Wie unsere schlimmsten Erfahrungen uns formen
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0:01 - 0:04Ich beschäftige mich mit Menschen in Not
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0:04 - 0:06und bin immer wieder beeindruckt davon,
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0:06 - 0:07wie einige Menschen
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0:07 - 0:09mit großen Problemen
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0:09 - 0:13genau daraus Kraft zu schöpfen scheinen.
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0:13 - 0:14Ich kannte die Volksweisheit,
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0:14 - 0:16dass das etwas mit Sinnfindung zu tun hat.
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0:16 - 0:18Lange Zeit dachte ich,
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0:18 - 0:21dass dieser Sinn dort draußen ist,
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0:21 - 0:24eine höhere Wahrheit, die darauf wartet,
gefunden zu werden. -
0:24 - 0:26Im Laufe der Zeit spürte ich aber,
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0:26 - 0:28dass die Wahrheit irrelevant ist.
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0:28 - 0:31Wir können es Sinnfindung nennen,
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0:31 - 0:35aber besser wäre vielleicht
Sinngestaltung. -
0:35 - 0:37In meinem letzten Buch ging es um Familien
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0:37 - 0:42und wie sie mit schwierigen und
ungewöhnlichen Kindern umgehen. -
0:42 - 0:44Eine der Mütter, mit denen ich sprach,
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0:44 - 0:48hatte zwei Kinder mit verschiedenen,
schweren Behinderungen und sagte: -
0:48 - 0:50"Die Leute kommen uns immer
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0:50 - 0:52mit solchen Sprichwörtern wie zum Beispiel
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0:52 - 0:55'Gott mutet uns nicht mehr zu,
als wir tragen können', -
0:55 - 0:57aber Kinder wie die unseren
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0:57 - 1:01sind nicht unbedingt ein Geschenk.
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1:01 - 1:07Sie sind ein Geschenk,
weil wir das beschlossen haben." -
1:07 - 1:11Wir alle treffen solche Entscheidungen
in unserem Leben. -
1:11 - 1:13Als ich in der 2. Klasse war,
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1:13 - 1:16feierte Bobby Finkel seinen Geburtstag
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1:16 - 1:20und lud alle in der Klasse ein,
außer mich. -
1:20 - 1:23Meine Mutter ging von einem Fehler aus
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1:23 - 1:24und rief Frau Finkel an.
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1:24 - 1:27Die sagte ihr dann,
dass Bobby mich nicht mag -
1:27 - 1:30und nicht will, dass ich
zu seiner Feier komme. -
1:30 - 1:33An diesem Tag ging meine Mutter
mit mir in den Zoo -
1:33 - 1:36und ich bekam ein großes Eis.
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1:36 - 1:38Als ich in der 7. Klasse war,
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1:38 - 1:40gab mir eines der Kinder im Schulbus
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1:40 - 1:42den Spitznamen "Percy"
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1:42 - 1:45als Abkürzung für mein komisches Benehmen.
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1:45 - 1:48Und manchmal skandierten
er und seine Kumpels -
1:48 - 1:52diese Provokation
die ganze Busfahrt hindurch. -
1:52 - 1:5645 Minuten Hinfahrt, 45 Minuten Rückfahrt.
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1:56 - 2:00"Percy! Percy! Percy! Percy!"
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2:00 - 2:02Als ich in der 8. Klasse war,
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2:02 - 2:05erzählte uns unser Biologielehrer,
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2:05 - 2:06dass männliche Homosexuelle
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2:06 - 2:09Stuhlinkontinenz entwickeln,
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2:09 - 2:13weil der Schließmuskel ausleiert.
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2:13 - 2:15Ich schloss die High School ab,
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2:15 - 2:18ohne jemals in der Cafeteria
gewesen zu sein. -
2:18 - 2:19Hätte ich dort mit Mädels gesessen,
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2:19 - 2:22wäre ich dafür ausgelacht worden.
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2:22 - 2:23Hätte ich dort mit Jungs gesessen,
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2:23 - 2:25wäre ich auch ausgelacht worden,
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2:25 - 2:28weil ich ein Junge war,
der bei den Mädchen sitzen sollte. -
2:28 - 2:30Ich überlebte diese Kindheit
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2:30 - 2:33durch eine Mischung aus
Vermeiden und Aushalten. -
2:33 - 2:35Was ich damals noch nicht wusste
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2:35 - 2:37und jetzt weiß:
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2:37 - 2:39Vermeiden und Aushalten
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2:39 - 2:44können der Ausgangspunkt
für Sinngestaltung sein. -
2:44 - 2:46Wenn man Sinn gestaltet hat,
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2:46 - 2:48muss man diesen Sinn
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2:48 - 2:51in eine neue Identität einbinden.
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2:51 - 2:53Man muss seine Traumata nehmen
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2:53 - 2:56und sie zu einem Teil
seiner selbst machen. -
2:56 - 2:59Man muss die schlimmsten
Ereignisse im Leben nehmen, -
2:59 - 3:01sie in einen Triumph verwandeln
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3:01 - 3:03und ein besseres Selbst schaffen,
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3:03 - 3:06als Antwort auf die schmerzhaften Dinge.
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3:06 - 3:08Eine andere Mutter, die ich befragte,
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3:08 - 3:10als ich an meinem Buch arbeitete,
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3:10 - 3:13war als Jugendliche vergewaltigt worden
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3:13 - 3:16und wurde schwanger,
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3:16 - 3:19was all ihre Karrierepläne zunichte machte
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3:19 - 3:23und all ihren zwischenmenschlichen
Beziehungen schadete. -
3:23 - 3:26Als ich sie traf, war sie 50 Jahre alt,
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3:26 - 3:27und ich fragte sie:
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3:27 - 3:30"Denken Sie oft an den Mann,
der Sie vergewaltigt hat?" -
3:30 - 3:34Und sie sagte: "Ich war
lange zornig auf ihn, -
3:34 - 3:37aber jetzt bedauere ich ihn nur noch."
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3:37 - 3:39Ich dachte, sie bedauert ihn,
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3:39 - 3:43weil er so unterentwickelt war,
dass er so etwas Furchtbares gemacht hat. -
3:43 - 3:44Und ich sagte: "Bedauern?"
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3:44 - 3:48Und sie sagte: "Ja, weil er
eine wunderbare Tochter hat -
3:48 - 3:51und zwei wunderbare Enkel
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3:51 - 3:54und er weiß das nicht, ich aber schon.
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3:54 - 3:58Es zeigt sich also,
dass ich glücklicher bin." -
4:00 - 4:04Mit manchen Herausforderungen
werden wir schon geboren: -
4:04 - 4:09Geschlecht, sexuelle Orientierung,
Hautfarbe, Behinderungen. -
4:09 - 4:11Andere Herausforderungen passieren uns:
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4:11 - 4:15ein politischer Gefangener sein,
vergewaltigt werden, -
4:15 - 4:17Hurrikan Katrina überleben.
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4:17 - 4:21Identität heißt sich einer
Gemeinschaft anzuschließen, -
4:21 - 4:23um Kraft aus dieser
Gemeinschaft zu schöpfen -
4:23 - 4:26und den anderen Mitgliedern
Kraft zu geben. -
4:26 - 4:30Man ersetzt "aber" durch "und" --
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4:30 - 4:34also nicht: "Ich bin hier,
aber ich habe Krebs.", -
4:34 - 4:40sondern: "Ich habe Krebs und bin hier."
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4:40 - 4:41Wenn wir uns für etwas schämen,
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4:41 - 4:43können wir unsere Storys
nicht erzählen -
4:43 - 4:48und Geschichten sind
das Fundament unserer Identität. -
4:48 - 4:52Sinngestaltung, Identitätsdefinition,
-
4:52 - 4:56Sinn gestalten und Identität definieren.
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4:56 - 4:58Das wurde mein Mantra.
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4:58 - 5:02Beim Sinngestalten geht es darum,
sich selbst zu verändern. -
5:02 - 5:05Bei der Definition von Identität,
geht es darum, die Welt zu verändern. -
5:05 - 5:08All jene von uns
mit stigmatisierten Identitäten -
5:08 - 5:10stehen jeden Tag vor der Frage:
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5:10 - 5:12Wie sehr müssen wir uns
der Gesellschaft anpassen, -
5:12 - 5:14indem wir uns selbst einschränken,
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5:14 - 5:17und was braucht es,
um die Grenze zu dem zu überschreiten, -
5:17 - 5:20was ein lebenswertes Leben ist?
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5:20 - 5:23Sinn gestalten und Identität definieren
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5:23 - 5:26stellt das Geschehene nicht richtig.
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5:26 - 5:31Es macht das Geschehene nur wertvoll.
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5:31 - 5:33Im Januar dieses Jahres
-
5:33 - 5:37bin ich nach Myanmar gereist,
um mit politischen Gefangenen zu sprechen. -
5:37 - 5:40Es wunderte mich,
dass sie weniger verbittert waren -
5:40 - 5:42als ich angenommen hatte.
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5:42 - 5:44Die meisten von ihnen haben bewusst
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5:44 - 5:46die Delikte begangen,
die sie ins Gefängnis brachten, -
5:46 - 5:49und sie gingen erhobenen
Hauptes ins Gefängnis. -
5:49 - 5:54Und sie sind auch erhobenen
Hauptes wieder rausgekommen, -
5:54 - 5:56viele Jahre später.
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5:56 - 5:59Dr. Ma Thida, eine der führenden
Menschenrechtsaktivistinnen -
5:59 - 6:01ist im Gefängnis fast gestorben
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6:01 - 6:03und hat viele Jahre
in Einzelhaft verbracht. -
6:03 - 6:07Sie erzählte mir, dass sie dankbar sei
-
6:07 - 6:10für die Zeit zum Nachdenken,
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6:10 - 6:12für die dabei erlangte Weisheit,
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6:12 - 6:16und für die Gelegenheit,
ihre Meditiationsfähigkeiten zu verbessern. -
6:16 - 6:17Sie war auf der Suche nach Sinn
-
6:17 - 6:21und fand ihre wesentliche Identität.
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6:21 - 6:23Die Leute, die ich traf, waren zwar
-
6:23 - 6:25weniger verbittert als ich dachte,
-
6:25 - 6:27darüber im Gefängnis zu sein,
-
6:27 - 6:30aber sie waren auch
weniger begeistert als erwartet, -
6:30 - 6:33vom Reformprozess,
der in ihrem Land abläuft. -
6:33 - 6:35Ma Thida sagte:
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6:35 - 6:36"Wir Burmesen sind bekannt
-
6:36 - 6:40für unsere Würde, auch unter großem Druck.
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6:40 - 6:45Wir hegen aber auch Groll
unter diesem ganzen Glanz. -
6:45 - 6:47Allein die Tatsache, dass es
-
6:47 - 6:48Wandel und Änderungen gab,
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6:48 - 6:50heißt nicht, dass
die ständigen Probleme -
6:50 - 6:52in unserer Gesellschaft ausgelöscht sind.
-
6:52 - 6:54Wir haben gelernt,
diese Probleme zu sehen, -
6:54 - 6:56während wir im Gefängnis waren."
-
6:56 - 6:58Und ich verstand sie so,
-
6:58 - 7:02dass Zugeständnisse nur ein
bisschen Menschlichkeit da verleihen, -
7:02 - 7:04wo es Zeit für die ganze
Menschlichkeit wäre. -
7:04 - 7:06Dass Brotkrumen nicht dasselbe sind,
-
7:06 - 7:08wie ein Platz am Tisch.
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7:08 - 7:11Dass heißt, man kann seinen Sinn gestalten
-
7:11 - 7:16und seine Identität definieren
und trotzdem wütend sein. -
7:17 - 7:19Ich wurde nie vergewaltigt
-
7:19 - 7:22und war auch nie nur annähernd in etwas
-
7:22 - 7:24wie einem burmesischen Gefängnis.
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7:24 - 7:26Aber als schwuler Amerikaner
-
7:26 - 7:30habe ich Vorverurteilung und Hass erfahren
-
7:30 - 7:34und meinen Sinn gestaltet
und meine Identität definiert. -
7:34 - 7:37Das habe ich von Leuten gelernt,
-
7:37 - 7:39die weitaus schlimmere
Entbehrungen ertragen mussten -
7:39 - 7:42als ich es jemals musste.
-
7:42 - 7:43In meiner Jugend
-
7:43 - 7:47strengte ich mich sehr an,
heterosexuell zu sein. -
7:47 - 7:49Ich schrieb mich in einen Kurs
-
7:49 - 7:51namens "Therapeutische
Sexualbegleitung" ein. -
7:51 - 7:55Leute, die ich "Ärzte" nennen sollte,
-
7:55 - 7:59verschrieben etwas, das ich
"Übungen" nennen sollte, -
7:59 - 8:02mit Frauen, die ich
"Sexualbegleiter" nennen sollte. -
8:02 - 8:05Sie waren keine richtigen Prostituierte,
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8:05 - 8:08aber sie waren auch nicht
wirklich etwas anderes. -
8:08 - 8:12(Gelächter)
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8:12 - 8:14Meine Lieblingsfrau
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8:14 - 8:16war eine blonde Frau aus den Südstaaten,
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8:16 - 8:18die mir schließlich gestand,
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8:18 - 8:21dass sie eigentlich nekrophil war.
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8:21 - 8:22Sie nahm den Job nur an,
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8:22 - 8:25nachdem sie in der Leichenhalle
Schwierigkeiten bekommen hatte. -
8:25 - 8:29(Gelächter)
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8:31 - 8:34Solche Erfahrungen erlaubten es mir,
-
8:34 - 8:37glückliche körperliche
Beziehungen mit Frauen zu führen. -
8:37 - 8:39Dafür bin ich dankbar,
-
8:39 - 8:41aber ich stand im Krieg mit mir selbst
-
8:41 - 8:46und ich habe tiefe Wunden
in meine Psyche geschlagen. -
8:46 - 8:49Wir suchen die schmerzlichen
Erlebnisse nicht, -
8:49 - 8:52die Wunden in unsere Identitäten schlagen,
-
8:52 - 8:54aber wir suchen unsere Identitäten
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8:54 - 8:57im Nachgang dieser schmerzlichen Ereignisse.
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8:57 - 9:00Wir ertragen sinnloses Leiden nicht,
-
9:00 - 9:03aber wir können große
Entbehrungen aushalten, -
9:03 - 9:06wenn wir glauben,
dass sie Sinn ergeben. -
9:06 - 9:08Mühelosigkeit beeindruckt uns weniger
-
9:08 - 9:10als Kampf.
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9:10 - 9:12Auch ohne unsere Freuden wären wir wir,
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9:12 - 9:14nicht aber ohne unsere Missgeschicke,
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9:14 - 9:18die uns bei der Sinnsuche antreiben.
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9:18 - 9:21"Darum freue ich mich
über meine Schwächen", -
9:21 - 9:24schrieb Paulus im 2. Brief
an die Korinther: -
9:24 - 9:28"Denn gerade wenn ich
schwach bin, bin ich stark." -
9:28 - 9:311988 reiste ich nach Moskau,
-
9:31 - 9:34um Künstler aus dem sowjetischen
Untergrund zu interviewen -
9:34 - 9:36und erwartete von ihrer Arbeit,
-
9:36 - 9:38dass sie regimekritisch und politisch sei.
-
9:38 - 9:41Aber das Radikale an
ihrer Arbeit bestand eigentlich -
9:41 - 9:44in der Wiedereinführung von
Humanität in die Gesellschaft, -
9:44 - 9:47die dabei war,
die Menschlichkeit auszurotten. -
9:47 - 9:49So wie es die russische Gesellschaft
-
9:49 - 9:51irgendwie auch heute wieder tut.
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9:51 - 9:54Einer der Künstler, die ich traf, sagte:
-
9:54 - 9:58"Wir schulten uns darin, nicht Künstler,
sondern Engel zu sein." -
9:58 - 10:011991 traf ich nochmals die Künstler,
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10:01 - 10:03über die ich geschrieben hatte,
-
10:03 - 10:05und ich war während des Putschs bei ihnen,
-
10:05 - 10:07der die Sowjetunion beendete.
-
10:07 - 10:09Die Künstler waren die Hauptorganisatoren
-
10:09 - 10:12des Widerstands in dem Putsch.
-
10:12 - 10:15Und am dritten Tag des Putschs
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10:15 - 10:18schlug einer vor,
zum Smolenskaja-Platz zu gehen. -
10:18 - 10:20Und wir gingen hin
-
10:20 - 10:23und wir stellten uns
vor eine der Barrikaden -
10:23 - 10:25und ein Weilchen später
-
10:25 - 10:27kamen einige Panzer
-
10:27 - 10:29und der Soldat im vordersten Panzer sagte:
-
10:29 - 10:31"Wir haben unbedingte Anweisungen,
-
10:31 - 10:33diese Barrikade zu zerstören.
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10:33 - 10:34Wenn ihr den Weg räumt,
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10:34 - 10:36müssen wir euch nicht weh tun.
-
10:36 - 10:38Bleibt ihr, haben wir
keine andere Wahl, -
10:38 - 10:40als euch zu überfahren."
-
10:40 - 10:42Die Künstler, die ich begleitete, sagten:
-
10:42 - 10:45"Einen Moment. Nur eine Minute.
-
10:45 - 10:47Wir wollen euch erzählen,
warum wir hier sind." -
10:47 - 10:49Der Soldat verschränkte die Arme
-
10:49 - 10:54und der Künstler hob zu
einer Lobrede auf die Demokratie an. -
10:54 - 10:56Eine Rede, die Leute wie wir,
-
10:56 - 10:58die in einer Demokratie leben,
-
10:58 - 11:01nur schwer halten könnten.
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11:01 - 11:03Sie sprachen weiter und weiter
-
11:03 - 11:05und der Soldat schaute zu.
-
11:05 - 11:06Dann saß er eine ganze Minute da,
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11:06 - 11:08nachdem die Rede beendet war
-
11:08 - 11:12und schaute aus wie ein begossener Pudel
-
11:12 - 11:14und sagte: "Du hast Recht
-
11:14 - 11:18und wir müssen uns
dem Willen des Volkes beugen. -
11:18 - 11:20Wenn ihr uns genug Platz
zum Umdrehen gebt, -
11:20 - 11:23gehen wir dahin zurück,
wo wir herkamen." -
11:23 - 11:25Und das taten sie.
-
11:25 - 11:30Manchmal stellt Sinngestaltung
die Worte zur Verfügung, die man braucht, -
11:30 - 11:33um für wahre Freiheit zu kämpfen.
-
11:33 - 11:36Russland erweckte in mir
die bittersüße Erkenntnis, -
11:36 - 11:39dass Unterdrückung die Kraft
zum Widerstand erzeugt -
11:39 - 11:42und ich sah das langsam als Eckpfeiler
-
11:42 - 11:44von Identität.
-
11:44 - 11:48Es brauchte Identität,
um mich aus der Traurigkeit zu retten. -
11:48 - 11:51Die Schwulenbewegung postuliert eine Welt,
-
11:51 - 11:53in der meine Abnormalität ein Sieg ist.
-
11:53 - 11:57Identitätspolitik bewirkt immer zweierlei:
-
11:57 - 12:02Menschen stolz zu machen, die ein angeborenes
oder charakteristisches Leiden haben, -
12:02 - 12:04und sie bringt die anderen dazu,
-
12:04 - 12:07mit den Leuten netter umzugehen.
-
12:07 - 12:10Das sind zwei unterschiedliche Bereiche,
-
12:10 - 12:12aber der Fortschritt in einem
-
12:12 - 12:14hallt im anderen nach.
-
12:14 - 12:18Identitätspolitik kann narzistisch sein.
-
12:18 - 12:22Die Leute feiern einen Unterschied
nur um seiner selbst willen. -
12:22 - 12:23Sie reduzieren die Welt
-
12:23 - 12:27und funktionieren in separaten Gruppen,
ohne Empathie für einander. -
12:27 - 12:29Aber richtig verstanden
-
12:29 - 12:31und richtig angewandt
-
12:31 - 12:36sollte Identitätspolitik unsere Vorstellung
davon, was menschlich ist, erweitern. -
12:36 - 12:38Identität selbst
-
12:38 - 12:41sollte kein selbstgefälliges Etikett sein
-
12:41 - 12:42oder eine Goldmedaille,
-
12:42 - 12:45sondern eine Revolution.
-
12:45 - 12:48Ich hätte ein leichteres Leben,
wenn ich heterosexuell wäre, -
12:48 - 12:50aber das wäre nicht ich.
-
12:50 - 12:53Und ich mag es mehr, ich selbst zu sein
-
12:53 - 12:55als jemand anderer.
-
12:55 - 12:56Jemand, der ich, ehrlich gesagt,
-
12:56 - 12:59weder sein kann
-
12:59 - 13:01noch mir vorstellen kann.
-
13:01 - 13:03Wenn man aber die Drachen abschafft,
-
13:03 - 13:06schafft man auch die Helden ab,
-
13:06 - 13:10und wir sehnen uns
nach dem heroischen Kampf im Leben. -
13:10 - 13:12Ich fragte mich manchmal,
-
13:12 - 13:14ob ich hätte aufhören können,
diesen Teil in mir zu hassen, -
13:14 - 13:18auch ohne die quietschbunte
Party der Schwulenbewegung, -
13:18 - 13:22von der auch diese Rede ein Teil ist.
-
13:22 - 13:24Ich dachte, ich würde mich
selbst als reif erkennen, -
13:24 - 13:28wenn ich einfach schwul
sein könnte, ohne Betonung. -
13:28 - 13:31Aber der Selbstekel dieser Zeit
hinterließ eine Leere -
13:31 - 13:35und ich brauchte das Feiern,
um sie zu füllen und zu überschwemmen. -
13:35 - 13:39Auch wenn ich meine private Schuld
an Melancholie abzahle, -
13:39 - 13:41gibt es immer noch eine
homophobe Außenwelt, -
13:41 - 13:44bei der es noch Jahrzehnte braucht,
um sie zu erreichen. -
13:44 - 13:48Eines Tages ist Schwul-Sein
nur eine schlichte Tatsche, -
13:48 - 13:50frei von Partyhütchen
und Schuldzuweisungen. -
13:50 - 13:53Aber noch nicht jetzt.
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13:53 - 13:55Ein Freund meinte, dass Schwulenparaden
-
13:55 - 13:57sich in sich selbst verlieren,
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13:57 - 13:58und er schlug
-
13:58 - 14:00eine "Schwul und Demütig"-Woche vor.
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14:00 - 14:05(Gelächter) (Applaus)
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14:07 - 14:09Das ist eine großartige Idee,
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14:09 - 14:11aber die Zeit ist noch nicht reif dafür.
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14:11 - 14:13(Gelächter)
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14:13 - 14:15Und Neutralität, die irgendwie zwischen
-
14:15 - 14:18Verzweiflung und Feiern liegt,
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14:18 - 14:21ist das Finale.
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14:21 - 14:24In 29 US-Bundesstaaten
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14:24 - 14:27könnte ich laut Gesetz gefeuert werden
oder keine Wohnung bekommen, -
14:27 - 14:29weil ich schwul bin.
-
14:29 - 14:32In Russland führt das
Anti-Propaganda-Gesetz dazu, -
14:32 - 14:35dass Menschen auf offener Straße
zusammengeschlagen werden. -
14:35 - 14:3727 afrikanische Staaten
-
14:37 - 14:40haben Gesetze gegen Analverkehr erlassen
-
14:40 - 14:44und in Nigeria dürfen
Homosexuelle gesteinigt werden -
14:44 - 14:46und Lynchmorde sind üblich geworden.
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14:46 - 14:49Erst kürzlich wurden
zwei Männer in Saudi-Arabien -
14:49 - 14:51beim Sex erwischt
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14:51 - 14:56und zu jeweils
7000 Peitschenhieben verurteilt. -
14:56 - 14:59Sie sind seither dauerhaft behindert.
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14:59 - 15:01Wer kann also Sinn gestalten
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15:01 - 15:04und Identität definieren?
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15:04 - 15:07Bei Schwulenrechten
geht es nicht nur um Ehe, -
15:07 - 15:11und für die Millionen,
die an intoleranten Orten leben, -
15:11 - 15:12ohne Möglichkeiten,
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15:12 - 15:15bleibt Würde kaum erreichbar.
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15:15 - 15:18Ich schätze mich glücklich,
meinen Sinn gestaltet -
15:18 - 15:20und meine Identität definiert zu haben,
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15:20 - 15:23aber das ist immer
noch ein seltenes Privileg. -
15:23 - 15:26Homosexuelle verdienen
als Gemeinschaft mehr -
15:26 - 15:29als nur die Krümel der Gerechtigkeit.
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15:29 - 15:34Und doch ist jeder Fortschritt wunderbar.
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15:34 - 15:382007, 6 Jahre nach unserem ersten Treffen,
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15:38 - 15:41entschieden mein Partner
und ich zu heiraten. -
15:41 - 15:45John kennenzulernen,
war die Entdeckung großen Glücks -
15:45 - 15:48und das Vergessen großen Unglücks.
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15:48 - 15:51Manchmal war ich so damit beschäftigt,
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15:51 - 15:53all diesen Schmerz zu vergessen,
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15:53 - 15:56dass ich auch die Freude vergaß.
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15:56 - 16:00Das war anfangs der weniger
schöne Teil für mich. -
16:00 - 16:02Die Hochzeit war eine Art,
unsere Liebe zu etwas -
16:02 - 16:06Offenerem als Geheimen zu machen.
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16:06 - 16:09Die Ehe brachte uns auch bald zu Kindern
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16:09 - 16:11und das bedeutete neuen Sinn
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16:11 - 16:15und neue Identitäten, unsere und ihre.
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16:15 - 16:17Ich will, dass meine Kinder glücklich sind
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16:17 - 16:21und ich liebe sie am meisten,
wenn sie traurig sind. -
16:21 - 16:24Als schwuler Vater kann
ich ihnen beibringen, -
16:24 - 16:27die schlimmen Dinge im Leben anzunehmen.
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16:27 - 16:28Aber wenn ich sie erfolgreich
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16:28 - 16:31von Notlagen fernhalte,
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16:31 - 16:34habe ich als Vater etwas falsch gemacht.
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16:34 - 16:37Ein buddhistischer Gelehrter,
den ich kannte, erklärte mir, -
16:37 - 16:39dass man im Westen
fälschlicherweise glaubt, -
16:39 - 16:41das Nirvana sei das,
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16:41 - 16:44was nach all dem Kummer kommt
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16:44 - 16:47und dass man dann nur noch
Glückseligkeit vor sich hat. -
16:47 - 16:49Er sagte, das sei nicht das Nirvana,
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16:49 - 16:51weil die Wonne der Gegenwart
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16:51 - 16:55immer von den vergangenen Freuden
in den Schatten gestellt wird. -
16:55 - 16:57Ins Nirvana kommt man, sagte er,
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16:57 - 17:00wenn man nur noch Glück vor sich hat
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17:00 - 17:02und in vermeintlicher Trauer
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17:02 - 17:05die Wurzeln der Freude sieht.
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17:05 - 17:07Ich frage mich manchmal,
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17:07 - 17:09ob ich diese Erfüllung gefunden hätte
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17:09 - 17:11in der Ehe und meinen Kindern,
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17:11 - 17:13wenn sie ohne Weiteres passiert wären.
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17:13 - 17:17Wenn ich in meiner Jugend
hetero gewesen oder jetzt jung wäre, -
17:17 - 17:20wäre es in beiden Fällen wohl leichter.
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17:20 - 17:22Vielleicht wäre ich es gewesen.
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17:22 - 17:24Vielleicht hätten all
meine komplexen Fantasien -
17:24 - 17:26auf andere Bereiche
angewendet werden können. -
17:26 - 17:28Wenn aber die Sinnsuche
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17:28 - 17:30wichtiger ist als das Finden,
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17:30 - 17:33dann ist die Frage nicht,
ob ich glücklicher wäre, -
17:33 - 17:35weil ich gehänselt wurde,
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17:35 - 17:36sondern ob der Sinn,
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17:36 - 17:38den ich diesen Erfahrungen zuweise,
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17:38 - 17:41mich zu einem besseren Vater macht.
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17:41 - 17:44Ich neige dazu, Verzückung
in den einfachen Dingen zu finden, -
17:44 - 17:46weil ich nicht erwartet habe,
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17:46 - 17:49dass diese Dinge einfach für mich sind.
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17:49 - 17:51Ich kennen viele Heterosexuelle,
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17:51 - 17:53die genauso glückliche Ehen
und Familien haben. -
17:53 - 17:56Aber die homosexuelle Ehe
ist so atemberaubend frisch -
17:56 - 17:59und homosexuelle Familien
sind so aufregend neu. -
17:59 - 18:04Ich habe einen Sinn
in dieser Überraschung gefunden. -
18:04 - 18:07Im Oktober wurde ich 50
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18:07 - 18:10und meine Familie
organisierte eine Feier für mich. -
18:10 - 18:12Und mittendrin sagte
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18:12 - 18:13mein Sohn zu meinem Mann,
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18:13 - 18:15dass er eine Rede halten wolle.
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18:15 - 18:16Und John sagte:
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18:16 - 18:20"George, du kannst keine
Rede halten. Du bist vier." -
18:20 - 18:22(Gelächter)
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18:22 - 18:24"Nur Opa und Onkel David und ich
-
18:24 - 18:26werden heute Abend Reden halten."
-
18:26 - 18:29Aber George bestand
wieder und wieder darauf, -
18:29 - 18:32und schließlich gab John ihm das Mikrofon
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18:32 - 18:35und George sagte sehr laut:
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18:35 - 18:38"Meine Damen und Herren,
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18:38 - 18:40ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit."
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18:40 - 18:43Und alle drehten sich um, ganz verdattert.
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18:43 - 18:45Und George sagte:
-
18:45 - 18:47"Ich freue mich, dass mein Papa Geburtstag hat.
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18:47 - 18:51Ich freue mich, dass wir alle Kuchen essen.
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18:51 - 18:54Und Papa, wenn du noch klein wärst,
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18:54 - 18:57wäre ich dein Freund."
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18:58 - 19:01Und ich dachte -- danke.
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19:01 - 19:03Ich dachte, ich stehe auch in der Schuld
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19:03 - 19:05von Bobby Finkel,
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19:05 - 19:07weil all diese früheren Erfahrungen
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19:07 - 19:10mich zu genau diesem
Augenblick getragen hatten. -
19:10 - 19:12Und schlussendlich war ich
unendlich dankbar -
19:12 - 19:17für ein Leben, das ich früher
unbedingt ändern wollte. -
19:17 - 19:18Schwulenrechtler Harvey Milk
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19:18 - 19:21wurde einmal von einem
jüngeren Schwulen gefragt, -
19:21 - 19:23wie er der Bewegung helfen könne.
-
19:23 - 19:24Und Harvey Milk sagte:
-
19:24 - 19:27"Geh da raus und erzähl es jemandem."
-
19:27 - 19:28Es gibt immer jemanden,
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19:28 - 19:31der uns unsere Menschlichkeit nehmen will
-
19:31 - 19:34und es gibt immer Geschichten,
die sie wiederherstellen. -
19:34 - 19:35Wenn wir unser Leben laut leben,
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19:35 - 19:37können wir den Hass besiegen
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19:37 - 19:40und jedermann's Leben
offener und freier machen. -
19:40 - 19:44Einen Sinn gestalten.
Eine Identität definieren. -
19:44 - 19:46Sinn gestalten.
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19:46 - 19:49Identität defnieren.
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19:49 - 19:51Und dann laden wir die Welt ein,
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19:51 - 19:53mit uns unsere Freude zu teilen.
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19:53 - 19:54Danke.
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19:54 - 19:57(Applaus)
-
19:57 - 19:58Danke. (Applaus)
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20:00 - 20:01Danke.
-
20:01 - 20:04(Applaus)
-
20:04 - 20:05Danke.
-
20:05 - 20:09(Applaus)
- Title:
- Wie unsere schlimmsten Erfahrungen uns formen
- Speaker:
- Andrew Solomon
- Description:
-
Schriftsteller Andrew Solomon hat sein Leben lang Geschichten von den Nöten der Anderen erzählt. Jetzt richtet er seinen Blick nach innen und zeigt uns sowohl eine mühevolle Kindheit als auch fantastische Geschichten von den mutigen Menschen, die er seither getroffen hat. In einem bewegenden, aufrichtigen und manchmal auch offen witzigen Vortrag gibt Solomon einen kraftvollen Impuls, etwas zu tun und aus unseren größten Herausforderungen Sinn zu gestalten.
- Video Language:
- English
- Team:
closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 20:27
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Angelika Lueckert Leon
Hallo Verena,
ich habe gesehen, dass du eine sehr gute fachliche Basis hast und die Übersetzung ist inhaltlich und sprachlich sehr gut.
Aber du solltest dich unbedingt mit dem Format Untertitel auseinandersetzen, denn du musst auf die Lesegeschwindigkeit und maximale Zeichen/Sek. achten.
Insgesamt sind die Videos und OTPedias sehr zu empfehlen – auch für gelernte Übersetzer –, aber du solltest dir besonders diese beiden ansehen.
Wenn du den Vortrag entsprechend überarbeitet hast, sehe ich ihn gerne noch mal inhaltlich durch.
https://www.youtube.com/watch?v=yvNQoD32Qqo&list=PLuvL0OYxuPwxQbdq4W7TCQ7TBnW39cDRC
http://translations.ted.org/wiki/How_to_Compress_Subtitles
LG, Anlu
Nadine Hennig
Hallo Angelika! Leider muss ich es dir noch einmal zurückschicken, da viele Untertitel noch mehr als 21 Sekunden haben. Bitte überarbeite es noch einmal. Lg, Nadine
Angelika Lueckert Leon
Hallo Nadine,
ich habe jetzt alles noch mal überarbeitet. Es waren doch ca. 15 Stellen betroffen. Im hinteren Ende gab es auch noch ein paar Zeilen über 42 char/line. Das lag sicher auch an einigen Problemen mit dem Speichern in amara.
Die ursrpüngliche Übersetzerin hat auch einige Untertitel im Deutschen gelöscht und den Text in einen anderen Untertitel kopiert, wodurch natürlich die Lesbarkeit nicht mehr gegeben ist.
Trotzdem hätte ich das nicht übersehen dürfen.
Danke für die Übernahme des Approvals!
Anlu
Nadine Hennig
Hallo Angelika! Ich habe es dir noch einmal zurückgeschickt, dass du meine Veränderungen "absegnen" kannst. Sehr interessanter Vortrag, aber nicht einfach zu übersetzen. Lg, Nadine
Angelika Lueckert Leon
Hallo Nadine,
vielen Dank! Es waren alles wirkliche Verbesserungen.
Ich habe nur in der Beschreibung etwas geändert, ansonsten finde ich es gelungen.
LG, Anlu
Nadine Hennig
Hallo Angelika! Deine Veränderung finde ich toll. Ich habe auch noch was gefunden. Kann auch sein, dass man später noch etwas findet, aber dann können wir es ja noch ändern. Ich kümmere mich um die Credits. Lg, Nadine