Elizabeth Lesser: Mit «dem Anderen» essen gehen
-
0:00 - 0:02Es mag so aussehen,
-
0:02 - 0:04als seien etwa 600 Personen hier.
-
0:04 - 0:06Aber tatsächlich sind es viel mehr,
-
0:06 - 0:08denn in jedem von uns
-
0:08 - 0:11existieren eine Vielzahl von Persönlichkeiten.
-
0:11 - 0:14Ich selber habe zwei Hauptpersönlichkeiten,
-
0:14 - 0:16die in meinem Inneren debattieren und streiten,
-
0:16 - 0:18seitdem ich ein kleines Mädchen war.
-
0:18 - 0:20Ich nenne sie «die Mystikerin»
-
0:20 - 0:22und «die Kriegerin».
-
0:22 - 0:24Ich wurde in eine Familie
-
0:24 - 0:26von politisch aktiven,
-
0:26 - 0:28intellektuellen Atheisten geboren.
-
0:28 - 0:31Es gab eine Gleichung in meiner Familie, etwa so:
-
0:31 - 0:33Wenn Du intelligent bist,
-
0:33 - 0:36bist Du infolgedessen nicht spirituell.
-
0:36 - 0:38Ich war das schwarze Schaf der Familie.
-
0:38 - 0:40Ich war dieses verrückte Kind,
-
0:40 - 0:42das tiefsinnige Gespräche führen wollte
-
0:42 - 0:45über die Welten, die vielleicht existieren könnten
-
0:45 - 0:48außerhalb derer, die wir mit Sinnen wahrnehmen.
-
0:48 - 0:50Ich wollte wissen,
-
0:50 - 0:52ob das, was wir Menschen sehen
-
0:52 - 0:55und hören und denken,
-
0:55 - 0:57wirklich das volle und exakte Abbild
-
0:57 - 0:59der Realität ist.
-
0:59 - 1:01Auf der Suche nach Antworten
-
1:01 - 1:03ging ich zur katholischen Messe.
-
1:03 - 1:05Ich ging mit meinen Nachbarn mit.
-
1:05 - 1:07Ich las Sartre und Sokrates.
-
1:07 - 1:09Und dann geschahen wundervolle Dinge,
-
1:09 - 1:11als ich an der Highschool war.
-
1:11 - 1:13Gurus aus dem Osten
-
1:13 - 1:16begannen nach Amerika zu kommen.
-
1:16 - 1:18Und ich sagte mir,
-
1:18 - 1:20«So einen will ich auch.»
-
1:20 - 1:22Und seitdem
-
1:22 - 1:25bin ich auf dem mystischen Weg
-
1:25 - 1:27und versuche, über das hinauszublicken,
-
1:27 - 1:29was Albert Einstein
-
1:29 - 1:31«die optische Täuschung
-
1:31 - 1:34der täglichen Bewusstheit» nannte.
-
1:34 - 1:37Was meinte er damit? Ich zeige es Ihnen.
-
1:37 - 1:39Nehmen Sie einen Atemzug
-
1:39 - 1:42der klaren Luft in diesem Saal.
-
1:43 - 1:46Sehen Sie dieses komische,
-
1:46 - 1:49unter Wasser anmutende,
-
1:49 - 1:51korallenriffartige Ding?
-
1:51 - 1:54Das ist die Luftröhre eines Menschen.
-
1:54 - 1:56Und diese bunten Kleckse
-
1:56 - 1:58sind tatsächlich Mikroben
-
1:58 - 2:00die in diesem Saal herumschwirren,
-
2:00 - 2:03genau jetzt und überall um uns herum.
-
2:03 - 2:06Wenn wir schon für einfache Biologie blind sind,
-
2:06 - 2:09stellen Sie sich vor, was wir genau jetzt
-
2:09 - 2:12auf der kleinsten subatomaren Ebene verpassen
-
2:12 - 2:15und auf den riesigen kosmischen Ebenen.
-
2:15 - 2:18Meine Jahre als Mystikerin
-
2:18 - 2:20haben mich fast alle meine Anschauungen
-
2:20 - 2:22in Frage stellen lassen.
-
2:22 - 2:25Sie haben mich zu einer stolzen nicht-alles-Wisserin gemacht.
-
2:26 - 2:28Wenn nun der mystische Teil von mir
-
2:28 - 2:30so vor sich hin plappert,
-
2:30 - 2:33verdreht die Kriegerin ihre Augen.
-
2:33 - 2:36Sie ist beunruhigt darüber,
-
2:36 - 2:39was jetzt gerade in dieser Welt geschieht.
-
2:40 - 2:42Sie ist besorgt.
-
2:42 - 2:45Sie sagt, «Entschuldige, aber ich bin stinksauer,
-
2:45 - 2:47denn ich weiß Bescheid über einige Dinge
-
2:47 - 2:49und wir sollten uns besser beeilen und uns darum kümmern.»
-
2:49 - 2:51Ich habe mein Leben als Kriegerin verbracht
-
2:51 - 2:53für die Belange der Frauen,
-
2:53 - 2:56mit der Arbeit in politischen Kampagnen
-
2:56 - 2:59und als Umweltaktivistin.
-
2:59 - 3:02Und es kann einen schon verrückt machen,
-
3:02 - 3:04beide im gleichen Körper zu tragen,
-
3:04 - 3:06die Mystikerin und die Kriegerin.
-
3:06 - 3:09Ich habe mich immer angezogen gefühlt
-
3:09 - 3:11von diesen seltenen Menschen
-
3:11 - 3:13die das einfach abstreifen
-
3:13 - 3:15und ihr Leben der Menschlichkeit widmen
-
3:15 - 3:17mit der Entschlossenheit der Kriegerin
-
3:17 - 3:20und der Gnade der Mystikerin.
-
3:20 - 3:23Menschen wie Martin Luther King Jr.,
-
3:23 - 3:25der schrieb, «Ich kann niemals sein,
-
3:25 - 3:27was ich sein sollte,
-
3:27 - 3:29solange Du nicht bist,
-
3:29 - 3:31was Du sein solltest.
-
3:31 - 3:34Dies», schrieb er, «ist die zusammenhängende
-
3:34 - 3:36Struktur der Realität.»
-
3:36 - 3:39Mutter Teresa, eine andere mystische Kriegerin,
-
3:39 - 3:42sagte, «Das Problem mit dieser Welt ist,
-
3:42 - 3:45dass wir den Kreis unserer Famile
-
3:45 - 3:47zu eng ziehen.»
-
3:47 - 3:49Und Nelson Mandela,
-
3:49 - 3:51der nach dem afrikanischen Konzept
-
3:51 - 3:53Ubuntu lebt,
-
3:53 - 3:55was bedeutet: Ich brauche dich,
-
3:55 - 3:57um mich zu sein,
-
3:57 - 4:00und du brauchst mich um dich zu sein.
-
4:00 - 4:02Wir schieben alle gerne
-
4:02 - 4:04diese drei mystischen Krieger vor,
-
4:04 - 4:06als ob sie mit einem heiligen
-
4:06 - 4:08Gen geboren worden wären
-
4:08 - 4:10Aber tatsächlich haben wir
-
4:10 - 4:13dieselben Fähigkeiten wie sie
-
4:13 - 4:15und es ist jetzt an uns,
-
4:15 - 4:17ihre Arbeit zu tun.
-
4:17 - 4:19Ich bin sehr beunruhigt davon,
-
4:19 - 4:22wie alle unsere Kulturen
-
4:22 - 4:25die jeweils anderen dämonisieren
-
4:25 - 4:27indem wir jene sprechen lassen,
-
4:27 - 4:30die vor allem spalten und trennen wollen.
-
4:30 - 4:32Hören Sie sich die Titel an
-
4:32 - 4:34von einigen Bestsellern
-
4:34 - 4:36beider Seiten der politischen Kluft
-
4:36 - 4:38hier in den Vereinigten Staaten:
-
4:38 - 4:41«Liberalismus ist eine Geisteskrankheit»,
-
4:41 - 4:44«Rush Limbaugh ist ein Riesenidiot»,
-
4:44 - 4:47«Dummköpfe und Patrioten».
-
4:47 - 4:49«Debattieren mit Idioten».
-
4:49 - 4:51Sie sind angeblich ironisch gemeint,
-
4:51 - 4:54aber tatsächlich sind sie gefährlich.
-
4:54 - 4:56Hier kommt ein Titel, der Ihnen bekannt vorkommen mag,
-
4:56 - 4:59aber dessen Autor Sie vielleicht überrascht:
-
4:59 - 5:01«Viereinhalb Jahre Kampf
-
5:01 - 5:03gegen Lügen, Dummheit
-
5:03 - 5:05und Feigheit.»
-
5:05 - 5:07Wer hat das geschrieben?
-
5:07 - 5:09Das war Adolf Hitlers Arbeitstitel
-
5:09 - 5:12für «Mein Kampf» – das Buch,
-
5:12 - 5:15das den Nationalsozialismus in Gang setzte.
-
5:15 - 5:17Die schlimmsten Epochen menschlicher Geschichte,
-
5:17 - 5:19ob in Kambodscha, in Deutschland
-
5:19 - 5:21oder in Ruanda
-
5:21 - 5:24haben so angefangen, mit negativer Ausgrenzung.
-
5:24 - 5:26Und dann verwandelt sich das
-
5:26 - 5:29in gewalttätigen Extremismus.
-
5:29 - 5:32Deshalb starte ich eine neue Aktion,
-
5:32 - 5:35um uns allen zu helfen,
-
5:35 - 5:37inklusive mir selber,
-
5:37 - 5:39der Tendenz zur Abgrenzung und Diffamierung
-
5:39 - 5:41entgegen zu wirken.
-
5:41 - 5:44Ich weiß, wir sind alle sehr beschäftigt,
-
5:44 - 5:47keine Sorge, Sie können das in einer Mittagspause machen.
-
5:47 - 5:49Ich nenne meine Aktion
-
5:49 - 5:52«Mit 'dem Anderen' essen gehen»
-
5:52 - 5:54Wenn Sie also
-
5:54 - 5:56Republikaner sind,
-
5:56 - 5:59gehen Sie mit einem Demokraten mittagessen
-
5:59 - 6:02oder wenn Sie ein Demokrat sind,
-
6:02 - 6:04denken Sie darüber nach,
-
6:04 - 6:06mit einem Republikaner essen zu gehen.
-
6:06 - 6:09Wenn die Vorstellung, mit so jemandem zu essen
-
6:09 - 6:12Ihnen den Appetit verdirbt,
-
6:12 - 6:15schlage ich vor, dass Sie in Ihrer Umgebung anfangen,
-
6:15 - 6:18denn es gibt keinen Mangel an «Anderen»
-
6:18 - 6:21in Ihrer eigenen Nachbarschaft.
-
6:21 - 6:23Vielleicht diese Person,
-
6:23 - 6:25die in der Moschee
-
6:25 - 6:28oder in der Kirche oder der Synagoge in Ihrer Strasse betet,
-
6:28 - 6:30oder jemand von der anderen Seite
-
6:30 - 6:33des Abtreibungskonflikts
-
6:33 - 6:35oder vielleicht Ihr Schwager,
-
6:35 - 6:38der nicht an die Klimaerwärmung glaubt –
-
6:38 - 6:43irgendjemand, dessen Einstellung Sie ängstigt
-
6:43 - 6:45oder dessen Standpunkt
-
6:45 - 6:48ihnen Dampf aus den Ohren schiessen lässt.
-
6:49 - 6:51Vor einigen Wochen
-
6:51 - 6:55aß ich mit einer Frau der konservativen Tea Party.
-
6:56 - 6:59Auf dem Papier bestand sie meinen «Dampf-aus-den-Ohren-Test».
-
7:00 - 7:02Sie ist eine rechte Aktivistin,
-
7:02 - 7:05ich bin eine linke Aktivistin.
-
7:06 - 7:08Wir verwendeten einige Richtlinien,
-
7:08 - 7:10um unser Gespräch auf hohem Niveau zu halten
-
7:10 - 7:12und Sie können sie auch verwenden
-
7:12 - 7:14denn ich weiß, Sie alle werden
-
7:14 - 7:16mit «einem Anderen» zu Mittag essen.
-
7:16 - 7:19Als erstes legen Sie ein Ziel fest:
-
7:19 - 7:21Lernen Sie eine Person kennen
-
7:21 - 7:25aus einer Gruppe, die sie negativ wahrnehmen.
-
7:26 - 7:28Und dann, bevor Sie sich treffen,
-
7:28 - 7:30legen Sie einige Grundregeln fest.
-
7:30 - 7:33Meine Tea Party-Verabredung und ich
-
7:33 - 7:35hatten die folgenden Regeln:
-
7:35 - 7:37Nicht überzeugen, verteidigen
-
7:37 - 7:39oder unterbrechen.
-
7:39 - 7:41Neugierig sein,
-
7:41 - 7:43sich unterhalten, echt sein.
-
7:43 - 7:45Und zuhören.
-
7:45 - 7:47So legten wir los.
-
7:47 - 7:49Und wir nutzten diese Fragen:
-
7:49 - 7:52Teilen Sie einige Erfahrungen aus Ihrem Leben mit mir.
-
7:52 - 7:54Welche Probleme
-
7:54 - 7:56berühren Sie stark?
-
7:56 - 7:58Und was wollten Sie schon immer
-
7:58 - 8:01jemanden von der anderen Seite fragen?
-
8:01 - 8:03Meine Essenspartnerin und ich
-
8:03 - 8:05gewannen einige wirklich wichtige Einsichten,
-
8:05 - 8:08eine davon möchte ich mit Ihnen teilen.
-
8:08 - 8:10Ich denke, das betrifft
-
8:10 - 8:12jedes Problem
-
8:12 - 8:14zwischen Menschen, egal wo.
-
8:14 - 8:17Ich fragte sie, warum ihre Seite
-
8:17 - 8:19so unverschämte Anschuldigungen
-
8:19 - 8:22und Lügen über meine Seite verbreite.
-
8:22 - 8:24«Was?», fragte sie.
-
8:24 - 8:26«Zum Beispiel dass wir ein Haufen
-
8:26 - 8:28elitäre,
-
8:28 - 8:30moralisch korrupte Terroristenfans seien.»
-
8:30 - 8:32Sie war schockiert.
-
8:32 - 8:34Sie dachte, meine Seite
-
8:34 - 8:37schlüge viel öfter auf ihre Seite ein,
-
8:37 - 8:39dass wir sie hirnlose,
-
8:39 - 8:42bewaffnete Rassisten nannten.
-
8:42 - 8:44Und wir waren beide erstaunt
-
8:44 - 8:46über die Etiketten,
-
8:46 - 8:48die auf niemanden passten,
-
8:48 - 8:50den wir tatsächlich kannten.
-
8:50 - 8:52Und da wir ein wenig Vertrauen aufgebaut hatten,
-
8:52 - 8:55glaubten wir an die Aufrichtigkeit der anderen.
-
8:56 - 8:59Wir vereinbarten, wir würden in unseren Gruppen das Wort ergreifen
-
8:59 - 9:01wenn wir Zeugen würden
-
9:01 - 9:03von dieser Art ausgrenzender Rede,
-
9:03 - 9:05die verletzen
-
9:05 - 9:07und zu Paranoia vergären kann,
-
9:07 - 9:10um dann von jenen an den Rändern
-
9:10 - 9:12zum Aufwiegeln verwendet zu werden.
-
9:12 - 9:14Zum Ende unseres Mittagessens
-
9:14 - 9:16erkannten wir die Offenheit der Anderen an.
-
9:16 - 9:19Keine von uns hatte versucht, die andere zu ändern.
-
9:19 - 9:22Aber wir hatten auch nicht vorgegeben,
-
9:22 - 9:25dass unsere Differenzen nach einem Mittagessen
-
9:25 - 9:27einfach so verschwinden würden.
-
9:30 - 9:32Statt dessen waren wir zusammen
-
9:32 - 9:34erste Schritte gegangen
-
9:34 - 9:36über unsere spontanen Reaktionen hinweg
-
9:36 - 9:38hin zu Ubuntu,
-
9:38 - 9:40dem einzigen Ort,
-
9:40 - 9:42wo Lösungen
-
9:42 - 9:46zu unseren scheinbar hartnäckigsten Problemen
-
9:46 - 9:48gefunden werden können.
-
9:48 - 9:51Wen sollten Sie zum Essen einladen?
-
9:51 - 9:53Nächstes Mal, wenn sie sich dabei ertappen,
-
9:53 - 9:55jemanden herabzusetzen oder auszugrenzen
-
9:55 - 9:57nehmen Sie das als Hinweis.
-
9:57 - 10:00Und was könnte nach Ihrem Mittagessen geschehen?
-
10:00 - 10:02Werden sich die Himmel öffnen
-
10:02 - 10:05und «We Are The World» übers Soundsystem des Restaurants spielen?
-
10:05 - 10:07Wahrscheinlich nicht.
-
10:07 - 10:09Denn die Arbeit für Ubuntu ist langsam
-
10:09 - 10:11und schwierig.
-
10:11 - 10:13Es geht um zwei Menschen,
-
10:13 - 10:15die die Annahme überwinden,
-
10:15 - 10:17Alleswisser zu sein.
-
10:17 - 10:19Es geht um zwei Menschen,
-
10:19 - 10:21zwei Krieger,
-
10:21 - 10:23die ihre Waffen niederlegen
-
10:23 - 10:26und aufeinander zugehen.
-
10:26 - 10:29Der grossartige persische Dichter Rumi sagte es so:
-
10:30 - 10:33«Jenseits der Vorstellungen
-
10:33 - 10:36von falsch machen und richtig machen,
-
10:36 - 10:38ist ein Feld.
-
10:38 - 10:40Ich erwarte Dich dort.»
-
10:40 - 10:47(Applaus)
- Title:
- Elizabeth Lesser: Mit «dem Anderen» essen gehen
- Speaker:
- Elizabeth Lesser
- Description:
-
Aufgeladene und spaltende Stimmung droht die moderene Politik schwierig oder beinahe unmöglich zu machen. Elizabeth Lesser erkundet die zwei Seiten der menschlichen Natur, die diese Spannung verursachen (sie nennt sie «die Mystikerin» und «die Kriegerin») und zeigt einen einfachen persönlichen Weg, in echten Dialog zu treten – indem Sie mit jemandem Mittagessen gehen, der nicht ihrer Meinung ist und ihr oder ihm drei Fragen stellen, um herauszufinden, was ihnen wirklich wichtig ist.
- Video Language:
- English
- Team:
- closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 10:48