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Die Stimmen in meinem Kopf

  • 0:01 - 0:03
    Der Tag, an dem ich erstmals
    das Haus verließ,
  • 0:03 - 0:05
    um an die Uni zu gehen,
    war ein strahlender Tag
  • 0:05 - 0:08
    voller Hoffnung und Optimismus.
  • 0:08 - 0:10
    Ich war erfolgreich in der Schule.
    Man erwartete sehr viel von mir
  • 0:10 - 0:13
    und ich nahm fröhlich das studentische Leben auf,
  • 0:13 - 0:16
    das aus Vorträgen, Partys
    und Leitkegel-Klau bestand.
  • 0:16 - 0:19
    Der Schein kann natürlich trügen
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    und in gewissem Maß war diese
    lebhafte, energiegeladene Person,
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    die zu Vorlesungen ging und
    Leitkegel stahl, eine Fassade,
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    wenn auch eine sehr gut gemachte
    und überzeugende.
  • 0:28 - 0:32
    Innerlich war ich zutiefst unglücklich,
    verunsichert
  • 0:32 - 0:34
    und völlig verängstigt –
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    Ich hatte Angst vor anderen Menschen,
    vor der Zukunft, vor dem Versagen
  • 0:37 - 0:40
    und vor der Leere, die ich innerlich fühlte.
  • 0:40 - 0:42
    Aber ich war geschickt darin
    es zu verstecken und von außen
  • 0:42 - 0:44
    schien ich wie jemand, der auf alles hoffen
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    und alles erreichen konnte.
  • 0:46 - 0:49
    Dieses Fantasiebild von Unverletzbarkeit
    war so vollkommen,
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    dass ich mich selbst täuschte.
  • 0:51 - 0:53
    Als das erste Semester endete
    und das zweite begann,
  • 0:53 - 0:56
    hätte niemand vorhersehen können,
  • 0:56 - 0:59
    was passieren würde.
  • 0:59 - 1:02
    Ich verließ gerade ein Seminar,
    als es anfing.
  • 1:02 - 1:04
    Ich summte vor mich hin,
    fummelte an meiner Tasche herum,
  • 1:04 - 1:06
    so wie ich es schon hundertmal gemacht hatte,
  • 1:06 - 1:09
    als ich plötzlich eine Stimme hörte,
    die ruhig bemerkte:
  • 1:09 - 1:11
    "Sie geht aus dem Raum."
  • 1:11 - 1:12
    Ich schaute herum und es war niemand da,
  • 1:12 - 1:15
    aber die Klarheit und Entschiedenheit
    des Kommentars
  • 1:15 - 1:17
    war unmissverständlich.
  • 1:17 - 1:20
    Erschüttert ließ ich meine Bücher auf der Treppe
    und rannte nach Hause,
  • 1:20 - 1:21
    und da war es wieder.
  • 1:21 - 1:23
    "Sie öffnet die Tür."
  • 1:23 - 1:27
    Es war der Beginn. Die Stimme war aufgetaucht.
  • 1:27 - 1:29
    Und diese Stimme dauerte an,
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    tagelang, wochenlang, immer weiter,
  • 1:32 - 1:34
    sie erzählte alles, was ich tat,
    in der dritten Person.
  • 1:34 - 1:35
    “Sie geht in die Bibliothek.”
  • 1:35 - 1:37
    “Sie geht zu einem Vortrag.”
  • 1:37 - 1:40
    Sie war neutral, ungerührt und,
    nach einiger Zeit sogar
  • 1:40 - 1:43
    eigentümlicherweise kameradschaftlich
    und beruhigend,
  • 1:43 - 1:46
    obwohl ich bemerkte, dass ihr ruhiges Äußeres
    manchmal verrutschte
  • 1:46 - 1:50
    und dass sie gelegentlich meine eigenen
    unausgesprochenen Gefühle wiederspiegelte.
  • 1:50 - 1:52
    War ich etwa verärgert
    und musste es verstecken,
  • 1:52 - 1:56
    was ich häufig tat, da ich geübt darin war
    zu verstecken, wie ich eigentlich fühlte,
  • 1:56 - 1:58
    dann klang die Stimme enttäuscht.
  • 1:58 - 2:01
    Ansonsten war sie weder böse noch störend,
  • 2:01 - 2:03
    obwohl auch unter diesen Umständen klar war,
  • 2:03 - 2:05
    dass sie mir etwas mitzuteilen hatte
  • 2:05 - 2:07
    über meine Gefühle, besonders über
  • 2:07 - 2:10
    verborgene Gefühle.
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    Genau da machte ich einen fatalen Fehler,
  • 2:13 - 2:17
    als ich einer Freundin von der Stimme erzählte,
    und sie damit erschreckte.
  • 2:17 - 2:19
    Ein subtiler Konditionierungsprozess
    hatte begonnen.
  • 2:19 - 2:23
    Die Implikation, dass normale Menschen
    keine Stimmen hören
  • 2:23 - 2:26
    und ich sie aber hörte, bedeutete,
    dass etwas mit mir nicht stimmen konnte.
  • 2:26 - 2:29
    Solche Angst und solches Misstrauen
    war ansteckend.
  • 2:29 - 2:32
    Plötzlich schien die Stimme
    nicht mehr freundlich zu sein.
  • 2:32 - 2:34
    Als sie darauf bestand,
    dass ich in ärztliche Hilfe aufsuchen sollte,
  • 2:34 - 2:37
    willigte ich pflichtgemäß ein, was sich als
  • 2:37 - 2:39
    zweiter Fehler erwies.
  • 2:39 - 2:41
    Ich verbrachte einige Zeit damit,
    dem College-Arzt davon zu erzählen,
  • 2:41 - 2:43
    was ich als das eigentliche Problem empfand:
  • 2:43 - 2:46
    Angst, geringes Selbstwertgefühl, Zukunftsängste,
  • 2:46 - 2:48
    und es traf auf gelangweilte Gleichgültigkeit,
  • 2:48 - 2:49
    bis ich die Stimme erwähnte,
  • 2:49 - 2:51
    woraufhin ihm sein Stift runterfiel, er sich herumdrehte
  • 2:51 - 2:54
    und anfing, mich mit echtem Interesse zu befragen.
  • 2:54 - 2:57
    Um ehrlich zu sein, verzerrte
    ich mich nach Interesse und Hilfe,
  • 2:57 - 3:00
    und fing an, ihm von meinem
    seltsamen Kommentator zu erzählen.
  • 3:00 - 3:02
    Ich wünsche mir immer noch,
    dass die Stimme damals gesagt hätte:
  • 3:02 - 3:04
    "Sie gräbt sich ihr eigenes Grab."
  • 3:04 - 3:07
    Ich wurde an einen Psychiater
    überwiesen, der ebenfalls
  • 3:07 - 3:10
    die Anwesenheit der Stimme kritisch sah,
  • 3:10 - 3:12
    und nachträglich alles, was ich sagte
  • 3:12 - 3:14
    durch die Linse von latentem Wahnsinn interpretierte.
  • 3:14 - 3:17
    Zum Beispiel war ich Mitglied
    eines Studenten-TV-Senders,
  • 3:17 - 3:20
    der Nachrichten auf dem Campus ausstrahlte.
  • 3:20 - 3:22
    Und bei einem Termins,
    der sehr sich sehr hinzog,
  • 3:22 - 3:23
    sagte ich: "Es tut mir leid, Herr Doktor,
    aber ich muss gehen.
  • 3:23 - 3:25
    Ich werde um sechs die Nachrichten vorlesen.”
  • 3:25 - 3:26
    Jetzt steht in meiner Patientenakte,
    dass Eleanor
  • 3:26 - 3:30
    die Wahnvorstellung hat, eine
    Nachrichtensprecherin zu sein.
  • 3:30 - 3:34
    Zu diesem Zeitpunkt begannen die Ereignisse
  • 3:34 - 3:36
    sich zu überschlagen.
  • 3:36 - 3:38
    Eine Einlieferung ins Krankenhaus folgte,
    die erste von vielen,
  • 3:38 - 3:41
    die Diagnose Schizophrenie folgte als Nächstes,
  • 3:41 - 3:45
    und dann, was am schlimmsten war, ein giftiges,
  • 3:45 - 3:48
    quälendes Gefühl von Hoffnungslosigkeit,
    Demütigung und Verzweiflung
  • 3:48 - 3:51
    über mich und meine Aussichten.
  • 3:51 - 3:53
    Aber nachdem ich ermutigt worden war,
    die Stimme
  • 3:53 - 3:56
    nicht als Erfahrung, sondern als Symptom zu sehen,
  • 3:56 - 3:59
    verstärkte sich meine Angst und
    mein Widerstand ihr gegenüber.
  • 3:59 - 4:01
    Dies bedeutete im Wesentlichen
  • 4:01 - 4:03
    eine aggressive Haltung gegenüber
    meinem eigenen Verstand einzunehmen,
  • 4:03 - 4:05
    eine Art psychischer Bürgerkrieg,
  • 4:05 - 4:08
    und dies bewirkte wiederum,
    dass sich die Anzahl der Stimmen erhöhte
  • 4:08 - 4:12
    und sie immer feindlicher
    und bedrohlicher wurden.
  • 4:12 - 4:15
    Hilflos und hoffnungslos begann ich mich
  • 4:15 - 4:17
    in diese alptraumhafte innere Welt zurückzuziehen,
  • 4:17 - 4:19
    eine Welt, in der die Stimmen dazu bestimmt waren,
  • 4:19 - 4:23
    sowohl meine Verfolger als auch meine
    einzigen vermeintlichen Begleiter zu sein.
  • 4:23 - 4:26
    Sie sagten mir etwas,
    dass wenn ich mich ihrer Hilfe würdig
  • 4:26 - 4:28
    erweisen würde, könnten sie mein Leben
  • 4:28 - 4:30
    wieder in mein altes verwandeln,
  • 4:30 - 4:33
    und eine Reihe von zunehmend
    bizarren Aufgaben wurden gestellt,
  • 4:33 - 4:35
    eine Art Herkulesaufgaben.
  • 4:35 - 4:36
    Es begann ganz klein, zum Beispiel,
  • 4:36 - 4:38
    reiß dir drei Haarsträhnen heraus.
  • 4:38 - 4:40
    Aber allmählich wurde es immer extremer,
  • 4:40 - 4:42
    es gipfelte in Befehlen, um mir zu schaden,
  • 4:42 - 4:44
    und in einer besonders dramatischen Anweisung:
  • 4:44 - 4:46
    "Siehst du den Tutor da drüben?
  • 4:46 - 4:47
    Siehst du das Glas Wasser?
  • 4:47 - 4:50
    Na, du musst rübergehen und es vor
    den anderen Studenten über ihn gießen.”
  • 4:50 - 4:52
    Was ich wirklich tat und was mich natürlich
  • 4:52 - 4:54
    in der Fakultät nicht beliebt machte.
  • 4:54 - 4:58
    Praktisch entstand ein Teufelskreis
    aus Angst, Vermeidung,
  • 4:58 - 5:01
    Misstrauen und Missverständnis,
  • 5:01 - 5:04
    und dies war ein Kampf,
    in dem ich mich machtlos fühlte
  • 5:04 - 5:08
    und unfähig irgendeine Art von Frieden
    oder Versöhnung aufzubauen.
  • 5:08 - 5:12
    Zwei Jahre später hatte sich die Situation
    dramatisch verschlechtert.
  • 5:12 - 5:16
    Mittlerweile hatte ich das
    ganze wahnsinnige Repertoire:
  • 5:16 - 5:19
    erschreckende Stimmen, groteske Visionen,
  • 5:19 - 5:21
    bizarre, hartnäckige Wahnvorstellungen.
  • 5:21 - 5:24
    Mein psychischer Gesundheitszustand
    war ein Katalysator
  • 5:24 - 5:26
    für Diskriminierungen, Beschimpfungen
  • 5:26 - 5:28
    sowie körperliche und sexuelle Übergriffe,
  • 5:28 - 5:30
    und mir wurde von meinem Psychiater gesagt:
  • 5:30 - 5:33
    “Eleanor, mit Krebs wären Sie besser dran,
  • 5:33 - 5:36
    weil Krebs leichter zu heilen ist als Schizophrenie."
  • 5:36 - 5:40
    Nun hatte ich meine Diagnose, war unter Drogen
    gesetzt und entlassen worden,
  • 5:40 - 5:42
    und die Stimmen quälten mich jetzt so sehr,
  • 5:42 - 5:44
    dass ich versuchte,
    ein Loch in meinen Kopf zu bohren,
  • 5:44 - 5:47
    um sie herauszukriegen.
  • 5:47 - 5:51
    Wenn ich auf die Trümmer und
    Verzweiflung dieser Jahre zurückblicke,
  • 5:51 - 5:54
    scheint es mir heute, als wenn
    damals jemand gestorben wäre
  • 5:54 - 5:58
    und jemand anderes gerettet wurde.
  • 5:58 - 6:01
    Eine gebrochene und heimgesuchte Person
    begann diese Reise,
  • 6:01 - 6:04
    aber die neue Person war ein Überlebender
  • 6:04 - 6:06
    und würde letztlich zu der Person heranwachsen,
  • 6:06 - 6:08
    zu der ich bestimmt war.
  • 6:08 - 6:11
    Viele Leute haben mich
    in meinem Leben verletzt
  • 6:11 - 6:13
    und ich erinnere mich an alle,
  • 6:13 - 6:15
    aber die Erinnerungen werden
    fad und schwach
  • 6:15 - 6:19
    im Vergleich zu den Menschen,
    die mir geholfen haben.
  • 6:19 - 6:22
    Die anderen Überlebenden,
    die anderen Stimmen-Hörer,
  • 6:22 - 6:24
    die Gefährten und Mitarbeiter;
  • 6:24 - 6:26
    die Mutter, die mich nie aufgab,
  • 6:26 - 6:29
    die wusste, dass ich eines Tages
    zu ihr zurückkommen würde
  • 6:29 - 6:33
    und die bereit war, so lange
    auf mich zu warten wie nötig;
  • 6:33 - 6:35
    der Arzt, der nur kurze Zeit
    mit mir arbeitete,
  • 6:35 - 6:37
    aber der seine Überzeugung
    bekräftigte, dass Genesung
  • 6:37 - 6:40
    nicht nur möglich, sondern unvermeidlich war,
  • 6:40 - 6:42
    und der während einer
    verheerenden Rückfallperiode
  • 6:42 - 6:45
    meiner verängstigten Familie sagte:
    "Geben Sie die Hoffnung nicht auf.
  • 6:45 - 6:48
    Ich bin überzeugt, dass
    Eleanor das überwinden kann.
  • 6:48 - 6:51
    Wissen Sie, manchmal schneit es
    noch im Mai,
  • 6:51 - 6:54
    aber der Sommer kommt letztendlich immer."
  • 6:54 - 6:56
    14 Minuten sind nicht genug Zeit,
  • 6:56 - 6:59
    um alle die guten und
    großzügigen Menschen zu nennen,
  • 6:59 - 7:01
    die mit mir oder für mich gekämpft haben
  • 7:01 - 7:03
    und mich erwarteten, wenn ich von
  • 7:03 - 7:05
    diesem quälenden,
    einsamen Platz zurückkam.
  • 7:05 - 7:07
    Aber zusammen formten sie
    eine Mischung aus Mut,
  • 7:07 - 7:11
    Kreativität, Integrität und
    einem unerschütterlichem Glauben,
  • 7:11 - 7:15
    sodass mein zerbrochenes Selbst
    wieder geheilt werden konnte.
  • 7:15 - 7:17
    Ich sagte immer, dass diese
    Menschen mich gerettet haben,
  • 7:17 - 7:18
    aber jetzt weiß ich,
    dass sie etwas viel Wichtigeres
  • 7:18 - 7:21
    getan haben als sie mich dazu befähigten,
  • 7:21 - 7:22
    mich selbst zu retten,
  • 7:22 - 7:25
    und, ganz entscheidend,
    halfen sie mir etwas zu verstehen,
  • 7:25 - 7:26
    das ich immer vermutet hatte,
  • 7:26 - 7:29
    nämlich dass meine Stimmen
    eine sinnvolle Reaktion
  • 7:29 - 7:32
    auf traumatische Lebensereignisse,
    besonders Kindheitserlebnisse, waren,
  • 7:32 - 7:34
    und daher nicht meine Feinde,
  • 7:34 - 7:38
    sondern eine Erkenntnisquelle
    für unlösbare emotionale Probleme waren.
  • 7:38 - 7:41
    Zuerst ist das sehr schwer zu glauben,
  • 7:41 - 7:44
    und zwar nicht nur, weil die Stimmen so feindlich
  • 7:44 - 7:47
    und bedrohlich schienen. Daher war
    ein entscheidender erster Schritt
  • 7:47 - 7:50
    zu lernen, die metaphorische
    Bedeutung von dem zu trennen,
  • 7:50 - 7:54
    was ich bislang als wortwörtliche
    Wahrheit interpretiert hatte.
  • 7:54 - 7:57
    Wenn die Stimmen etwa drohten,
    mein Zuhause anzugreifen,
  • 7:57 - 8:00
    lernte ich das als mein eigenes
    Angstgefühl und Unsicherheit
  • 8:00 - 8:03
    in der Welt zu interpretieren anstatt
    als eine aktuelle, objektive Gefahr.
  • 8:03 - 8:05
    Anfangs hätte ich ihnen geglaubt.
  • 8:05 - 8:07
    Ich erinnere mich etwa,
    dass ich eines Nachts
  • 8:07 - 8:09
    vor dem Zimmer meiner Eltern Wache hielt,
    um sie vor dem zu beschützen,
  • 8:09 - 8:13
    was ich als echte Bedrohung
    durch die Stimmen empfand.
  • 8:13 - 8:15
    Da ich so ein großes Problem mit
    selbstverletzendem Verhalten hatte,
  • 8:15 - 8:18
    war das meiste Besteck
    im Haus versteckt worden,
  • 8:18 - 8:20
    daher bewaffnete ich mich
    schließlich mit einer Plastikgabel,
  • 8:20 - 8:23
    eine Art Picknickbesteck,
    und vor dem Zimmer sitzend
  • 8:23 - 8:27
    umklammerte ich es und wartete darauf,
    in Aktion zu treten, falls etwas passieren sollte.
  • 8:27 - 8:28
    Nach dem Motto: "Leg dich nicht mit mir an.
  • 8:28 - 8:31
    Ich habe eine Plastikgabel, klar?"
  • 8:31 - 8:33
    Strategisch.
  • 8:33 - 8:35
    Aber eine spätere Reaktion,
    und eine viel nützlichere
  • 8:35 - 8:40
    wäre die Botschaft hinter
    den Worten zu dekonstruieren.
  • 8:40 - 8:43
    Wenn die Stimmen mich also warnten,
    nicht das Haus zu verlassen,
  • 8:43 - 8:45
    dankte ich ihnen dafür, dass sie mich
    darauf aufmerksam gemacht hatten,
  • 8:45 - 8:46
    wie unsicher ich mich fühlte –
  • 8:46 - 8:49
    denn wenn ich mir dessen bewusst war,
    konnte ich etwas dagegen tun –
  • 8:49 - 8:51
    aber ich versicherte ihnen und mir selbst,
  • 8:51 - 8:55
    dass wir sicher seien und
    uns nicht mehr ängstigen brauchten.
  • 8:55 - 8:56
    Ich setzte den Stimmen Grenzen,
  • 8:56 - 8:59
    und versuchte, mit ihnen in
    positiver Weise umzugehen,
  • 8:59 - 9:01
    aber dennoch respektvoll,
    indem ich einen langsamen Prozess
  • 9:01 - 9:04
    von Kommunikation und Kollaboration aufbaute,
  • 9:04 - 9:07
    durch den wir lernten, zusammenzuarbeiten
    und einander zu unterstützen.
  • 9:07 - 9:09
    Während all dem begriff ich letztendlich,
  • 9:09 - 9:11
    dass jede Stimme eng mit Aspekten
  • 9:11 - 9:14
    meines Selbst verbunden war
    und dass jede davon
  • 9:14 - 9:16
    überwältigende Gefühle in sich trug,
    die ich bisher
  • 9:16 - 9:18
    niemals verarbeiten oder lösen konnte.
  • 9:18 - 9:21
    Erinnerungen an sexuelle Traumata oder Missbrauch,
  • 9:21 - 9:24
    an Wut, Scham, Schuld
    oder einen niedrigen Selbstwert.
  • 9:24 - 9:26
    Die Stimmen nahmen den Platz
    dieses Schmerzes ein
  • 9:26 - 9:28
    und gaben ihm Worte,
  • 9:28 - 9:29
    und eine meiner größten Offenbarungen war,
  • 9:29 - 9:32
    als ich merkte, dass die feindlichsten
    und aggressivsten Stimmen
  • 9:32 - 9:34
    eigentlich die Teile von mir repräsentierten,
  • 9:34 - 9:36
    die am tiefsten verletzt worden waren,
  • 9:36 - 9:39
    und daher musste diesen Stimmen
  • 9:39 - 9:42
    das größte Mitgefühl und die größte Fürsorge
    entgegengebracht werden.
  • 9:42 - 9:45
    Bewaffnet mit diesem Wissen
    versammelte ich schließlich
  • 9:45 - 9:47
    mein zerbrochenes Selbst.
  • 9:47 - 9:50
    Jedes Fragment wurde durch
    eine andere Stimme verkörpert.
  • 9:50 - 9:52
    Ich setzte meine Medikamente langsam ab
  • 9:52 - 9:57
    und kehrte zur Psychiatrie zurück,
    nur diesmal auf der anderen Seite.
  • 9:57 - 10:00
    Zehn Jahre nachdem die Stimme erstmals auftrat,
    machte ich schließlich meinen Abschluss,
  • 10:00 - 10:02
    dieses Mal mit dem höchsten
    Bachelorabschluss in Psychologie,
  • 10:02 - 10:05
    den die Universität je vergeben hatte,
    und ein Jahr später
  • 10:05 - 10:06
    den höchsten Masterabschluss,
    was für eine Verrückte
  • 10:06 - 10:08
    nicht schlecht ist.
  • 10:08 - 10:11
    Tatsächlich diktierte eine der Stimmen
    sogar die Fragen
  • 10:11 - 10:14
    während einer Prüfung, was technisch
    gesehen womöglich als Mogeln gilt.
  • 10:14 - 10:16
    (Gelächter)
  • 10:16 - 10:18
    Ehrlich gesagt genoss ich
    mitunter ihre Aufmerksamkeit sehr.
  • 10:18 - 10:20
    Oscar Wilde sagte: Schlimmer als
  • 10:20 - 10:23
    dass über einen gesprochen wird, ist nur,
    dass nicht über einen gesprochen wird.
  • 10:23 - 10:25
    Man wird auch sehr gut beim Lauschen,
  • 10:25 - 10:27
    denn man muss zwei Gesprächen gleichzeitig zuhören.
  • 10:27 - 10:29
    Also ist nicht alles schlecht.
  • 10:29 - 10:31
    Ich habe in psychiatrischen
    Einrichtungen gearbeitet,
  • 10:31 - 10:33
    Vorträge auf Konferenzen gehalten,
  • 10:33 - 10:35
    wissenschaftliche Artikel und
    Buchbeiträge veröffentlicht,
  • 10:35 - 10:38
    und ich argumentierte,
    und tue das immer noch,
  • 10:38 - 10:40
    für die Bedeutung des folgenden Konzepts:
  • 10:40 - 10:43
    Eine entscheidende Frage in der Psychiatrie
  • 10:43 - 10:44
    sollte nicht sein, was mit einem nicht stimmt,
  • 10:44 - 10:47
    sondern was einem passiert ist.
  • 10:47 - 10:50
    Währenddessen lauschte ich meinen Stimmen,
  • 10:50 - 10:52
    mit denen ich schließlich lernte,
    in Frieden und Respekt zu leben,
  • 10:52 - 10:55
    und die ihrerseits ein zunehmendes Bewusstsein
  • 10:55 - 10:58
    von Mitgefühl, Akzeptanz und Respekt
    mir gegenüber entwickelten.
  • 10:58 - 11:02
    Ich erinnere mich an den bewegendsten
    und außergewöhnlichsten Moment,
  • 11:02 - 11:05
    als ich einer jungen Frau half, die
    von ihren Stimmen terrorisiert wurde,
  • 11:05 - 11:07
    und mir bewusst wurde,
    dass ich zum ersten Mal
  • 11:07 - 11:10
    nicht mehr selbst so fühlte,
  • 11:10 - 11:14
    sondern endlich in der Lage war,
    einem anderem zu helfen.
  • 11:14 - 11:17
    Ich bin jetzt sehr stolz,
    ein Teil von "Intervoice" zu sein,
  • 11:17 - 11:21
    die Organisationseinheit des
    International Hearing Voices Movement,
  • 11:21 - 11:24
    einer von der Arbeit von Professor Marius Romme
  • 11:24 - 11:26
    und Dr. Sandra Escher inspirierten Initiative,
  • 11:26 - 11:29
    die Stimmenhören als Überlebensstrategie einordnet,
  • 11:29 - 11:32
    eine gesunde Reaktion auf ungesunde Umstände,
  • 11:32 - 11:36
    kein anomales Symptom von Schizophrenie,
    das ertragen werden muss,
  • 11:36 - 11:39
    sondern eine komplexe und bedeutsame Erfahrung,
  • 11:39 - 11:42
    die erforscht werden muss.
  • 11:42 - 11:44
    Gemeinsam stellen wir uns eine Zukunft vor,
  • 11:44 - 11:46
    die Stimmenhören versteht und respektiert,
  • 11:46 - 11:49
    die Bedürfnisse von Individuen,
    die Stimmen hören, unterstützt,
  • 11:49 - 11:52
    und die sie als vollwertige Bürger wertschätzt.
  • 11:52 - 11:54
    Diese Gesellschaftsform ist nicht nur möglich,
  • 11:54 - 11:56
    sie entwickelt sich schon.
  • 11:56 - 12:00
    Um Chavez zu paraphrasieren:
    Wenn der soziale Wandel beginnt,
  • 12:00 - 12:02
    kann er nicht mehr aufgehalten werden.
  • 12:02 - 12:05
    Man kann einen Menschen nicht demütigen,
    der Stolz empfindet.
  • 12:05 - 12:07
    Man kann keine Menschen unterdrücken,
  • 12:07 - 12:10
    die keine Angst mehr haben.
  • 12:10 - 12:12
    Die Errungenschaften
    des Hearing Voices Movement
  • 12:12 - 12:15
    erinnern daran, dass Empathie,
  • 12:15 - 12:18
    Gerechtigkeit und Respekt mehr als Worte sind;
  • 12:18 - 12:20
    sie sind Überzeugungen,
  • 12:20 - 12:23
    und diese Überzeugungen
    können die Welt ändern.
  • 12:23 - 12:25
    In den letzen 20 Jahren hat
    das Hearing Voices Movement
  • 12:25 - 12:28
    Stimmenhören-Netzwerke aufgebaut,
  • 12:28 - 12:31
    in 26 Ländern auf fünf Kontinenten,
  • 12:31 - 12:34
    die zusammenarbeiten, um Würde, Solidarität
  • 12:34 - 12:37
    und Mitwirkungsmöglichkeiten von Menschen
    mit psychischen Störungen zu fördern,
  • 12:37 - 12:40
    um eine neue Sprache und
    eine Praxis der Hoffnung zu schaffen,
  • 12:40 - 12:44
    die in ihrem Kern einen
    unerschütterlichen Glauben
  • 12:44 - 12:47
    an die Kraft des Individuums in sich trägt.
  • 12:47 - 12:50
    Wie Peter Levine sagte, ist das "menschliche Tier"
  • 12:50 - 12:52
    ein einzigartiges Wesen,
  • 12:52 - 12:55
    mit der instinktiven Fähigkeit
    zu heilen ausgestattet
  • 12:55 - 12:59
    und mit der geistigen Fähigkeit,
    diese angeborene Fähigkeit zu nutzen.
  • 12:59 - 13:02
    Insofern gibt es
    für die Mitglieder einer Gesellschaft
  • 13:02 - 13:04
    keine größere Ehre oder kein größeres Privileg,
  • 13:04 - 13:07
    als diesen Heilungsprozess
    für jemanden zu ermöglichen,
  • 13:07 - 13:10
    um zu bezeugen, zu helfen,
  • 13:10 - 13:12
    die Last des Leidens zu teilen
  • 13:12 - 13:15
    und die Hoffnung auf Genesung aufrechtzuerhalten.
  • 13:15 - 13:18
    Und für diejenigen,
    die Elend und Not überlebt haben,
  • 13:18 - 13:20
    sollten wir daran denken,
    dass unser Leben nicht
  • 13:20 - 13:24
    für immer von den schädlichen Dingen,
    die uns passiert sind, bestimmt sein muss.
  • 13:24 - 13:27
    Wir sind einzigartig. Wir sind unersetzbar.
  • 13:27 - 13:29
    Was wir in uns tragen, kann nie wahrhaftig kolonisiert,
  • 13:29 - 13:32
    deformiert oder ausgelöscht werden.
  • 13:32 - 13:36
    Das Licht erlischt niemals.
  • 13:36 - 13:38
    Wie ein wunderbarer Arzt einmal zu mir sagte:
  • 13:38 - 13:41
    "Erzählen Sie mir nicht,
    was andere über Sie erzählt haben.
  • 13:41 - 13:44
    Erzählen Sie von sich."
  • 13:44 - 13:46
    Vielen Dank.
  • 13:46 - 13:52
    (Applaus)
Title:
Die Stimmen in meinem Kopf
Speaker:
Eleanor Longden
Description:

Allem Anschein nach war Eleanor Longden wie jeder andere Student, voller Elan und komplett sorgenfrei nahm sie Kurs aufs College. Bis die Stimmen in ihrem Kopf zu sprechen begannen. Zunächst harmlos wurden diesen internen Erzähler zunehmend feindlich und herrisch, und verwandelten ihr Leben in einen echten Albtraum. Diagnostiziert mit Schizophrenie, hospitalisiert, unter Beruhigungsmittel gesetzt, wurde sie von einem System ausgemustert, das nicht wusste, wie es ihr helfen konnte. Eleanor Longden erzählt die bewegende Geschichte ihrer langjährigen Reise zurück zu seelischer Gesundheit und argumentiert, dass sie überlebt hat, weil sie lernte, auf ihre Stimmen zu hören.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
14:17
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  • Hallo Angelika. Du hattest recht, es gab noch einiges zu ändern. Eigentlich sollte ich den Punkt für den Review bekommen. Also schau dir meine Veränderungen an. Falls du eine Analyse brauchst, was ich warum wie geändert habe, dann sag Bescheid. Im Allgemeinen kann ich sagen: Immer überlegen, ob man es selbst im Deutschen auch so schreiben würde, wenn es das englische Original nicht gäbe. Man braucht auch nicht immer jedes Wort zu übersetzen, um den Sinn zu transportieren. Es muss einfach idiomatisch klingen, so als wäre es keine Übersetzung. Und noch etwas: Immer auf die Kommasetzung achten. Ich gebe den Talk jetzt frei, falls du noch Änderungen vornehmen willst, kannst du das ja tun. Lg, Nadine

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