
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  • Sieht aus, als wären wir uns ziemlich einig = )

  • Hallo! Sehr gute Übersetzung und sehr guter Review! Weiter so! Lg, Nadine

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