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Ein Boot mit 500 Flüchtlingen sank. Hier die Geschichte zweier Überlebender

  • 0:01 - 0:08
    Jeden Tag höre ich entsetzliche
    Geschichten über Menschen,
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    die aus Angst um ihr Leben, über
    gefährliche Grenzen und Meere fliehen.
  • 0:12 - 0:17
    Aber es gibt eine besondere Geschichte,
    die mich nachts wach hält,
  • 0:17 - 0:18
    und das ist die von Doaa,
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    ein syrischer Flüchtling, 19 Jahre alt.
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    Sie lebte das harte Leben
    einer Tagelöhnerin in Ägypten.
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    Ihr Vater dachte häufig an seinen
    florierenden Betrieb in Syrien zurück,
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    der von einer Bombe
    in Stücke gerissen worden war.
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    Der Krieg, der sie dorthin getrieben
    hatte, wütete schon seit 4 Jahren.
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    Und die Gemeinde, die sie damals
    willkommen geheißen hatte,
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    war ihrer überdrüssig geworden.
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    Eines Tages erschienen
    Männer auf Motorrädern
  • 0:51 - 0:53
    und versuchten sie zu entführen.
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    Früher eine aufstrebende Schülerin,
    nur auf ihre Zukunft bedacht,
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    war sie jetzt ständig voller Angst.
  • 1:02 - 1:04
    Aber sie war auch voller Hoffnung,
  • 1:04 - 1:09
    denn sie war verliebt, in einen anderen
    syrischen Flüchtling namens Bassem.
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    Bassem hatte auch Probleme
    in Ägypten und sagte zu Doaa:
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    "Lass uns nach Europa gehen,
    Asyl beantragen, in Sicherheit leben.
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    Ich arbeite, du kannst studieren --
    die Möglichkeit eines neuen Lebens."
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    Er hielt bei ihrem Vater um ihre Hand an.
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    Doch um nach Europa zu kommen,
    mussten sie ihr Leben riskieren,
  • 1:32 - 1:35
    das Mittelmeer überqueren,
  • 1:35 - 1:40
    ihr Leben grausamen
    Schmugglern anvertrauen.
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    Doaa hatte schreckliche Angst vor Wasser.
  • 1:45 - 1:48
    Sie hatte nie schwimmen gelernt.
  • 1:50 - 1:55
    Im August dieses Jahres
    waren bereits 2000 Menschen
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    beim Versuch, das Mittelmeer
    zu überqueren, gestorben.
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    Aber Doaa kannte jemanden,
    der es bis Nordeuropa geschafft hatte
  • 2:01 - 2:03
    und dachte: "Vielleicht
    können wir das auch."
  • 2:04 - 2:07
    Also fragte sie ihre Eltern um Erlaubnis.
  • 2:07 - 2:10
    Nach einer schmerzhaften
    Diskussion sagten sie "Ja"
  • 2:10 - 2:17
    und Bassem zahlte all seine Ersparnisse,
    2500 Dollar pro Person,
  • 2:17 - 2:18
    an die Schmuggler.
  • 2:19 - 2:22
    Samstag Morgen kam der Anruf
  • 2:22 - 2:27
    und sie wurden mit dem Bus
    zum überfüllten Strand gebracht.
  • 2:27 - 2:31
    Kleine Boote brachten sie
    auf ein altes Fischerboot.
  • 2:31 - 2:34
    500 Menschen;
  • 2:34 - 2:36
    300 unter Deck, [200] oben.
  • 2:37 - 2:44
    Es waren Syrer, Palästinenser,
    Afrikaner, Muslime, Christen, 100 Kinder,
  • 2:44 - 2:47
    darunter die kleine 6-jährige Sandra --
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    und Masa, 18 Monate alt.
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    Da waren Familien an Deck,
    Schulter an Schulter,
  • 2:55 - 2:57
    Fuß an Fuß zusammengedrängt.
  • 2:57 - 3:01
    Doaa hatte ihre Beine
    an die Brust gezogen,
  • 3:01 - 3:03
    während Bassem ihre Hand hielt.
  • 3:04 - 3:07
    Am zweiten Tag auf See
    waren sie krank vor Sorge
  • 3:07 - 3:10
    und seekrank vom Auf und Ab des Bootes.
  • 3:11 - 3:14
    Am dritten Tag hatte Doaa eine Vorahnung.
  • 3:15 - 3:20
    Sie sagte zu Bassem:
    "Ich fürchte, wir schaffen es nicht.
  • 3:20 - 3:22
    Ich fürchte, das Boot wird sinken."
  • 3:23 - 3:26
    Und Bassem sagte zu ihr:
    "Bitte hab Geduld.
  • 3:26 - 3:29
    Wir werden nach Schweden gehen,
    wir werden heiraten
  • 3:29 - 3:32
    und wir werden eine Zukunft haben."
  • 3:32 - 3:36
    Am vierten Tag wurden
    die Passagiere unruhig.
  • 3:36 - 3:39
    Sie fragten den Kapitän:
    "Wann sind wir da?"
  • 3:39 - 3:42
    Er befahl ihnen still zu sein
    und beschimpfte sie.
  • 3:43 - 3:46
    Er sagte: "In 16 Stunden
    sind wir in Italien."
  • 3:47 - 3:50
    Sie waren schwach und erschöpft.
  • 3:50 - 3:54
    Bald näherte sich ihnen
    ein kleineres Boot, 10 Männer an Bord,
  • 3:54 - 4:00
    die anfingen, Beleidigungen
    zu schreien, Stöcke zu werfen,
  • 4:00 - 4:06
    und sie aufforderten, auf ihr kleineres,
    untauglicheres Boot umzusteigen.
  • 4:06 - 4:09
    Die Eltern hatten schreckliche Angst
    um ihre Kinder,
  • 4:09 - 4:13
    und niemand wollte von Bord gehen.
  • 4:14 - 4:17
    Das Boot schoss davon,
  • 4:17 - 4:22
    kam nach eine halben Stunde
    aber wieder zurück
  • 4:22 - 4:28
    und begann absichtlich ein Loch
    in Doaas Boot zu rammen,
  • 4:28 - 4:30
    genau unterhalb, wo sie und Bassem saßen.
  • 4:32 - 4:35
    Und sie hörte, wie sie riefen:
  • 4:35 - 4:38
    "Sollen die Fische euch fressen!"
  • 4:40 - 4:45
    Und sie lachten, als das Boot sank.
  • 4:46 - 4:49
    Die 300 Leute unter Deck
    hatten keine Chance.
  • 4:50 - 4:54
    Doaa hielt sich an der Reling fest,
    als sie sanken
  • 4:54 - 5:01
    und sah entsetzt zu, wie ein kleines Kind
    von der Schiffsschraube zerfetzt wurde.
  • 5:02 - 5:05
    Bassem sagte zu ihr: "Bitte lass los,
  • 5:05 - 5:08
    sonst tötet der Propeller dich auch."
  • 5:08 - 5:11
    Und erinnern Sie sich --
    sie kann nicht schwimmen.
  • 5:11 - 5:15
    Aber sie ließ los
    und bewegte ihre Arme und Beine,
  • 5:15 - 5:17
    als ob sie schwimmen würde.
  • 5:17 - 5:21
    Wie durch ein Wunder
    fand Bassem einen Rettungsring.
  • 5:22 - 5:24
    Es war einer dieser Kinderringe,
  • 5:24 - 5:28
    mit denen man normalerweise
    in Pools und ruhigem Wasser spielt.
  • 5:28 - 5:30
    Doaa kletterte auf diesen Ring.
  • 5:30 - 5:34
    Ihre Arme und Beine hingen von den Seiten.
  • 5:35 - 5:37
    Bassem war ein guter Schwimmer,
  • 5:37 - 5:41
    deshalb hielt er ihre Hand
    und blieb im Wasser.
  • 5:42 - 5:44
    Um sie herum waren überall Leichen.
  • 5:44 - 5:46
    Es lebten noch 100 Menschen
  • 5:47 - 5:51
    und sie bildeten Gruppen
    und beteten um Hilfe.
  • 5:51 - 5:55
    Doch als der Tag verging und niemand kam,
  • 5:55 - 5:57
    gaben manche die Hoffnung auf,
  • 5:57 - 5:59
    und Doaa und Bassem sahen zu,
  • 5:59 - 6:06
    wie Männer ihre Rettungswesten
    auszogen und im Wasser versanken.
  • 6:07 - 6:13
    Ein Mann kam mit einem 9 Monate alten Baby
    auf den Schultern zu ihnen rüber --
  • 6:13 - 6:15
    Malek.
  • 6:15 - 6:20
    Er hielt sich an einem
    Gaskanister fest und sagte:
  • 6:20 - 6:22
    "Ich fürchte, dass ich
    nicht überleben werde.
  • 6:22 - 6:25
    Ich bin zu schwach. Ich habe
    nicht mehr die Kraft dazu."
  • 6:25 - 6:30
    Er gab Bassem und Doaa die kleine Malek
  • 6:30 - 6:33
    und sie setzten sie auch auf den Ring.
  • 6:34 - 6:39
    Jetzt waren sie zu dritt:
    Doaa, Bassem und Malek.
  • 6:39 - 6:42
    Ich mache hier eine Pause
  • 6:42 - 6:45
    und stellen Ihnen folgende Frage:
  • 6:45 - 6:49
    Wieso gehen Menschen
    wie Doaa solche Risiken ein?
  • 6:51 - 6:56
    Millionen Flüchtlinge leben im Exil.
  • 6:57 - 7:02
    Sie kommen aus Ländern,
  • 7:02 - 7:04
    wo seit 4 Jahren Kriege toben.
  • 7:06 - 7:09
    Selbst wenn sie wollten,
    könnten sie nicht zurück.
  • 7:09 - 7:12
    Ihre Häuser, ihre Geschäfte,
  • 7:12 - 7:15
    ihre Dörfer und Städte
    wurden komplett zerstört.
  • 7:15 - 7:18
    Diese Stadt ist ein UNESCO-Weltkulturerbe.
  • 7:18 - 7:20
    Das hier ist Homs in Syrien.
  • 7:21 - 7:26
    Nun fliehen sie also in Nachbarländer
  • 7:26 - 7:29
    und wir bauen für sie Lager in der Wüste.
  • 7:29 - 7:33
    Hunderttausende Menschen
    leben in solchen Camps,
  • 7:33 - 7:38
    und viele Tausende mehr,
    Millionen, leben in Städten.
  • 7:38 - 7:40
    Und die Gemeinden,
  • 7:40 - 7:42
    die sie früher mit offenen Armen
  • 7:42 - 7:44
    willkommen geheißen haben,
  • 7:44 - 7:46
    sind überfordert.
  • 7:47 - 7:51
    Es gibt einfach nicht genug Schulen,
    Nahrung, Sanitäranlagen.
  • 7:52 - 7:55
    Selbst reiche europäische Länder
  • 7:55 - 8:00
    schaffen das nicht, ohne
    massive Investitionen zu tätigen.
  • 8:01 - 8:06
    Der Syrienkrieg vertrieb 4 Mio. Menschen
  • 8:06 - 8:11
    und mehr als 7 Mio. sind noch
    auf der Flucht im eigenen Land.
  • 8:11 - 8:15
    Das heißt, dass über
    die Hälfte der Bevölkerung
  • 8:15 - 8:17
    flüchten musste.
  • 8:18 - 8:22
    Und zurück zu den Ländern,
    die so viele aufnehmen.
  • 8:23 - 8:28
    Sie finden, dass die reichere Welt
    zu wenig tut, um zu helfen.
  • 8:29 - 8:34
    Tage wurden zu Monaten,
    Monate zu Jahren.
  • 8:34 - 8:38
    Ein Campaufenthalt sollte
    eigentlich vorübergehend sein.
  • 8:38 - 8:41
    Zurück zu Doaa und Bassem im Wasser.
  • 8:41 - 8:46
    Am zweiten Tag im Wasser
    wurde Bassem sehr schwach.
  • 8:47 - 8:51
    Jetzt musste Doaa zu Bassem sagen:
  • 8:51 - 8:55
    "Liebster, bitte halt dich an
    unserer Hoffung, unserer Zukunft fest.
  • 8:55 - 8:57
    Wir schaffen das."
  • 8:57 - 9:00
    Und er antwortete:
  • 9:00 - 9:05
    "Es tut mir leid, dich hierher
    gebracht zu haben, Liebste.
  • 9:05 - 9:09
    Ich habe nie jemanden
    so sehr geliebt wie dich."
  • 9:11 - 9:14
    Und damit ließ er sich ins Wasser sinken
  • 9:14 - 9:21
    und Doaa sah zu, wie die Liebe
    ihres Lebens vor ihren Augen ertrank.
  • 9:24 - 9:26
    Später an diesem Tag
  • 9:26 - 9:32
    schwamm eine Mutter zu Doaa,
    mit ihrer 18 Monate alten Tochter, Masa.
  • 9:33 - 9:36
    Das war das kleine Mädchen
    auf dem Bild zuvor,
  • 9:36 - 9:38
    mit der Schwimmweste.
  • 9:38 - 9:40
    Ihre ältere Schwester Sandra
    war gerade ertrunken
  • 9:40 - 9:44
    und ihre Mutter wusste, sie musste
    alles in ihrer Macht stehende tun,
  • 9:44 - 9:45
    um ihre Tochter zu retten.
  • 9:46 - 9:50
    Sie sagte zu Doaa: "Bitte nimm das Kind.
  • 9:50 - 9:54
    Kümmer dich um sie.
    Ich werde nicht überleben."
  • 9:55 - 9:58
    Dann schwamm sie weg und ertrank.
  • 10:00 - 10:04
    Nun hatte die 19-jährige Dooa,
  • 10:04 - 10:06
    die nicht schwimmen konnte,
  • 10:06 - 10:12
    plötzlich zwei kleine Kinder im Arm.
  • 10:12 - 10:15
    Sie waren durstig, hungrig und aufgewühlt.
  • 10:15 - 10:18
    Sie tat ihr Bestes, um sie zu unterhalten.
  • 10:18 - 10:22
    Sie sang ihnen vor,
    zitierte aus dem Koran.
  • 10:23 - 10:28
    Um sie herum blähten die Körper
    sich auf und wurden schwarz.
  • 10:28 - 10:29
    Am Tag brannte die Sonne.
  • 10:29 - 10:32
    In der Nacht schien der Mond,
    und es war kalt und neblig.
  • 10:32 - 10:34
    Es war sehr beängstigend.
  • 10:35 - 10:40
    Am vierten Tag im Wasser
    sah Doaa wahrscheinlich so aus,
  • 10:40 - 10:42
    auf dem Ring mit den zwei Kindern.
  • 10:42 - 10:45
    Am selben Tag schwamm
    eine Frau auf sie zu
  • 10:45 - 10:49
    und bat sie,
    ein weiteres Kind zu nehmen --
  • 10:49 - 10:52
    einen kleinen Jungen, erst vier Jahre alt.
  • 10:53 - 10:57
    Als Doaa den kleinen Jungen zu sich nahm
    und die Mutter im Wasser versank,
  • 10:57 - 10:59
    sagte sie zu dem weinenden Kind:
  • 10:59 - 11:02
    "Sie ist nur gegangen, um nach
    Essen und Wasser zu suchen."
  • 11:04 - 11:06
    Aber sein Herz hörte bald auf zu schlagen
  • 11:06 - 11:10
    und Doaa musste den kleinen
    ins Wasser sinken lassen.
  • 11:11 - 11:13
    Später an diesem Tag
  • 11:13 - 11:16
    schaute sie hoffnungsvoll zum Himmel,
  • 11:16 - 11:20
    weil sie dort zwei Flugzeuge sah.
  • 11:20 - 11:25
    Sie wedelte mit ihren Armen,
    in der Hoffnung, man würde sie sehen,
  • 11:25 - 11:27
    aber die Flugzeuge waren schnell weg.
  • 11:27 - 11:30
    Aber an diesem Nachmittag,
    gerade als die Sonne unterging,
  • 11:30 - 11:33
    sah sie ein Boot, ein Handelsschiff,
  • 11:34 - 11:38
    und sie sagte: "Bitte, Gott, lass sie
    mich entdecken und retten."
  • 11:38 - 11:42
    Sie wedelte mit ihren Armen
    und schrie gefühlte zwei Stunden lang.
  • 11:42 - 11:47
    Es wurde Nacht, aber letztendlich
    wurde sie von den Suchlichtern entdeckt.
  • 11:47 - 11:49
    Sie warfen ein Seil hinunter
  • 11:49 - 11:54
    und waren erstaunt, eine Frau
    mit zwei Babys um den Hals zu sehen.
  • 11:55 - 11:58
    Sie zogen sie ins Boot, versorgten sie
    mit Sauerstoff und Decken,
  • 11:58 - 12:01
    und ein griechischer Hubschrauber
    holte sie ab
  • 12:01 - 12:03
    und brachte sie auf die Insel Kreta.
  • 12:04 - 12:08
    Aber Doaa schaute an sich herunter
    und fragte: "Was ist mit Malek?"
  • 12:08 - 12:12
    Und sie sagten ihr, das kleine Baby
    habe nicht überlebt --
  • 12:12 - 12:15
    sie machte ihren letzten Atemzug
    in der Krankenstation des Bootes.
  • 12:16 - 12:22
    Aber Doaa war sich sicher, als sie
    auf das Rettungsboot geholt wurden,
  • 12:22 - 12:25
    hatte sie das kleine Mädchen
    noch angelächelt.
  • 12:27 - 12:33
    Nur elf Menschen überlebten
    dieses Unglück, 11 von 500.
  • 12:34 - 12:39
    Es gab nie eine internationale
    Untersuchung darüber, was passiert war.
  • 12:39 - 12:43
    Es gab einige Medienberichte
    über Massenmörder auf hoher See,
  • 12:43 - 12:44
    eine schreckliche Tragödie,
  • 12:44 - 12:47
    aber das war nur für einen Tag.
  • 12:47 - 12:51
    Der Nachrichtenzirkus wanderte weiter.
  • 12:53 - 12:57
    In der Zwischenzeit
    schwebte die kleine Masa
  • 12:57 - 13:00
    in einem Kinderkrankenhaus auf Kreta
    zwischen Leben und Tod.
  • 13:02 - 13:05
    Sie war stark dehydriert,
    ihre Nieren funktionierten nicht.
  • 13:05 - 13:08
    Ihre Blutzuckerwerte
    waren gefährlich niedrig.
  • 13:08 - 13:11
    Die Ärzte taten alles in ihrer
    Macht stehende, um sie zu retten,
  • 13:11 - 13:15
    und die griechischen Krankenschwestern
    verließen nie ihr Krankenbett.
  • 13:15 - 13:17
    Sie hielten sie,
    umarmten sie, sangen ihr vor.
  • 13:17 - 13:22
    Meine Kollegen besuchten sie auch
    und sagten ihr schönen Worte auf Arabisch.
  • 13:22 - 13:27
    Und erstaunlicherweise
    überlebte die kleine Masa.
  • 13:28 - 13:34
    Bald darauf berichteten die griechischen
    Medien über das "Wunderbaby",
  • 13:34 - 13:40
    das vier Tage im Wasser
    ohne Essen und Trinken überlebte
  • 13:40 - 13:45
    und aus dem ganzen Land
    kamen Adoptionsangebote.
  • 13:45 - 13:49
    In der Zwischenzeit war Doaa in
    einem anderen Krankenhaus auf Kreta,
  • 13:49 - 13:50
    abgemagert, dehydriert.
  • 13:52 - 13:57
    Ein ägyptische Familie nahm sie nach
    ihrer Entlassung bei sich zu Hause auf.
  • 13:58 - 14:03
    Und bald sprach es sich herum,
    dass Doaa überlebt hatte,
  • 14:03 - 14:06
    und eine Telefonnummer wurde
    auf Facebook veröffentlicht.
  • 14:07 - 14:10
    Bald kamen Nachrichten herein.
  • 14:11 - 14:16
    "Doaa, weißt du, was mit
    meinem Bruder geschehen ist?
  • 14:16 - 14:20
    Meiner Schwester?
    Meinen Eltern? Meinen Freunden?
  • 14:20 - 14:23
    Weißt du, ob sie überlebt haben?"
  • 14:23 - 14:27
    Eine dieser Nachrichten lautete:
  • 14:27 - 14:31
    "Ich glaube, du hast meine
    kleine Nichte, Masa, gerettet."
  • 14:32 - 14:35
    Mit diesem Bild angehängt.
  • 14:36 - 14:38
    Die Nachricht kam von Masas Onkel,
  • 14:38 - 14:41
    einem syrischen Flüchtling,
    der es mit seiner Familie
  • 14:41 - 14:45
    nach Schweden geschafft hatte,
    und auch Masas ältere Schwester.
  • 14:46 - 14:51
    Wir hoffen, dass wir Masa bald mit
    ihrer Familie in Schweden vereinen können
  • 14:51 - 14:57
    und bis dahin kümmert man sich in
    einem tollen Waisenhaus in Athen um sie.
  • 14:58 - 15:04
    Und Doaa? Es hat sich herumgesprochen,
    dass sie auch überlebt hat.
  • 15:05 - 15:09
    Die Medien schrieben über
    diese zierliche Frau
  • 15:09 - 15:13
    und konnten sich nicht vorstellen,
    wie sie die ganze Zeit
  • 15:13 - 15:16
    unter diesen Bedingungen
    auf hoher See überleben
  • 15:16 - 15:19
    und auch noch ein anderes Leben
    retten konnte.
  • 15:20 - 15:23
    Die Akademie von Athen,
  • 15:23 - 15:26
    eine der renommiertesten
    griechischen Institutionen,
  • 15:26 - 15:29
    überreichte ihr einen Preis für Mut,
  • 15:29 - 15:32
    und sie verdient all dieses Lob,
  • 15:32 - 15:35
    und sie verdient eine zweite Chance.
  • 15:36 - 15:39
    Aber sie will immer noch nach Schweden.
  • 15:39 - 15:42
    Sie möchte sich mit ihrer Familie treffen.
  • 15:42 - 15:46
    Sie möchte ihre Mutter, ihren Vater
    und ihre jüngeren Geschwister
  • 15:46 - 15:48
    aus Ägypten zu sich holen,
  • 15:48 - 15:51
    und ich glaube, sie wird es schaffen.
  • 15:51 - 15:54
    Sie möchte Anwältin
    oder Politikerin werden,
  • 15:54 - 15:59
    oder etwas, das dabei hilft,
    Ungerechtigkeit zu bekämpfen.
  • 15:59 - 16:02
    Sie ist eine außergewöhnliche Überlebende.
  • 16:03 - 16:06
    Aber ich frage mich:
  • 16:06 - 16:09
    Was, wenn sie nicht dieses Risiko
    auf sich nehmen müsste?
  • 16:09 - 16:11
    Warum musste sie das alles durchleben?
  • 16:11 - 16:16
    Warum gab es keinen legalen Weg
    für sie, in Europa zu studieren?
  • 16:16 - 16:21
    Warum konnte Masa nicht im Flugzeug
    nach Schweden kommen?
  • 16:21 - 16:23
    Warum konnte Bassem keine Arbeit finden?
  • 16:24 - 16:27
    Warum gibt es
    kein Massenumsiedlungsprogramm
  • 16:27 - 16:30
    für syrische Flüchtlinge,
  • 16:30 - 16:33
    den Opfern des schlimmsten
    Krieges unserer Zeit?
  • 16:34 - 16:39
    Die Welt tat dies für die Vietnamesen
    in den 1970ern. Warum nicht auch jetzt?
  • 16:41 - 16:45
    Warum wird so wenig in
    die Nachbarländer investiert,
  • 16:45 - 16:48
    die so viele Flüchtlinge aufnehmen?
  • 16:49 - 16:52
    Aber meine eigentliche Frage ist:
  • 16:52 - 16:58
    Warum wird so wenig getan,
    die Kriege, die Verfolgung
  • 16:58 - 17:03
    und die Armut zu stoppen,
  • 17:03 - 17:06
    die so viele Menschen nach Europa treibt?
  • 17:06 - 17:09
    Solange diese Probleme nicht gelöst sind,
  • 17:09 - 17:12
    werden die Menschen
    weiterhin Richtung Meer strömen
  • 17:12 - 17:15
    und nach Sicherheit und Asyl suchen.
  • 17:16 - 17:18
    Und was passiert als Nächstes?
  • 17:18 - 17:21
    Nun ja, das ist größtenteils
    Europa überlassen.
  • 17:21 - 17:24
    Ich verstehe die Ängste der Menschen.
  • 17:25 - 17:31
    Sie sorgen sich um ihre Sicherheit,
    die Wirtschaft, den Kulturwandel.
  • 17:32 - 17:36
    Aber was ist wichtiger
    als Leben zu retten?
  • 17:37 - 17:40
    Denn hier ist etwas Grundlegendes,
  • 17:40 - 17:42
    das, meiner Meinung nach,
    über allem Anderen steht,
  • 17:42 - 17:46
    und das ist unser gemeinsames Menschsein.
  • 17:47 - 17:51
    Keiner, der vor Krieg
    oder Verfolgung flüchtet,
  • 17:51 - 17:56
    sollte auf der Suche nach Sicherheit
    auf dem Meer sterben müssen.
  • 17:56 - 18:03
    (Applaus)
  • 18:03 - 18:04
    Eines ist klar:
  • 18:04 - 18:07
    Kein Flüchtling wäre auf diesen
    gefährlichen Booten,
  • 18:07 - 18:09
    wenn es ihnen dort,
    wo sie sind, gut gehen würde.
  • 18:10 - 18:13
    Und kein Migrant nähme
    diese gefährliche Reise auf sich,
  • 18:13 - 18:17
    wenn sie genug Essen für sich
    und ihre Kinder hätten.
  • 18:17 - 18:19
    Niemand würde sein ganzes Erspartes
  • 18:19 - 18:22
    in die Hände von diesen
    berüchtigten Schmugglern geben,
  • 18:22 - 18:25
    wenn es einen legalen Weg gäbe.
  • 18:25 - 18:29
    Im Namen der kleinen Masa
  • 18:29 - 18:31
    und im Namen von Doaa
  • 18:31 - 18:33
    und Bassem,
  • 18:33 - 18:38
    und von den 500 Menschen,
    die mit ihnen untergingen,
  • 18:38 - 18:41
    können wir sicherstellen,
    dass sie nicht vergebens starben?
  • 18:42 - 18:46
    Können wir nicht inspiriert
    von dem sein, was geschehen ist,
  • 18:46 - 18:52
    und für eine Welt einstehen,
    in der jedes Leben zählt?
  • 18:53 - 18:54
    Vielen Dank.
  • 18:54 - 19:01
    (Applaus)
Title:
Ein Boot mit 500 Flüchtlingen sank. Hier die Geschichte zweier Überlebender
Speaker:
Melissa Fleming
Description:

Eine junge Frau, die an Bord eines überladenen Schiffes war, das 500 Flüchtlinge auf sich trug, wird zu einer unwahrscheinlichen Heldin. Diese einzelne, eindringliche Geschichte, erzählt von Melissa Fleming vom Flüchtlingskommissariat der UN, gibt der schieren Anzahl von Menschen, die versuchen, in ein besseres Leben fliehen ... so wie die Flüchtlingsschiffe kommen ... ein menschliches Gesicht.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
19:15

German subtitles

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