Die Fiktion der Erinnerung
-
0:01 - 0:05Ich möchte Ihnen von einem Fall erzählen,
an dem ich gearbeitet habe, -
0:05 - 0:08der einen Mann
namens Steve Titus betraf. -
0:08 - 0:11Titus war Restaurantchef.
-
0:11 - 0:16Er war 31 Jahre alt,
lebte in Seattle, Washington, -
0:16 - 0:18war verlobt mit Gretchen,
-
0:18 - 0:20die er bald heiraten wollte.
Sie war die Liebe seines Lebens. -
0:20 - 0:26Eines Abends ging das Paar
romantisch essen. -
0:26 - 0:30Auf dem Heimweg wurden sie
von einem Polizisten angehalten. -
0:30 - 0:34Der Grund: Titus' Auto
sah einem Auto ähnlich, -
0:34 - 0:37das früher am Abend
von einem Mann gefahren wurde, -
0:37 - 0:41der eine Tramperin vergewaltigt hatte.
-
0:41 - 0:44Weil Titus diesem Mann
offenbar ähnlich sah, -
0:44 - 0:47machte die Polizei ein Foto von ihm
-
0:47 - 0:50und nahm es in ihre
Gegenüberstellungskartei auf, -
0:50 - 0:52um es später
dem Opfer zu zeigen. -
0:52 - 0:54Sie zeigte auf Titus' Foto
und sagte: -
0:54 - 0:58"Der da sieht dem Täter
am ähnlichsten." -
0:58 - 1:02Polizei und Staatsanwaltschaft
erhoben Anklage. -
1:02 - 1:05Als Steve Titus wegen Vergewaltigung
vor Gericht stand, -
1:05 - 1:07trat das Vergewaltigungsopfer
in den Zeugenstand -
1:07 - 1:11und sagte: "Ich bin mir absolut sicher,
dass er der Täter ist." -
1:11 - 1:14Titus wurde verurteilt.
-
1:14 - 1:16Er beteuerte seine Unschuld,
-
1:16 - 1:19seine Familie schrie die Jury an,
-
1:19 - 1:22seine Verlobte brach weinend zusammen,
-
1:22 - 1:25und Titus musste ins Gefängnis.
-
1:25 - 1:29Was würden Sie
in dieser Situation tun? -
1:29 - 1:30Was würden Sie tun?
-
1:30 - 1:34Titus verlor jeglichen Glauben
an das Rechtssystem, -
1:34 - 1:36doch er hatte eine Idee.
-
1:36 - 1:38Er rief bei
einer Lokalzeitung an -
1:38 - 1:42und weckte das Interesse
eines Enthüllungsjournalisten. -
1:42 - 1:47Dieser fand tatsächlich
den eigentlichen Vergewaltiger, -
1:47 - 1:50der die Tat schließlich gestand.
-
1:50 - 1:52Er stand unter Verdacht,
-
1:52 - 1:5550 Vergewaltigungen
in der Umgebung begangen zu haben. -
1:55 - 1:58Als dies dem Richter zugetragen wurde,
-
1:58 - 2:01setzte dieser Titus auf freien Fuß.
-
2:01 - 2:05An diesem Punkt hätte der Fall
eigentlich beendet sein sollen. -
2:05 - 2:06Es hätte vorbei sein sollen.
-
2:06 - 2:08Titus würde sich zwar
an ein schreckliches Jahr erinnern, -
2:08 - 2:12ein Jahr der Beschuldigungen und Prozesse,
das jedoch vorbei war. -
2:12 - 2:14Allerdings
sollte es anders kommen. -
2:14 - 2:17Titus war verbittert.
-
2:17 - 2:20Er hatte seinen Job verloren
und bekam ihn nicht wieder. -
2:20 - 2:21Er verlor seine Verlobte,
-
2:21 - 2:24weil sie seine anhaltende Wut
nicht ertragen konnte. -
2:24 - 2:26Er hatte seine gesamten
Ersparnisse verloren; -
2:26 - 2:29deshalb entschied er sich,
Klage einzureichen -
2:29 - 2:32gegen die Polizei und alle weiteren,
-
2:32 - 2:34die er für seinen Leidensweg
verantwortlich machte. -
2:34 - 2:39Genau hier begann ich
mich näher mit dem Fall zu beschäftigen. -
2:39 - 2:41Ich versuchte herauszufinden,
-
2:41 - 2:43wie sich die Aussage
des Opfers von: -
2:43 - 2:44"Dieser Mann sieht dem Täter
am ähnlichsten." -
2:44 - 2:49zu: "Ich bin mir absolut sicher,
dass er der Täter ist." entwickelte. -
2:49 - 2:52Sein Zivilprozess
beschäftigte Titus sehr. -
2:52 - 2:55Jeder seiner Gedanken
drehte sich darum, -
2:55 - 2:59und nur ein paar Tage
vor Prozessbeginn -
2:59 - 3:02wachte er morgens auf,
-
3:02 - 3:03krümmte sich vor Schmerzen
-
3:03 - 3:06und starb an einem
stressbedingten Herzinfarkt. -
3:06 - 3:09Er war erst 35 Jahre alt.
-
3:09 - 3:14Ich wurde gebeten,
Titus' Fall zu untersuchen, -
3:14 - 3:17weil ich Spezialistin auf dem
Gebiet der Psychologie bin. -
3:17 - 3:20Ich beschäftige mich bereits
seit Jahrzehnten mit Erinnerungen. -
3:20 - 3:24Wenn ich im Flugzeug
jemandem begegne -
3:24 - 3:26-- das war auf einem Flug
nach Schottland -- -
3:26 - 3:28wenn ich im Flugzeug
jemanden kennen lerne -
3:28 - 3:31und man fragt sich gegenseitig
"Was machst du so?" -
3:31 - 3:32und ich antworte:
"Ich untersuche Erinnerungen.", -
3:32 - 3:36dann erzählt mir die Person in der Regel,
wie schlecht sie Namen behalten kann -
3:36 - 3:38oder dass sie Verwandte
mit Alzheimer -
3:38 - 3:40oder irgendeinem
Gedächtnisproblem hat. -
3:40 - 3:43Ich muss der Person dann erklären,
-
3:43 - 3:46dass ich nicht an dem interessiert bin,
was die Menschen vergessen. -
3:46 - 3:49Im Gegenteil, ich untersuche das,
woran sich die Menschen erinnern, -
3:49 - 3:52z. B. wenn sie sich an Dinge erinnern,
die nie passiert sind, -
3:52 - 3:54oder an Dinge,
-
3:54 - 3:56die von der Realität abweichen.
-
3:56 - 4:01Ich erforsche falsche Erinnerungen.
-
4:01 - 4:05Leider war Steve Titus
nicht die erste Person, -
4:05 - 4:09die falschen Erinnerungen
zum Opfer gefallen ist. -
4:09 - 4:13Im Rahmen eines Projektes
in den USA -
4:13 - 4:15wurden Informationen
-
4:15 - 4:19über 300 unschuldige
Menschen gesammelt, -
4:19 - 4:23300 Beklagte verurteilt für Verbrechen,
die sie nicht begangen hatten. -
4:23 - 4:28Dennoch verbrachten sie 10, 20,
30 Jahre im Gefängnis, -
4:28 - 4:30bis DNA-Tests
nachweisen konnten, -
4:30 - 4:33dass sie eigentlich
unschuldig waren. -
4:33 - 4:36Untersuchungen
dieser Fälle zeigten, -
4:36 - 4:38dass drei Viertel
-
4:38 - 4:44auf falschen Erinnerungen
der Zeugen beruhten. -
4:44 - 4:45Aber warum ist das so?
-
4:45 - 4:48So wie die Geschworenen,
die diese Unschuldigen -
4:48 - 4:51und auch Titus
für schuldig befanden, -
4:51 - 4:53glauben viele Menschen,
dass das Gedächtnis -
4:53 - 4:54wie ein Aufnahmegerät
funktioniert. -
4:54 - 4:57Man speichert
die Informationen einfach, -
4:57 - 4:59und ruft sie dann ab
und gibt sie wieder, -
4:59 - 5:03wenn man Fragen beantworten
oder Bilder identifizieren will. -
5:03 - 5:05Jahrzehnte
psychologischer Forschung -
5:05 - 5:08haben allerdings gezeigt,
dass das nicht der Fall ist. -
5:08 - 5:11Unsere Erinnerungen
sind konstruktiv. -
5:11 - 5:12Sie sind rekonstruktiv.
-
5:12 - 5:16Erinnerungen sind ein bisschen
wie eine Wikipedia-Seite: -
5:16 - 5:18Man kann sie abrufen
und Änderungen vornehmen, -
5:18 - 5:21andere allerdings auch.
-
5:21 - 5:26Ich untersuchte diesen konstruktiven
Erinnerungsprozess zum ersten Mal -
5:26 - 5:28in den 1970er Jahren.
-
5:28 - 5:33Im Rahmen meiner Experimente
zeigte ich Versuchspersonen -
5:33 - 5:35simulierte Verbrechen und Unfälle
-
5:35 - 5:39und fragte sie im Anschluss,
woran sie sich erinnern konnten. -
5:39 - 5:43In einer Studie zeigten wir
den Teilnehmern einen simulierten Unfall -
5:43 - 5:44und fragten eine Gruppe,
-
5:44 - 5:47wie schnell die Autos fuhren,
als sie aufeinander trafen. -
5:47 - 5:49Eine andere Gruppe
fragten wir, -
5:49 - 5:52wie schnell die Autos fuhren,
als sie ineinander krachten. -
5:52 - 5:55Wenn wir die Frage mit dem
Wortlaut "krachten" stellten, -
5:55 - 5:59wurde uns gesagt,
die Autos seien schneller gefahren. -
5:59 - 6:03Außerdem führte
diese Suggestivfrage dazu, -
6:03 - 6:05dass die Versuchspersonen
uns eher -
6:05 - 6:08von zerbrochenem Glas
am Unfallort berichteten, -
6:08 - 6:12obwohl es überhaupt kein
zerbrochenes Glas gab. -
6:12 - 6:15In einer weiteren Studie zeigten wir
einen simulierten Unfall, -
6:15 - 6:19bei dem ein Auto trotz Stoppschild
über eine Kreuzung fuhr. -
6:19 - 6:24Als wir andeuteten, dass es sich
um ein Vorfahrtsschild handelte, -
6:24 - 6:28erzählten uns viele Zeugen,
dass sie sich an das Vorfahrtsschild -
6:28 - 6:31an der Kreuzung erinnern konnten.
-
6:31 - 6:33Sie denken jetzt vielleicht,
-
6:33 - 6:35das waren ja nur gefilmte Ereignisse,
-
6:35 - 6:36die nicht gerade stressig waren.
-
6:36 - 6:39Würden dieselben Fehler aber auch
-
6:39 - 6:42in wirklich stressigen Situationen
gemacht werden? -
6:42 - 6:45In einer Studie, die wir vor ein paar
Monaten veröffentlicht haben, -
6:45 - 6:48geben wir die Antwort
auf diese Frage. -
6:48 - 6:50Das Besondere an
diesem Experiment war, -
6:50 - 6:56dass wir die Untersuchungssituation
extrem stressig gestalteten. -
6:56 - 6:58Die Versuchspersonen
-
6:58 - 7:01waren US-amerikanische Militärs,
-
7:01 - 7:05die sich in einer
qualvollen Übung befanden, -
7:05 - 7:08die ihnen zeigen sollte,
wie es wäre, -
7:08 - 7:12wenn sie im Krieg
gefangen genommen würden. -
7:12 - 7:14Als Teil dieser Übung
-
7:14 - 7:18werden die Soldaten
30 Minuten lang -
7:18 - 7:23auf aggressive, feindselige Weise
verhört und misshandelt. -
7:23 - 7:26Im Anschluss sollen sie
die Person identifizieren, -
7:26 - 7:29die sie verhört hat.
-
7:29 - 7:33Wenn wir sie mit suggestiven
Informationen versorgen, -
7:33 - 7:35die auf eine andere
Person hindeuten, -
7:35 - 7:39identifizieren viele von ihnen
eine falsche Person, -
7:39 - 7:43häufig jemanden,
der der verhörenden Person -
7:43 - 7:46nicht im Entferntesten ähnelt.
-
7:46 - 7:49Diese Studien zeigen also,
-
7:49 - 7:52wenn man jemandem
Fehlinformationen -
7:52 - 7:56zu einem Erlebnis gibt,
das derjenige gehabt hat, -
7:56 - 8:01kann man seine Erinnerung daran
verzerren, verfälschen oder verändern. -
8:01 - 8:04Draußen im wirklichen Leben
-
8:04 - 8:07erhält man überall Fehlinformationen.
-
8:07 - 8:08Wir bekommen falsche Informationen,
-
8:08 - 8:11nicht nur durch Suggestivfragen,
-
8:11 - 8:13sondern auch, wenn wir
mit anderen Zeugen reden, -
8:13 - 8:16die uns bewusst oder unbewusst
-
8:16 - 8:18mit fehlerhaften
Informationen versorgen, -
8:18 - 8:23oder durch Medienberichte über etwas,
das wir vielleicht erlebt haben. -
8:23 - 8:26Alle diese Situationen
bergen das Risiko, -
8:26 - 8:30unsere Erinnerungen
zu verfälschen. -
8:30 - 8:34In den 90er Jahren
konnten wir eine -
8:34 - 8:39noch extremere Form von
Erinnerungsproblemen beobachten. -
8:39 - 8:42Einige Patienten begaben sich wegen
eines Problems in Therapie -
8:42 - 8:45-- vielleicht wegen Depressionen
oder einer Essstörung -- -
8:45 - 8:48und verließen die Therapie
-
8:48 - 8:50mit einem
ganz anderen Problem: -
8:50 - 8:54extreme Erinnerungen
an schreckliche Ereignisse, -
8:54 - 8:56teilweise verbunden mit
satanischen Ritualen, -
8:56 - 9:01manchmal mit wirklich bizarren
und ungewöhnlichen Elementen. -
9:01 - 9:03Eine Frau verließ
die Psychotherapie -
9:03 - 9:06in dem Glauben,
dass sie Opfer jahrelangen -
9:06 - 9:09rituellen Missbrauchs und
einer erzwungenen Schwangerschaft war, -
9:09 - 9:12an deren Ende das Baby aus
ihrem Bauch geschnitten wurde. -
9:12 - 9:14Aber es gab weder Narben
-
9:14 - 9:16noch andere sichtbare Beweise,
-
9:16 - 9:19die ihre Geschichte bestätigten.
-
9:19 - 9:22Als ich begann, mir diese Fälle
näher anzuschauen, -
9:22 - 9:24stellte ich mir die Frage,
-
9:24 - 9:26woher diese bizarren
Erinnerungen kamen? -
9:26 - 9:30Ich fand heraus,
dass ein Großteil der Betroffenen -
9:30 - 9:36an einer speziellen Form der
Psychotherapie teilgenommen hat. -
9:36 - 9:38Also versuchte ich herauszufinden,
-
9:38 - 9:41ob einige Elemente dieser Psychotherapie
-
9:41 - 9:44-- etwa die Vorstellungsübungen
-
9:44 - 9:46oder die Traumdeutung
-
9:46 - 9:48oder in einigen Fällen Hypnose
-
9:48 - 9:52oder die Präsentation
falscher Informationen -- -
9:52 - 9:55dazu führten, dass die Patienten
-
9:55 - 9:57diese äußerst bizarren,
-
9:57 - 10:00unwahrscheinlichen
Erinnerungen entwickelten? -
10:00 - 10:02Ich entwarf einige Experimente,
-
10:02 - 10:07um die Prozesse der Therapie
-
10:07 - 10:10genauer zu studieren,
um herauszufinden, -
10:10 - 10:14wie sich diese vielen
falschen Erinnerungen entwickelten. -
10:14 - 10:16In einer unserer ersten Studien
-
10:16 - 10:19benutzten wir eine Variante
der Suggestion, -
10:19 - 10:23inspiriert von der Psychotherapie,
die wir in diesen Fällen beobachteten. -
10:23 - 10:25Mit Hilfe dieser Art der Suggestion
-
10:25 - 10:27legten wir folgende falsche Erinnerung an:
-
10:27 - 10:30Als Sie fünf oder sechs Jahre alt waren,
-
10:30 - 10:32haben Sie sich in einem
Einkaufszentrum verlaufen. -
10:32 - 10:35Sie hatten Angst
und haben geweint. -
10:35 - 10:37Eine ältere Person fand Sie
-
10:37 - 10:39und brachte Sie zurück
zu Ihrer Familie. -
10:39 - 10:42Wir konnten diese Erinnerung
bei einem Viertel -
10:42 - 10:46unserer Versuchspersonen
erfolgreich einsetzen. -
10:46 - 10:48Sie mögen jetzt denken,
-
10:48 - 10:50das war ja nicht besonders stressig.
-
10:50 - 10:53Sowohl wir als auch andere Forscher
konnten jedoch auch -
10:53 - 10:56viele falsche Erinnerungen
-
10:56 - 10:59an sehr viel Ungewöhnlicheres
und Extremeres einsetzen. -
10:59 - 11:02Im Rahmen einer Studie in Tennessee
-
11:02 - 11:04pflanzten Forscher eine
falsche Kindheitserinnerung ein, -
11:04 - 11:07in der die Versuchsperson
fast ertrank -
11:07 - 11:09und durch einen Rettungsschwimmer
geborgen werden musste. -
11:09 - 11:11In einer Studie in Kanada
-
11:11 - 11:14konnten Forscher die
falsche Erinnerung einsetzen, -
11:14 - 11:15die Versuchspersonen hätten
in ihrer Kindheit -
11:15 - 11:19etwas so Schlimmes wie den Angriff
-
11:19 - 11:20eines bissigen Tiers erlebt.
-
11:20 - 11:24Dies glückte bei etwa
der Hälfte der Versuchspersonen. -
11:24 - 11:26In einer Studie, die in
Italien durchgeführt wurde, -
11:26 - 11:29platzierten Forscher
die falsche Erinnerung, -
11:29 - 11:31die Versuchspersonen seien als Kind
-
11:31 - 11:34Zeuge einer dämonischen Besessenheit
gewesen. -
11:34 - 11:36Ich möchte anmerken,
dass es so aussehen mag, -
11:36 - 11:40als würden wir Versuchspersonen
-
11:40 - 11:42im Namen der Wissenschaft traumatisieren,
-
11:42 - 11:46aber unsere Studien wurden von
-
11:46 - 11:48Ethikkomissionen eingehend geprüft.
-
11:48 - 11:50Diese Komissionen entschieden,
-
11:50 - 11:54dass das temporäre Unbehagen,
das einige Probanden -
11:54 - 11:57empfinden könnten,
gerechtfertigt ist -
11:57 - 12:01durch den Gewinn
wichtiger Einsichten -
12:01 - 12:04in die Erinnerungsprozesse,
-
12:04 - 12:07und den Missbrauch von Erinnerungen,
-
12:07 - 12:10der an einigen Orten der Welt stattfindet.
-
12:10 - 12:13Zu meiner Überraschung führte
-
12:13 - 12:17die Veröffentlichung meiner Arbeit,
in der ich mich -
12:17 - 12:21auch gegen diese spezielle
Art der Psychotherapie aussprach, -
12:21 - 12:25zu ziemlich schwerwiegenden
Problemen für mich: -
12:25 - 12:26Anfeindungen,
-
12:26 - 12:29häuptsächlich von auf Verdrängungstheorie
spezialisierten Therapeuten, -
12:29 - 12:31die sich angegriffen fühlten,
-
12:31 - 12:35aber auch von den Patienten,
die von ihnen therapiert wurden. -
12:35 - 12:38Manchmal hatte ich während der Reden,
-
12:38 - 12:40die ich halten sollte,
bewaffnete Bodyguards bei mir. -
12:40 - 12:44Einige Personen versuchten mit Petitionen
dafür zu sorgen, dass ich gefeuert werde. -
12:44 - 12:46Das Schlimmste war jedoch wahrscheinlich,
-
12:46 - 12:49dass ich eine Frau für unschuldig hielt,
-
12:49 - 12:51der von der eigenen erwachsenen Tochter
-
12:51 - 12:54Missbrauch vorgeworfen wurde.
-
12:54 - 12:57Sie beschuldigte ihre Mutter,
sie sexuell missbraucht zu haben, -
12:57 - 12:59auf Basis einer
verdrängten Erinnerung. -
12:59 - 13:02Die anklagende Tochter
hatte sogar zugestimmt, -
13:02 - 13:05dass ihre Geschichte gefilmt
und öffentlich präsentiert wurde. -
13:05 - 13:08Diese Geschichte kam mir
verdächtig vor. -
13:08 - 13:10Daher begann ich nachzuforschen
-
13:10 - 13:15und fand schließlich Informationen,
die mich überzeugten, -
13:15 - 13:17dass diese Mutter unschuldig war.
-
13:17 - 13:20Ich veröffentlichte eine Denkschrift
zu dem Fall -
13:20 - 13:25und wurde wenig später
von der anklagenden Tochter verklagt. -
13:25 - 13:27Obwohl ich nicht einmal
ihren Namen erwähnt hatte, -
13:27 - 13:32verklagte sie mich wegen Verleumdung
und Verletzung ihrer Privatsphäre. -
13:32 - 13:34Ich verbrachte fast fünf Jahre
-
13:34 - 13:41mit diesem schmutzigen,
unschönen Rechtsstreit, -
13:41 - 13:45bis er letztlich, endlich, vorbei war,
-
13:45 - 13:47und ich mich wieder meiner
Arbeit widmen konnte. -
13:47 - 13:49Trotzdem wurde ich währenddessen Teil
-
13:49 - 13:52eines verstörenden Trends in den USA,
-
13:52 - 13:54wo Wissenschafter verklagt werden,
-
13:54 - 13:59nur weil sie große öffentliche
Kontroversen thematisieren. -
13:59 - 14:02Als ich wieder an die Arbeit ging,
stellte ich folgende Frage: -
14:02 - 14:05Wenn ich jemandem eine falsche
Erinnerung einsetze, -
14:05 - 14:06hat diese Auswirkungen?
-
14:06 - 14:08Beeinflusst sie nachfolgende Gedanken,
-
14:08 - 14:10späteres Verhalten?
-
14:10 - 14:13In unserer ersten Studie
platzierten wir die falsche Erinnerung, -
14:13 - 14:16der Person sei als Kind von bestimmten
Nahrungsmitteln schlecht geworden -- -
14:16 - 14:19hart gekochten Eiern, Dillgurken,
Erdbeereis. -
14:19 - 14:22Wir erkannten, dass, sobald diese
falsche Erinnerung platziert war, -
14:22 - 14:24die Personen diese Lebensmittel
-
14:24 - 14:27bei einem Picknick
nicht so gerne essen wollten. -
14:27 - 14:31Die falschen Erinnerungen sind nicht
unbedingt schlecht oder unschön. -
14:31 - 14:33Indem wir eine warme, flaumige Erinnerung
-
14:33 - 14:36an gesunde Nahrungsmittel
wie Spargel platzierten, -
14:36 - 14:39konnten wir Personen dazu bringen,
mehr Spargel essen zu wollen. -
14:39 - 14:42Diese Studien zeigen also,
-
14:42 - 14:44dass man falsche Erinnerungen
einsetzen kann -
14:44 - 14:45und diese auch Auswirkungen haben,
-
14:45 - 14:50die das Verhalten noch
lange Zeit beeinflussen. -
14:50 - 14:53Zusammen mit der Möglichkeit,
-
14:53 - 14:56Erinnerungen zu platzieren und
Verhalten zu kontrollieren, -
14:56 - 15:00tauchen einige wichtige
ethische Probleme auf, -
15:00 - 15:03z. B. wann sollten wir
diese Technik anwenden? -
15:03 - 15:07Sollten wir ihre Anwendung
je verbieten? -
15:07 - 15:10Therapeuten dürfen aus ethischen Gründen
keine falschen Erinnerungen -
15:10 - 15:11in das Gedächtnis
ihrer Patienten einsetzen, -
15:11 - 15:14selbst wenn es
dem Patienten helfen würde. -
15:14 - 15:15Was hält jedoch
ein Elternteil davon ab, -
15:15 - 15:20es an seinem übergewichtigen
oder fettleibigen Teenager auszuprobieren? -
15:20 - 15:22Als ich das öffentlich vorbrachte,
-
15:22 - 15:26kam es erneut zu einem Aufschrei.
-
15:26 - 15:30"Da ist sie wieder. Jetzt schlägt sie vor,
dass Eltern ihre Kinder anlügen sollen." -
15:30 - 15:32Hallo Weihnachtsmann. (Gelächter)
-
15:32 - 15:41Ich meine, sehen Sie es mal so:
-
15:41 - 15:43Was wäre Ihnen lieber,
-
15:43 - 15:47ein Kind mit Übergewicht, Diabetes,
verkürzter Lebenserwartung, -
15:47 - 15:48all den Dingen, die dazugehören,
-
15:48 - 15:51oder ein Kind mit einer kleinen
falschen zusätzlichen Erinnerung? -
15:51 - 15:54Ich weiß, was ich für
mein Kind bevorzugen würde. -
15:54 - 15:58Vielleicht hat mich meine Arbeit
aber auch verändert. -
15:58 - 16:01Die meisten Menschen hegen
ihre Erinnerungen, -
16:01 - 16:03wissen, dass sie ihre Identität ausmachen,
-
16:03 - 16:05wer sie sind, woher sie kommen.
-
16:05 - 16:08Das schätze ich. So empfinde ich auch.
-
16:08 - 16:10Durch meine Arbeit weiß ich jedoch,
-
16:10 - 16:14wie viel Fiktion dort schon enthalten ist.
-
16:14 - 16:17Wenn ich etwas aus
der jahrzehntelangen Arbeit -
16:17 - 16:19an diesen Problemen gelernt habe,
ist es Folgendes: -
16:19 - 16:22Nur weil uns jemand etwas
-
16:22 - 16:23voll Selbstvertrauen erzählt,
-
16:23 - 16:26nur weil er es genau im Detail wiedergibt,
-
16:26 - 16:29nur weil er Gefühl in seine Aussage legt,
-
16:29 - 16:32heißt das nicht,
dass es wirklich passiert ist. -
16:32 - 16:36Wir können wahre Erinnerungen
nicht zuverlässig von falschen unterscheiden. -
16:36 - 16:39Wir benötigen unabhängige Bestätigung.
-
16:39 - 16:42Diese Erkenntnis hat mich toleranter
-
16:42 - 16:44gegenüber den täglichen Erinnerungsfehlern
-
16:44 - 16:47von Freunden und Familie gemacht.
-
16:47 - 16:52Diese Erkenntnis hätte
Steve Titus retten können, -
16:52 - 16:55den Mann, dem seine gesamte Zukunft
-
16:55 - 16:58von einer falschen
Erinnerung geraubt wurde. -
16:58 - 17:01Unterdessen sollten wir alle
in Erinnerung behalten -- -
17:01 - 17:02wir täten gut daran --
-
17:02 - 17:06dass Erinnerungen, wie die Freiheit,
-
17:06 - 17:10etwas Zerbrechliches sind.
-
17:10 - 17:13Vielen Dank. Danke.
-
17:13 - 17:15Danke. (Applaus)
-
17:15 - 17:19Vielen, vielen Dank. (Applaus)
- Title:
- Die Fiktion der Erinnerung
- Speaker:
- Elizabeth Loftus
- Description:
-
Psychologin Elizabeth Loftus erforscht Erinnerungen. Genauer gesagt, untersucht sie falsche Erinnerungen, wenn sich Menschen entweder an etwas erinnern, das nicht passiert ist, oder wenn ihre Erinnerungen von der Realität abweichen. Das geschieht öfter als man denkt. Loftus erzählt uns von einigen verblüffenden Geschichten und Statistiken und stellt wichtige Ethikfragen, die wir alle bedenken sollten.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 17:36
![]() |
Nadine Hennig commented on German subtitles for How reliable is your memory? | |
![]() |
Nadine Hennig edited German subtitles for How reliable is your memory? | |
![]() |
Nadine Hennig edited German subtitles for How reliable is your memory? | |
![]() |
Nadine Hennig edited German subtitles for How reliable is your memory? | |
![]() |
Nadine Hennig approved German subtitles for How reliable is your memory? | |
![]() |
Tanja Daub accepted German subtitles for How reliable is your memory? | |
![]() |
Tanja Daub commented on German subtitles for How reliable is your memory? | |
![]() |
Yvonne Balzer edited German subtitles for How reliable is your memory? |
Tanja Daub
Sieht aus, als wären wir uns ziemlich einig = )
Nadine Hennig
Hallo! Sehr gute Übersetzung und sehr guter Review! Weiter so! Lg, Nadine