Rufus Griscom + Alisa Volkman: Sprechen wir über die Tabus der Elternschaft
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0:03 - 0:06Alisa Volkman: Unsere Geschichte beginnt hier --
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0:06 - 0:08mit dem dramatischen Moment der Geburt
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0:08 - 0:10unseres ersten Sohnes Declan.
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0:10 - 0:12Eindeutig ein sehr nachhaltiger Moment,
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0:12 - 0:14und er veränderte unser Leben in vielerlei Hinsicht.
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0:14 - 0:16Er veränderte unser Leben auf unerwartete Weise,
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0:16 - 0:19und diese unerwarteten Erfahrungen, die wir später reflektierten,
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0:19 - 0:21mündeten letztendlich in einer Geschäftsidee von uns beiden,
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0:21 - 0:23und ein Jahr später veröffentlichten wir Babble,
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0:23 - 0:25eine Webseite für Eltern.
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0:25 - 0:27Rufus Griscom: Ich denke, unsere Geschichte
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0:27 - 0:30begann ein paar Jahre früher. (AV: Das stimmt.)
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0:30 - 0:33RG: Du erinnerst dich vielleicht, wir hatten uns Hals über Kopf ineinander verliebt.
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0:33 - 0:35AV: Ja.
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0:35 - 0:37RG: Damals betrieben wir eine ganz andere Webseite.
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0:37 - 0:39Sie hieß Nerve.com,
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0:39 - 0:42und -- ihr Slogan war "literarischer Schund".
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0:42 - 0:45In Theorie, und hoffentlich auch in Praxis,
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0:45 - 0:47handelte es sich um ein gewitztes Online-Magazin
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0:47 - 0:50über Sex und Kultur.
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0:50 - 0:53AV: Daraus entwickelte sich eine Dating-Website.
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0:53 - 0:55Sie können sich vorstellen, welche Witze wir uns anhören müssen. Aus Sex entstehen Babies.
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0:55 - 0:58Man folgt den Anweisungen auf Nerve und landet bei Babble,
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0:58 - 1:00und so war es auch.
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1:00 - 1:03Vielleicht veröffentlichen wir als nächstes eine Seniorenseite.Wer weiß.
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1:04 - 1:07RG: Aber für uns bestand der Zusammenhang zwischen Nerve und Babble
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1:07 - 1:09nicht nur in aufeinander folgenden Lebensstadien.
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1:09 - 1:11Das ist zwar auch relevant,
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1:11 - 1:13aber es ging eher um unseren Wunsch,
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1:13 - 1:15ganz ehrlich über Themen zu sprechen,
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1:15 - 1:18bei denen viele Menschen selten ehrlich sind.
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1:18 - 1:20Es scheint uns, dass,
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1:20 - 1:23wenn Menschen sich verstellen, wenn sie lügen,
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1:23 - 1:25es erst richtig interessant wird,
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1:25 - 1:27diese Themen wollen wir vertiefen.
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1:27 - 1:29Als junge Eltern stellten wir überrascht fest,
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1:29 - 1:32dass es fast mehr Tabus um Elternschaft gibt
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1:32 - 1:34als um das Thema Sex.
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1:34 - 1:36AV: Es ist wahr. Wie gesagt,
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1:36 - 1:38die ersten Jahre waren wirklich wundervoll,
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1:38 - 1:40aber sie waren auch sehr schwierig.
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1:40 - 1:42Unserer Meinung nach resultierte ein Teil dieser Schwierigkeiten
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1:42 - 1:45aus den falschen Werbeversprechen über das Elternsein.
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1:45 - 1:47(Gelächter)
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1:47 - 1:50Wir abonnierten etliche Zeitschriften, machten unsere Hausaufgaben,
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1:50 - 1:53aber wohin wir auch schauten, wir waren umgeben von Bildern wie diesem.
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1:53 - 1:55Und wir wurden Eltern mit der Erwartung,
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1:55 - 1:57dass unser Leben so aussehen würde.
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1:57 - 2:00Die Sonne würde immer scheinen, unsere Kinder würden niemals weinen.
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2:00 - 2:03Ich würde immer perfekt gestylt und gut ausgeruht sein.
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2:04 - 2:06Und in Wirklichkeit war es überhaupt nicht so.
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2:06 - 2:09RG: Wenn wir das glänzende Elternmagazin mit diesen wunderschönen Bildern,
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2:09 - 2:11das wir uns angesehen hatten, beiseite legten
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2:11 - 2:13und uns dem Bild in unserem eigenen Wohnzimmer widmeten,
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2:13 - 2:15sah es eher so aus.
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2:15 - 2:17Das sind unsere drei Söhne.
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2:17 - 2:19Natürlich schreien und weinen sie nicht die ganze Zeit.
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2:19 - 2:21Aber bei drei Jungen ist es sehr wahrscheinlich,
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2:21 - 2:23dass sich zumindest einer von ihnen
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2:23 - 2:25nicht so benimmt, wie er sollte.
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2:25 - 2:28AV: Ja, man sieht, wo es bei uns zum Bruch kam.
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2:28 - 2:31Es schien uns, dass die Erwartungen, die wir hatten,
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2:31 - 2:34rein gar nichts mit unseren wirklichen Erfahrungen zu tun hatten.
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2:34 - 2:37Deshalb entschlossen wir uns, Eltern die Wahrheit zu sagen.
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2:37 - 2:40Wir wollten ihnen auf ehrliche Weise verständlich machen,
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2:40 - 2:43wie die Realität der Elternschaft aussah.
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2:43 - 2:45RG: Deshalb möchten wir heute gerne
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2:45 - 2:48vier Tabus der Elternschaft mit Ihnen teilen.
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2:48 - 2:50Natürlich gibt es viel mehr als vier Dinge,
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2:50 - 2:52die man über das Elternsein sagen kann.
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2:52 - 2:54Aber heute möchten wir vier mit Ihnen teilen,
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2:54 - 2:57die für uns persönlich von großer Bedeutung sind.
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2:57 - 3:00Also, Tabu Nummer eins:
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3:00 - 3:03Man darf nicht sagen, dass man sich nicht
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3:03 - 3:05im ersten Augenblick in sein Baby verliebt hat.
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3:05 - 3:08Ich erinnere mich noch lebhaft, wie ich im Krankenhaus saß.
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3:08 - 3:11Wir brachten gerade unser erstes Kind auf die Welt.
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3:11 - 3:13AV: Wir oder ich?
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3:13 - 3:15RG: Verzeihung.
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3:15 - 3:17Das falsche Personalpronomen.
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3:17 - 3:19Alisa brachte gerade großzügigerweise
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3:19 - 3:21unser erstes Kind zur Welt -- (AV: Danke.)
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3:21 - 3:23-- und ich wartete mit dem Fanghandschuh.
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3:23 - 3:25Ich stand da mit weit geöffneten Armen.
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3:25 - 3:27Die Schwester brachte mir
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3:27 - 3:29dieses wunderschöne Kind.
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3:29 - 3:31Und, als sie auf mich zukam, erinnerte ich mich
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3:31 - 3:34an Freunde, die mir erzählt hatten,
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3:34 - 3:36"In dem Moment, in dem sie dir dein Kind in die Arme legen,
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3:36 - 3:39wird dich ein Gefühl von Liebe überkommen,
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3:39 - 3:41dessen Stärke überwältigender ist
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3:41 - 3:44als alles, was du jemals in deinem Leben erlebt hast."
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3:44 - 3:46Ich bereitete mich also auf den Moment vor,
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3:46 - 3:48in dem das Baby kommen würde,
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3:48 - 3:50und ich war bereit für diese Truckladung voll Liebe,
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3:50 - 3:53die mich umhauen würde.
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3:53 - 3:56Doch als mir unser Baby in die Arme gelegt wurde,
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3:56 - 3:58war es eher ein seltsamer Moment.
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3:58 - 4:01Dieses Bild entstand buchstäblich in Sekunden,
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4:01 - 4:04nachdem mir das Baby in die Arme gelegt wurde und ich es hinüber brachte.
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4:04 - 4:06Wie Sie sehen, glänzten unsere Augen.
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4:06 - 4:09Ich war überwältigt von dem Gefühl der Liebe und Zuneigung für meine Frau
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4:09 - 4:11gekoppelt mit tiefster Dankbarkeit,
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4:11 - 4:13dass wir allem Anschein nach ein gesundes Kind hatten.
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4:13 - 4:15Das Ganze war natürlich gleichermaßen surreal.
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4:15 - 4:17Ich musste das Armband überprüfen, um sicher zu sein.
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4:17 - 4:19Ungläubig fragte ich: "Bist du sicher, dass das unser Kind ist?"
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4:19 - 4:22Das alles war äußerst bemerkenswert.
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4:22 - 4:25Aber was ich in dem Moment für dieses Kind empfand war tiefe Zuneigung
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4:25 - 4:28und nichts im Vergleich zu dem, was ich jetzt, fünf Jahre später, empfinde.
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4:28 - 4:30Was wir hier getan haben
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4:30 - 4:32ist etwas ketzerisch.
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4:32 - 4:35Wir haben die Entwicklung der Liebe
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4:35 - 4:38zu unserem Kind grafisch dargestellt.
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4:38 - 4:40(Gelächter)
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4:40 - 4:43Wie Sie wissen, ist das Ketzerei.
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4:43 - 4:45Man darf Liebe nicht als Graph darstellen.
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4:45 - 4:47Der Grund, warum wir Liebe nicht grafisch darstellen dürfen,
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4:47 - 4:49ist, dass wir Liebe als binäre Kategorie wahrnehmen.
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4:49 - 4:51Entweder man ist verliebt, oder man ist nicht verliebt.
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4:51 - 4:53Man liebt, oder man liebt nicht.
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4:53 - 4:56Meiner Meinung nach ist Liebe in Wahrheit ein Prozess.
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4:56 - 4:58Ich glaube, dass es problematisch ist,
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4:58 - 5:00Liebe als etwas Binäres zu betrachten,
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5:00 - 5:02weil das in uns
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5:02 - 5:04die unberechtigte Sorge weckt,
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5:04 - 5:07dass Liebe betrügerisch, inadäquat oder ähnliches sei.
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5:07 - 5:10Ich denke, dass ich hier eindeutig aus der Sicht der Väter spreche.
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5:10 - 5:12Aber ich glaube, dass viele Männer in den ersten Monaten,
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5:12 - 5:15vielleicht sogar im ersten Jahr, das Gefühl haben,
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5:15 - 5:18dass ihre emotionale Reaktion auf gewisse Weise inadäquat ist.
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5:18 - 5:20AV: Nun, ich bin froh, dass Rufus das angesprochen hat,
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5:20 - 5:23denn während er in den ersten Jahren absackt,
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5:23 - 5:26habe ich, glaube ich, die meiste Arbeit gemacht.
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5:26 - 5:28Aber wir scherzen gerne,
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5:28 - 5:30in den ersten Monaten im Leben unserer Kinder
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5:30 - 5:32das ist Onkel Rufus.
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5:32 - 5:34(Gelächter)
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5:34 - 5:36RG: Ich bin ein sehr, sehr liebevoller Onkel.
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5:36 - 5:39AV: Ja, und wenn er nach Hause kommt, necke ich Rufus auch oft damit,
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5:39 - 5:42dass ich mir nicht sicher bin, ob er unser Kind in einer Gegenüberstellung
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5:42 - 5:44zwischen anderen Kindern erkennen würde.
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5:44 - 5:46Ich habe hier sogar ein kleines Quiz für Rufus vorbereitet.
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5:46 - 5:48RG: Oh oh.
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5:48 - 5:51AV: Ich will ihn nicht zu sehr in Verlegenheit bringen, aber ich gebe ihm drei Sekunden.
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5:51 - 5:54RG: Das ist nicht fair. Das ist eine Trickfrage. Er ist da nicht dabei, oder?
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5:54 - 5:57AV: Unser acht Wochen alter Sohn ist unter diesen Kindern.
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5:57 - 5:59Und ich möchte herausfinden, ob Rufus ihn gleich erkennt.
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5:59 - 6:01RG: Ganz links. (AV: Nein!)
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6:01 - 6:08(Laughter)
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6:08 - 6:10RG: Gemein.
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6:10 - 6:12AV: Da gibt es nichts mehr hinzuzufügen.
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6:12 - 6:14(Gelächter)
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6:14 - 6:16Kommen wir zu Tabu Nummer zwei.
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6:16 - 6:19Man darf nicht darüber sprechen, wie einsam einen das Elterndasein machen kann.
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6:19 - 6:21Ich genoss meine Schwangerschaft. Ich liebte es.
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6:21 - 6:24Ich fühlte mich so mit meiner Umwelt verbunden.
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6:24 - 6:27Es kam mir vor, als ob jeder um mich herum an meiner Schwangerschaft teilhatte.
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6:27 - 6:30und sie gespannt bis hin zum Geburtstermin verfolgte.
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6:31 - 6:34Ich fühlte mich, als ob ich die Zukunft der Menschheit in mir trug.
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6:34 - 6:37Dieses Gefühl hielt bis ins Krankenhaus an, es war beglückend.
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6:37 - 6:40Ich wurde mit Geschenken und Blumen und Besuchen überhäuft.
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6:40 - 6:43Es war eine wundervolle Erfahrung.
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6:43 - 6:45Aber als ich nach Hause kam,
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6:45 - 6:47fühlte ich mich plötzlich abgeschottet,
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6:47 - 6:50eingesperrt und ausgesperrt.
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6:50 - 6:52Dieses Gefühl überraschte mich.
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6:52 - 6:54Ich hatte erwartet, dass es schwer werden würde,
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6:54 - 6:56schlaflose Nächte, ständiges Füttern,
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6:56 - 6:58aber mit diesen Gefühlen der Isolation
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6:58 - 7:01und Einsamkeit hatte ich nicht gerechnet.
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7:01 - 7:03Und ich war wirklich überrascht, dass mir niemand gesagt hatte,
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7:03 - 7:05dass ich diese Gefühle haben würde.
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7:05 - 7:07Ich rief also meine Schwester an,
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7:07 - 7:10zu der ich ein sehr enges Verhältnis habe -- sie hatte drei Kinder --
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7:10 - 7:12und ich fragte sie: "Warum hast du mir nicht gesagt,
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7:12 - 7:14dass ich mich so fühlen würde,
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7:14 - 7:17dass ich mich so -- unglaublich isoliert fühlen würde?"
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7:18 - 7:20Und sie sagte -- das werde ich nie vergessen --
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7:20 - 7:22"Das ist nichts, was man einer zukünftigen Mutter sagen möchte,
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7:22 - 7:25die ihr erstes Baby erwartet."
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7:25 - 7:27RG: Wir denken natürlich,
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7:27 - 7:30dass man genau das Müttern erzählen sollte,
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7:30 - 7:33die ihr erstes Kind erwarten.
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7:33 - 7:36Das ist eines unserer Themen,
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7:36 - 7:38dass wir glauben,
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7:38 - 7:40dass Offenheit und brutale Ehrlichkeit
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7:40 - 7:42wichtig sind, damit wir gemeinsam
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7:42 - 7:44gute Eltern sein können.
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7:44 - 7:46Es fällt schwer, nicht zu glauben,
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7:46 - 7:48dass unsere moderne Welt zum Teil
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7:48 - 7:50zu diesem Gefühl der Isolation beiträgt.
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7:50 - 7:52Alisas Erfahrung ist jedoch kein Einzelfall.
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7:52 - 7:5458 Prozent der Mütter, die an einer Umfrage teilnahmen,
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7:54 - 7:56berichteten von Gefühlen der Einsamkeit.
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7:56 - 7:58Von diesen Müttern waren 67 Prozent am einsamsten
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7:58 - 8:01als ihre Kinder 0 bis 5 Jahre alt waren -- wahrscheinlich eher 0 bis 2.
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8:01 - 8:03Als wir uns auf den Vortrag vorbereiteten,
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8:03 - 8:05sahen wir uns an, wie einige andere Kulturen in der Welt
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8:05 - 8:08mit diesem Lebensabschnitt umgehen.
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8:08 - 8:10Denn hier in der westlichen Welt leben
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8:10 - 8:13weniger als 50 Prozent von uns in der Nähe von Familenangehörigen.
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8:13 - 8:16Ich denke, auch das macht es zu einer so schwierigen Phase.
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8:16 - 8:18Um ein Beispiel zu nennen:
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8:18 - 8:20in Südindien gibt es einen Brauch,
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8:20 - 8:22den man Jholabihari nennt,
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8:22 - 8:25bei dem die schwangere Frau, wenn sie im siebten oder achten Monat ist,
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8:25 - 8:27bei der Mutter einzieht,
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8:27 - 8:29wo sie eine Reihe von Ritualen und Zeremonien durchläuft,
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8:29 - 8:32ihr Kind zur Welt bringt und erst einige Monate nach der Geburt
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8:32 - 8:34wieder zu ihrer eigenen Familie zurückkehrt.
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8:34 - 8:36Und das ist eine von vielen Arten,
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8:36 - 8:39wie andere Kulturen auf die Einsamkeits-Phase reagieren.
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8:39 - 8:41AV: Tabu Nummer drei:
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8:41 - 8:44Über seine Fehlgeburt spricht man nicht -- aber ich werde heute über meine sprechen.
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8:44 - 8:46Nachdem wir Declan hatten,
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8:46 - 8:48passten wir unsere Erwartungen etwas an.
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8:48 - 8:51Wir dachten, dass wir das tatsächlich noch einmal durchstehen könnten
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8:51 - 8:54und dass wir wüssten, worauf wir uns einlassen.
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8:54 - 8:57Und wir waren dankbar dafür, dass ich noch einmal schwanger wurde.
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8:57 - 8:59Bald darauf erfuhr ich, dass es ein Junge werden würde.
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8:59 - 9:01Und dann, als ich im fünften Monat war,
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9:01 - 9:03erfuhren wir, dass wir unser Kind verloren hatten.
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9:03 - 9:06Das ist das letzte kleine Bild, das wir von ihm haben.
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9:07 - 9:09Das war natürlich eine sehr schwierige Zeit --
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9:09 - 9:12wirklich schmerzhaft.
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9:12 - 9:15Während ich mich durch den Trauerprozess kämpfte,
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9:15 - 9:18war ich erstaunt, dass ich niemanden sehen wollte.
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9:18 - 9:21Ich wollte mich eher in einer Ecke verkriechen.
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9:21 - 9:23Ich wusste nicht wirklich, wie ich den Weg zurück
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9:23 - 9:26in die mich umgebende Gemeinschaft finden sollte.
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9:26 - 9:29Und ich stellte fest, dass,
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9:29 - 9:31was ich tief im innersten fühlte,
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9:31 - 9:34ein Gefühl von großer Scham war --
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9:34 - 9:36es war mir richtig peinlich --
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9:36 - 9:38dass ich in einem Bereich versagt hatte,
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9:38 - 9:41in dem ich doch genetisch vorprogrammiert war.
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9:41 - 9:43Natürlich warf das in mir auch die Frage auf,
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9:43 - 9:45was es für meine Ehe bedeuten würde,
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9:45 - 9:47und auch nur für mich als Frau,
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9:47 - 9:49wenn ich keine Kinder mehr bekommen könnte.
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9:49 - 9:51Es war also eine sehr schwierige Zeit.
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9:51 - 9:53Als ich anfing, mich durch sie hindurchzukämpfen,
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9:53 - 9:56bewegte ich mich aus meiner Höhle und begann, mit anderen zu sprechen.
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9:56 - 9:58Ich war wirklich überrascht
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9:58 - 10:00von all den Geschichten, die plötzlich auf mich einströmten.
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10:00 - 10:02Menschen, mit denen ich täglich zu tun hatte,
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10:02 - 10:04Arbeitskollegen, Freunde,
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10:04 - 10:06Familienmitglieder, die ich lange Zeit kannte,
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10:06 - 10:08hatten ihre eigenen Geschichten nie mit mir geteilt.
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10:08 - 10:11Ich erinnere mich noch, wie all diese Geschichten plötzlich ans Licht kamen.
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10:11 - 10:13Und es kam mir vor, als ob ich zufällig auf
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10:13 - 10:16diesen Geheimbund von Frauen gestoßen war, zu dem ich nun gehörte.
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10:16 - 10:19Das war beruhigend und beunruhigend zugleich.
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10:20 - 10:22Ich glaube,
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10:22 - 10:24eine Fehlgeburt ist ein unsichtbarer Verlust.
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10:24 - 10:26Betroffene erhalten kaum große Unterstützung aus der Gemeinde.
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10:26 - 10:28Es gibt keine wirkliche Zeremonie,
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10:28 - 10:30Rituale oder Bräuche dafür.
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10:30 - 10:33Bei Todesfällen gibt es eine Beerdigung, man feiert das Leben,
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10:33 - 10:35und es gibt sehr viel Unterstützung aus der Gemeinde.
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10:35 - 10:37Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, haben das nicht.
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10:37 - 10:39RG: Das ist sehr schade, denn es ist gewiss
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10:39 - 10:41eine sehr häufige und sehr traumatische Erfahrung.
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10:41 - 10:44Zwischen 15 und 20 Prozent aller Schwangerschaften enden mit einer Fehlgeburt.
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10:44 - 10:46Das ist erstaunlich.
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10:46 - 10:48In einer Umfrage sagten 74 Prozent aller Frauen,
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10:48 - 10:51sie hätten das Gefühl, Fehlgeburten wären zum Teil ihre Schuld.
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10:51 - 10:53Und erstaunlicherweise sagten 22 Prozent,
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10:53 - 10:55sie würden ihrem Ehemann eine Fehlgeburt verheimlichen.
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10:55 - 10:57Tabu Nummer vier:
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10:57 - 11:00Man darf nicht sagen, dass die eigene durschnittliche Zufriedenheit
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11:00 - 11:03seit der Geburt des eigenen Kindes abgenommen hat.
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11:03 - 11:06Die allgemeine Meinung ist, dass jeder Aspekt meines Lebens
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11:06 - 11:08um Unlängen besser geworden ist,
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11:08 - 11:10seit ich an dem Wunder der
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11:10 - 11:13Geburt und Familie teilhabe.
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11:14 - 11:17Ich werde es nie vergessen, ich erinnere mich noch lebhaft,
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11:17 - 11:20unser ältester Sohn Declan war neun Monate alt
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11:20 - 11:22und ich saß auf der Couch
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11:22 - 11:25und las Daniel Gilberts wunderschönes Buch "Ins Glück stolpern".
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11:25 - 11:27Als ich ungefähr dreiviertel durch war,
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11:27 - 11:30war da eine Grafik rechts --
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11:30 - 11:32auf der rechten Seite --
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11:32 - 11:34die wir hier
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11:34 - 11:36"Die erschreckendste Grafik, die man sich
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11:36 - 11:38für frischgebackene Eltern vorstellen kann" genannt haben.
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11:38 - 11:41Diese Grafik umfasst vier komplett unabhängige Studien.
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11:41 - 11:44Im Wesentlichen ist da ein steiler Abfall
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11:44 - 11:46der Zufriedenheit in der Beziehung,
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11:46 - 11:49welche, wie wir alle wissen, eng mit der allgemeinen Zufriedenheit zusammenhängt,
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11:49 - 11:51und die erst wieder ansteigt,
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11:51 - 11:54wenn das erste Kind zur Uni geht.
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11:54 - 11:57Ich sitze also da und betrachte die nächsten zwei Jahrzehnte meines Lebens,
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11:57 - 11:59diese Kluft in unserer Zufriedenheit,
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11:59 - 12:02in die wir unser sprichwörtliches Cabrio hineinsteuern.
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12:02 - 12:05Wir waren mutlos.
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12:05 - 12:07AV: Sie können sich das vorstellen, ich meine, die ersten Monate waren schwierig,
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12:07 - 12:09aber wir hatten sie überstanden,
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12:09 - 12:11und waren angesichts dieser Studie wirklich geschockt.
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12:11 - 12:14Wir wollten uns also ein genaueres Bild verschaffen,
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12:14 - 12:16in der Hoffnung, einen Silberstreif am Horizont zu entdecken.
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12:16 - 12:18RG: In dem Fall ist es nützlich, wenn man eine Webseite für Eltern betreibt,
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12:18 - 12:21denn wir beauftragten diese fantastische Reporterin,
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12:21 - 12:24all die Wissenschaftler zu interviewen,
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12:24 - 12:26die diese vier Studien durchgeführt hatten.
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12:26 - 12:28Wir sagten, hier stimmt etwas nicht.
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12:28 - 12:30In diesen Studien muss etwas fehlen.
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12:30 - 12:33Es kann unmöglich so schlimm sein.
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12:34 - 12:37Liz Mitchell leistete großartige Arbeit mit diesem Beitrag.
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12:37 - 12:40Sie interviewte vier Wissenschaftler
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12:40 - 12:42und den Autor Daniel Gilbert.
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12:42 - 12:44Und wir fanden tatsächlich den Silberstreif am Horizont.
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12:44 - 12:46Dies hier zeigt, wie die
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12:46 - 12:49Zufriedenheitskurve unserer Meinung nach
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12:49 - 12:51während unseres Lebens verläuft.
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12:51 - 12:53Durchschnittliche Zufriedenheit ist natürlich unzureichend,
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12:53 - 12:55denn sie sagt nichts über
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12:55 - 12:57momentane Erfahrungen aus.
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12:57 - 13:00Und so würde es unserer Meinung nach aussehen,
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13:00 - 13:02wenn man die
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13:02 - 13:05momentanen Erfahrungen hinzunimmt.
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13:05 - 13:07Wir alle erinnern uns daran, in der Kindheit
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13:07 - 13:10kann die kleinste Sache -- und wir sehen es in den Gesichtern unserer Kinder --
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13:10 - 13:12die kleinste Sache
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13:12 - 13:14kann sie zu Lobpreisungen
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13:14 - 13:16in höchsten Tönen beflügeln,
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13:16 - 13:18und die nächste kleine Sache
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13:18 - 13:20kann sie in tiefste Verzweiflung stürzen lassen.
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13:20 - 13:23Es ist einfach außergewöhnlich anzusehen, und wir erinnern uns selbst daran.
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13:23 - 13:25Aber wenn man älter wird,
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13:25 - 13:27ist es fast so, als ob Alter wie eine Form von Lithium wirkt.
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13:27 - 13:30Mit dem Alter wird man beständiger.
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13:30 - 13:33Was passiert, wenn man in seinen 20er und 30er Jahren ist,
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13:33 - 13:35hat teilweis damit zu tun, dass man lernt, seine Zufriedenheit zu beschränken.
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13:35 - 13:37Es wird einem bewusst, dass:
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13:37 - 13:40"Hey, ich könnte zu diesem Live-Konzert gehen
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13:40 - 13:42und es könnte eine völlig verändernde Erfahrung sein,
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13:42 - 13:45die mir eine Gänsehaut am gesamten Körper verursacht,
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13:45 - 13:47aber höchstwahrscheinlich bekomme ich eher Platzangst
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13:47 - 13:50und kann nirgendwo ein Bier bekommen,
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13:50 - 13:52deshalb gehe ich lieber nicht.
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13:52 - 13:55Zu Hause habe ich eine gute Stereoanlage. Ich werde also nicht gehen."
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13:55 - 13:58Die allgemeine Zufriedenheit steigt also,
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13:58 - 14:00aber die überragenden Momente gehen verloren.
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14:00 - 14:03AV: Ja, und dann hat man sein erstes Kind.
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14:03 - 14:05Und man unterwirft sich wieder
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14:05 - 14:07diesen Höhe- und Tiefpunkten --
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14:07 - 14:10zu den Höhepunkten gehören erste Schritte, das erste Lächeln,
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14:10 - 14:12wenn dein Kind dir das erste Mal vorliest --
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14:12 - 14:15zu den Tiefpunkten gehört regelmäßig unser Zuhause zwischen 6 und 7 Uhr abends.
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14:17 - 14:19Aber man stellt fest, dass man sich damit abfindet,
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14:19 - 14:22die Kontrolle auf wunderbare Weise zu verlieren,
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14:22 - 14:24was, wie wir meinen, unserem Leben sehr viel Sinn gibt
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14:24 - 14:26und was äußerst befriedigend ist.
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14:26 - 14:28RG: Also in Wirklichkeit,
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14:28 - 14:30tauschen wir allgemeine Zufriedenheit ein.
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14:30 - 14:32Wir tauschen die Sicherheit
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14:32 - 14:34eines bestimmten Levels von Zufriedenheit
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14:34 - 14:37gegen diese überwältigenden Momente ein.
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14:37 - 14:39Was heißt das nun für uns beide
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14:39 - 14:41mit Familie, mit unseren drei kleinen Söhnen
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14:41 - 14:43inmitten von all dem?
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14:43 - 14:45Es gibt noch einen Faktor in unserem Fall.
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14:45 - 14:47Wir haben noch ein weiteres Tabu
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14:47 - 14:49in unserem Leben gebrochen.
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14:49 - 14:52Das ist ein Bonus-Tabu.
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14:52 - 14:55AV: Ein kurzes Bonus-Tabu für Sie, dass wir nicht zusammen arbeiten sollten,
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14:55 - 14:57ganz besonders mit drei Kindern --
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14:57 - 14:59aber wir tun es trotzdem.
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14:59 - 15:02RG: Im Vorfeld hatten wir Bedenken darüber.
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15:02 - 15:05Jeder weiß, dass man auf keinen Fall mit seinem Ehepartner arbeiten sollte.
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15:05 - 15:08Als wir das erste Mal versuchten, Geld für den Start von Babble aufzubringen,
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15:08 - 15:10sagte uns der Risikokapitalgeber tatsächlich:
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15:10 - 15:12"Wir investieren grundsätzlich nicht
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15:12 - 15:14in Unternehmen, die von Eheleuten gegründet wurden,
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15:14 - 15:16wegen dem zusätzlichen Fehlschlagrisiko.
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15:16 - 15:18Es ist keine gute Idee. Machen sie das nicht."
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15:18 - 15:20Wir machten trotzdem weiter.
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15:20 - 15:23Wir beschafften das Geld und waren begeistert, dass wir es schafften,
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15:23 - 15:25denn in jener Phase des Lebens
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15:25 - 15:28ist Zeit unglaublich knapp.
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15:28 - 15:31Und wenn man eine wirkliche Passion für das hat, was man tagtäglich macht --
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15:31 - 15:33so wie wir -- und man die gleiche Leidenschaft für seine Beziehung empfindet,
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15:33 - 15:36ist dies für uns die einzige Art, auf die man es machen kann.
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15:36 - 15:38Die Frage, die wir schließlich stellen möchten, ist also:
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15:38 - 15:41Können wir diese Zufriedenheitskurve gemeinsam nach oben biegen?
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15:41 - 15:44Es ist toll, dass wir diese überragenden Momente der Freude haben,
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15:44 - 15:47aber manchmal sind sie recht schnell vorüber.
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15:47 - 15:50Wie steht es also mit der durschnittlichen Zufriedenheits-Kurve?
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15:50 - 15:52Können wir die ein wenig nach oben verschieben?
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15:52 - 15:55AV: Unserer Meinung nach, entsteht diese Zufriedenheitslücke,
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15:55 - 15:57über die wir gesprochen haben, weil wir in die Kindererziehung --
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15:57 - 15:59und, was das betrifft, jegliche langfristige Beziehung --
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15:59 - 16:01mit falschen Erwartungen hineingehen.
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16:01 - 16:04Wenn man die richtigen Erwartungen und Erwartungshaltungen hat,
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16:04 - 16:07kann es eine sehr befriedigende Erfahrung sein.
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16:07 - 16:09RG: Und deshalb --
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16:09 - 16:11Wir glauben, dass viele Eltern,
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16:11 - 16:13wenn sie dorthin kommen -- in unserem Fall jedenfalls --
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16:13 - 16:16ihre Koffer für eine Fernreise packen und sich wirklich darauf freuen.
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16:16 - 16:18Raus aus dem Flugzeug,
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16:18 - 16:20wie sich herausstellt, geht es zur Bergwanderung nach Nepal.
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16:20 - 16:23Und bergwandern in Nepal ist eine außergewöhnliche Erfahrung,
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16:23 - 16:25insbesondere wenn man die Taschen richtig packt
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16:25 - 16:27und weiß, auf was man sich einlässt und aufgeregt ist.
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16:27 - 16:29Der Kern von all dem heute
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16:29 - 16:32ist hoffentlich nicht nur Ehrlichkeit um der Ehrlichkeit willen,
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16:32 - 16:35sondern die Hoffnung, dass wir offen und ehrlich über diese Erfahrungen reden,
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16:35 - 16:37um gemeinsam die Zufriedenheitskurve
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16:37 - 16:40ein wenig nach oben zu biegen.
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16:40 - 16:42RG + AV: Danke.
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16:42 - 16:47(Applaus)
- Title:
- Rufus Griscom + Alisa Volkman: Sprechen wir über die Tabus der Elternschaft
- Speaker:
- Rufus Griscom + Alisa Volkman
- Description:
-
Die Betreiber von Babble.com, Rufus Griscom und Alisa Volkman, decken gemeinsam auf lebhafte Weise 4 Fakten auf, die Eltern niemals zugeben würden -- und erklären, warum sie es trotzdem tun sollten. Witzig und ehrlich, für Eltern und Nichteltern gleichermaßen.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 16:48