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Rajesh Rao: Ein Stein von Rosette für die Indus-Schrift

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    Ein Gedankenexperiment zu Beginn:
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    Stellt euch die Zukunft in 4.000 Jahren vor.
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    Die Zivilisation, wie wir sie kennen,
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    existiert nicht mehr:
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    keine Bücher,
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    keine elektronischen Hilfsmittel,
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    kein Facebook oder Twitter.
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    Alles Wissen über die englische Sprache und
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    das Alphabet ist verloren gegangen.
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    Jetzt stellt euch Archäologen vor,
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    die Trümmer unserer Städte durchsuchend.
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    Was könnten sie finden?
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    Vielleicht einige rechteckige Plastikstücke,
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    von seltsamen Symbolen bedeckt.
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    vielleicht runde Metallstücke,
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    oder zylindrische Behälter,
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    mit Symbolen bedeckt.
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    Vielleicht wird eine der Archäologinnen berühmt
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    als sie irgendwo in den Bergen
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    von Nordamerika riesige Versionen
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    eben dieser Symbole entdeckt.
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    Fragen wir uns jetzt einmal,
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    was solche Fundstücke über uns erzählen,
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    in 4.000 Jahren, in der Zukunft ?
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    Das ist keine hypothetische Frage.
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    Sondern die Sorte Fragen, mit der wir konfrontiert sind,
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    wenn wir die Indus-Tal Kultur verstehen wollen,
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    die vor 4.000 Jahren existierte.
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    Sie existierte ungefähr zeitgleich mit den viel
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    bekannteren Kulturen Agyptens und Mesopotamiens,
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    aber sie war viel weiter verbreitet als jene.
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    Sie umfasste ein Gebiet
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    von ungefähr 1 Million km²,
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    also das heutige Pakistan,
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    den Nordwesten Indiens,
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    und Teile Afghanistans und des Irans.
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    Bei solch grossen Zivilisationen erwartet man,
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    mächtige Herrscher und Könige zu finden,
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    und riesige Monumente zu deren Ehren.
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    Tatsächlich
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    finden Archäologen das alles nicht.
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    Sie entdecken kleine Objekte wie diese.
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    Hier ein Beispiel eines solchen Objekts.
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    Natürlich nur eine Kopie.
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    Doch wer mag diese Person sein?
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    ... ein König? ..... ein Gott?
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    ...ein Priester?
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    Oder vielleicht ein gewöhnlicher Mensch
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    wie ihr oder ich?
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    Wir wissen es nicht.
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    Aber die Indus Völker hinterliessen auch Schriftstücke.
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    Nein, keine Plastikkarten -
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    aber steinerne Siegel, Kupferplättchen,
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    Töpferwaren und - sehr überraschend
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    eine grosse Schrifttafel,
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    die in der Nähe eines Stadttors verschüttet war.
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    Wir wissen nicht, ob da etwa "Hollywood" steht,
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    oder sogar "Bollywood"!
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    Eigentlich wissen wir überhaupt nicht,
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    was auf irgendeinem der Objekte steht.
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    Weil die Indus-Schrift noch nicht entziffert wurde.
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    Wir wissen nicht, was diese Symbole bedeuten.
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    Sie werden meist auf Siegeln gefunden.
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    Hier ist ein solches Objekt.
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    Quadratisch, mit einem Einhorn-ähnlichen Tier.
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    Ein wundervolles Kunstwerk.
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    Wie gross mag es wohl sein?
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    So gross?
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    Oder vielleicht so gross?
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    Ich werde es euch zeigen.
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    Hier ist die Kopie eines solchen Siegels.
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    Es ist ca 3 x 3 cm gross
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    also recht winzig.
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    Wofür wurden sie benutzt?
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    Damit wurden Siegel aus Ton abgestempelt,
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    die an Transportgut-Bündeln befestigt wurden.
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    Ungefähr so wie eure Lieferscheine von FedEx.
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    Diese Siegelsteine erzeugten Lieferscheine.
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    Ihr könntet fragen, was diese Objekte
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    für Texte enthielten.
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    Vielleicht der Name des Absenders,
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    oder Informationen über die Waren, die von
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    einem Ort zum andern verschickt wurden? Wir wissen es nicht.
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    Dazu müssten wir die Schrift entziffern.
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    Das Entziffern dieser Schrift
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    ist nicht nur ein intellektuelles Rätsel;
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    es hat sich zu einer Frage entwickelt
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    mit tiefem Einfluss auf die Politik und
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    die Kulturgeschichte Südasiens.
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    Diese Schrift wurde zu einem Schlachtfeld, sozusagen,
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    von 3 Gruppen von Menschen:
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    Zunächst eine Gruppe,
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    die sehr leidenschaftlich glaubt,
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    dass die Indus-Schrift
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    überhaupt keine Sprache darstellt.
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    Sie glaubt, dass diese Symbole eher
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    Verkehrzeichen oder auch
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    Emblemen auf Schilden ähneln.
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    Eine zweite Gruppe von Leuten glaubt,
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    dass die Indus-Schrift indo-europäisch sei.
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    Die Karte des heutigen Indiens zeigt,
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    dass die meisten nordindischen Sprachen
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    zur indo-europäischen Sprachfamilie gehören.
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    Manche glauben daher, die Indus-Schrift sei
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    eine alte indo-europäische Sprache wie Sanskrit.
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    Zuletzt noch eine Gruppe, die glaubt,
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    dass das Indus Volk die Vorfahren
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    der Menschen im heutigen Südindien seien.
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    Diese Leute glauben, dass die Indus-Schrift
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    eine alte Form der
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    dravidischen Sprachfamilie darstellt,
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    die heute noch in einem grossen Teil Südindiens gesprochen wird.
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    Die Vertreter dieser Theorie
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    verweisen auf die dravidische Sprachinsel
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    im Norden nahe Afghanistan.
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    Sie sagen, dass man vielleicht früher irgendwann
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    dravidische Sprachen in ganz Indien sprach,
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    und das würde nahelegen, dass auch die
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    Indus Kultur dravidisch war.
  • 4:52 - 4:55
    Welche dieser Hypothesen kann stimmen?
  • 4:55 - 4:57
    Wir wissen's nicht, doch wäre die Schrift entziffert,
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    könnte man die Frage beantworten.
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    Das Entziffern ist eine echte Herausforderung.
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    Erstens gibt es keinen "Rosetta Stone"
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    Ich meine nicht die Software!
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    Ich meine ein antikes Artefakt,
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    das ein und denselben Text in
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    bekannter und unbekannter Form enthält.
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    Für die Indus-Schrift gibt's kein solches Artefakt.
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    Wir wissen nicht mal, welche Sprache sie nutzten.
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    Um alles noch schlimmer zu machen
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    sind die meisten Texte extrem kurz.
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    Wie gesagt, findet man sie meist auf Siegeln,
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    die sehr, sehr klein sind.
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    Dank all dieser tollen Hindernisse
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    könnte man sich fragen und befürchten,
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    ob die Indus-Schrift jemals entziffert wird.
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    Der Rest meines Vortrags erzählt,
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    wie ich lernte, diese Furcht zu überwinden, und
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    die Herausforderung der Indus-Schrift anzunehmen.
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    Ich war von der Indus-Schrift fasziniert,
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    seit ich davon in einem Schulbuch las.
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    Doch warum genau war ich fasziniert? Weil sie
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    die letzte grosse, noch unentzifferte Schrift der Antike ist.
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    Ich bin theoretischer Neurowissenschaftler von Beruf,
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    tagsüber erstelle ich also
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    Computermodelle des Gehirns, um zu verstehen,
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    wie das Hirn Vorhersagen macht,
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    wie das Hirn Entscheidungen fällt,
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    wie das Gehirn lernt undsoweiter.
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    Aber in 2007 begegnete mir die Indus-Schrift wieder,
  • 6:07 - 6:09
    als ich in Indien war,
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    und ich die die Gelegenheit hatte,
  • 6:11 - 6:13
    indische Wissenschaftlern zu treffen, die
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    Computermodelle zur Schriftanalyse nutzten.
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    Damals stellte ich fest, dass dies
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    eine Gelegenheit zur Zusammenarbeit war,
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    die ich gerne ergriff.
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    Gern zeige ich einige unserer Ergebnisse.
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    Besser noch, wir entziffern gemeinsam!
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    Seid ihr bereit?
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    Das erste bei einer nicht entzifferten Schrift,
  • 6:33 - 6:35
    ist die Schreib-Richtung herauszufinden.
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    Hier zwei Texte mit einigen Symbolen:
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    Könnt ihr mir sagen, ob der Text
  • 6:40 - 6:43
    von rechts nach links oder umgekehrt läuft?
  • 6:43 - 6:46
    Ich gebe euch ein paar Sekunden.
  • 6:46 - 6:49
    Rechts nach links, wie viele? Okay.
  • 6:49 - 6:51
    Links nach rechts?
  • 6:51 - 6:53
    Oh, beinahe 50 / 50. Okay.
  • 6:53 - 6:55
    Die Antwort lautet:
  • 6:55 - 6:57
    auf der jeweils linken Seite bemerkt ihr
  • 6:57 - 7:00
    ein "Quetschen" der Zeichen.
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    Es scheint, als ob vor 4.000 Jahren
  • 7:02 - 7:04
    beim Rechts-nach-Links-Schreiben
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    der Platz ausging.
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    Deshab quetschte man die Zeichen.
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    Eins ist sogar unterhalb der Oberen.
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    Das legt den Schluss nahe, dass man
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    wohl von links nach rechts schrieb.
  • 7:14 - 7:16
    Die Schreibrichtung ist einer der ersten
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    Schlüssel für linguistische Skripte.
  • 7:19 - 7:21
    Und jetzt besitzt die Indus-Schrift
  • 7:21 - 7:23
    diese besondere Eigenschaft.
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    Welche anderen Eigenschaften zeigt sie uns?
  • 7:25 - 7:27
    Sprachen enthalten Muster.
  • 7:27 - 7:29
    Ich gebe euch hier ein "Q", und bitte euch,
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    den folgenden Buchstaben zu erraten.
  • 7:32 - 7:34
    Die meisten würden "U" sagen, was stimmt.
  • 7:34 - 7:36
    Und der nächste Buchstabe,
  • 7:36 - 7:38
    welcher könnte das sein?
  • 7:38 - 7:41
    Jetzt gibt es mehrere: ein "E", ein "I" oder ein "A",
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    aber sicher kein "B", "C" oder "D".
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    Die Indus-Schrift zeigt ähnliche Arten von Mustern.
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    Anfangs steht oft ein rautenförmiges Symbol.
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    Diesem folgt dann meist etwas
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    Anführungszeichen-ähnliches.
  • 7:54 - 7:56
    Ähnlich unserem "Q" und "U" Beispiel.
  • 7:56 - 7:58
    Diesem Symbol können dann
  • 7:58 - 8:01
    dies Fisch-ähnliche und andere Zeichen folgen,
  • 8:01 - 8:03
    aber niemals die Unteren.
  • 8:03 - 8:05
    Ausserdem gibt es einige Zeichen,
  • 8:05 - 8:07
    die oft am Ende eines Textes stehen,
  • 8:07 - 8:09
    wie dieses Krug-ähnliche.
  • 8:09 - 8:11
    Dieses Zeichen ist übrigens
  • 8:11 - 8:13
    das am Häufigsten vorkommende.
  • 8:13 - 8:16
    Die Muster brachten uns auf eine Idee.
  • 8:16 - 8:18
    wir könnten einen Computer
  • 8:18 - 8:20
    die Muster lernen lassen, und so
  • 8:20 - 8:23
    fütterten wir ihm die vorhandenen Texte.
  • 8:23 - 8:25
    Er lernte so ein statistisches Modell,
  • 8:25 - 8:27
    welche der Symbole zusammen auftauchten,
  • 8:27 - 8:29
    welche einander oft folgten.
  • 8:29 - 8:31
    Mit dem Computermodell
  • 8:31 - 8:34
    können wir unser Sprachmodell testen.
  • 8:34 - 8:36
    Wir könnten einige Symbole löschen
  • 8:36 - 8:39
    und es die fehlenden Zeichen erraten lassen.
  • 8:39 - 8:42
    Ein paar Beispiele:
  • 8:45 - 8:47
    Man könnte dies als quasi die älteste Form
  • 8:47 - 8:49
    eines bekannten Spiels betrachten,
  • 8:49 - 8:52
    dem "Glücksrad".
  • 8:53 - 8:55
    Wir stellten fest, dass der Computer
  • 8:55 - 8:57
    in 75% der Fälle erfolgreich
  • 8:57 - 8:59
    das korrekte Symbol hervorsagte.
  • 8:59 - 9:01
    In den übrigen Fällen war seine
  • 9:01 - 9:04
    zweite oder dritte Alternative meist richtig.
  • 9:04 - 9:06
    Hier der praktische Nutzen
  • 9:06 - 9:08
    dieses speziellen Verfahrens:
  • 9:08 - 9:10
    Viele der Texte sind beschädigt.
  • 9:10 - 9:12
    Ein Beispiel: doch jetzt können wir
  • 9:12 - 9:15
    das Computermodell zur Ergänzung nutzen
  • 9:15 - 9:17
    und erhalten sehr wahrscheinliche Vorhersagen.
  • 9:17 - 9:20
    Ein Beispiel einer Vorhersage!
  • 9:20 - 9:22
    Es kann bei der Entzifferung nützlich sein, mehr
  • 9:22 - 9:25
    Daten zu erzeugen, die dann analysierbar sind.
  • 9:25 - 9:28
    Eine weitere Anwendung des Modells:
  • 9:28 - 9:30
    stellt euch einen Affen
  • 9:30 - 9:32
    an einer Tastatur vor.
  • 9:32 - 9:35
    Der tippt eine zufällige Abfolge von Zeichen wie diese.
  • 9:35 - 9:37
    Eine solche Zufallsfolge
  • 9:37 - 9:39
    hat einen hohen Grad an "Entropie",
  • 9:39 - 9:41
    ein Begriff aus Physik und Informationstheorie.
  • 9:41 - 9:44
    Eben Buchstaben in ganz zufälliger Reihenfolge.
  • 9:44 - 9:48
    Schon mal Kaffee auf der Tastatur verkleckert?
  • 9:48 - 9:50
    Dann gab's ein "verklemmte Tasten"- Problem, so
  • 9:50 - 9:53
    schlimm, dass sich ein einziges Symbol ständig wiederholte.
  • 9:53 - 9:56
    Solche Zeichenfolgen haben sehr geringe Entropie,
  • 9:56 - 9:58
    weil überhaupt keine Veränderung vorkommt.
  • 9:58 - 10:01
    Sprachen haben einen mittleren Grad an Entropie.
  • 10:01 - 10:03
    Weder zu rigide
  • 10:03 - 10:05
    noch zu zufällig.
  • 10:05 - 10:07
    Wie steht es mit der Indus-Schrift?
  • 10:07 - 10:11
    Hier seht ihr Entropiegrade verschiedener Systeme.
  • 10:11 - 10:13
    Ganz oben vollkommen zufällige Folgen,
  • 10:13 - 10:15
    wie die Zufallsfolgen der Buchstaben.
  • 10:15 - 10:17
    Interessanterweise auch DNA Sequenzen aus dem
  • 10:17 - 10:20
    humanen Genom-Projekt und Instrumentalmusik.
  • 10:20 - 10:22
    Beide sind sehr, sehr flexibel,
  • 10:22 - 10:24
    weshalb sie sehr weit oben rangieren.
  • 10:24 - 10:26
    Am unteren Ende der Skala
  • 10:26 - 10:28
    die rigiden Folgen, sozusagen lauter A's.
  • 10:28 - 10:30
    Auch ein Computerprogramm,
  • 10:30 - 10:32
    (in der Programmiersprache Fortran),
  • 10:32 - 10:34
    das ganz strengen Regeln gehorcht.
  • 10:34 - 10:36
    Linguistische Skripte
  • 10:36 - 10:38
    sind im mittleren Bereich.
  • 10:38 - 10:40
    Wie ist es mit der Indus-Schrift?
  • 10:40 - 10:42
    Wir haben entdeckt, dass sie auch in die
  • 10:42 - 10:44
    Bandbreite der linguistischen Skripte fällt.
  • 10:44 - 10:46
    Als dieses Ergebnis zuerst publiziert wurde
  • 10:46 - 10:49
    wurde es sehr kontrovers aufgenommen.
  • 10:49 - 10:52
    Es gab Leute, die zu zetern anfingen.
  • 10:52 - 10:54
    Das waren die, die nicht glaubten, dass die
  • 10:54 - 10:57
    Indus-Schrift eine Sprache repräsentiert.
  • 10:57 - 10:59
    Ich erhielt sogar Hass-Mails.
  • 10:59 - 11:01
    Meine Studenten sagten, dass ich ernsthaft
  • 11:01 - 11:04
    über Schutzmassnahmen nachdenken solle.
  • 11:04 - 11:06
    Wer hätte gedacht, dass "Entzifferer"
  • 11:06 - 11:08
    ein so gefährlicher Beruf sein könnte?
  • 11:08 - 11:10
    Was zeigt das Resultat aber wirklich?
  • 11:10 - 11:12
    Es belegt, dass die Indus-Schrift eine
  • 11:12 - 11:14
    wichtige Eigenschaft von Sprachen besitzt.
  • 11:14 - 11:16
    Das Sprichwort sagt,
  • 11:16 - 11:18
    wenn es wie eine Sprachskript aussieht,
  • 11:18 - 11:20
    sich wie ein Sprachskript verhält, dann haben
  • 11:20 - 11:23
    wir es vielleicht mit einem Sprachskript zu tun.
  • 11:23 - 11:25
    Gibt es andere Beweise,
  • 11:25 - 11:27
    dass das Skript eine Sprache kodieren könnte?
  • 11:27 - 11:30
    Linguistische Skripte können mehrere Sprachen kodieren.
  • 11:30 - 11:33
    Als Beispiel derselbe Satz in
  • 11:33 - 11:35
    Englisch und in Holländisch,
  • 11:35 - 11:37
    aus Buchstaben des gleichen Alphabets.
  • 11:37 - 11:40
    Wenn ihr kein Holländisch versteht,
  • 11:40 - 11:42
    ich euch aber holländische Worte vorgebe,
  • 11:42 - 11:44
    sagt ihr, dass diese Worte einige
  • 11:44 - 11:46
    ungewöhnliche Muster enthalten.
  • 11:46 - 11:48
    Einiges stimmt nicht, und ihr werdet sagen,
  • 11:48 - 11:51
    dass diese Worte wohl nicht Englisch sind.
  • 11:51 - 11:53
    Das gleiche passiert mit der Indus-Schrift.
  • 11:53 - 11:55
    Der Computer entdeckte mehrere Texte
  • 11:55 - 11:57
    - zwei davon seht ihr hier -
  • 11:57 - 11:59
    die sehr ungewöhnliche Muster haben.
  • 11:59 - 12:01
    Beim Ersten beispielsweise gibt es
  • 12:01 - 12:04
    dieses doppelte Krug-Zeichen.
  • 12:04 - 12:06
    Dieses Zeichen ist das Häufigste
  • 12:06 - 12:08
    der Indus Schrift,
  • 12:08 - 12:10
    und nur in diesem Text
  • 12:10 - 12:12
    erscheint es doppelt.
  • 12:12 - 12:14
    Warum nur? Wir sahen nach,
  • 12:14 - 12:17
    wo genau diese Texte gefunden wurden,
  • 12:17 - 12:19
    und es stellte sich heraus, dass das
  • 12:19 - 12:21
    sehr weit enfernt des Indus Tals war.
  • 12:21 - 12:24
    Im Gebiet des heutigen Irans bzw Iraks.
  • 12:24 - 12:26
    Warum dort?
  • 12:26 - 12:28
    Ich hatte noch nicht gesagt, dass das
  • 12:28 - 12:30
    Indus Volk sehr unternehmensfreudig war.
  • 12:30 - 12:33
    Sie handelten mit weit entfernt lebenden Völkern.
  • 12:33 - 12:36
    In diesem Fall reisten sie auf dem Seeweg bis nach
  • 12:36 - 12:39
    Mesopotamien, dem heutigen Irak.
  • 12:39 - 12:41
    Und dort scheint es so, als ob die
  • 12:41 - 12:44
    Indus-Handlungsreisenden die Schrift nutzten,
  • 12:44 - 12:47
    um eine fremde Sprache zu notieren.
  • 12:47 - 12:49
    Wie in unserem englisch-holländischem Beispiel.
  • 12:49 - 12:51
    Das würde die seltsamen Muster erklären,
  • 12:51 - 12:54
    die anders als diejenigen sind,
  • 12:54 - 12:57
    die im Indus Tal selbst gefunden werden.
  • 12:57 - 12:59
    Das legt nahe, dass die Indus-Schrift genutzt wurde,
  • 12:59 - 13:02
    um verschiedene Sprachen zu notieren.
  • 13:02 - 13:05
    Die bisherigen Ergebnisse legen den Schluss nahe,
  • 13:05 - 13:08
    dass die Indus-Schrift eine Sprache repäsentiert.
  • 13:08 - 13:10
    Wenn sie das tut,
  • 13:10 - 13:12
    wie lesen wir die Symbole?
  • 13:12 - 13:14
    Die nächste grosse Herausforderung!
  • 13:14 - 13:16
    Ihr bemerkt, dass viele der Symbole
  • 13:16 - 13:18
    wie Bilder von Menschen, Insekten,
  • 13:18 - 13:21
    Fischen und Vögeln wirken.
  • 13:21 - 13:23
    Die meisten antiken Schriften
  • 13:23 - 13:25
    nutzen das "Rebus"-Prinzip, das
  • 13:25 - 13:28
    Bildfolgen nutzt, um Worte darzustellen.
  • 13:28 - 13:31
    Hier beispielweise "belief" (Glaube).
  • 13:31 - 13:33
    Könnt ihr es in Bildern schreiben?
  • 13:33 - 13:35
    Ich gebe euch ein paar Sekunden.
  • 13:35 - 13:37
    Habt ihr's?
  • 13:37 - 13:39
    Okay. Toll.
  • 13:39 - 13:41
    Hier ist meine Lösung.
  • 13:41 - 13:43
    eine Biene ("bee") vor einem Blatt ("leaf"),
  • 13:43 - 13:45
    das ist "Glaube". (bee+leaf=belief).
  • 13:45 - 13:47
    Es könnte andere Lösungen geben.
  • 13:47 - 13:49
    Im Falle der Indus-Schrift
  • 13:49 - 13:51
    ist das Problem umgekehrt. Man muss die
  • 13:51 - 13:54
    Laute der einzelnen Bilder herausfinden,
  • 13:54 - 13:56
    damit der ganze Satz einen Sinn ergibt.
  • 13:56 - 13:59
    Es ist wie ein Kreuzworträtsel,
  • 13:59 - 14:02
    nur dass es die Mutter aller Kreuzworträtsel ist
  • 14:02 - 14:06
    da der Gewinn so hoch ist, wenn man es löst.
  • 14:06 - 14:09
    Meine Kollegen I. Mahadevan und A. Parpola
  • 14:09 - 14:11
    haben grosse Fortschritte bei diesem Problem erzielt.
  • 14:11 - 14:13
    Ein kurzes Beispiel aus Parpolas Arbeit:
  • 14:13 - 14:15
    ein wirklich kurzer Text: er enthält 7 senkrechte Striche,
  • 14:15 - 14:18
    gefolgt von diesem fisch-ähnlichen Zeichen.
  • 14:18 - 14:20
    Erwähnt sei hier, dass mit diesen Siegeln
  • 14:20 - 14:22
    Etiketten in Lehm gestempelt wurden,
  • 14:22 - 14:24
    die an Warenbündeln befestigt wurden,
  • 14:24 - 14:27
    so dass wahrscheinlich einige dieser Anhänger
  • 14:27 - 14:29
    die Namen von Händlern enthalten.
  • 14:29 - 14:31
    Es stellt sich heraus, dass es in Indien
  • 14:31 - 14:33
    schon lange Tradition ist,
  • 14:33 - 14:35
    Namen auf der Basis von Sternbildern
  • 14:35 - 14:38
    zum jeweiligen Zeitpunkt der Geburt zu vergeben.
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    In dravidischen Sprachen
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    lautet das Wort für Fisch "MEEN", das sich
  • 14:42 - 14:45
    genauso anhört wie das Wort für Stern.
  • 14:45 - 14:47
    Sieben Sterne würden also
  • 14:47 - 14:49
    für "ELU MEEN" stehen,
  • 14:49 - 14:51
    den dravidischen Ausdruck für
  • 14:51 - 14:53
    den "Grossen Wagen".
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    Eine ähnliche Sequenz von 6 Sternen,
  • 14:56 - 14:58
    übersetzt "ARU MEEN",
  • 14:58 - 15:00
    ist der alte dravidische Name für
  • 15:00 - 15:02
    das Gestirn der Plejaden.
  • 15:02 - 15:05
    Schliesslich noch Kombinationen wie dieser Fisch
  • 15:05 - 15:08
    mit einer Art Dach darüber.
  • 15:08 - 15:11
    Das könnte als "MEY MEEN" übersetzt werden,
  • 15:11 - 15:14
    dravidisch für den Saturn.
  • 15:14 - 15:16
    Das war besonders aufregend.
  • 15:16 - 15:18
    Es scheint irgendwohin zu führen.
  • 15:18 - 15:20
    Aber beweist es,
  • 15:20 - 15:22
    dass die Siegel dravidische Namen enthalten,
  • 15:22 - 15:24
    die auf Planeten und Sternbildern basieren?
  • 15:24 - 15:26
    Noch nicht.
  • 15:26 - 15:28
    Wir haben keine Möglichkeit, diese
  • 15:28 - 15:30
    spezielle Lesarten zu validieren,
  • 15:30 - 15:33
    doch wenn immer mehr davon Sinn ergeben
  • 15:33 - 15:35
    und auch immer längere Sequenzen
  • 15:35 - 15:37
    korrekt erscheinen,
  • 15:37 - 15:39
    wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
  • 15:39 - 15:41
    Heute können wir ein Wort wie
  • 15:41 - 15:44
    "TED" in ägyptischen Hieroglyphen
  • 15:44 - 15:47
    und in Keilschrift schreiben,
  • 15:47 - 15:49
    denn beide wurden schon im
  • 15:49 - 15:51
    19. Jahrhundert entziffert.
  • 15:51 - 15:53
    Durch die Entzifferung dieser beiden Schriften
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    sprechen uns beide Kulturen wieder direkt an.
  • 15:56 - 15:58
    Die Maya begannen im
  • 15:58 - 16:00
    20 Jhd. mit uns zu sprechen,
  • 16:00 - 16:03
    doch die Indus Zivilisation blieb stumm.
  • 16:03 - 16:05
    Warum sollte uns das kümmern?
  • 16:05 - 16:07
    Die Indus Kultur gehört nicht nur
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    den Süd- oder den Nordindern
  • 16:09 - 16:11
    oder den Pakistani;
  • 16:11 - 16:13
    sie gehört uns allen.
  • 16:13 - 16:15
    Dies sind unsere Vorfahren,
  • 16:15 - 16:17
    eure und meine.
  • 16:17 - 16:19
    Zum Schweigen gebracht durch einen
  • 16:19 - 16:21
    unglücklichen Zufall der Geschichte.
  • 16:21 - 16:23
    Wenn wir ihre Schrift entziffern,
  • 16:23 - 16:25
    könnten sie wieder zu uns sprechen.
  • 16:25 - 16:28
    Was würden sie uns mitteilen?
  • 16:28 - 16:31
    Was würden wir über sie und uns herausfinden?
  • 16:31 - 16:34
    Ich kann es kaum erwarten, das herauszufinden!
  • 16:34 - 16:36
    Danke sehr.
  • 16:36 - 16:40
    (Applaus)
Title:
Rajesh Rao: Ein Stein von Rosette für die Indus-Schrift
Speaker:
Rajesh Rao
Description:

Rajesh Rao ist von der "Mutter aller Kreuzworträtsel" fasziniert: wie entschlüsselt man die 4000 Jahre alte Indus-Schrift? Bei TED 2011 erzählt er, wie er dazu moderne Rechenverfahren benutzt, um die Indus Sprache lesbar zu machen - der entscheidende Schlüssel, um diese alte Zivilisation zu verstehen.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
16:41
TeeKay Kreissig added a translation

German subtitles

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